C-758/21 P – Ryanair und Airport Marketing Services

C-758/21 P – Ryanair und Airport Marketing Services

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:274

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 30. März 2023(1)

Rechtssache C758/21 P

Ryanair DAC,

Airport Marketing Services Ltd

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Von Österreich zugunsten des Flughafens Klagenfurt, Ryanair und anderen diesen Flughafen nutzenden Fluggesellschaften durchgeführte Beihilfen – Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts – Art. 17 der Verordnung (EU) 2015/1589 – Für die Berechnung der zurückzufordernden Beihilfen relevante Daten“

1.        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Ryanair DAC und die Airport Marketing Services Ltd (im Folgenden: AMS und, gemeinsam, Rechtsmittelführerinnen) die Aufhebung des Urteils des Gerichts vom 29. September 2021, Ryanair u. a./Kommission (T‑448/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:626) (im Folgenden: angefochtenes Urteil). Mit diesem Urteil wurde die Klage der Rechtsmittelführerinnen auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2018/628 der Kommission(2), soweit er sie betraf, abgewiesen.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2.        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist im angefochtenen Urteil in den Rn. 1 bis 39 dargestellt. Für die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittels lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.

3.        Ryanair ist eine Fluggesellschaft und AMS ist ihre Tochtergesellschaft, die Lösungen im Bereich der Marketingstrategie anbietet, wobei der Hauptteil ihrer Tätigkeit im Verkauf von Werbeflächen auf der Ryanair-Website besteht. Der Flughafen Klagenfurt (Österreich, im Folgenden: Flughafen) befindet sich am Rande dieser Stadt, der Hauptstadt des Bundeslandes Kärnten. Die Eigentümerin und Betreiberin des Flughafens ist die Kärntner Flughafen Betriebsgesellschaft mbH (im Folgenden: KFBG). Die endgültigen Eigentümer der Anteile an der KFBG sind seit jeher Behörden oder öffentliche Einrichtungen. Die KFBG hat eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die Destinations Management GmbH (im Folgenden: DMG), die verschiedene Dienstleistungen für den Flughafen erbringt. Die DMG erbrachte insbesondere Beratungsdienstleistungen, um Fluggesellschaften als Kundinnen für den Flughafen zu gewinnen, und schloss mehrere Vereinbarungen, nach denen die Fluggesellschaften erhebliche Geldbeträge für Marketingdienstleistungen erhielten.

4.        Am 22. Januar 2002 wurden vier Vereinbarungen geschlossen. Erstens schlossen die KFBG und Ryanair eine Vereinbarung über Flughafendienstleistungen (im Folgenden: Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002). Diese Vereinbarung trat am 27. Juni 2002 für einen Zeitraum von fünf Jahren in Kraft und sah eine automatische Verlängerung um weitere fünf Jahre vor, sofern Ryanair ihren Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung in vollem Umfang gerecht werden würde. Laut dieser Vereinbarung verpflichtete sich Ryanair, zwischen dem 27. Juni 2002 und dem 26. Juni 2007 zumindest einmal täglich Flugdienste zwischen dem Flughafen und dem Flughafen London-Stansted für eine Pauschalgebühr pro Flug anzubieten. Außerdem sollte Ryanair einen Pauschalbetrag pro abfliegendem Fluggast als Flughafengebühr sowie einen Pauschalbetrag pro abfliegendem Fluggast als Sicherheitsgebühr erheben und diese Gebühren an den Flughafen abführen. Die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002 führte die verschiedenen Dienstleistungen, die der Flughafen an Ryanair erbringen sollte, im Einzelnen auf und sah bestimmte weitere Zahlungen an den Flughafen vor.

5.        Zweitens schlossen die DMG und die Leading Verge.com Limited (im Folgenden: LV), die später zur FR Financing (Malta) Ltd (im Folgenden: FR Financing) wurde und inzwischen aufgelöst ist, eine Vereinbarung über Marketingdienstleistungen (im Folgenden: Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und LV). Diese Vereinbarung trat am selben Tag in Kraft, sollte am 26. Juni 2007 enden und sich automatisch um weitere fünf Jahre verlängern, sofern LV ihren Verpflichtungen aus der Vereinbarung in vollem Umfang gerecht werden würde. Laut dieser Vereinbarung beauftragte die DMG LV gegen einen jährlichen Pauschalbetrag, einen Werbeplan aufzustellen, Links zur DMG-Website zu schalten sowie weitere Öffentlichkeitsarbeit zu erbringen.

6.        Drittens schlossen die DMG und AMS eine weitere Marketingvereinbarung (im Folgenden: Marketingvereinbarung zwischen der DMG und AMS von 2002). Diese Vereinbarung, die am selben Tag für einen Zeitraum von fünf Jahren in Kraft trat, sah die Möglichkeit einer Verlängerung um weitere fünf Jahre vor. Laut dieser Vereinbarung beauftragte die DMG AMS, gegen ein jährliches Entgelt bis spätestens zum 1. Mai 2002 auf der Website www.ryanair.com zwei Links zu von der DMG ausgewählten Websites zu schalten und zu betreiben, um die Attraktionen des Bundeslands Kärnten hervorzuheben. Diese Vereinbarung sah auch vor, dass AMS unter Umständen zusätzliche Dienstleistungen erbringen können sollte.

7.        Viertens wurde eine Zusatzvereinbarung zur Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und LV (im Folgenden: Zusatzvereinbarung von 2002) geschlossen, die am selben Tag in Kraft trat. Es wurde vereinbart, dass in Bezug auf die Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und LV eine weitere Zahlung für zusätzliche, verstärkte Marketingmaßnahmen während der Laufzeit dieser Vereinbarung von der DMG an LV zu leisten war.

8.        Die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002, die Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und LV und die Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und AMS (im Folgenden gemeinsam: Vereinbarungen von 2002) endeten am 25. Oktober 2005, als Ryanair seine Passagierflugdienste zwischen dem Flughafen und dem Flughafen London-Stansted einstellte.

9.        Am 23. August 2006 schlossen KFBG und Ryanair eine neue Vereinbarung über Flughafendienstleistungen (im Folgenden: Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2006). Diese Vereinbarung betraf einen dreimal pro Woche erfolgenden Flugdienst zum Flughafen London-Stansted, der zwischen dem 19. Dezember 2006 und dem 21. April 2007 zu betreiben war. Ryanair war verpflichtet, die offiziellen Entgelte des Flughafens Klagenfurt zu entrichten. Aufgrund einer Incentive-Regelung wurde Ryanair je abfliegendem Fluggast im neuen Linienverkehrsangebot ein Incentive in Höhe von 7,62 Euro gewährt.

10.      Am 21. Dezember 2006 schlossen die DMG und AMS eine neue Vereinbarung über Marketingdienstleistungen (im Folgenden: Marketingvereinbarung von 2006), die am 28. Februar 2007 in Kraft trat. Die Marketingvereinbarung von 2006 war mit der Verpflichtung von Ryanair verbunden, die durch die im vorstehenden Absatz genannten Vereinbarung vorgesehenen Flüge durchzuführen. AMS war verpflichtet, ein jährliches Marketingpaket zu erbringen, das insbesondere der Förderung des Reiseziels Klagenfurt/Kärnten diente.

11.      Die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2006 und die Marketingvereinbarung von 2006 (im Folgenden gemeinsam: Vereinbarungen von 2006) waren bis zum 21. April 2007 anwendbar.

12.      Infolge einer durch einen Wettbewerber von Ryanair auf dem europäischen Markt für den Personen-Luftverkehr eingereichten Beschwerde, in der geltend gemacht wurde, Ryanair habe u. a. von dem Bundesland Kärnten, der Stadt Klagenfurt, der Kärnten Werbung Marketing & Innovationsmanagement GmbH und dem Flughafen Klagenfurt über die KFBG rechtswidrige staatliche Beihilfen erhalten, leitete die Kommission die Beschwerde am 11. Oktober 2007 an die Republik Österreich weiter und erbat weitere Auskünfte. Mit Schreiben vom 15. November 2010 und vom 24. März 2011 ersuchte die Kommission Österreich um zusätzliche Auskünfte. Am 8. April 2011 erbat die Kommission weitere Auskünfte von Ryanair, die anschließend an Österreich weitergeleitet wurden, das daraufhin dazu Stellung nahm.

13.      Am 22. Februar 2012 teilte die Kommission Österreich ihren Beschluss mit, das Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, insbesondere in Bezug auf die Vereinbarungen von 2002 und 2006 mit Ryanair(3).

14.      Mit Schreiben vom 29. Mai und vom 20. Juli 2012 beantragte der Rechtsbeistand von Ryanair insbesondere Zugang zur Verwaltungsakte, was die Kommission ablehnte.

15.      Mit Schreiben vom 24. Februar 2014 ersuchte die Kommission Österreich um weitere Auskünfte bezüglich einer am 22. Januar 2002 zwischen dem Flughafen und Ryanair geschlossenen Marketingvereinbarung, auf das Österreich am 11. Juni 2014 antwortete.

16.      Am 23. Juli 2014 beschloss die Kommission, das Prüfverfahren auszuweiten.

17.      Im angefochtenen Beschluss kam die Kommission insbesondere zu dem Schluss, dass die Republik Österreich Ryanair durch die Vereinbarungen von 2002 und 2006 rechtswidrige Beihilfen gewährt habe, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Sie bestimmte die rückforderbaren Beihilfebeträge auf Grundlage des negativen Teils des zum Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Vereinbarungen erwarteten jährlichen inkrementellen Zahlungsstroms für jedes Jahr, in dem diese Vereinbarungen gegolten haben. Sie stellte die gesamtschuldnerische Haftung der Rechtsmittelführerinnen für die vollständige Rückzahlung des Nennbetrags der im Rahmen der in Rede stehenden Vereinbarungen erhaltenen Beihilfen in einer vorläufigen Höhe von 1 827 267 bzw. 141 326 Euro fest und ordnete die Rückforderung dieser Beihilfen an.

II.    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18.      Im ersten Rechtszug stützten Ryanair, AMS und FR Financing ihre Klage auf sechs Klagegründe und stellten am 24. August 2018 einen Antrag auf Beweisaufnahme, mit dem sie die Kommission aufforderten, bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Am 25. September 2020 reichten diese Parteien zwei Schriftstücke als zusätzliche Beweise ein (d. h. nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens). Bei diesen beiden Schriftstücken handelte es sich um die Tabelle des Flughafens der geschätzten nicht luftverkehrsbezogenen Einnahmen pro abfliegendem Fluggast für die Flughafendienstleistungsvereinbarungen und die Marketingdienstleistungsvereinbarungen (Anlage E.1) und um eine ungeschwärzte Fassung von Kostendaten in einem Bericht des Wirtschaftsberaters von Ryanair, Oxera, vom 3. November 2014 (Anlage E.2).

19.      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diese Beweise für unzulässig erklärt, da die Klägerinnen im ersten Rechtszug die verspätete Vorlage der zusätzlichen Beweise nicht gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts (im Folgenden: Verfahrensordnung) gerechtfertigt hätten. Das Gericht hat alle geltend gemachten Klagegründe als unbegründet verworfen und die Klage daher insgesamt abgewiesen.

III. Würdigung

20.      Die Rechtsmittelführerinnen machen vier Rechtsmittelgründe geltend.

A.      Zum ersten Rechtsmittelgrund: Zulässigkeit zusätzlicher, von den Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vorgelegter Beweise

21.      Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es zentrale Beweisstücke, die vor Abschluss des mündlichen Verfahrens von ihnen vorgelegt worden seien, als unzulässig zurückgewiesen und daher für seine rechtliche Würdigung nicht berücksichtigt habe. Insbesondere habe das Gericht i) die Art. 85 Abs. 1 bis 3 der Verfahrensordnung zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze missachtet oder nicht ausreichend berücksichtigt und ii) die Rechtsprechung zur Anwendung dieser Bestimmungen nicht beachtet.

22.      Art. 85 der Verfahrensordnung sieht verschiedene Phasen vor, in denen Beweise oder Beweisangebote vorgelegt werden können. Art. 85 Abs. 1 lautet: „Beweise und Beweisangebote sind im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen“ (die allgemeine Regel). Art. 85 Abs. 2 lautet: „Die Hauptparteien können für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist“ (die Abweichung). Art. 85 Abs. 3 lautet: „Sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist, können die Hauptparteien ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor einer Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, Beweise oder Beweisangebote vorlegen“ (die Ausnahme).

23.      Der Gerichtshof hat bereits ausgeführt, dass diese Regeln im Bemühen um eine geordnete Rechtspflege den Grundsätzen des kontradiktorischen Verfahrens und der Waffengleichheit sowie dem Recht auf ein faires Verfahren Rechnung tragen(4). Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass „der Unionsrichter befugt [ist], die Stichhaltigkeit der Begründung für die Verspätung, mit der diese Beweise oder Beweisangebote vorgelegt worden sind, und gegebenenfalls deren Inhalt zu prüfen sowie sie zurückzuweisen, wenn die verspätete Vorlage rechtlich nicht hinreichend gerechtfertigt oder begründet ist“(5).

24.      Diese Passage betraf Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung, und die Rechtsprechung, die der Gerichtshof darin zitiert, bezog sich auf die entsprechende Bestimmung in der früheren Verfahrensordnung(6).

25.      Aus dem Urteil vom 14. April 2005, Gaki-Kakouri/Gerichtshof(7), sowie aus dem Urteil vom 16. September 2020, BP/FRA(8), ergibt sich, dass die vorstehende Argumentation auch für Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung gilt, wobei – da es sich bei Art. 85 Abs. 2 um eine Abweichung und bei Art. 85 Abs. 3 um eine Ausnahme handelt – der letztere Prüfungsmaßstab strenger ist und nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Anwendung findet (siehe Nr. 31 der vorliegenden Schlussanträge).

26.      Zunächst geht das Hauptargument der Rechtsmittelführerinnen dahin, dass das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es die beiden Beweisstücke als unzulässig zurückgewiesen habe, während solche Beweise vom Gericht stets zum Zweck seiner rechtlichen Würdigung zu berücksichtigen seien, „wenn keine zwingenden Gründe dagegensprechen“.

27.      Dieses Vorbringen ist als unbegründet zu verwerfen. Tatsächlich kommt es einer Umkehrung der den Regeln über die Beweisführung vor dem Gericht unterliegenden Logik gleich.

28.      Aus der Gaki-Kakouri-Rechtsprechung geht hervor, dass die Berücksichtigung verspätet vorgelegter Beweise eine Ausnahme darstellt. Außerdem ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass es Sache der Parteien ist, die solche Beweise vorlegen möchten, die Verspätung der Vorlage hinreichend zu rechtfertigen.

29.      Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ist das Gericht daher nicht dazu verpflichtet, verspätet vorgelegte Beweise stets zu berücksichtigen, sofern es nicht feststellt, dass die Zurückweisung dieser Beweise aus „zwingenden Gründen“ notwendig ist (d. h. aufgrund des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens oder dem Konzept eines fairen Verfahrens vor dem Gericht).

30.      Vielmehr obliegt es den Parteien selbst, diese Verspätung zu rechtfertigen.

31.      Wie das Gericht in der Rechtssache TestBioTech u. a./Kommission(9) zutreffend entschieden hat, unterliegt „die Vorlage von Beweisen vor Abschluss des mündlichen Verfahrens … dem doppelten Erfordernis, dass [i)] die Verspätung der Vorlage der Beweise gerechtfertigt ist und dass [ii)] die verspätete Vorlage der Beweise durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt ist. Zur zweiten Zulässigkeitsvoraussetzung [ii)] … ist anzumerken, dass der Ausnahmecharakter einer solchen Vorlage jedenfalls voraussetzt, dass es der Beweisantragstellerin unmöglich war, die in Rede stehenden Schriftstücke vor der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht vorzulegen oder dass eine frühere Vorlage für die Beweisantragstellerin unzumutbar war. Es ist Sache der Partei, die die Schriftstücke dem Gericht vorlegen möchte, nachzuweisen, dass diese Bedingung zum Zeitpunkt der Vorlage der neuen Beweise erfüllt ist“ (Hervorhebung nur hier).

32.      Meines Erachtens kann sich der obige Ansatz des Gerichts (wonach es in bestimmten Situationen Nachweise zur Rechtfertigung einer verspäteten Vorlage von Beweisen verlangt) auf das Urteil des Gerichtshofs in BP/FRA(10) stützen, in dem der Gerichtshof auf die Verpflichtung zur Beibringung solcher Nachweise zur Untermauerung der Rechtfertigung verweist.

33.      In Rn. 47 desselben Urteils weist der Gerichtshof auch darauf hin, dass Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung relativ eng auszulegen ist („nur ausnahmsweise dürfen die Parteien zusätzliche Beweise oder Beweisangebote vorlegen. Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass jede Verspätung der Vorlage solcher Beweise gerechtfertigt sein muss“) (Hervorhebung nur hier).

34.      Im erstinstanzlichen Verfahren machten die Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf die vom Flughafen erhaltene Tabelle der nicht luftverkehrsbezogenen Einnahmen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission in ihrer Gegenerwiderung auf diese Tabelle Bezug genommen habe. Unter Bezugnahme auf ihren Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme erklären sie, dass es schwierig gewesen sei und viel Zeit in Anspruch genommen habe, Informationen vom Flughafen zu erhalten, da die Informationen alt gewesen seien, das Personal am Flughafen gewechselt habe und die Covid‑19-Krise sowohl das Flughafenpersonal als auch die Rechtsmittelführerinnen und ihre Berater betroffen habe. Den Rechtsmittelführerinnen zufolge erhielten sie die Informationen erst „in den letzten Tagen“.

35.      Meines Erachtens liegt es – wie sich aus der oben angeführten Rechtsprechung ableiten lässt – auf der Hand, dass die Rechtsmittelführerinnen in der Lage hätten sein müssen, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass sie sich frühzeitig darum bemüht hätten, die Tabelle vom Flughafen zu erhalten, und dass sie den Flughafen diesbezüglich wiederholt erinnert hätten, nicht zuletzt nach Erhalt der Stellungnahme der Kommission zu den neuen Beweisen (vom 14. Oktober 2020), worin die Kommission u. a. geltend machte, dass die Verspätung nicht gerechtfertigt sei, da die Erklärungen nicht nachprüfbar seien. In Anbetracht des derart beträchtlichen Zeitraums, der zwischen der Gegenerwiderung der Kommission (25. Februar 2019) und der mündlichen Verhandlung (29. September 2020) verstrichen ist, hätten die Rechtsmittelführerinnen Nachweise der oben genannten Art vorlegen müssen, um zu zeigen, dass sie ihre Rechtfertigung gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung belegen hätten können.

36.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelführerinnen solche Nachweise auch im Rechtsmittelverfahren nicht vorgelegt haben.

37.      Ausnahmen sind eng auszulegen, so dass das Gericht, wenn es in Fällen wie dem vorliegenden Zweifel an der von der Partei vorgebrachten Rechtfertigung für die verspätete Vorlage hat, in der Lage sein muss, zumindest eine rudimentäre Überprüfung vorzunehmen und dementsprechend von dieser Partei verlangen darf, ihre Behauptung mit Nachweisen zu belegen.

38.      Tatsächlich hat der Gerichtshof in einer ähnlichen Situation, in der die Partei geltend machte, dass die Verspätung bei der Vorlage von Beweisen im ersten Rechtszug durch ihren schlechten Gesundheitszustand bedingt gewesen sei, bereits entschieden, dass das Gericht dieses Vorbringen zu Recht verworfen hat, da die Partei nicht in der Lage war, ein ärztliches Attest in diesem Sinne vorzulegen(11).

39.      Sodann haben sich die Rechtsmittelführerinnen in der Sitzung auf das Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2022, Qualcomm/Kommission (Qualcomm – Ausschließlichkeitszahlungen) (T‑235/18, EU:T:2022:358), berufen, in dem von Qualcomm verspätet vorgelegte Beweise vom Gericht für zulässig befunden wurden.

40.      Hierzu genügt der Hinweis, dass der vorliegende Fall in mindestens vier wesentlichen Aspekten objektiv nicht mit diesem Fall vergleichbar ist: Tatsächlich ist i) die Rechtfertigung für die verspätete Vorlage eine andere, ii) die in Rede stehenden Schriftstücke sind anderer Art, iii) die Verfahren unterscheiden sich, und iv) der Status der Beweisantragstellerin ist ein anderer. Was i) betrifft, berief sich Qualcomm nicht nur auf Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung, sondern machte auch geltend, dass Art. 85 Abs. 3 in diesem Fall „im Licht von Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung“ auszulegen sei (Gegenbeweis und Erweiterung der Beweisangebote bleiben vorbehalten). Während ich den Ansatz des Gerichts in der Rechtssache Qualcomm für überzeugend halte, genügt hierzu die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall nichts Derartiges geltend gemacht haben (weder im ersten Rechtszug noch im Rechtsmittelverfahren) und eine solche Argumentation auch nicht ausdrücklich oder implizit vorgetragen haben – obwohl die Kommission selbst ausdrücklich auf Art. 92 Abs. 7 eingegangen ist und argumentiert hat, dass diese Bestimmung nicht anwendbar sei. In Bezug auf ii) geht aus diesem Urteil hervor, dass Qualcomm die in Rede stehenden Schriftstücke aus objektiven Gründen nicht erhalten konnte, und das Gericht führt darin im Einzelnen aus (Rn. 134 bis 153), dass die Vorlage der zusätzlichen Beweise nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens insgesamt „durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt“ und daher zulässig gewesen sei. Was iii) angeht, betrifft die Rechtssache Qualcomm das Wettbewerbsrecht, während es im vorliegenden Fall um staatliche Beihilfen geht (siehe Nr. 94 der vorliegenden Schlussanträge). Was iv) betrifft, ist der Beihilfeempfänger in einer Beihilfesache nicht der Beklagte vor dem Gericht.

41.      Schlussendlich berufen sich die Rechtsmittelführerinnen insbesondere auch auf die Urteile in den Rechtssachen Crocs/EUIPO – Gifi Diffusion (Fußbekleidung)(12) und Schmid/EUIPO – Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark (Steirisches Kürbiskernöl)(13). Das Gericht habe diese Rechtsprechung falsch angewandt, aus der folge, dass eine verspätete Vorlage von Beweisen gerechtfertigt sein könne, wenn die Partei zuvor nicht über diese Beweise habe verfügen können, und dass bei der Beurteilung der Rechtfertigung der verspäteten Vorlage zu prüfen sei, ob die in Rede stehenden Beweise bereits im Verwaltungsakt enthalten gewesen seien, auf den der angefochtene Beschluss gestützt worden sei. Sollte dies der Fall sein, sei es in Anbetracht dessen, dass die Beklagte die Beweise vor Erlass ihres Beschlusses bereits berücksichtigt habe, nicht gerechtfertigt, diese Beweise zurückzuweisen.

42.      Es ist darauf hingewiesen, dass dieser Rechtsprechung nicht die Tragweite zukommt, die die Rechtsmittelführerinnen ihr zuschreiben. Tatsächlich hat der Gerichtshof in einer Situation wie der hier in Rede stehenden nicht genauso geurteilt wie oben ausgeführt. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsprechung ihren Ursprung in Rechtsstreitigkeiten über Unionsmarken hat und sich durch gewisse Besonderheiten von Rechtsstreitigkeiten in diesem spezifischen Gebiet des Unionsrechts erklären lässt.

43.      Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Beschluss des Gerichtshofs vom 13. September 2011, Wilfer/HABM(14).

44.      In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof im Wesentlichen festgestellt, dass das Gericht zu Recht darauf hingewiesen hat, dass es gemäß Art. 63 der Verordnung (EG) Nr. 40/94(15) die tatsächlichen Umstände nicht im Licht erstmals vor ihm vorgelegter Beweise überprüfen könne. Die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift gerichtet, und diese Rechtmäßigkeit ist anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Beschwerdekammern im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidungen verfügen konnten (Rn. 40 und 41 des Beschlusses in der Rechtssache Wilfer/HABM).

45.      Außerdem wies der Gerichtshof darauf hin, dass es unstreitig war, dass das Gutachten sowie die Abbildungen der Unionsmarken und der nationalen Marken, die vom Rechtsmittelführer als Beweise geltend gemacht worden sind, erstmals vor dem Gericht und nicht vor der Beschwerdekammer des EUIPO vorgelegt wurden. Das Gericht hat sie daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Diese Zurückweisung hat daher nicht den Anspruch des Rechtsmittelführers auf rechtliches Gehör verletzt (Rn. 42 des Beschlusses in der Rechtssache Wilfer/HABM).

46.      Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass weder aus der Klageschrift im Verfahren vor dem Gericht noch aus dem angefochtenen Urteil hervorging, dass der Rechtsmittelführer vor dem Gericht einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend gemacht hätte, um die Zulässigkeit dieser Beweise zu begründen (Rn. 43 des Beschlusses in der Rechtssache Wilfer/HABM).

47.      Folglich ist die in Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung, auf die sich die Rechtsmittelführerinnen berufen, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, und ihr Vorbringen sollte als unbegründet verworfen werden.

48.      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zu verwerfen.

B.      Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Falsche Auslegung von Art. 17 der Verordnung 2015/1589 und falsche Anwendung von Art. 296 AEUV

1.      Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

49.      Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, dass die Maßnahme der Kommission, d. h. das Auskunftsersuchen, sich gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/1589(16) auf einen spezifischen Gegenstand der Untersuchung beziehen müsse. Das Gericht habe eine ständige Rechtsprechung falsch angewandt, wonach ein Auskunftsersuchen eine spezifische Maßnahme betreffen müsse, damit die Verjährungsfrist nach dieser Vorschrift unterbrochen werde. Ferner habe das Gericht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen.

50.      Im angefochtenen Beschluss werden in Bezug auf die an Ryanair gewährten Beihilfen vier Vereinbarungen von 2002 genannt. Außerdem geht aus dem angefochtenen Urteil hervor, dass es zwischen den Parteien unstreitig war, dass die in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährungsfrist im Hinblick auf alle Vereinbarungen von 2002 am 9. August 2002 zu laufen begann. In diesem Zusammenhang hatten die Rechtsmittelführerinnen im Verwaltungsverfahren und anschließend vor dem Gericht geltend gemacht, dass die Frist von zehn Jahren zum Zeitpunkt, als die Kommission die österreichischen Behörden und Ryanair um Auskünfte über die Vereinbarungen von 2002 ersuchte, bereits ausgelaufen gewesen sei (da diese Ersuchen erst 2015 gestellt worden seien, während die Verjährungsfrist am 8. August 2012 ausgelaufen sei) (Rn. 66 des angefochtenen Urteils). Den Rechtsmittelführerinnen zufolge habe die Kommission frühestens am 31. August 2012 durch ein ihr von Ryanair übermitteltes Schriftstück von den Vereinbarungen von 2002 erfahren, wie es ihre Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren auszuweiten, belege. Die Kommission habe zwischen dem 9. August 2002 und dem 8. August 2012 keine Maßnahme ergriffen, die zur Unterbrechung der Verjährungsfrist geeignet gewesen sei. Vor dem 31. August 2012 sei die Kommission nicht in der Lage gewesen, eine Maßnahme zu ergreifen, die die Verjährungsfrist in Bezug auf die Vereinbarungen von 2002 hätte unterbrechen können. Der Grund hierfür sei, dass eine solche Unterbrechungswirkung voraussetze, dass die Kommission eine „Maßnahme“ im Sinne dieses Artikels „ergreift“, die sich relativ genau auf die in Rede stehende Beihilfe beziehe. Das Gericht habe Art. 17 der Verordnung 2015/1589 falsch ausgelegt, indem es davon ausgegangen sei, dass eine allgemeine Formulierung eine solche Unterbrechungswirkung zur Folge habe.

51.      In ihrem Beschluss vom 22. Februar 2012 über die Einleitung des Prüfverfahrens erklärte die Kommission, dass sie auf Grundlage der ihr verfügbaren Informationen beschlossen habe, in Bezug auf die in Rede stehenden Gesellschaften „die Vereinbarungen von 2002 mit Ryanair“ und die „Vereinbarungen von 2006 mit Ryanair“ zu prüfen. Was die Vereinbarungen von 2002 angeht, ist ersichtlich, dass es eine Kooperationsvereinbarung zwischen der KFBG und Ryanair vom 22. Januar 2002 und eine Marketingvereinbarung zwischen der DMG und LV, ebenfalls vom 22. Januar 2002, gab. Aus dem Beschluss vom 23. Juli 2014, mit dem die Kommission das förmliche Prüfverfahren ausweitete, geht hervor, dass diese Ausweitung sich auch auf die zwischen der DMG und AMS geschlossene Marketingvereinbarung vom 22. Januar 2002 und auf „die Zusatzvereinbarung zum Marketing-Vertrag zwischen der [DMG] und [LV]“ mit demselben Datum bezog.

52.      Sodann hat das Gericht im angefochtenen Urteil (Rn. 73 bis 77) die verschiedenen Elemente und Auskunftsersuchen, die vor der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens an die österreichischen Behörden und an Ryanair übermittelt worden waren, analysiert und daraus abgeleitet, dass sich alle von ihm analysierten Ersuchen auch auf die Marketingvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und AMS und die Zusatzvereinbarung von 2002 zwischen der DMG und LV bezogen hätten, so dass es sich um Maßnahmen gehandelt habe, die zur Unterbrechung der in der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verjährungsfrist geeignet gewesen seien.

53.      Als Nächstes hat das Gericht in den Rn. 77 bis 79 dieses Urteils festgestellt, dass verschiedene Elemente des in Rede stehenden Beschlusses belegen würden, dass die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002 und „die im Jahr 2002 geschlossenen Marketingverträge“ untrennbar miteinander verbunden seien, so dass die Verjährungsfrist tatsächlich durch die vom Gericht analysierten Auskunftsersuchen unterbrochen worden sei.

54.      Schlussendlich hat das Gericht in den Rn. 80 bis 84 dieses Urteils im Wesentlichen entschieden, dass die Angabe der Zeitpunkte, zu denen die Kommission die Maßnahmen ergriffen habe, die zur Unterbrechung der Verjährungsfrist geeignet gewesen seien, ausgereicht habe, damit sie ihrer Begründungspflicht nachkomme, da die österreichischen Behörden und Ryanair in ihrer Eigenschaft als Adressaten Kenntnis vom Inhalt der Schreiben gehabt hätten, mit denen sie um zusätzliche Auskünfte ersucht worden seien.

55.      Es sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die in Art. 17 vorgesehene Verjährungsfrist durch eine Maßnahme unterbrochen werden kann, die dem Beihilfeempfänger nicht mitgeteilt wurde(17).

56.      Ferner hat er entschieden, dass der Ablauf dieser Frist lediglich die Befugnis der Kommission zur Rückforderung staatlicher Beihilfen in zeitlicher Hinsicht begrenzt und der Fristablauf daher nicht zur Folge haben kann, dass rechtswidrige Beihilfen allein deshalb, weil sie zu bestehenden Beihilfen werden, rückwirkend legalisiert werden(18).

57.      Allerdings scheint der Gerichtshof noch keine ausdrückliche Klarstellung vorgenommen zu haben, wie genau die Informationen sein müssen, die eine von der Kommission im Sinne von Art. 17 ergriffene Maßnahme (wie ein Auskunftsersuchen) enthalten muss, um diese Frist zu unterbrechen.

58.      In diesem Zusammenhang hat das Gericht bislang nur entschieden, dass die Tatsache, „[d]ass es sich um ein einfaches Auskunftsersuchen handelt, … diesem Instrument … nicht seine Rechtswirkung als Maßnahme [nimmt], die geeignet ist, die [im jetzigen Art. 17 der Verordnung 2015/1589] vorgesehene Verjährung zu unterbrechen“(19).

59.      Dies wirft die Frage auf, ob das Gericht – wie die Rechtsmittelführerinnen geltend machen – den Begriff der „Maßnahme“, die geeignet ist, eine Handlung darzustellen, die die in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährungsfrist unterbricht, zu weit ausgelegt hat.

60.      Erstens sieht der Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 vor, dass „[j]ede Maßnahme … bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe … eine Unterbrechung der Frist [darstellt]“.

61.      Aus dem Wortlaut geht klar hervor, dass die Maßnahme „bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe“ erfolgen muss.

62.      Dies bedeutet, dass der Unionsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, der Kommission in dieser Hinsicht einen Blankoscheck auszustellen.

63.      Zweitens besteht der Zweck der Verjährungsfrist darin, Rechtssicherheit zu gewährleisten (siehe Erwägungsgrund 26 der Verordnung 2015/1589), nicht zuletzt in Fällen, in denen die Gewährung rechtswidriger Beihilfen über einen langen Zeitraum hinweg unentdeckt geblieben ist. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn ein Mitgliedstaat nicht erkannt hat, dass eine bestimmte Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt(20). Darüber hinaus wird in der Literatur der Schutz des Wettbewerbs als ein weiterer Zweck der Verjährungsfrist genannt(21).

64.      Einerseits muss die Maßnahme hinreichend spezifisch sein, um zu vermeiden, dass der Kommission dieser Blankoscheck in die Hand gegeben wird und es zu einer Situation kommt, in der regelmäßig standardisierte Auskunftsersuchen an Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger gesandt werden können und so die Verjährungsfrist von zehn Jahren leicht umgangen würde. Eine solche Auslegung würde – wie die Rechtsmittelführerinnen zutreffend ausführen – dem Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit zuwiderlaufen, die dem Beihilfeempfänger (und dem Mitgliedstaat) zustehen(22). Meines Erachtens ist auch zu berücksichtigen, dass zehn Jahre für jedes Unternehmen (oder jeden Mitgliedstaat) bereits ein beträchtlicher Zeitraum sind, während dessen mit möglichen Anordnungen zur Rückforderung von Beihilfen gerechnet werden muss. Diese Ungewissheit stellt für jedes Unternehmen auch eine wirtschaftliche Belastung dar.

65.      Andererseits benötigt die Kommission einen ausreichenden Zeitraum, um ihre Untersuchungen durchführen zu können. Eine vollständige Spezifizierung der beihilferechtlich zu prüfenden Maßnahme kann nicht verlangt werden. Dies würde eine übermäßig hohe Hürde für die Kommission darstellen. Jegliche Untersuchung ist zunächst durch ein Informationsgefälle zwischen dem Mitgliedstaat oder dem Beihilfeempfänger und der Kommission gekennzeichnet.

66.      Was drittens den Inhalt und das Maß an Bestimmtheit eines Auskunftsersuchens angeht, das geeignet ist, die Verjährungsfrist zu unterbrechen, geht aus der Verordnung 2015/1589 klar hervor, dass die Kommission, wenn sie über Informationen über eine mutmaßlich rechtswidrige Beihilfe oder eine missbräuchliche Anwendung einer Beihilfe verfügt, berechtigt ist, insbesondere von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte anzufordern. Der Mitgliedstaat hat der Kommission alle sachdienlichen Auskünfte zu übermitteln, damit diese im Rahmen der vorläufigen Prüfung oder des förmlichen Prüfverfahrens einen Beschluss erlassen kann(23).

67.      Die Tatsache, dass das Auskunftsersuchen ein Instrument ist, das es der Kommission ermöglicht, sachdienliche bzw. erforderliche Auskünfte einzuholen, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 9, 10, 24 und 36 sowie aus Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 12 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589.

68.      Da die Unionsgerichte bereits über eine Reihe von Schlüsselkriterien von Auskunftsverlangen nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003(24) und insbesondere über das Kriterium der „Erforderlichkeit“ entschieden haben, ist diese Rechtsprechung mutatis mutandis auf die Auslegung von Auskunftsersuchen nach der Verordnung 2015/1589 anwendbar. Art. 18 der Verordnung 1/2003 mit dem Titel „Auskunftsverlangen“ sieht nämlich genau das gleiche Untersuchungsinstrument vor, wie es der Kommission bei der Prüfung staatlicher Beihilfen zur Verfügung steht.

69.      In Anbetracht der in Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 1/2003 genannten Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ haben die Unionsgerichte klargestellt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen darf, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung ermöglichen können(25).

70.      Es muss ein Zusammenhang zwischen den von der Kommission angeforderten Auskünften und der den Untersuchungsgegenstand bildenden Zuwiderhandlung bestehen. Die Kommission muss vernünftigerweise davon ausgehen, dass diese Auskünfte ihr bei der Prüfung, ob diese Zuwiderhandlung tatsächlich vorliegt, nützlich sein werden(26).

71.      Die „Erforderlichkeit“ eines Auskunftsersuchens muss aus der Begründung des Ersuchens hervorgehen. In Bezug auf den Zweck des Auskunftsersuchens hat die Kommission die mutmaßliche Zuwiderhandlung, der sie nachzugehen beabsichtigt, klar, genau und eindeutig zu bezeichnen(27).

72.      Daraus folgt, dass die Begründung eines Auskunftsersuchens weder vage noch allgemein gehalten sein darf, insbesondere wenn die Untersuchung sich nicht mehr in einem sehr frühen Stadium befindet und die Verdachtsmomente für die in Rede stehenden Verstöße mit hinreichender Bestimmtheit dargelegt werden sollten(28).

73.      Diese spezielle Begründungspflicht der Kommission stellt nämlich ein grundlegendes Erfordernis dar, das nicht nur die Berechtigung des Auskunftsersuchens aufzeigt, sondern die betroffenen Unternehmen in die Lage versetzt, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren, und sie gewährleistet, dass die Unionsgerichte eine gerichtliche Kontrolle vornehmen können(29).

74.      Daraus folgt, dass die von der Kommission angeforderten Auskünfte so genau zu bezeichnen sind, wie es die Umstände erlauben.

75.      Meines Erachtens ist wichtig, dass die in Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Unterbrechung der Verjährungsfrist als Ausnahme von der in Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist eng auszulegen ist.

76.      Sodann verlangt Art. 17 Abs. 2, wie vorstehend dargelegt, dass ein schriftliches Auskunftsersuchen der Kommission „bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe“ erfolgen muss, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen, und Art. 18 der Verordnung 1/2003, der entsprechend angewandt werden kann, verlangt, dass Auskunftsverlangen „erforderlich“ sein müssen.

77.      Wie aus der vorstehend dargestellten Übersicht der Rechtsprechung hervorgeht, ist ein Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17(30), der Vorgängerbestimmung von Art. 18 der Verordnung 1/2003, „erforderlich“, wenn „hinreichende Gründe für die Annahme einer Beziehung zwischen dem Verlangen und der vermuteten Zuwiderhandlung sprechen“(31).

78.      Meines Erachtens liegt es auf der Hand, dass derselbe Ansatz für Auskunftsersuchen im Rahmen des Beihilfeverfahrens gelten muss. Das Auskunftsersuchen ist daher „erforderlich“, wenn hinreichende Gründe für die Annahme einer Beziehung zwischen dem Verlangen und der vermuteten rechtswidrigen staatlichen Beihilfe bestehen.

79.      Daraus folgt, dass ein Auskunftsersuchen für die vorläufige Prüfung oder das Verfahren und letztlich für den Erlass des Beschlusses über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe erforderlich sein muss, um die in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/2018 vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist wirksam zu unterbrechen. Daher kann die Kommission beispielsweise kein Auskunftsersuchen stellen, dessen einziger Zweck darin besteht, die Verjährungsfrist künstlich zu verlängern, um die Befugnis zur Rückforderung einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zu wahren(32). Auskunftsersuchen, die alleine diesem Zweck dienen sollen, können für die „Verfolgung der Zuwiderhandlung“ nicht „erforderlich“ sein.

80.      Würde man der Kommission das Recht zuerkennen, durch die Übersendung allgemeiner Auskunftsersuchen, die für die Verfolgung der Zuwiderhandlung nicht erforderlich sind, die Verjährungsfrist zu unterbrechen, würde man ihr letztlich die Möglichkeit einräumen, die Verjährungsfrist über die bereits beträchtliche, in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Grenze von zehn Jahren hinaus systematisch zu verlängern, was diese gegenstandslos machte.

81.      Es sei darauf hingewiesen, dass mein vorstehend dargelegter Ansatz bereits in der Rechtsprechung der Unionsgerichte verfolgt wurde, in der analysiert wurde, ob die Auskunftsverlangen der Kommission nach der Verordnung Nr. 17 die Verjährungsfrist nach der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 unterbrechen konnten(33).

82.      Im vorliegenden Fall hat das Gericht den Wortlaut aller vier Auskunftsersuchen, der von der Kommission gestellten Fragen sowie der von Ryanair erteilten Antworten untersucht. Sodann hat das Gericht die Kriterien geprüft, die es erlauben, festzustellen, ob die einzelnen Verträge, „bezüglich“ derer eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorgenommen werden kann, hinreichend spezifisch bezeichnet wurden. Meines Erachtens erfüllen die Auskunftsersuchen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Unterbrechung der Verjährungsfrist. Sie waren nicht vage und hatten zum Zweck, erforderliche Informationen in Bezug auf die mutmaßlichen Beihilfen zu erlangen.

83.      Unmittelbar damit verbunden ist die Frage nach den Voraussetzungen, unter denen die Verträge als untrennbar miteinander verbunden angesehen werden können. Dies ist für die Feststellung relevant, ob es als unzureichende Bestimmtheit anzusehen ist, dass zwei Vereinbarungen spezifisch bezeichnet wurden, die anderen beiden aber nicht, und somit kein Bezug zu den nicht bezeichneten Vereinbarungen besteht.

84.      Nach Auffassung des Gerichts besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Verträgen, der sich aus dem Maß an wirtschaftlicher Verbindung zwischen den Parteien der Vereinbarungen, aus demselben Zeitpunkt, zu dem diese geschlossen wurden, sowie aus dem Zusammenhang der Vereinbarungen hinsichtlich ihres jeweiligen Gegenstands und ihrer Geschäftsbedingungen ergibt (angefochtenes Urteil, Rn. 77 ff.).

85.      In Anbetracht dieser engen Verbindung wäre eine Aufspaltung der Verträge im Hinblick auf die Unterbrechung der Verjährungsfrist meines Erachtens willkürlich. Die vier Verträge stellen ein wirtschaftliches Konstrukt dar, das insbesondere nur deshalb in vier Verträge untergliedert wurde, weil das Unternehmen selbst in Tochtergesellschaften untergliedert ist. Eine Auftrennung dieser Verbindung würde dementsprechend bedeuten, den tatsächlichen Kontext der Rechtssache außer Acht zu lassen.

86.      Auch wenn das Gericht nicht geprüft hat, ob die in Rede stehenden Auskunftsersuchen dem Kriterium der „Erforderlichkeit“ (auf das ich oben eingegangen bin) entsprechen, geht aus den Schriftstücken, die beim Gericht vorliegen, klar hervor, dass diese Auskunftsersuchen im vorliegenden Fall tatsächlich erforderlich waren, da sie offenkundig eine Verbindung zu den vermuteten rechtswidrigen Beihilfen aufwiesen und für die vorläufige Prüfung sowie schlussendlich für den Erlass des Beschlusses über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfen erforderlich waren.

87.      Meines Erachtens ergibt sich die von mir vorgeschlagene Lösung aus der Auslegung der Verordnung 2015/1589 und hat weder zur Folge, dass der Kommission ein Blankoscheck ausgestellt würde, noch setzt sie einen für die Untersuchungen dieses Organs unerreichbaren Maßstab. Sie stellt somit ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Rechtssicherheit und der Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs her, zwei konkurrierende Grundsätze, die in dieser Verordnung verankert sind (Erwägungsgründe 25 und 26).

88.      Folglich ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zu verwerfen.

2.      Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

89.      Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass das Gericht Art. 296 AEUV falsch angewandt habe, als es die Begründung des angefochtenen Beschlusses für ausreichend erachtet habe, obwohl darin nicht ausdrücklich erläutert worden sei, weshalb die Kommission die Argumente, die die Rechtsmittelführerinnen während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht hätten, nämlich, dass die Verjährungsfrist nach Art. 17 der Verordnung 2015/1589 ausgelaufen sei, verworfen habe.

90.      Im angefochtenen Urteil wird ausgeführt, dass es genüge, die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anzuführen, denen nach dem Aufbau der Entscheidung wesentliche Bedeutung zukomme(34). Außerdem habe die Kommission „[i]n Anbetracht der Tatsache, dass die österreichischen Behörden und Ryanair … Kenntnis vom Inhalt der Schreiben zur Anforderung zusätzlicher Auskünfte hatten, die ihnen die Kommission übermittelt hatte, … nach Art. 296 AEUV nur die Tatsachen anführen müssen, denen nach dem Aufbau der angefochtenen Entscheidung wesentliche Bedeutung zukommt“(35).

91.      Meines Erachtens ist entscheidend, ob die Annahme, dass die Korrespondenz zwischen der Kommission und der Adressatin in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen ist, im Einklang mit den Grundsätzen steht, die in der Rechtsprechung zu Art. 296 AEUV entwickelt wurden.

92.      Wie in Rn. 80 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt wird, hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass „[i]n der Begründung … nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden [brauchen], da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels [296 AEUV] genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet“(36).

93.      Da der „Kontext“ offenkundig auch die gesamte Korrespondenz umfasst, ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, mit dem diese eine falsche Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 296 AEUV geltend machen, im vorliegenden Fall unbegründet.

94.      Es darf nicht vergessen werden, dass das Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen ein Verfahren ist, das gegenüber dem für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaat eingeleitet wird und Beteiligte (einschließlich des Beihilfeempfängers) keinen Anspruch auf eine kontradiktorische Erörterung mit der Kommission haben, wie sie zugunsten dieses Mitgliedstaats eingeleitet wird(37).

95.      Die Kommission war daher nicht verpflichtet, im Einzelnen auf die diesbezüglichen Erklärungen der Rechtsmittelführerinnen einzugehen.

96.      Folglich ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zu verwerfen und dem zweiten Rechtsmittelgrund daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

C.      Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verfälschung von Beweisen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung des Tests des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers

97.      Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass das Gericht bei der Prüfung, ob die Kommission den sogenannten Test des „marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers“ zur Feststellung, ob die Rechtsmittelführerinnen einen Vorteil im Sinne von Art. 107 AEUV erhalten hätten, rechtmäßig angewandt habe, den eindeutigen Sinngehalt der ihm vorgelegten Beweise verfälscht habe. Insbesondere habe das Gericht Beweise verfälscht, die sich auf i) die in einer Vereinbarung über Flughafendienstleistungen zwischen dem Flughafen und Ryanair vereinbarte Sicherheitsgebühr, ii) die Schätzung der inkrementellen Betriebskosten, die für den Flughafen zu erwarten gewesen wären (die Sicherheitsspanne), und iii) den Auslastungsfaktor, auf den sich die Kommission bei ihrer Ex-ante-Beurteilung der Rentabilität gestützt habe, bezogen hätten.

98.      Es ist zu prüfen, ob die von den Rechtsmittelführerinnen angeführten Elemente vom Gericht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs(38) verfälscht wurden und, wenn ja, ob diese Verfälschung die Schlussfolgerung des Gerichts verzerrt hat, wonach die Kommission ihre Feststellung des Bestehens eines Vorteils auf ausreichende und glaubwürdige Informationen und Daten gestützt habe.

99.      Es genügt jedoch nicht, dass die Rechtsmittelführerinnen „alle relevanten Stellen in der Verfahrensakte, angegeben haben, die dem Gerichtshof die Schlussfolgerung erlauben, dass rechtswidrige Verfälschungen erfolgt sind“, da sich die Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben muss, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf(39).

1.      Sicherheitsgebühr

100. Die Rechtsmittelführerinnen verweisen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass die Sicherheitsgebühr Ryanair in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt worden sei, und machen geltend, dass die zu den Akten gereichten Beweise zeigen würden, dass Ryanair nicht nur vertraglich verpflichtet gewesen sei, die Sicherheitsgebühr zu bezahlen, sondern diese auch tatsächlich in Übereinstimmung mit dieser Verpflichtung bezahlt habe. Das Gericht habe die ihm vorgelegten Beweise nicht ordnungsgemäß geprüft.

101. Erstens hat das Gericht in den in Rede stehenden Randnummern des angefochtenen Urteils (Rn. 331 und 332) nicht angegeben, dass diese Gebühr nicht vom Flughafen an Ryanair weitergegeben worden sei. Vielmehr hat es lediglich festgestellt, dass Ryanair diese Gebühr erstattet worden sei.

102. Selbst wenn sich jedoch herausstellen sollte, dass sich aus den von Ryanair angeführten Beweisen offensichtlich ergibt, dass sie diese Sicherheitsgebühr sehr wohl an den Flughafen gezahlt hat (was nicht der Fall ist) – was das Gericht in diesen Randnummern jedenfalls nicht in Frage gestellt hat –, würde dies weder notwendigerweise belegen, dass das Gericht diesbezüglich Beweise verfälscht hätte, wie es die Rechtsmittelführerinnen behaupten, noch, dass es zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Kommission – ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen – davon ausgehen konnte, dass diese Gebühr für die Zwecke der Analyse der Rentabilität der Vereinbarungen von 2006 einen inkrementellen Kostenpunkt für den Flughafen darstellte.

103. Tatsächlich hat das Gericht seine Schlussfolgerung auf die Erklärung der Kommission gestützt, der zufolge die österreichischen Behörden zu zwei Gelegenheiten bestätigt hätten, dass Ryanair die Sicherheitsgebühr letztlich erstattet worden sei.

104. In Rn. 332 des angefochtenen Urteils beschränkt sich das Gericht insoweit auf die Feststellung, dass die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat sorgfältig um die relevanten Auskünfte ersucht habe, die es dem Gericht erlaubt hätten, festzustellen, ob Ryanair die Sicherheitsgebühr tatsächlich erstattet worden sei.

105. Meines Erachtens konnte das Gericht zu Recht zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die Kommission ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung nachgekommen sei und dass sie sich auf die von Österreich vorgelegten Informationen verlassen und davon ausgehen habe müssen, dass die Sicherheitsgebühr für die Zwecke der Analyse der Rentabilität der Vereinbarungen von 2006 einen inkrementellen Kostenpunkt darstelle.

106. Darüber hinaus käme es, selbst wenn man argumentieren würde, dass das Gericht in Ermangelung konkreter, von der Kommission vorgelegter Beweise den Erklärungen der Kommission kein solches Gewicht hätte beimessen dürfen (was nicht der Fall ist), keiner Verfälschung von Beweisen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gleich(40).

107. Es genügt die Feststellung, dass es den Rechtsmittelführerinnen nicht unmöglich war, zu belegen, dass die Sicherheitsgebühr Ryanair nicht erstattet wurde, da denkbar ist, dass dies aus einer Analyse der Buchführung von Ryanair hervorgegangen wäre.

2.      Sicherheitsspanne

108. In Bezug auf die Sicherheitsspanne, die die österreichischen Behörden auf die Werte aufschlugen, die als Grundlage für die zum Zweck der Rentabilitätsanalyse der Vereinbarung von 2002 maßgeblichen Berechnung der inkrementellen Betriebskosten verwendet wurden, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass der Bericht ihres Wirtschaftsberaters Oxera aus dem Jahr 2018 zeige, dass die Schätzungen der inkrementellen Kosten durch die Kommission unerklärlich hoch gewesen seien und dass das Gericht Beweise verfälscht habe, indem es diesen Bericht (in Rn. 301 und 302 des angefochtenen Urteils) außer Acht gelassen oder nicht ordnungsgemäß geprüft habe.

109. Es trifft zu, dass der Bericht von Oxera aus dem Jahr 2018 in den von den Rechtsmittelführerinnen beanstandeten Rn. 301 und 302 nicht erwähnt wird.

110. Daraus folgt jedoch nicht ipso facto, dass das Gericht dieses Schriftstück verfälscht hätte. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass die Rechtsmittelführerinnen sich mit ihrer Argumentation gegen das Gewicht wenden, das das Gericht dem Vorbringen der Kommission im Gegensatz zu ihrem eigenen Vorbringen beigemessen hat. Dies läuft jedoch auf ein Ersuchen der Rechtsmittelführerinnen um eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung hinaus, was im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist.

111. Außerdem beruht ihr Vorbringen auf einer lückenhaften Lesart des angefochtenen Urteils. Die Beurteilung des umfassenderen Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen durch das Gericht im ersten Rechtszug, mit dem diese eine zu hohe Schätzung der inkrementellen Kosten in Bezug auf die Vereinbarungen von 2002 geltend machten (die Sicherheitsspanne ist ein Teil dieser inkrementellen Betriebskosten), findet sich in den Rn. 288 ff. des angefochtenen Urteils. Insbesondere in den Rn. 289 und 296 verweist das Gericht auf den Bericht von Oxera aus dem Jahr 2018. Daher ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass im angefochtenen Urteil nicht auf diesen Bericht Bezug genommen worden sei, schlichtweg falsch, und ihre Behauptung, dass das Gericht diesen Bericht außer Acht gelassen habe, ist unbegründet.

112. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Erläuterungen der Kommission als ausreichend angesehen hat, um die vermeintliche Überbewertung der inkrementellen Betriebskosten (einschließlich der Sicherheitsspanne) zu verwerfen, ohne dass das Gericht den Bericht von Oxera aus dem Jahr 2018 in Bezug auf jede einzelne Rüge der Rechtsmittelführerinnen in diesem Zusammenhang ausdrücklich hätte erwähnen müssen. Folglich hat das Gericht diese Beweise nicht verfälscht.

3.      Auslastungsfaktor

113. Der Auslastungsfaktor war für die Ex-ante-Rentabilitätsanalyse in Bezug auf die Vereinbarungen von 2002 relevant. Dem angefochtenen Beschluss wurde ein Auslastungsfaktor von 70 % zugrunde gelegt, den die Rechtsmittelführerinnen für zu niedrig halten. Sie machen geltend, dass i) die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002 einen Zielauslastungsfaktor von 76 % festgelegt habe, ii) die Kommission ihrer Analyse der Vereinbarungen von 2006 einen höheren Auslastungsfaktor von 85 % zugrunde gelegt habe, iii) der angefochtene Beschluss zeige, dass der Flughafen bald nach seiner Gründung im Jahr 1915 zivilen Flugbetrieb aufgenommen und somit „jahrzehntelange Erfahrung in der zivilen Luftfahrt“ gesammelt habe, und iv) der Bericht von Oxera aus dem Jahr 2018 zeige, dass der Zielauslastungsfaktor von 76 % nahe am von Ryanair in ihrem gesamten Streckennetz erreichten Auslastungsfaktor von ungefähr 80 % liege, wenn auch etwas darunter. Die Rechtsmittelführerinnen rügen, dass das Gericht die Beweise außer Acht gelassen oder nicht ordnungsgemäß geprüft habe und die Ausführungen der Kommission für bare Münze genommen habe.

114. Meines Erachtens ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen aus Gründen, die denen entsprechen, die ich vorstehend in Bezug auf die Sicherheitsspanne angeführt habe, zu verwerfen.

115. Das Gericht führt aus, dass die Flughafendienstleistungsvereinbarung von 2002 – genau wie die Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelgrundes geltend machen – einen Zielauslastungsfaktor von 76 % vorsehe und dass die Kommission dem angefochtenen Beschluss 70 % zugrunde gelegt habe, ohne dabei einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, da der Flughafen zu diesem Zeitpunkt noch über keine Erfahrungen mit Billigfluggesellschaften verfügt habe und diese Fluggesellschaften damals noch nicht so etabliert gewesen seien wie heute.

116. Die Tatsache, dass der Flughafen seit 1915 in Betrieb war und somit „Erfahrung in der zivilen Luftfahrt“ sammelte, kann nicht in Frage stellen, dass er zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen von 2002 über keinerlei Erfahrungen mit Ryanair oder anderen Billigfluglinien verfügte. Dies wird von den Rechtsmittelführerinnen auch nicht bestritten.

117. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach das Gericht die ihm vorgelegten Beweise außer Acht gelassen oder nicht ordnungsgemäß geprüft habe, ist daher als unbegründet zu verwerfen. Die Rechtsmittelführerinnen mögen mit der Beweiswürdigung des Gerichts nicht einverstanden sein, doch dies bedeutet nicht, dass es diese Beweise verfälscht hätte.

4.      Ergebnis zum dritten Rechtsmittelgrund

118. Die Rechtsmittelführerinnen haben nicht dargetan, dass das Gericht Beweise verfälscht hätte, geschweige denn, dass solche Verfälschungen offensichtlich wären. Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zu verwerfen.

D.      Zum vierten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf den zurückzufordernden Betrag

119. Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, das Gericht sei zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, dass sowohl das Bestehen als auch der Umfang einer Beihilfe allein auf der Grundlage von Ex-ante-Beweisen zu beurteilen seien. Darüber hinaus sei das Gericht nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, wonach die Ex-ante-Daten in Bezug auf „Faktoren, die unmittelbar unter der Kontrolle des Beihilfegebers stehen,“ korrigiert werden sollten, und habe stattdessen bloß auf „völlig zufällige“ Entwicklungen verwiesen. Das Gericht habe die Rechtsprechung unrichtig ausgelegt (die die Kommission nicht daran hindere, solche Korrekturen vorzunehmen). Der Fehler des Gerichts beruhe auf einer Verwechslung zwischen der „Gewährung“ und der „Zahlung“ einer Beihilfe.

120. Die Rechtsmittelführerinnen ziehen offenbar de facto die Grundlage des Tests des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers in Zweifel, d. h. die Frage, was ein umsichtiger, marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen getan hätte.

121. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen scheint ins Leere zu gehen. Tatsächlich hat der Gerichtshof klargestellt, dass für die Anwendung des Tests des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers „nur die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der fraglichen Maßnahme verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant“ sind(41).

122. Dementsprechend können „Umstände, die nach dem Erlass der betreffenden Maßnahme eintreten, bei der Würdigung anhand des [Tests des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers] nicht berücksichtigt werden“(42).

123. Darüber hinaus hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass im Licht der vorstehend angeführten Rechtsprechung ein Vorbringen, mit dem die Stichhaltigkeit der Beurteilung des Gerichts in Bezug auf die Bewertung der zurückzufordernden Beihilfen gerügt wird, als ins Leere gehend zurückzuweisen ist, soweit es auf die Berücksichtigung von Ereignissen gestützt ist, die nach der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen eingetreten sind(43).

124. In diesem Zusammenhang bin ich entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen auch der Ansicht, dass der Wortlaut der vorstehend wiedergegebenen Randnummer des Urteils in der Rechtssache Larko/Kommission klar erkennen lässt, dass es sowohl das Bestehen einer Beihilfe als auch den zurückzufordernden Beihilfebetrag betrifft.

125. Wie die Kommission angemerkt hat, läuft das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen auf eine Vermischung der beiden vorstehend genannten Arten von Situationen hinaus und stiftet einen gewissen Grad an Verwirrung in ihrem Rechtsmittel. Jedenfalls ist das Gericht im angefochtenen Urteil zutreffend auf beide Situationen eingegangen, auf die sie sich beziehen („im relevanten Zeitraum tatsächlich an Ryanair oder LV und AMS gezahlte Marketinggebühren“ und „Anpassungen auf der Grundlage anderer Ex-post-Einnahmen- und Kostendaten, die klar eine zu hohe Schätzung der Kosten zeigten“).

126. Erstens weist das Gericht auf die Grundsätze des Tests des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers hin und erläutert, u. a. in Rn. 419 des angefochtenen Urteils, dass sowohl das Bestehen als auch der Umfang einer Beihilfe unter Berücksichtigung der Lage zum Zeitpunkt ihrer Gewährung beurteilt werden müssen. Unter Bezugnahme auf diesen Grundsatz hat das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen verworfen, wonach die Kommission die Betriebskosten des Flughafens bei der Berechnung des Beihilfebetrags mit Ex-post-Beweisen habe „korrigieren“ sollen, wie in den Rn. 427 bis 429 des angefochtenen Urteils erläutert wird.

127. In dieser Hinsicht hat das Gericht das Urteil in der Rechtssache Larko/Kommission korrekt angewandt.

128. Der Verweis der Rechtsmittelführerinnen auf „Fehler“ ist irreführend, da sie auf Informationen Bezug nehmen, die zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfen noch nicht verfügbar waren (mit denen ihnen zufolge die Betriebskosten von 2002 auf der Grundlage des Kostenrechnungssystems von 2005 korrigiert werden sollten, das dem Flughafen zuvor noch nicht einmal zur Verfügung stand). Aus einer Ex-ante-Perspektive ist es völlig unzutreffend von „Fehlern“ zu sprechen, wenn auf Ex-post-Informationen Bezug genommen wird. Daraus folgt ferner, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach eine „Korrektur“ vorzunehmen sei, wenn der „Fehler“ in den Daten des Beihilfegebers liege, unerheblich ist und in jedem Fall ins Leere geht.

129. Ich teile die Auffassung der Kommission, dass, wenn man der Argumentation der Rechtsmittelführerinnen folgte, der Beihilfebetrag auch zum Nachteil der Empfängerin auf der Grundlage von Ex-post-Daten „korrigiert“ werden könnte. In diesem Sinne hat sich das Gericht in Rn. 421 des angefochtenen Urteils darauf beschränkt, bestimmte Beispiele für zufällige Entwicklungen anzuführen, die zu einer Änderung des Beihilfebetrags führen könnten, ohne jedoch ein Erfordernis aufzustellen, dass solche Entwicklungen der Kontrolle der Beihilfegeberin entzogen sein müssten.

130. Zweitens ist das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zutreffend auf die Situation eingegangen, in der Österreich die zurückzufordernden Beihilfen im Hinblick auf Zahlungen an die Beihilfeempfängerin, die nicht tatsächlich geleistet worden waren, abändern konnte. Wie das Gericht in Rn. 422 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat Österreich während des Prüfverfahrens der Kommission vorgebracht, dass eine bestimmte, die Gewährung einer Beihilfe beinhaltende Vereinbarung tatsächlich nicht in Kraft getreten sei, da sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt worden sei. Österreich legte jedoch keine Beweise zur Untermauerung dieses Vorbringens vor. Folglich bezog die Kommission die streitige Vereinbarung, vorbehaltlich von Beweisen, die von Österreich vorzulegen waren, in die Berechnung des zu einem späteren Zeitpunkt zurückzufordernden Beihilfebetrags mit ein. Dies wird in den Rn. 422 und 426 des angefochtenen Urteils erläutert. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine solche Anpassung auf Beweisen beruhen muss, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Vereinbarungen vorlagen.

131. Von Bedeutung ist, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass „keine Bestimmung des [Unions]rechts von der Kommission verlangt, bei der Anordnung der Rückzahlung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen“(44).

132. Auf diesen Grundsatz hat das Gericht in Rn. 415 des angefochtenen Urteils hingewiesen und ihn in Rn. 422 bis 426 desselben auf den vorliegenden Fall angewandt.

133. Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, dass sowohl die Rechtssache Larko als auch die Rechtssache Freistaat Thüringen(45), auf die sich das Gericht (und die Kommission im angefochtenen Beschluss) berufen hätten, Garantien betroffen hätten und diese Urteile nicht den Grundsatz enthielten, dass nicht nur das Bestehen, sondern auch der Umfang einer Beihilfe unter Berücksichtigung der Lage zum Zeitpunkt ihrer Gewährung beurteilt werden müsse. Dies sei für die Kommission praktisch, da Garantien wahrscheinlich die einzige Art von Beihilfemaßnahmen seien, bei denen die Unterscheidung zwischen Gewährung und Zahlung weniger klar sei. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Garant Geldmittel oder Dienstleistungen nach der Einräumung einer Garantie und während der Garantielaufzeit nicht aktiv zur Verfügung stellen müsse.

134. Erstens ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen unzutreffend. Aus Rn. 113 des Urteils in der Rechtssache Larko/Kommission geht klar hervor, dass dieses sowohl das Bestehen einer Beihilfe als auch den zurückzufordernden Beihilfebetrag betrifft.

135. Zweitens bin ich nicht der Ansicht, dass der in Nr. 133 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Umstand allein ausreicht, um diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall unangewendet zu lassen(46).

136. Tatsächlich stellten die Beihilfen im vorliegenden Fall keine einfachen, „reinen“ Überweisungen von Geldsummen ohne Gegenleistung dar, deren Beträge unmittelbar bestimmt werden konnten. Vielmehr handelte es sich um verschiedene komplexe vertragliche Vereinbarungen, mit denen der Flughafen (und somit die öffentlichen Behörden) sich letztlich mit der Übernahme von Kosten einverstanden erklärte(n) – deren Übernahme ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer nicht akzeptiert hätte –, soweit sie für die erhaltenen Dienstleistungen zu viel bezahlten oder auf gewisse zu leistende Gebühren (oder Entgelte) verzichteten.

137. Daher bin ich der Ansicht, dass die Kommission zu Recht davon ausging, dass diese Beträge, wie sie im 563. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführte, „anhand des negativen Teils des zum Zeitpunkt des Abschlusses der Transaktion erwarteten inkrementellen Zahlungsstroms (Einnahmen abzüglich Kosten) zu berechnen“ seien.

138. Tatsächlich ist dies genau der Zeitpunkt, zu dem sich die Bindung staatlicher Mittel im vorliegenden Fall herauskristallisierte und der somit für die Bestimmung des Vorteils, der den Rechtsmittelführerinnen zugutekam, und letztlich des Betrags der zurückzufordernden Beihilfen heranzuziehen ist.

139. Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

140. Selbst wenn sich der Gerichtshof dazu entscheiden sollte, der in meinen Schlussanträgen dargelegten Analyse, wonach dieser Rechtsmittelgrund ins Leere geht, nicht zu folgen, müsste dieser Grund meines Erachtens jedenfalls als unbegründet verworfen werden.

141. Tatsächlich geht, auch wenn die in den angegriffenen Randnummern des angefochtenen Urteils verwendete Wortwahl als bisweilen uneinheitlich angesehen werden könnte, meiner Ansicht nach aus einer Gesamtlektüre dieses Urteils hervor, dass das Gericht nicht in Frage gestellt hat, dass die Verpflichtung zur Rückforderung rechtswidrig gezahlter Beihilfen dazu diene, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit der rechtswidrigen Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht worden sei(47).

142. Darüber hinaus scheint der von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachte Unterschied zwischen der Gewährung der Beihilfe und ihrer Zahlung zumindest sehr schwach ausgeprägt zu sein, wenn es sich nicht um eine Beihilferegelung, sondern um eine Einzelbeihilfe handelt.

143. Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend und jedenfalls als unbegründet zu verwerfen.

144. Da sämtliche Rechtsmittelgründe unbegründet sind, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

IV.    Ergebnis

145. Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

















































Leave a Comment

Schreibe einen Kommentar