Vorläufige Fassung
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
1. August 2022(* )
„Rechtsmittel – Streithilfe – Staatliche Beihilfen – Vom Königreich Belgien durchgeführte Beihilferegelung – Zulassung der Streithilfe im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens gegen ein Urteil des Gerichts – Aufhebung der Entscheidung des Gerichts – Zurückverweisung der Sache an das Gericht – Entscheidung des Gerichts, eine schriftliche Stellungnahme eines am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfers zu dem Urteil, mit dem diese Zurückverweisung vorgenommen wird, nicht zu den Akten der Rechtssache zu nehmen – Implizite Entscheidung des Gerichts, einem am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft vor dem Gericht zu verweigern – Zulässigkeit des Rechtsmittels – Streithelfereigenschaft eines am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfers vor dem Gericht – Nach Fristablauf eingelegtes Rechtsmittel – Entschuldbarer Irrtum“
In der Rechtssache C‑74/22 P(I)
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. Januar 2022,
Soudal NV mit Sitz in Turnhout (Belgien),
Esko-Graphics BVBA mit Sitz in Gent (Belgien),
vertreten durch H. Viaene, Advocaat,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Parteien des Verfahrens:
Magnetrol International NV mit Sitz in Zele (Belgien),
Klägerin im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission, vertreten durch P.‑J. Loewenthal und F. Tomat als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan, I. Jarukaitis und N. Jääskinen, der Kammerpräsidentin I. Ziemele, der Richter M. Ilešič, P. G. Xuereb und N. Piçarra, der Richterin L. S. Rossi, der Richter A. Kumin und N. Wahl sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juli 2022
folgenden
Beschluss
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Soudal NV und die Esko-Graphics BVBA die Aufhebung der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Dezember 2021, mit der das Gericht es abgelehnt hat, ihnen die Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV zuzuerkennen und ihre schriftlichen Stellungnahmen zu den Schlussfolgerungen, die für die Entscheidung des Rechtsstreits in dieser Rechtssache aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), zu ziehen sind, zu den Akten dieser Rechtssache zu nehmen (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Rechtlicher Rahmen
2 Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts bezeichnen in dieser Verfahrensordnung die Begriffe „Partei“ und „Parteien“ ohne weitere Angabe jeden am Verfahren Beteiligten, einschließlich der Streithelfer.
3 Art. 60 der Verfahrensordnung sieht vor, dass die Verfahrensfristen um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert werden.
4 Art. 79 der Verfahrensordnung bestimmt:
„Im Amtsblatt der Europäischen Union wird eine Mitteilung veröffentlicht, die den Tag des Eingangs des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes, die Namen der Hauptparteien, die Anträge und die Angabe der geltend gemachten Gründe und wesentlichen Argumente enthält.“
5 Die Regeln für die Streithilfe vor dem Gericht sind in den Art. 142 bis 145 der Verfahrensordnung festgelegt.
6 Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts sieht vor, dass „Anträge auf Zulassung zur Streithilfe … innerhalb von sechs Wochen nach der Veröffentlichung im Sinne des Artikels 79 gestellt werden [müssen].“
7 Art. 215 der Verfahrensordnung lautet:
„Hebt der Gerichtshof ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts auf und verweist er die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurück, so wird die Sache durch die zurückverweisende Entscheidung beim Gericht anhängig.“
8 In Art. 217 der Verfahrensordnung heißt es:
„(1) Ist die später vom Gerichtshof aufgehobene Entscheidung ergangen, nachdem das schriftliche Verfahren zur Sache vor dem Gericht bereits abgeschlossen war, so können die am Verfahren vor dem Gericht beteiligten Parteien innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Gerichtshofs schriftlich Stellung dazu nehmen, welche Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des Gerichtshofs für die Entscheidung des Rechtsstreits zu ziehen sind. Diese Frist kann nicht verlängert werden.
…
(3) Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann der Präsident die Einreichung zusätzlicher Schriftsätze gestatten.“
9 Art. 219 der Verfahrensordnung bestimmt:
„Das Gericht entscheidet über die Kosten des Rechtsstreits vor dem Gericht und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Gerichtshof.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
10 Mit dem Beschluss (EU) 2016/1699 vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61, im Folgenden: streitiger Beschluss) stellte die Europäische Kommission fest, dass bestimmte vom Königreich Belgien gewährte Befreiungen eine Beihilferegelung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar und unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV angewandt worden sei. Die Kommission ordnete die Rückforderung der gewährten Beihilfen von den Empfängern an, deren abschließende Liste das Königreich Belgien später aufzustellen hatte.
Verfahren vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof sowie angefochtene Entscheidung
11 Mit Klageschriften, die am 22. März und am 25. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Königreich Belgien und die Magnetrol International NV Klagen auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses erhoben, die unter den Aktenzeichen T‑131/16 und T‑263/16 in das Register eingetragen worden sind.
12 Mit Klageschrift, die am 2. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Soudal eine Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses erhoben, die unter dem Aktenzeichen T‑201/16 in das Register eingetragen worden ist. Mit Klageschrift, die am 28. Juni 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Esko-Graphics eine Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses erhoben, die unter dem Aktenzeichen T‑335/16 in das Register eingetragen worden ist.
13 Daraufhin hat der Kanzler des Gerichts den Parteien in den Rechtssachen T‑201/16 und T‑335/16 mitgeteilt, dass der Präsident der zuständigen Kammer des Gerichts entschieden habe, das Verfahren in diesen Rechtssachen bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in den Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16 auszusetzen.
14 Mit Beschluss vom 17. Mai 2018 hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts entschieden, die Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden.
15 Mit Urteil vom 14. Februar 2019, Belgien und Magnetrol International/Kommission (T‑131/16 und T‑263/16, EU:T:2019:91), hat das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.
16 Die Kommission hat am 24. April 2019 ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist unter dem Aktenzeichen C‑337/19 P in das Register eingetragen worden.
17 Mit Beschlüssen vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International, hat der Präsident des Gerichtshofs die Anheuser-Busch InBev SA/NV, die Ampar BVBA, die Atlas Copco Airpower NV und die Atlas Copco AB (C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:909), sowie Soudal und Esko-Graphics (C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915), als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Magnetrol International zugelassen.
18 Mit Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), hat der Gerichtshof
– das Urteil des Gerichts vom 14. Februar 2019, Belgien und Magnetrol International/Kommission (T‑131/16 und T‑263/16, EU:T:2019:91), aufgehoben,
– den ersten und den zweiten Klagegrund in der Rechtssache T‑131/16 sowie den ersten Klagegrund und den ersten Teil des dritten Klagegrundes in der Rechtssache T‑263/16 zurückgewiesen,
– die Sache zur Entscheidung über die Klagegründe drei bis fünf in der Rechtssache T‑131/16 sowie über den zweiten Klagegrund, den zweiten und den dritten Teil des dritten Klagegrundes und den vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑263/16 an das Gericht zurückverwiesen und
– die Kostenentscheidung vorbehalten.
19 Am 16. November 2021 haben Soudal und Esko-Graphics gemäß Art. 217 der Verfahrensordnung des Gerichts bei diesem Stellungnahmen zu den Schlussfolgerungen eingereicht, die für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Rechtssache T‑263/16 RENV aus dem Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), zu ziehen seien (im Folgenden: fragliche Stellungnahmen).
20 Mit Schreiben vom 6. Dezember 2021, das Soudal und Esko-Graphics am 17. Dezember 2021 zugestellt worden ist, hat der Kanzler des Gerichts ihnen mitgeteilt, der Präsident der zuständigen Kammer des Gerichts habe entschieden, diese Stellungnahmen nicht zu den Akten dieser Rechtssache zu nehmen, da sie keine in der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Schriftsätze seien.
21 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 an den Präsidenten und die Mitglieder des Gerichts haben Soudal und Esko-Graphics beantragt, das dem Gericht unterlaufene „Versehen“ zu berichtigen und ihre Streithelfereigenschaft vor dem Gericht zu bestätigen; dabei haben sie sich insbesondere auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915), und die Rechtsprechung des Gerichts gestützt und um eine Antwort innerhalb von fünf Tagen ersucht.
22 Mit Schreiben vom 11. Januar 2022 hat der Kanzler des Gerichts den Empfang des Schreibens der Rechtsmittelführerinnen vom 29. Dezember 2021 bestätigt. Ferner hat er diese zum einen auf die „Tatsache“ hingewiesen, dass es nach der Verfahrensordnung des Gerichts nicht vorgesehen sei, dass die Streithelfer, deren Beteiligung im Verfahren vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑337/19 P zugelassen worden sei, in der Rechtssache T‑263/16 RENV Stellungnahmen einreichten, und zum anderen auf Art. 70 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung, wonach der Präsident des Gerichts über die Fortsetzung eines ausgesetzten Verfahrens vor dem Ende der Aussetzung entscheiden kann.
Anträge der Parteien
23 Soudal und Esko-Graphics beantragen,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben,
– anzuordnen, dass ihre schriftlichen Stellungnahmen zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV genommen werden, und
– festzustellen, dass sie ihre Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV bewahrt haben, nachdem diese Rechtssache vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist.
24 Die Kommission beantragt,
– das Rechtsmittel für unzulässig zu erklären,
– hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen, und
– Soudal und Esko-Graphics die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels
25 Die Kommission macht geltend, das Rechtsmittel sei sowohl wegen der Rechtsnatur der angefochtenen Entscheidung als auch wegen seiner verspäteten Einlegung unzulässig.
Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen der Rechtsnatur der angefochtenen Entscheidung
– Vorbringen
26 Die Kommission trägt vor, das Gericht habe sich mit der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt, es abzulehnen, die fraglichen Stellungnahmen zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen. Diese ablehnende Entscheidung gehöre aber nicht zu einer der Kategorien von Entscheidungen, gegen die gemäß Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Rechtsmittel eingelegt werden könne.
27 Außerdem erlaube es Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwar, ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts einzulegen, mit der ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer abgelehnt worden sei, doch hätten die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall beim Gericht keinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer gestellt. Folglich habe das Gericht einen solchen Antrag nicht abgelehnt, so dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.
28 Nach Ansicht von Soudal und Esko-Graphics stellt die Entscheidung des Gerichts, die fraglichen Stellungnahmen nicht zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen, eine implizite Weigerung dar, sie in dieser Rechtssache als Streithelferinnen zuzulassen.
29 Die vom Präsidenten des Gerichtshofs im Beschluss vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915), dargelegten Gründe, aus denen er den Streitbeitritt von Soudal und Esko-Graphics zum Rechtsmittelverfahren zugelassen habe, seien aber auch in der Rechtssache T‑263/16 RENV relevant.
– Würdigung
30 Zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist zunächst die Tragweite der in dem Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 enthaltenen Entscheidung zu bestimmen.
31 Art. 217 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts bestimmt, dass, wenn der Gerichtshof eine Entscheidung des Gerichts aufhebt und die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweist, nachdem das schriftliche Verfahren zur Sache vor dem Gericht bereits abgeschlossen war, die am Verfahren vor dem Gericht beteiligten Parteien innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Gerichtshofs schriftlich Stellung dazu nehmen können, welche Schlussfolgerungen aus dieser Entscheidung für die Entscheidung des Rechtsstreits zu ziehen sind.
32 Es steht aber erstens fest, dass der vorliegende Fall dem in dieser Bestimmung genannten entspricht, und zweitens, dass die fraglichen Stellungnahmen innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist, verlängert um die in Art. 60 der Verfahrensordnung festgelegte Entfernungsfrist, eingereicht worden sind, so dass ihre Zurückweisung nicht auf der verspäteten Einreichung beruht.
33 Daraus folgt, dass das Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021, soweit es auf die Entscheidung des Gerichts verweist, die fraglichen Stellungnahmen nicht zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen, weil es sich um in der Verfahrensordnung des Gerichts nicht vorgesehene Schriftsätze handele, ungeachtet seiner Knappheit so zu verstehen ist, dass darin die Entscheidung des Gerichts zum Ausdruck kommt, den Rechtsmittelführerinnen die Streithelfereigenschaft in dieser Rechtssache – die sie glauben, aufgrund ihrer Zulassung als Streithelfer im Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache C‑337/19 P automatisch erworben zu haben – nicht zuzuerkennen.
34 Diese Feststellung wird durch das Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 11. Januar 2022 bestätigt, mit dem die Rechtsmittelführerinnen auf die „Tatsache“ hingewiesen wurden, dass es nach der Verfahrensordnung des Gerichts nicht vorgesehen sei, dass die Streithelfer, deren Beteiligung im Verfahren vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑337/19 P zugelassen worden sei, in der Rechtssache T‑263/16 RENV Stellungnahmen einreichten.
35 Daher ist das Vorbringen der Kommission, die angefochtene Entscheidung beschränke sich darauf, die fraglichen Stellungnahmen nicht zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen, zurückzuweisen.
36 Was das Recht anbelangt, ein Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung einzulegen, hat der Gerichtshof am 8. März 2022 entschieden, dass das vorliegende Rechtsmittel, das gemäß Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegt worden war, als nach Art. 57 Abs. 1 dieser Satzung eingelegtes Rechtsmittel einzustufen ist. Diese Einstufung wurde den Parteien anschließend bei der Zustellung dieses Rechtsmittels mit Schreiben der Kanzlei des Gerichtshofs vom 14. März 2022 mitgeteilt.
37 Art. 57 Abs. 1 der Satzung bestimmt, dass der Antragsteller ein Rechtsmittel beim Gerichtshof einlegen kann, wenn ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer von dem Gericht abgelehnt wird.
38 Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass das Gericht mit der angefochtenen Entscheidung keinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer abgelehnt hat, da die Rechtsmittelführerinnen keinen solchen Antrag beim Gericht gestellt haben.
39 Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass die Tragweite der in dem Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 enthaltenen Entscheidung, den Rechtsmittelführerinnen die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV zu verweigern, der Tragweite ähnelt, die eine Entscheidung des Gerichts gehabt hätte, einen von den Rechtsmittelführerinnen gestellten Antrag auf Zulassung als Streithelfer abzulehnen. Beide Entscheidungen nehmen nämlich einer Partei, die geltend macht, gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund eines berechtigten Interesses am Ausgang des Rechtsstreits eine besondere Verfahrensstellung innehaben zu müssen, sämtliche mit dieser Stellung verbundenen Rechte.
40 Außerdem kann, wenn der Gerichtshof ein Rechtsmittel für begründet erklärt, die Entscheidung des Gerichts aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen hat, von einem am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer, der meint, vor dem Gericht automatisch über die Streithelfereigenschaft zu verfügen, vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er beim Gericht einen förmlichen Antrag auf Zulassung als Streithelfer allein zu dem Zweck stellt, ein Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen die Entscheidung, mit der dieser Antrag abgelehnt wird, einlegen zu können.
41 Ein solcher Antrag könnte vom Gericht nämlich ohnehin nur als verspätet zurückgewiesen werden, da Art. 143 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung in Verbindung mit deren Art. 79 vorsieht, dass ein Antrag auf Zulassung zur Streithilfe innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Veröffentlichung der ursprünglichen Mitteilung über den Eingang des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes in der betreffenden Rechtssache im Amtsblatt der Europäischen Union gestellt werden muss.
42 Ginge man davon aus, dass ein am Rechtsmittelverfahren einer Rechtssache beteiligter Streithelfer, der geltend macht, nach der Zurückverweisung dieser Rechtssache an das Gericht dort automatisch über die Streithelfereigenschaft zu verfügen, kein Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen eine Entscheidung des Gerichts einlegen kann, mit der ihm diese Eigenschaft allein deshalb versagt wird, weil das Gericht keinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer förmlich abgelehnt hat, so würde dies der betroffenen Partei jeden gerichtlichen Rechtsschutz vorenthalten, der es ihr ermöglicht, vor dem Gericht die Verfahrensrechte zu verteidigen, die sie aus Art. 40 dieser Satzung meint ableiten zu können, obwohl der Zweck von Art. 57 Abs. 1 der Satzung gerade darin besteht, diesen Schutz zu gewährleisten.
43 Sollte sich dieser am Rechtsmittelverfahren beteiligte Streithelfer in einer Rechtssache, die vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist, zu Recht auf seine Streithelfereigenschaft vor dem Gericht berufen – eine Frage, über die bei der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Rechtsmittels zu entscheiden ist und die daher bei der Beurteilung seiner Zulässigkeit nicht geklärt werden kann –, würde ihm nämlich kein anderer Rechtsbehelf zur Geltendmachung seiner Verfahrensrechte aus Art. 40 der Satzung zur Verfügung stehen.
44 So kann erstens ein an einem Rechtsmittelverfahren beteiligter Streithelfer kein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen eine Entscheidung des Gerichts einlegen, mit der ihm die Streithelfereigenschaft in der Rechtssache abgesprochen wird, die vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist.
45 Nach dieser Bestimmung kann gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen die Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, ein Rechtsmittel eingelegt werden.
46 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung nicht das Verfahren in der Rechtssache T‑263/16 RENV vor dem Gericht beendet und auch nicht über einen Teil des Streitgegenstands in dieser Rechtssache ergeht.
47 Außerdem beendet diese Entscheidung zwar tatsächlich einen Zwischenstreit in Bezug auf die Streithelfereigenschaft der Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht, doch bezieht sich dieser Zwischenstreit nicht auf eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit.
48 Der Gerichtshof hat aber entschieden, dass nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegte Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts, die einen Zwischenstreit beenden, der anderer Art ist als die Zwischenstreitigkeiten, auf die diese Bestimmung verweist, als unzulässig zurückzuweisen sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Oktober 1999, Kommission/ADT Projekt, C‑349/99 P, EU:C:1999:475, Rn. 10 und 11, sowie Urteil vom 8. Januar 2002, Frankreich/Monsanto und Kommission, C‑248/99 P, EU:C:2002:1, Rn. 46).
49 Im Übrigen entscheidet das Gericht, wenn es über einen Zwischenstreit entscheidet, der sich auf eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit bezieht, vorab über einen Antrag einer Partei auf Beendigung eines Verfahrens, weshalb eine solche Entscheidung dem Gerichtshof vorgelegt werden können muss, ohne eine etwaige Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hingegen bei einer Entscheidung, die einen Zwischenstreit in Bezug auf einen Streitbeitritt beendet, nicht der Fall.
50 Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass gegen die Entscheidung, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgibt, kein Rechtsmittel gemäß Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 29 und 30).
51 Gleiches muss in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen auch für ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts gelten, mit der einem am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft in einer Rechtssache verweigert wird, die vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist.
52 Zweitens kann die Einlegung eines Rechtsmittels nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen die Entscheidung, mit der das Verfahren beendet wird, in dem die betroffene Person ihre Streithelfereigenschaft geltend macht, dieser Person keinen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz gewähren, da dieser Rechtsbehelf nur den Parteien vor dem Gericht offensteht. Ohnehin wäre die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs ungeeignet, den Nutzen einer etwaigen Streithilfe vor dem Gericht dadurch zu wahren, dass die Streithilfe in einem Verfahrensstadium zugelassen wird, in dem sie tatsächlich zum Diskurs vor dem Gericht beitragen kann.
53 Aus alledem folgt, dass die Entscheidung, mit der das Gericht es ablehnt, die Stellungnahme eines an einem Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfers zu den Akten einer Rechtssache zu nehmen, die der Gerichtshof nach Aufhebung der Entscheidung des Gerichts an dieses zurückverwiesen hat – mit der Begründung, dass es sich um einen in der Verfahrensordnung des Gerichts nicht vorgesehenen Schriftsatz handele –, und diesem Streithelfer damit implizit die Streithelfereigenschaft in dieser Rechtssache abspricht, mit einem Rechtsmittel gemäß Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union angefochten werden kann.
54 Folglich ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission, die auf die Rechtsnatur der angefochtenen Entscheidung gestützt wird, zurückzuweisen.
Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen verspäteter Einlegung des Rechtsmittels
– Vorbringen
55 Die Kommission weist darauf hin, dass nach Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts, mit der ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer abgelehnt werde, binnen zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung eingelegt werden müsse. Da die angefochtene Entscheidung den Rechtsmittelführerinnen am 17. Dezember 2021 zugestellt worden sei, hätte das vorliegende Rechtsmittel daher, wenn es als unter diese Bestimmung fallend anzusehen wäre, bis zum 10. Januar 2022 eingelegt werden müssen. Es sei aber am 28. Februar 2022 eingelegt worden, so dass es als unzulässig zurückzuweisen sei.
56 Eine strikte Anwendung der Vorschriften über die Verfahrensfristen sei unabdingbar, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung zu vermeiden.
57 Die Kommission ist der Auffassung, dass sich die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen könnten, um die Nichteinhaltung der Rechtsmittelfrist zu rechtfertigen. Insbesondere sei der Begriff „entschuldbarer Irrtum“ eng auszulegen. Die Rechtsmittelführerinnen könnten aber nicht behaupten, dass ihnen vor Erhalt des Schreibens des Kanzlers des Gerichts vom 11. Januar 2022 nicht bekannt gewesen sei, dass das Gericht eine endgültige Entscheidung erlassen habe. Sie hätten vielmehr in ihren Schriftsätzen eingeräumt, dass dieses Schreiben lediglich den schon vorher vertretenen Standpunkt des Gerichts bestätigt habe. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Gerichts geeignet gewesen sei, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwende, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden könne, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen.
58 Soudal und Esko-Graphics tragen vor, der Fehler bei der Wahl der Rechtsgrundlage ihres Rechtsmittels sei entschuldbar.
59 Sie hätten in formeller Hinsicht keinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer gestellt. Außerdem sei ihnen die Entscheidung des Gerichts nicht durch Beschluss zugestellt worden. Auch gehe aus den Schreiben des Kanzlers des Gerichts nicht hervor, dass dieser einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer habe ablehnen wollen. Daher sei das Verhalten des Gerichts geeignet gewesen, bei den Rechtsmittelführerinnen eine verständliche Verwirrung hinsichtlich der Art des gegen die angefochtene Entscheidung einzulegenden Rechtsmittels hervorzurufen. Sie hätten überdies gutgläubig und mit aller Sorgfalt, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden könne, gehandelt, wie ihr Schreiben vom 29. Dezember 2021 belege.
60 Soudal und Esko-Graphics sind ferner der Ansicht, dass die Rechtsmittelfrist im vorliegenden Fall mit dem Eingang des Schreibens des Kanzlers des Gerichts vom 11. Januar 2022 zu laufen begonnen habe. Erst nach Eingang dieses Schreibens hätten die Rechtsmittelführerinnen nämlich die Gewissheit darüber erlangen können, dass die Weigerung, die fraglichen Stellungnahmen zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen, nicht die Folge eines einfachen Beurteilungsfehlers des Gerichts, sondern eines bewusst durch das Gericht eingenommenen Standpunkts gewesen sei. Hilfsweise machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, die bei der Einlegung ihres Rechtsmittels festgestellte Verspätung müsse angesichts des mehrdeutigen Verhaltens des Gerichts als entschuldbar angesehen werden.
– Würdigung
61 Nach Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmittel einlegen, wenn ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer von dem Gericht abgelehnt wird.
62 Diese Frist von zwei Wochen ist gemäß Art. 51 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen zu verlängern.
63 Im vorliegenden Fall haben die Rechtsmittelführerinnen, nachdem die fraglichen Stellungnahmen bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen waren, zwei Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 bzw. 11. Januar 2022 erhalten.
64 Aus den Rn. 31 bis 34 und 53 des vorliegenden Beschlusses geht hervor, dass das Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 dahin zu verstehen ist, dass es die Entscheidung des Gerichts enthält, den Rechtsmittelführerinnen die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV zu verweigern, wogegen ein auf Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gestütztes Rechtsmittel eingelegt werden kann.
65 Daraus folgt, dass die Frist für die Einlegung eines solchen Rechtsmittels am 18. Dezember 2021, dem Tag nach der Zustellung dieses Schreibens, zu laufen begonnen hat.
66 Der Umstand, dass der Kanzler des Gerichts in Beantwortung eines Schreibens der Rechtsmittelführerinnen vom 29. Dezember 2021 an diese ein weiteres Schreiben vom 11. Januar 2022 gerichtet hat, kann nicht als Auslöser einer neuen Rechtsmittelfrist angesehen werden.
67 Zum einen beschränkt sich dieses zweite Schreiben nämlich auf die „Bestätigung des Empfangs“ des Schreibens der Rechtsmittelführerinnen vom 29. Dezember 2021. Zum anderen würde sich, selbst wenn das Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 11. Januar 2022 so zu verstehen wäre, dass damit die von den Rechtsmittelführerinnen in ihrem Schreiben vom 29. Dezember 2021 erhobenen Forderungen zurückgewiesen würden, dieses Schreiben des Kanzlers des Gerichts angesichts der Art dieser Forderungen darauf beschränken, die bereits im Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 zum Ausdruck gebrachte Entscheidung zu bestätigen.
68 Folglich ist das vorliegende Rechtsmittel nach Fristablauf eingelegt worden.
69 Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass von den Unionsvorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen – bei Vorliegen eines Zufalls oder eines Falles höherer Gewalt im Sinne von Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union – abgewichen werden kann, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2016, SV Capital/EBA, C‑577/15 P, EU:C:2016:947, Rn. 56, sowie Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 5. Juli 2018, Müller u. a./QH, C‑187/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:543, Rn. 20 und 21).
70 Außerdem kann zwar auch im Fall eines entschuldbaren Irrtums einer Partei von diesen Rechtsvorschriften der Union abgewichen werden, doch bezieht sich dieser Begriff, der eng auszulegen ist, nur auf Ausnahmefälle, insbesondere auf solche, in denen das betroffene Organ ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber in ausschlaggebendem Maß geeignet gewesen ist, beim gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einer Person mit normalem Kenntnisstand verlangt werden kann, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2016, SV Capital/EBA, C‑577/15 P, EU:C:2016:947, Rn. 59, sowie Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 5. Juli 2018, Müller u. a./QH, C‑187/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:543, Rn. 42).
71 Die Entschuldbarkeit des Irrtums einer Partei kann daher nicht anerkannt werden, wenn die Überschreitung einer Verfahrensfrist auf der fehlerhaften Arbeitsweise der Mitarbeiter der betroffenen Partei oder der Missachtung ihrer internen Weisungen beruht oder wenn es um die Anwendung einer Vorschrift geht, die keine besonderen Auslegungsschwierigkeiten aufwirft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1994, Bayer/Kommission, C‑195/91 P, EU:C:1994:412, Rn. 28, Beschluss vom 14. Januar 2010, SGAE/Kommission, C‑112/09 P, EU:C:2010:16, Rn. 24, sowie Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 5. Juli 2018, Müller u. a./QH, C‑187/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:543, Rn. 43).
72 Dagegen kann diese Entschuldbarkeit in einer Ausnahmesituation anerkannt werden, in der die betroffene Partei aufgrund des Verhaltens eines Organs und angesichts der Formulierung der anwendbaren Vorschriften mit einer tatsächlichen Unsicherheit konfrontiert war, etwa hinsichtlich der Identität der anfechtbaren Handlung oder der Fristen, innerhalb derer gegen diese Handlung ein Rechtsbehelf einzulegen war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 1977, Schertzer/Parlament, 25/68, EU:C:1977:158, Rn. 19, und vom 5. April 1979, Orlandi/Kommission, 117/78, EU:C:1979:109, Rn. 11).
73 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich auch, dass die Entschuldbarkeit eines Irrtums anerkannt werden kann, wenn eine solche Ausnahmesituation auf dem Verhalten eines Unionsgerichts beruht (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Januar 2010, SGAE/Kommission, C‑112/09 P, EU:C:2010:16, Rn. 29, sowie Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 5. Juli 2018, Müller u. a./QH, C‑187/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:543, Rn. 43).
74 Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Weigerung des Gerichts, Soudal und Esko-Graphics die Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV zuzuerkennen, obwohl diese im Rechtsmittelverfahren der Rechtssache C‑337/19 P Streithelferinnen gewesen waren, einen Bruch mit einer Praxis darstellt, der das Gericht lange Zeit gefolgt war und die es in seiner Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt hatte.
75 Insbesondere hat das Gericht in Rn. 24 seines Urteils vom 23. März 1993, Gill/Kommission (T‑43/89, EU:T:1993:24), entschieden, dass, da der Gerichtshof nicht über die Kosten einer Streithelferin entschieden, sondern die gesamte Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen habe, diese am Rechtsmittelverfahren beteiligte Streithelferin ihre Eigenschaft als Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht nach der Zurückverweisung der Rechtssache behalten habe.
76 Zwar ist das Gericht in den Rn. 23 bis 26 seines Beschlusses vom 16. Juni 2020, Uniwersytet Wrocławski/REA (T‑137/16 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:275), von dieser Entscheidung abgewichen.
77 Es hat jedoch später in Rn. 65 seines Urteils vom 23. September 2020, Spanien u. a./Kommission (T‑515/13 RENV und T‑719/13 RENV, EU:T:2020:434), die Richtigkeit dieser Entscheidung bekräftigt und darauf hingewiesen, dass diese auf einer geordneten Rechtspflege beruhe und mit der Verfahrensordnung des Gerichts vereinbar sei.
78 Der Umstand, dass die Kommission ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil eingelegt hat, ist hier unerheblich, da die vom Gericht in diesem Urteil vorgenommene Auslegung seiner eigenen Verfahrensvorschriften jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rechtsmittelführerinnen das Schreiben des Kanzlers des Gerichts vom 6. Dezember 2021 erhielten, berechtigterweise als Ausdruck der Praxis des Gerichts angesehen werden konnte.
79 Ferner war dieses Schreiben knapp formuliert, da es nicht ausdrücklich klarstellte, dass das Gericht den Rechtsmittelführerinnen die Streithelfereigenschaft absprach und da es – abgesehen von einem allgemeinen Hinweis auf seine Verfahrensordnung – keine Bezugnahme auf die Grundlage der ergangenen Entscheidung enthielt, geschweige denn eine Darlegung der Art und Weise, in der das Gericht fortan seine eigenen Verfahrensvorschriften auszulegen gedachte.
80 Angesichts des in den Rn. 74 bis 78 des vorliegenden Beschlusses beschriebenen Kontexts ist davon auszugehen, dass die Knappheit dieses Schreibens beim gutgläubigen Rechtsbürger eine verständliche Verwirrung hervorgerufen haben kann, was die Bedeutung des Schreibens und die Zweckmäßigkeit anbelangt, unverzüglich ein Rechtsmittel gegen die darin enthaltene Entscheidung einzulegen.
81 In diesem Zusammenhang kann die Entscheidung der Rechtsmittelführerinnen, zu versuchen, diese Verwirrung auszuräumen, indem sie sich mit dem Schreiben vom 29. Dezember 2021 umgehend an das Gericht wandten, um ihm Argumente zu ihrer spezifischen verfahrensrechtlichen Situation zu unterbreiten und um eine Klarstellung des Standpunkts des Gerichts zu dieser Situation zu ersuchen, nicht als eine Entscheidung angesehen werden, die eine normal informierte und sorgfältige Person nicht getroffen hätte.
82 Schließlich ergibt sich aus den Rn. 36 bis 53 des vorliegenden Beschlusses, dass die Rechtsgrundlage für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Gerichts, einem am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Streithelfereigenschaft in einer Rechtssache zu verweigern, die vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem das vorliegende Rechtsmittel eingelegt wurde, nicht klar aus dem Wortlaut der Art. 56 und 57 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union oder der Rechtsprechung des Gerichtshofs ersichtlich war.
83 Die zu diesem Zeitpunkt bestehende Schwierigkeit, die für ein etwaiges Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung geltende Regelung zu bestimmen, ist hier von entscheidender Bedeutung, da ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung innerhalb von zwei Monaten nach der Entscheidung des Gerichts einzulegen ist, wohingegen es gemäß Art. 57 der Satzung innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden muss.
84 Aus der Kombination aller in den Rn. 74 bis 83 des vorliegenden Beschlusses dargelegten Gesichtspunkte ergibt sich, dass der Irrtum der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich der Frist für die Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels als entschuldbar anzusehen ist.
85 Somit ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit wegen verspäteter Einlegung des Rechtsmittels zurückzuweisen.
86 Das Rechtsmittel ist daher als zulässig anzusehen.
Zur Begründetheit
Vorbringen
87 Soudal und Esko-Graphics machen mit einem einzigen Rechtsmittelgrund geltend, das Gericht habe zwei Rechtsfehler begangen: den ersten in Bezug auf die Weigerung, die Stellungnahmen, die sie zu den aus dem Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), zu ziehenden Schlussfolgerungen abgeben möchten, zu den Akten der Rechtssache T‑263/16 RENV zu nehmen, und den zweiten in Bezug auf die Weigerung, ihnen die Streithelfereigenschaft in dieser Rechtssache zuzuerkennen.
88 Erstens ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichts, dass Art. 217 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung den Begriff der „am Verfahren vor dem Gericht beteiligten Parteien“ nicht definiere und dass diese Bestimmung daher nicht ausschließe, dass eine solche Eigenschaft den Streithelfern vor dem Gerichtshof zuerkannt werden könne, wenn die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen werde. Nach dieser Rechtsprechung hätten Soudal und Esko-Graphics im Sinne dieses Art. 217 Abs. 1 schriftlich Stellung nehmen können, was sie innerhalb der in diesem Artikel festgelegten Fristen getan hätten.
89 Zweitens liege es, wie das Gericht bislang stets ausgeführt habe, im Interesse einer geordneten Rechtspflege und der Kontinuität der streitigen Erörterungen, dass eine Partei, wenn sie als Streithelfer in einem Rechtsmittelverfahren zugelassen worden sei, im Fall der Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht nach Aufhebung von dessen Entscheidung ihre Streithelfereigenschaft behalte. Daher hätten die Rechtsmittelführerinnen als Streithelfer in der Rechtssache T‑263/16 RENV angesehen werden müssen, ohne dass sie vor dem Gericht einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe hätten stellen müssen.
90 Dieser Ansatz sei, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichts ergebe, auch gerechtfertigt, um es diesem zu ermöglichen, über die Kosten zu entscheiden, wenn diese Entscheidung vor der Zurückverweisung der fraglichen Rechtssache an das Gericht vom Gerichtshof vorbehalten worden sei. Genau dies sei hier aber der Fall.
91 Die Kommission ist der Ansicht, das Gericht habe den Rechtsmittelführerinnen zu Recht die Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T‑263/16 RENV abgesprochen.
92 Art. 217 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts gestatte nämlich die schriftliche Stellungnahme nach Zurückverweisung der Rechtssache durch den Gerichtshof an das Gericht nicht etwa durch „die am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligten Parteien“ oder die „Parteien des Rechtsmittelverfahrens“, sondern nur durch „am Verfahren vor dem Gericht [beteiligte] Parteien“. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung präzisiere den Anwendungsbereich von Art. 217 Abs. 1, indem er die Begriffe „Parteien“ und „Partei“ dahin definiere, dass sie „jeden am Verfahren Beteiligten, einschließlich der Streithelfer“ erfassten.
93 Da sich die Rechtsmittelführerinnen nicht auf die Eigenschaft von „am Verfahren vor dem Gericht beteiligten Parteien“ berufen könnten, würde eine stattgebende Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel auf die Schaffung einer Kategorie von Streithelfern sui generis hinauslaufen, die weder die in Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehene Frist noch die in Art. 143 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung aufgestellten Voraussetzungen beachten müssten. Würden solche Parteien als Streithelfer zugelassen, hätte die Kommission keine Möglichkeit, sich zu deren Stellungnahmen zu äußern. Überdies würde dieser Ansatz in der Praxis dazu führen, dass Maßnahmen zur Aussetzung bestimmter Verfahren, die getroffen würden, um die Bezeichnung und vorrangige Behandlung von „Musterverfahren“ zu ermöglichen, umgangen würden.
94 Außerdem beschränke sich die Rechtsprechung des Gerichts, auf die sich die Rechtsmittelführerinnen bezögen, auf zwei Entscheidungen, von denen die jüngste Gegenstand eines Rechtsmittels sei, in dessen Rahmen die Kommission in Bezug auf einen an einem Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht in Abrede stelle. Die Situation der Rechtsmittelführerinnen unterscheide sich im Übrigen von derjenigen der fraglichen Parteien in den Rechtssachen, in denen diese beiden Entscheidungen des Gerichts ergangen seien.
Würdigung
95 Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts bezeichnen in dieser Verfahrensordnung die Begriffe „Partei“ und „Parteien“ ohne weitere Angabe jeden am Verfahren Beteiligten, einschließlich der Streithelfer.
96 Diese allgemeine Bestimmung legt jedoch nicht fest, in welchen Fällen das Gericht eine Person in einem vor ihm geführten Verfahren als Streithelfer anerkennen muss.
97 Insoweit regeln die Art. 142 bis 145 der Verfahrensordnung zwar die Streithilfe vor dem Gericht, indem sie die Regeln für das Stellen und die Prüfung von Streithilfeanträgen festlegen; sie behandeln jedoch nicht die Eigenschaft, die den vom Gerichtshof als Streithelfer im Rechtsmittelverfahren einer Rechtssache zugelassenen Personen zuzuerkennen ist, wenn der Gerichtshof das Rechtsmittel für begründet erklärt, die Entscheidung des Gerichts aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen hat.
98 Ebenso wenig enthalten die Art. 217 und 218 der Verfahrensordnung, die in den nach Aufhebung einer Entscheidung des Gerichts und Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht durchgeführten Verfahren den Ablauf des Verfahrens und die darauf anwendbaren Vorschriften festlegen sollen, eine Vorschrift, die in solchen Verfahren den Status der am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer präzisiert.
99 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Rechtsmittelführerinnen hervorheben, die Prüfung einer Rechtssache durch das Gericht im Anschluss an eine Entscheidung des Gerichtshofs, mit der die Entscheidung des Gerichts aufgehoben und diese Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wurde, in Fortsetzung des vor dem Gerichtshof geführten Rechtsmittelverfahrens erfolgt.
100 Diese Kontinuität spiegelt sich konkret in der Verfahrensordnung des Gerichts wider. Zunächst ergibt sich aus Art. 215 dieser Verfahrensordnung, dass durch die Entscheidung des Gerichtshofs, mit der die Entscheidung des Gerichts aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen wird, die Sache unmittelbar beim Gericht anhängig wird. Sodann beginnt nach Art. 217 der Verfahrensordnung die Frist für die Abgabe von Stellungnahmen zu den Schlussfolgerungen, die für die Entscheidung des Rechtsstreits aus dieser Entscheidung des Gerichtshofs zu ziehen sind, mit der Zustellung dieser Entscheidung. Schließlich sieht Art. 219 der Verfahrensordnung vor, dass das Gericht nicht nur über die Kosten des Rechtsstreits vor dem Gericht, sondern auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Gerichtshof entscheidet.
101 Außerdem ist das Gericht nach Art. 61 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wenn der Gerichtshof eine Entscheidung des Gerichts aufhebt und die Sache an das Gericht zurückverweist, an die rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofs gebunden.
102 Folglich obliegt es dem Gericht, bei der erneuten Prüfung der erstinstanzlichen Klage, die nach der Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht durchgeführt wird, zu bestimmen, welche Folgen das Rechtsmittelurteil des Gerichtshofs für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen den Parteien hat.
103 Die in diesem Rahmen gemäß Art. 217 der Verfahrensordnung des Gerichts zulässige Stellungnahme der Parteien soll es den Parteien gerade ermöglichen, ihren Standpunkt zu diesen Folgen für die Entscheidung des Rechtsstreits darzulegen und die Informationen des Gerichts in dieser Hinsicht zu ergänzen.
104 Diese Bestimmung soll somit – ebenso wie Art. 172 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der es jeder Partei der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht, die ein Interesse an der Stattgabe oder der Zurückweisung des Rechtsmittels hat, erlaubt, eine Rechtsmittelbeantwortung beim Gerichtshof einzureichen – die Kontinuität der streitigen Erörterungen bei der Behandlung ein und derselben Rechtssache vor den Unionsgerichten gewährleisten.
105 Erstens setzt die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft an eine Person durch den Gerichtshof gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch voraus, dass diese Person ein berechtigtes Interesse am Ausgang des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen konnte.
106 Wird dem an einem Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht verweigert, wenn die Rechtssache vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist, so hat dies – da diese Person aus dem in Rn. 41 des vorliegenden Beschlusses dargelegten Grund nicht mehr in der Lage ist, beim Gericht einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe zu stellen – zur Folge, dass dieser Person jede Möglichkeit genommen wird, vor dem Gericht zu den Konsequenzen Stellung zu nehmen, die aus einer Entscheidung des Gerichtshofs, die doch ihre Interessen berührt hat, zu ziehen sind.
107 Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht im Übrigen vor, dass Personen, die ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen, einem „Rechtsstreit“ beitreten können. Aus den Art. 55 und 56 dieser Satzung ergibt sich aber – zumindest in der französischen Fassung –, dass sich der Begriff „Rechtsstreit“ insofern, als er sich auf die Streitigkeit zwischen den Parteien bezieht, von dem Begriff „Verfahren“, der das vor dem mit dem Rechtsstreit befassten Gericht anhängige Verfahren betrifft, unterscheidet.
108 Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in bestimmten Fällen, insbesondere wenn der Gerichtshof vor der Zurückverweisung an das Gericht endgültig über bestimmte Aspekte einer Rechtssache entschieden hat, ein am Rechtsmittelverfahren beteiligter Streithelfer kein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits vor dem Gericht mehr hat. Dieser Umstand allein kann es jedoch nicht rechtfertigen, dass dem an einem Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer nicht die Streithelfereigenschaft in einer Rechtssache zuerkannt werden kann, die der Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen hat, da es Sache der Unionsgerichte ist, im Lauf des Verfahrens zu prüfen, ob das Interesse, das einen Streitbeitritt gerechtfertigt hat, fortbesteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, EU:C:1999:358, Rn. 52 bis 55).
109 Im vorliegenden Fall ist, wie die Rechtsmittelführerinnen betonen, ihrem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe vor dem Gerichtshof mit der Begründung stattgegeben worden, dass sie ein berechtigtes Interesse daran hätten, dass die vom Gericht ex tunc und erga omnes ausgesprochene Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses in Rechtskraft erwachse (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International, C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915, Rn. 17), wobei gerade diese Nichtigerklärung Gegenstand des Verfahrens in der Rechtssache T‑263/16 RENV ist, dem die Rechtsmittelführerinnen nach ihrem Vorbringen als Streithelfer beitreten können.
110 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die vom Gericht in der angefochtenen Entscheidung vertretene Rechtsauffassung dazu führt, dass die Kontinuität der streitigen Erörterungen in einer Rechtssache und der Umfang der Wirkungen, die die Zulassung einer Partei als Streithelfer vor dem Gerichtshof hat, davon abhängig gemacht werden, ob der Gerichtshof gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet oder vielmehr die Sache an das Gericht zurückverweist.
111 Wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann nämlich, wenn der Gerichtshof endgültig über den Rechtsstreit entscheidet, anstatt die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, der am Rechtsmittelverfahren beteiligte Streithelfer seine Argumente vor dem Unionsgericht geltend machen, das über die erstinstanzliche Klage zu entscheiden hat, während ihm eine solche Möglichkeit genommen wird, wenn die Sache an das Gericht zurückverwiesen wird.
112 Drittens erscheint der vom Gericht verfolgte Ansatz umso mehr geeignet, die Kontinuität der streitigen Erörterungen vor den Unionsgerichten zu beeinträchtigen, als der am Rechtsmittelverfahren beteiligte Streithelfer, falls gegen eine nach Zurückverweisung ergangene neue Entscheidung des Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird, unter Beachtung der in Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und den einschlägigen Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs festgelegten Voraussetzungen erneut an dem Verfahren vor dem Gerichtshof teilnehmen können müsste. Dies würde bedeuten, dass er an einem Verfahren, das vor den Unionsgerichten im Rahmen eines einzigen Rechtsstreits stattfindet, nur mit Unterbrechungen teilnimmt.
113 Viertens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung über die Kosten entscheidet, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.
114 Aus dieser Bestimmung ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses, dass der Gerichtshof nicht über die Kosten entscheidet, wenn das Rechtsmittel begründet ist, er die Sache aber an das Gericht zurückverweist.
115 In einem solchen Fall hat das Gericht notwendigerweise über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, wie dies im Übrigen in Art. 219 seiner Verfahrensordnung ausdrücklich vorgesehen ist.
116 Spräche man dem am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer die Streithelfereigenschaft in einer Rechtssache ab, die vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen worden ist, so hätte dies, wenn beim Gerichtshof beantragt worden ist, einer anderen Partei die Kosten dieses Streithelfers aufzuerlegen oder dem Streithelfer die Kosten einer anderen Partei aufzuerlegen, demnach zur Folge, dass diese Anträge entweder nicht von einem Unionsgericht geprüft werden oder dass das Gericht über Anträge entscheiden muss, die sich auf eine Person beziehen, die nicht Partei des Verfahrens vor dem Gericht ist und daher ihre Ansprüche im Lauf dieses Verfahrens nicht verteidigen konnte.
117 Genau das wäre in der vorliegenden Rechtssache der Fall.
118 Im vorliegenden Fall hat nämlich die Kommission beantragt, den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑337/19 P aufzuerlegen.
119 Da der Gerichtshof im Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C-337/19 P, EU:C:2021:741), die Kostenentscheidung vorbehalten hat, muss das Gericht, wie die Rechtsmittelführerinnen geltend machen, bei der Prüfung der Rechtssache T‑263/16 RENV über eine etwaige Verurteilung der Rechtsmittelführerinnen zur Tragung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑337/19 P entscheiden.
120 Fünftens können die Argumente der Kommission gegen die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft an einen am Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer in einer Rechtssache, die der Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen hat, keinen Erfolg haben.
121 So unterliegt zunächst die Zuerkennung der Streithelfereigenschaft vor dem Gericht an einen am Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof beteiligten Streithelfer zwar nicht den in Art. 143 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Regeln; dies bedeutet aber nicht, dass eine solche Streithilfe vor dem Gericht zulässig wäre, ohne dass jegliche materiellen oder formellen Erfordernisse erfüllt sein müssten. Der Betroffene muss nämlich gemäß den in Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und den einschlägigen Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs festgelegten Voraussetzungen zuvor vom Gerichtshof in dem vor ihm geführten Verfahren als Streithelfer zugelassen worden sein.
122 Sodann ist die Tatsache, dass es einer Partei hierdurch ermöglicht wird, Stellungnahmen abzugeben, zu denen sich die anderen Parteien des Verfahrens vor dem Gericht nicht äußern können, unerheblich, da zum einen die Verfahrensordnung des Gerichts generell kein Recht gewährt, sich zu den nach Art. 217 dieser Verfahrensordnung abgegebenen Stellungnahmen zu äußern, und zum anderen Art. 217 Abs. 3 der Verfahrensordnung gleichwohl vorsieht, dass, wenn die Umstände es rechtfertigen, die Einreichung zusätzlicher Schriftsätze gestattet werden kann.
123 Was schließlich das Vorbringen betrifft, mit dem die Kommission geltend macht, wenn einem an einem Rechtsmittelverfahren beteiligten Streithelfer, der ebenfalls Kläger in einer vom Gericht im Rahmen der Bestimmung eines „Musterverfahrens“ ausgesetzten Rechtssache sei, die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht zuerkannt werde, führe dies zur Umgehung dieser Aussetzungsentscheidung, so ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Aussetzungsentscheidung nicht die Wirkung haben kann, dass die Zulassung des Streitbeitritts dieses Klägers vor einem Unionsgericht verhindert wird, wenn dieser Streitbeitritt nach Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zuzulassen ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International, C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915, Rn. 14 und 18 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
124 Nach alledem ist festzustellen, dass Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die Wahrung der den Streithelfern durch die Verfahrensordnung des Gerichts garantierten Verfahrensrechte und der Grundsatz der geordneten Rechtspflege es im Rahmen eines kohärenten Zusammenspiels der Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht gebieten, dass ein am Rechtsmittelverfahren beteiligter Streithelfer automatisch über die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht verfügt, wenn eine Rechtssache dorthin zurückverwiesen wird, nachdem der Gerichtshof eine Entscheidung des Gerichts aufgehoben hat.
125 Im vorliegenden Fall steht fest, dass zum einen mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2019, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:915), Soudal und Esko-Graphics als Streithelfer vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑337/19 P zugelassen worden sind und dass zum anderen mit Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), der Gerichtshof das Urteil des Gerichts vom 14. Februar 2019, Belgien und Magnetrol International/Kommission (T‑131/16 und T‑263/16, EU:T:2019:91), aufgehoben und die Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16 zur Entscheidung über bestimmte in diesen Rechtssachen geltend gemachte Gründe an das Gericht zurückverwiesen hat.
126 Daraus folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es den Rechtsmittelführerinnen in der Rechtssache T‑263/16 RENV die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht abgesprochen hat.
127 Demnach ist dem einzigen Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerinnen stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Zum Rechtsstreit vor dem Gericht
128 Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.
129 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Rn. 124 bis 126 des vorliegenden Beschlusses, dass Soudal und Esko-Graphics in dieser Rechtssache automatisch über die Streithelfereigenschaft vor dem Gericht und daher über sämtliche mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte verfügen, insbesondere über das Recht zur Stellungnahme nach Art. 217 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts.
130 Daher obliegt es dem Gericht, die prozessualen Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dieser Eigenschaft ergeben.
Kosten
131 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.
132 Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
133 Die Kommission ist zwar mit ihrem Vorbringen unterlegen, doch haben Soudal und Esko-Graphics nicht beantragt, ihr die Kosten aufzuerlegen. Daher trägt jede Partei ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) beschlossen:
1. Die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Dezember 2021, mit der es das Gericht abgelehnt hat, der Soudal NV und der Esko-Graphics BVBA die Streithelfereigenschaft in der Rechtssache T ‑263/16 RENV zuzuerkennen und ihre schriftlichen Stellungnahmen zu den Schlussfolgerungen, die für die Entscheidung des Rechtsstreits in dieser Rechtssache aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C ‑337/19 P, EU:C:2021:741), zu ziehen sind, zu den Akten dieser Rechtssache zu nehmen, wird aufgehoben.
2. Die Soudal NV, die Esko-Graphics BVBA und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
Unterschriften