C-73/22 P – Grupa Azoty u.a./ Kommission

C-73/22 P – Grupa Azoty u.a./ Kommission

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Language of document : ECLI:EU:C:2023:157

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 2. März 2023(1)

Verbundene Rechtssachen C73/22 P und C77/22 P

Grupa Azoty S.A.,

Azomureș SA,

Lipasmata Kavalas LTD Ypokatastima Allodapis

gegen

Europäische Kommission (C73/22 P)

und

Advansa Manufacturing GmbH,

Beaulieu International Group,

Brilen, SA,

Cordenka GmbH & Co. KG,

Dolan GmbH,

Enka International GmbH & Co. KG,

Glanzstoff Longlaville,

Infinited Fiber Company Oy,

Kelheim Fibres GmbH,

Nurel, SA,

PHP Fibers GmbH,

Teijin Aramid BV,

Thrace Nonwovens & Geosynthetics monoprosopi AVEE mi yfanton yfasmaton kai geosynthetikon proïonton,

Trevira GmbH

gegen

Dralon GmbH,

Europäische Kommission (C77/22 P)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2021 – Beihilfefähige Sektoren – Ausschluss des Düngemittelsektors – Nichtigkeitsklage – Begriff der anfechtbaren Handlung“

1.        Die vorliegenden verbundenen Rechtssachen betreffen die Rechtsmittel, mit denen die rechtsmittelführenden Unternehmen beantragen, die Beschlüsse vom 29. November 2021, Grupa Azoty u. a./Kommission (T‑726/20, nicht veröffentlicht), und vom 29. November 2021, Advansa Manufacturing u. a./Kommission (T‑741/20, nicht veröffentlicht) (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse), mit denen das Gericht der Europäischen Union ihre Klagen auf teilweise Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission vom 25. September 2020 mit dem Titel „Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2021“ (im Folgenden: streitige Leitlinien)(2) als unzulässig abgewiesen hat, aufzuheben.

2.        Der Gerichtshof wird damit Gelegenheit haben, sehr wichtige Klarstellungen zu treffen, die die Auslegung bestimmter Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage von Einzelpersonen vor dem Gericht betreffen, nämlich des Begriffs der anfechtbaren Handlung und der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit sowie des Verhältnisses zwischen diesen beiden Voraussetzungen.

 Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten

3.        Mit der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) wurde ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union (im Folgenden: EU-EHS) geschaffen, um auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung dieser Emissionen hinzuwirken. Diese Richtlinie wurde u. a. durch die Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 (ABl. 2018, L 76, S. 3) geändert, um insbesondere das EU-EHS für den Zeitraum 2021‑2030 nachzubessern und zu verlängern.

4.        Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sollten zugunsten von Sektoren oder Teilsektoren, die aufgrund erheblicher indirekter Kosten, die durch die Weitergabe der Kosten von Treibhausgasemissionen über die Strompreise tatsächlich entstehen, einem tatsächlichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, finanzielle Maßnahmen gemäß den Unterabsätzen 2 und 4 erlassen, vorausgesetzt, dass diese finanziellen Maßnahmen mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen im Einklang stehen und insbesondere keine ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt verursachen. …“

5.        Die streitigen Leitlinien ersetzen ab dem 1. Januar 2021 die Mitteilung „Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012“ vom 5. Juni 2012 (ABl. 2012, C 158, S. 4).

6.        In Rn. 7 der streitigen Leitlinien teilt die Kommission mit, dass sie in diesen Leitlinien die Voraussetzungen darlegt, die die Beihilfen im Zusammenhang mit dem EU-EHS erfüllen müssen, damit sie nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können.

7.        In Rn. 9 der streitigen Leitlinien präzisiert die Kommission, dass die dort dargelegten Grundsätze „nur für die spezifischen Beihilfemaßnahmen nach Artikel 10a Absatz 6 und Artikel 10b der Richtlinie 2003/87/EG [gelten]“.

8.        In Rn. 21 der streitigen Leitlinien heißt es:

„Um die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt zu begrenzen, muss die Beihilfe auf Sektoren begrenzt sein, die aufgrund erheblicher indirekter Kosten, die durch die Weitergabe der Kosten von Treibhausgasemissionen über die Strompreise tatsächlich entstehen, einem tatsächlichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind. Für die Zwecke dieser Leitlinien gilt ein tatsächliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen nur dann als gegeben, wenn der Beihilfeempfänger in einem der in Anhang I genannten Sektoren tätig ist.“

9.        Die Rechtsmittelführerinnen, Grupa Azoty S.A., Azomureș SA und Lipasmata Kavalas LTD Ypokatastima Allodapis sind Unternehmen, die im Sektor der Herstellung von Stickstofferzeugnissen und Düngemitteln tätig sind, der derzeit unter den NACE‑Code 20.15 fällt.

10.      Dieser Sektor ist in der Liste in Anhang I der streitigen Leitlinien nicht aufgeführt, während er in der Liste in Anhang II der Leitlinien von 2012, die bis zum 31. Dezember 2020 galten, enthalten war.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Beschlüsse

11.      Mit Klageschriften, die am 15. und 16. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Rechtsmittelführerinnen gemäß Art. 263 AEUV Klagen auf Nichtigerklärung von Anhang I der streitigen Leitlinien erhoben.

12.      Mit den angefochtenen Beschlüssen hat das Gericht diese Klagen für unzulässig erklärt.

13.      Das Gericht hat in Rn. 26 dieser Beschlüsse daran erinnert, dass die Zulässigkeit einer Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV davon abhänge, dass ihr die Klagebefugnis zuerkannt werde. Diese liege in zwei Fällen vor: Zum einen könne eine solche Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betreffe. Zum anderen könne ein solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betreffe.

14.      Daraus hat es in Rn. 27 der genannten Beschlüsse abgeleitet, dass zu prüfen sei, ob die Rechtsmittelführerinnen, die nicht Adressaten der streitigen Leitlinien seien, im Hinblick auf diese unter eine dieser beiden Fallgruppen fielen. Da beide Fälle eine unmittelbare Betroffenheit der Klagepartei durch die angefochtene Handlung voraussetzten, ist das Gericht der Ansicht gewesen, dass zunächst diese Voraussetzung zu prüfen sei.

15.      Diesbezüglich hat das Gericht in Rn. 29 der Beschlüsse daran erinnert, dass die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der Handlung, die Gegenstand der Klage sei, unmittelbar betroffen sein müsse, erfordere, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt seien, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirke, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung beauftragt seien, keinerlei Ermessensspielraum lasse, ihre Umsetzung vielmehr automatisch erfolge und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergebe.

16.      Nach Ansicht des Gerichts haben die streitigen Leitlinien keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen.

17.      Zur Begründung dieser Auffassung hat das Gericht in den Rn. 40 bis 42 der angefochtenen Beschlüsse insbesondere ausgeführt, dass die in den streitigen Leitlinien getroffene Annahme, dass eine tatsächliche Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionen nur dann bestehe, wenn der Beihilfeempfänger seine Tätigkeit in einem der in Anhang I dieser Leitlinien aufgeführten Sektoren ausübe, aus rechtlicher Sicht nicht ausschließe, dass die Mitgliedstaaten bei der Kommission Beihilfemaßnahmen zugunsten von Unternehmen anmelden könnten, die in anderen als den in diesem Anhang aufgeführten Sektoren tätig seien, und versuchen könnten, nachzuweisen, dass eine für diese Unternehmen bestimmte Beihilfe trotz Nichterfüllung eines der in den genannten Leitlinien aufgestellten Kriterien unter Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV falle, auch wenn es aus Gründen der Opportunität unwahrscheinlich sei, dass dies geschehe. Ausgehend davon, dass es in einem solchen Fall sehr wahrscheinlich sei, dass die Kommission gemäß der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) einen Beschluss erlasse, in dem festgestellt werde, dass die geplante Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nur dieser Beschluss gegenüber denjenigen Unternehmen, denen die Beihilfe hätte zugutekommen sollen, unmittelbare Rechtswirkungen entfalten könne und von diesen Unternehmen, soweit er sie in dieser Weise unmittelbar betreffe, mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden könne.

18.      Das Gericht hat ferner in Rn. 38 der angefochtenen Beschlüsse ausgeführt, dass die Kommission in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat beschließe, keine unter die streitigen Leitlinien fallende Beihilfemaßnahme zu erlassen, keinen Beschluss nach der Verordnung 2015/1589 erlasse. Folglich hätten diese Leitlinien auch in diesem Fall keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen.

 Anträge der Parteien

19.      Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

–        die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben;

–        die Klagen für zulässig zu erklären;

–        hilfsweise, die angefochtenen Beschlüsse nur mit der Begründung aufzuheben, dass das Gericht die Entscheidung über die Zulässigkeit bis zur Prüfung der Begründetheit der Klagen hätte zurückstellen müssen;

–        die Rechtssachen zur Prüfung der Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen;

–        die Frage der Kosten des Verfahrens vor dem Gericht zurückzustellen und dem Gericht aufzugeben, über diese Kosten zu entscheiden, wenn es die Prüfung der Begründetheit vorgenommen hat.

20.      Die Kommission beantragt,

–        die Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen;

–        hilfsweise, dass der Gerichtshof, falls er die angefochtenen Beschlüsse aufheben sollte, selbst über die Rechtsmittel entscheidet, diese als unzulässig abweist und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten auferlegt.

21.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. September 2022 sind die Rechtssachen C‑73/22 P und C‑77/22 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zum Rechtsmittel

22.      Das vorliegende Rechtsmittel wird auf zwei Rechtsmittelgründe gestützt. Der erste betrifft eine unzureichende Begründung der angefochtenen Beschlüsse, während die Rechtsmittelführerinnen mit dem zweiten in erster Linie geltend machen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es davon ausgegangen sei, dass sie von den streitigen Leitlinien nicht unmittelbar betroffen seien, und hilfsweise, dass das Gericht die Begründetheit der Klagen hätte prüfen müssen, bevor es über deren Zulässigkeit entschieden habe.

23.      Auf Wunsch des Gerichtshofs beziehen sich die vorliegenden Schlussanträge nur auf den zweiten Rechtsmittelgrund.

 Vorbringen der Parteien

24.      Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen stützt sich die Beurteilung der unmittelbaren Betroffenheit in den angefochtenen Beschlüssen auf drei unzutreffende, ja sogar fehlerhafte Prämissen.

25.      Erstens sei das Gericht von der Prämisse ausgegangen, dass im Licht des Art. 263 AEUV alle Leitlinien der Kommission gleich zu bewerten seien, was einen falschen Ansatz zum Ausdruck bringe. Das Gericht habe sich insoweit zu Unrecht auf Präzedenzfälle zu Leitlinien gestützt, die einen Ermessensspielraum beließen oder Ausnahmen aufstellten, auf die sich die Mitgliedstaaten berufen könnten. Außerdem gehe das Gericht davon aus, dass die streitigen Leitlinien nur für die Kommission bindend seien. Dabei verdecke es die Tatsache, dass diese im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C, veröffentlicht worden seien, dass sie sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten richteten, dass sie diesen im Hinblick auf die Wirtschaftssektoren, die für Beihilfen in Betracht kämen, die nach Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung gewährt werden könnten, keinen Ermessensspielraum oder Raum für Ausnahmen ließen und dass sie, da sie in einem bindenden Wortlaut formuliert seien, darauf gerichtet seien, die Funktion einer verbindlichen Rechtsvorschrift zu übernehmen.

26.      Zweitens habe sich das Gericht fälschlicherweise auf die Möglichkeit gestützt, dass ein Mitgliedstaat bei der Kommission Beihilfemaßnahmen zugunsten von Unternehmen anmelde, die in anderen als den in Anhang I der streitigen Leitlinien aufgeführten Sektoren tätig seien, und versuche zu belegen, dass diese Maßnahmen gleichwohl gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Auch wenn diese Möglichkeit rechtlich gesehen bestehe, ändere dieser Umstand nichts daran, dass die streitigen Leitlinien die Gewährung von Beihilfen nach Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung an Wirtschaftsteilnehmer ausschlössen, die in den Sektoren tätig seien, die nicht in ihrem Anhang I genannt seien. Dieser Ausschluss werde durch die allgemeine Möglichkeit der Gewährung staatlicher Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c in keiner Weise kompensiert. Denn jegliche Aussicht auf die Gewährung solcher Beihilfen wäre rein spekulativ, während die Beihilfen, auf die sich der genannte Art. 10a Abs. 6 beziehe, durch diese Bestimmung förmlich vorgesehen seien und gefördert würden.

27.      Drittens habe sich das Gericht auf die falsche Prämisse gestützt, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nur dann unmittelbar betroffen sein könne, wenn die Kommission einen Beschluss nach der Verordnung 2015/1589 erlasse. Den Rechtsmittelführerinnen werde auf diese Weise jeder Rechtsbehelf verwehrt. Da die Mitgliedstaaten nämlich nicht verpflichtet seien, eine Beihilferegelung aufgrund von Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung einzuführen, sei es plausibel, dass keine Anmeldung erfolge und somit auch kein Beschluss der Kommission ergehe. Ein solche Situation, die durch das Fehlen einer Beihilfe für die Rechtsmittelführerinnen gekennzeichnet sei, sei identisch mit derjenigen, in der eine gemäß dem genannten Art. 10a Abs. 6 eingeführte und bei der Kommission angemeldete Beihilferegelung, die den Sektor der Herstellung von Düngemitteln und Stickstofferzeugnissen umfasse, Gegenstand eines ablehnenden Beschlusses der Kommission sei. Der Unterschied bestehe jedoch darin, dass die Rechtsmittelführerinnen in der ersten Situation über keinerlei Rechtsbehelf verfügten, während in der zweiten ein solcher zur Verfügung stehe, was unzulässig sei, da die Rechtsmittelführerinnen in beiden Fällen in gleicher Weise betroffen seien.

28.      Hilfsweise beantragen die Rechtsmittelführerinnen die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse, da das Gericht die Begründetheit der Klagen hätte prüfen müssen, bevor es über ihre Zulässigkeit entschieden habe.

29.      Die Kommission tritt diesem Vorbringen insgesamt entgegen.

 Würdigung

30.      In den vorliegenden Schlussanträgen werden meine Erwägungen wie folgt gegliedert sein: Nach einigen einleitenden Bemerkungen werde ich erstens die Gründe dafür darlegen, dass meines Erachtens die streitigen Leitlinien nicht als „anfechtbare Handlung“ eingestuft werden können und als solche nicht Gegenstand einer Klage nach Art. 263 AEUV sein können. Zweitens werde ich vertreten, dass die Prüfung, ob die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfüllt ist, nicht sinnvoll durchgeführt werden kann, wenn es sich um ein Rechtsinstrument wie die streitigen Leitlinien handelt, was die Auslegung stützt, dass diese ihrer Natur nach nicht anfechtbar sind. Drittens werde ich erläutern, weshalb die Begründung im Urteil Deutsche Post und Deutschland/Kommission(3) nicht auf die streitigen Leitlinien anwendbar ist. Viertens werde ich darlegen, dass das Gericht keineswegs verpflichtet war, die Begründetheit der Klage zu prüfen, bevor es über ihre Zulässigkeit entschied.

 Einleitende Bemerkungen

31.      Die vor dem Gerichtshof aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit von Klagen juristischer Personen im Bereich des Beihilferechts betraf nach meiner Kenntnis bislang nur Klagen gegen Beschlüsse der Kommission, die am Ende einer vorläufigen Prüfung (Art. 4 der Verordnung 2015/1589) ergingen oder das förmliche Prüfverfahren (Art. 9 der Verordnung 2015/1589) abschlossen und in denen bestimmt wurde, ob eine geplante und angemeldete oder ohne Anmeldung gewährte Beihilfemaßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt und eine solche Maßnahme gegebenenfalls aufgrund eines der in Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV genannten Rechtfertigungsgründe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

32.      Die mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage, die sich speziell auf die Anfechtbarkeit von Leitlinien der Kommission bezieht, ist daher für den Gerichtshof neu und darüber hinaus zweifellos schwierig, da sie den Zugang zu den Unionsgerichten betrifft.

33.      Zusammen mit den angefochtenen Beschlüssen handelt es sich um das dritte Mal, dass sich das Gericht zu dieser Fragestellung äußert. In den beiden vorhergehenden Fällen(4) folgte das Gericht der gleichen rechtlichen Argumentation wie im vorliegenden Fall, was die Stellungnahme, die der Gerichtshof im anstehenden Urteil zur Richtigkeit einer solchen Argumentation treffen wird, umso wichtiger macht.

34.      Es ist notwendig, den relevanten Kontext in Erinnerung zu rufen. Mit Art. 108 Abs. 3 AEUV wird eine vorbeugende Kontrolle von neuen Beihilfevorhaben (sowie von Änderungen bestehender Beihilfen) eingeführt. Der damit geschaffene Präventionsmechanismus soll sicherstellen, dass nur Maßnahmen durchgeführt werden, die mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Für die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV ist ausschließlich die Kommission zuständig, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt. Insoweit verfügt die Kommission über einen weiten Ermessensspielraum, den sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, und ist somit berechtigt, die Kriterien festzulegen, anhand derer sie die Vereinbarkeit der von den Mitgliedstaaten geplanten Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu prüfen beabsichtigt.

35.      Zu diesem Zweck macht die Kommission im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis von nicht zwingenden Rechtsinstrumenten (soft law) wie Leitlinien, Rahmen und Mitteilungen ausgiebig Gebrauch, um die Ausübung ihres Ermessensspielraums zu strukturieren. Wie vom Gerichtshof anerkannt(5), tragen diese Instrumente nämlich dazu bei, die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Handelns der Kommission zu gewährleisten.

36.      Die genannten Instrumente umfassen horizontale Regelungen für besondere Beihilfekategorien (insbesondere Regionalbeihilfen; Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation; Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten), Regelungen für besondere Beihilfeinstrumente (in den Bereichen von Bürgschaften, Steuern und kurzfristigen Exportkreditversicherungen), sektorspezifische Regelungen (insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und Umwelt, Finanzen sowie Medien) sowie Regelungen für Beihilfen zur Unterstützung der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und im Gefolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Die streitigen Leitlinien enthalten sektorspezifische Regelungen, die sich auf Beihilfen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten beziehen.

 Die streitigen Leitlinien stellen keine anfechtbare Handlung dar

37.      Wie oben bereits erwähnt, hat das Gericht bei den angefochtenen Beschlüssen nur die Frage geprüft, ob die Rechtsmittelführerinnen von den streitigen Leitlinien unmittelbar betroffen waren, um festzustellen, ob die Rechtsmittelführerinnen die erforderliche Klagebefugnis besaßen, um eine Klage gegen die in Frage stehende Handlung zu erheben. Der Schriftsatzwechsel zwischen den Rechtsmittelführerinnen und der Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat sich auf diese Rechtsfrage bezogen.

38.      Ich bin jedoch davon überzeugt, dass der Gerichtshof in seinem anstehenden Urteil zunächst prüfen sollte, ob die streitigen Leitlinien eine Handlung darstellen, die Gegenstand einer Klage nach Art. 263 AEUV im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung sein kann, also eine „anfechtbare Handlung“. Denn es ist daran zu erinnern, dass die für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage vor dem Gericht relevante Frage, ob diese Leitlinien ihrer Natur nach anfechtbar sind, einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellt, den der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens angerufen wird, von Amts wegen zu behandeln hat(6).

39.      Nach ständiger Rechtsprechung sind unabhängig von ihrer Form alle Handlungen der Unionsorgane anfechtbar, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, wobei diese Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der betreffenden Handlung, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zusammenhangs ihres Erlasses und der Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs, zu beurteilen sind(7). Es steht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch fest, dass, wenn der Kläger eine natürliche oder juristische Person ist, die Klage nur dann möglich ist, wenn die genannten verbindlichen Rechtswirkungen die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen(8). Mit anderen Worten, die Anfechtbarkeit hängt nach diesem Modell ausschließlich von einer Handlung ab, die verbindliche Rechtswirkungen im rechtlichen Besitzstand des Klägers erzeugt.

40.      In Anbetracht dessen scheinen mir die streitigen Leitlinien nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführerinnen nach Art. 263 AEUV sein zu können.

41.      Zunächst ist klarzustellen, dass die normative Wirkung, die sich aus dem abschließenden Charakter der Liste in Anhang I der streitigen Leitlinien ergibt, nicht zu der Schlussfolgerung führt, dass diese eine anfechtbare Handlung darstellen. Wenn die streitigen Leitlinien nämlich nicht geeignet sind, verbindliche Rechtswirkungen im rechtlichen Besitzstand der Rechtsmittelführerinnen zu erzeugen, wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen zu zeigen versuchen werde, ist es, wie oben bereits erwähnt, nicht erforderlich, sich mit dem Inhalt dieser Handlung (oder dem Zusammenhang, in dem sie erlassen wurde) zu befassen.

42.      Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen die Wirkung von Leitlinien bereits bestimmt hat, als er festgestellt hat, dass die Kommission, wenn sie Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden wird, die Ausübung ihres Ermessens selbst beschränkt und nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde(9). Mit anderen Worten, die Wirkung besteht in einer Beschränkung der Ermessensausübung durch die Kommission selbst. Die Kommission ist also verpflichtet, Beihilfemaßnahmen zu genehmigen, die den Bestimmungen der Leitlinien entsprechen, und darf davon nicht abweichen, es sei denn, sie liefert einen anerkannten Grund dafür, wie es der als „comply or explain“ bekannte Mechanismus vorsieht. Andernfalls könnte ein Verstoß gegen die Regeln, die sich die Kommission selbst auferlegt hat, zu einer Verletzung der oben genannten allgemeinen Grundsätze führen.

43.      Sodann hat der Gerichtshof im Urteil Kotnik u. a.(10) klargestellt, dass die Wirkung der Leitlinien auf die genannte Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission begrenzt ist, und hat das Vorbringen zurückgewiesen, dass diese de facto Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten entfalteten, da es zumindest unwahrscheinlich sei, dass ein Mitgliedstaat eine Beihilfemaßnahme anmelde, die nicht den Anforderungen der Leitlinien entspreche, und sich damit dem Risiko eines möglichen negativen Beschlusses der Kommission hinsichtlich der Durchführung der fraglichen Beihilfemaßnahme aussetze. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang nämlich festgestellt, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, bei der Kommission Beihilfevorhaben anzumelden, die nicht die in den Leitlinien vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, und dass die Kommission solche Vorhaben in Ausnahmefällen in direkter Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV genehmigen kann(11).

44.      Die rechtliche Wirkung, die den Leitlinien zuerkannt wird, ist daher aufgrund der in den beiden vorangegangenen Nummern erörterten Rechtsprechung kein inhärentes Attribut der Leitlinien, sondern hängt von ihrer Umsetzung im Rahmen der Entscheidungspraxis der Kommission ab. Mit anderen Worten, nur ein Beschluss der Kommission über die Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme mit dem Binnenmarkt kann verbindliche Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen.

45.      Diese Lesart wird, wie mir scheint, durch die Rechtsprechung zu den kartellrechtlichen Leitlinien gestützt. Zwar hat der Gerichtshof in den Urteilen Dansk Rørindustri u. a./Kommission und Ziegler/Kommission befunden, dass „nicht auszuschließen [ist], dass derartige Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung unter bestimmten Voraussetzungen und je nach ihrem Inhalt Rechtswirkungen entfalten können“(12), doch haben die Rechtmittelführerinnen in diesen Fällen die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Kommission im Hinblick auf die Bestimmungen der damals in Rede stehenden Leitlinien angefochten. Der Gerichtshof hat sich daher zu der Frage geäußert, ob diese Bestimmungen Teil des rechtlichen Rahmens für den Erlass des Beschlusses der Kommission waren und somit Rechtswirkungen für dieses Organ in dem Sinne entfalteten, dass es nicht von diesen Bestimmungen abweichen konnte, ohne dass dies wegen eines Verstoßes gegen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts geahndet würde(13).

46.      Eine Auslegung, die die Anfechtbarkeit der streitigen Leitlinien anerkennt, wäre demgegenüber insoweit wenig überzeugend, als sie implizieren würde, dass verbindliche Rechtswirkungen gegenüber Dritten der Anmeldung der Beihilfemaßnahme durch den betreffenden Mitgliedstaat und ihrer Prüfung durch die Kommission im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorausgehen könnten. Daher scheint mir ihre Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die für die Kontrolle staatlicher Beihilfen gelten, zumindest fraglich zu sein, und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen.

47.      Erstens würde diese Auslegung der zentralen Rolle der Anmeldung bei der Kontrolle der staatlichen Beihilfen nicht ausreichend Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die durch Art. 108 Abs. 3 AEUV eingeführte Anmeldepflicht eines der grundlegenden Elemente des durch die Verträge in diesem Bereich geschaffenen Kontrollsystems darstellt. Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat(14), ist diese Anmeldepflicht von grundlegender Bedeutung, damit die Kommission ihre Überwachungsaufgaben, die ihr durch die Art. 107 und 108 AEUV im Bereich der staatlichen Beihilfen übertragen wurden, in vollem Umfang wahrnehmen kann und insbesondere damit sie in Ausübung ihrer ausschließlichen Zuständigkeit in diesem Bereich die Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 AEUV beurteilen kann.

48.      Ich bin nicht von der Argumentation überzeugt, dass die Mitgliedstaaten dazu veranlasst würden, eine Beihilferegelung ausschließlich – und somit unter Ausschluss der Rechtsmittelführerinnen – zugunsten von Unternehmen anzumelden, die in den tatsächlich in Anhang I aufgeführten Sektoren tätig seien, da diese Staaten einerseits gemäß Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung dazu angehalten würden, finanzielle Maßnahmen zugunsten von Sektoren einzuführen, die aufgrund indirekter Kosten einem tatsächlichen Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt seien („sollten“), und andererseits Anhang I eine abschließende Liste enthalte, die den Sektor, in dem die Rechtsmittelführerinnen tätig seien, nicht umfasse. Der Gerichtshof hat nämlich vor Kurzem implizit das in den Schlussanträgen des Generalanwalts vorgebrachte Argument zurückgewiesen, dass die Anfechtbarkeit eines Instruments des nicht zwingenden Rechts allein von der Eignung dieses Instruments abhänge, eine Verhaltensänderung bei den Adressaten zu bewirken, ohne dass dieses förmlich verbindliche Wirkungen für die Adressaten entfalten müsse(15).

49.      Zweitens und vor allem würde diese Auslegung meines Erachtens auf eine Aushöhlung des Grundsatzes, dass Leitlinien die Bedeutung des Primärrechts nicht beeinflussen können, hinauslaufen. Es steht nämlich fest, dass die Kommission an die Rahmen und Mitteilungen (sowie an die Leitlinien) auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen nur insoweit gebunden ist, als diese Texte nicht von einer fehlerfreien Auslegung der Vorschriften des Vertrags abweichen, da diese Texte nicht in einem Sinn ausgelegt werden dürfen, durch den die Bedeutung der Art. 107 und 108 AEUV eingeschränkt wird oder der den mit diesen verfolgten Zielen zuwiderläuft(16).

50.      Die korrekte Bestimmung der Bedeutung von Art. 107 AEUV in einem Einzelfall kann aber nicht gewährleistet werden, wenn kein Beschluss der Kommission ergeht, mit dem das Verwaltungsverfahren (oder eine Phase davon) abgeschlossen wird, in dem (der) die Kommission darüber entscheidet, ob die zum Zeitpunkt ihres Beschlusses bestehende tatsächliche und wirtschaftliche Situation es erfordert, dass sie von den Bestimmungen der Leitlinien abweicht, um den Art. 107 und 108 AEUV zu entsprechen(17).

51.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die streitigen Leitlinien keine anfechtbare Handlung darstellen und als solche nicht Gegenstand einer Klage nach Art. 263 AEUV sein können.

 Die Prüfung, ob die streitigen Leitlinien die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfüllen, ergibt, dass diese keine anfechtbare Handlung darstellen

52.      Wenn das Erfordernis der „unmittelbaren Betroffenheit“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV genau aufgeschlüsselt wird, ergibt sich meines Erachtens aus der Prüfung, ob diese Voraussetzung im Fall der streitigen Leitlinien erfüllt ist, dass die Prämisse Annahme der Anfechtbarkeit der fraglichen Handlung unrichtig ist, was die im vorhergehenden Abschnitt dieser Schlussanträge dargelegte Auslegung bestätigt.

53.      Es steht fest, dass die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit die Erfüllung von zwei kumulativen Kriterien(18) erfordert, nämlich erstens, dass sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt(19).

54.      Das erste Kriterium erfordert die Feststellung, ob die von der Kommission in den streitigen Leitlinien eingegangene Verpflichtung, die von Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung erfassten Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen, wenn sie in den in Anhang I dieser Leitlinien abschließend aufgezählten Sektoren gewährt werden, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen unmittelbar berührt.

55.      In den Rn. 38 bis 42 der angefochtenen Beschlüsse hat das Gericht zunächst im Wesentlichen festgestellt, dass die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten über die Möglichkeit verfügten, eine Beihilfemaßnahme, die nicht die in den streitigen Leitlinien festgelegten Bedingungen erfülle, bei der Kommission anzumelden, der Anerkennung des genannten unmittelbaren Charakters entgegenstehe. Im vorliegenden Fall könne die Existenz der abschließenden Liste der Sektoren, die für eine Beihilfe in Betracht kämen, in Anhang I dieser Leitlinien „aus rechtlicher Sicht“ nicht die Möglichkeit ausschließen, dass die Mitgliedstaaten bei der Kommission eine Beihilfemaßnahme zugunsten von Unternehmen anmelden würden, die in anderen als den im genannten Anhang aufgeführten Sektoren tätig seien.

56.      Das Gericht hat sodann im Wesentlichen betont, dass die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat möglicherweise nicht immer bereit sei, das Risiko einzugehen, bei der Kommission Beihilfemaßnahmen anzumelden, die nicht im Einklang mit den streitigen Leitlinien stünden, im vorliegenden Fall nicht relevant sei, da das entscheidende Element darin bestehe, dass ein Mitgliedstaat „aus rechtlicher Sicht“ in der Lage sei, nachzuweisen, dass eine Beihilfe, die einem Unternehmen gewährt werde, das in einem anderen als den in Anhang I aufgeführten Sektoren tätig sei, mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vereinbar sei, obwohl sie die in diesen Leitlinien enthaltenen Voraussetzungen nicht erfülle. Zwar sei es sehr wahrscheinlich, dass die Kommission in Anwendung der streitigen Leitlinien einen Beschluss erlasse, in dem sie feststelle, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, „doch nur dieser Beschluss wäre geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber den Unternehmen, die in den Genuss der Beihilfe hätten kommen sollen, zu entfalten“(20).

57.      Meiner Ansicht nach wäre die Argumentation des Gerichts zutreffend, wenn sie im Rahmen der Prüfung der Frage, ob diese Leitlinien als anfechtbare Handlung qualifiziert werden können, entwickelt worden wäre. Denn diese Argumentation beruht eigentlich auf dem Fehlen verbindlicher Rechtswirkungen für die Mitgliedstaaten, was, wie zuvor erläutert, zu der Schlussfolgerung führt, dass die streitigen Leitlinien keine solchen Wirkungen in Bezug auf die Rechtsmittelführerinnen entfalten.

58.      In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Kern der Argumentation des Gerichts, d. h. Rn. 41 der angefochtenen Beschlüsse, lediglich den von Generalanwalt Wahl in den Nrn. 43 und 44 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Kotnik u. a.(21) eingeschlagenen juristischen Begründungsweg umsetzt. Wie bereits oben erörtert, ging es in dieser Rechtssache insbesondere um die Frage, ob Leitlinien, die im Bereich der staatlichen Beihilfen erlassen wurden, verbindliche Rechtswirkungen gegenüber den Mitgliedstaaten entfalten können.

59.      So wird die Feststellung des Gerichts, dass das Vorliegen einer unmittelbaren Betroffenheit der Rechtsmittelführerinnen durch die streitigen Leitlinien nicht dadurch beeinflusst werde, dass ein Mitgliedstaat möglicherweise nicht immer bereit sei, das Risiko zu tragen, das mit der Anmeldung einer Beihilfemaßnahme verbunden sei, die den Leitlinien nicht in vollem Umfang entspreche, auf die folgende Begründung gestützt: „Es handelt sich hierbei um Opportunitätserwägungen, die für die politischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats relevant sein können, die aber die Natur und die Wirkungen einer Unionshandlung, die aus den Vorschriften der Verträge abgeleitet ist, nicht beeinflussen können“(22). Diese Begründung, die fast wörtlich die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl wiedergibt, zeigt meiner Meinung nach besonders deutlich, dass die Argumentation des Gerichts, wie sie in den Rn. 38 bis 42 der angefochtenen Beschlüsse dargelegt wird, nicht einer Prüfung der Erfüllung der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit entspricht.

60.      Was das zweite Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit anbelangt, so scheint mir jeder Versuch, es auf den vorliegenden Fall anzuwenden, zum Scheitern verurteilt zu sein. Denn dieses Kriterium wurde vom Gerichtshof entwickelt, um das Vorliegen einer unmittelbaren Betroffenheit auszuschließen, wenn sich eine solche Betroffenheit aus der Ausübung des Ermessens durch den Adressaten ergibt, der für die Durchführung der fraglichen Handlung zuständig ist, wobei es sich bei diesem Adressaten ausnahmslos um ein anderes Unionsorgan oder nationale Behörden handelt.

61.      Im Bereich der staatlichen Beihilfen sind die „Adressaten“ in der Regel die Mitgliedstaaten, und das angewandte Verwaltungsverfahren besteht hauptsächlich aus einem Dialog zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat. Meines Erachtens können die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Leitlinien jedoch nicht als „Adressaten, die für die Durchführung zuständig sind,“ bezeichnet werden. Vielmehr geht aus dem Urteil Kotnik hervor, dass nur die Kommission für die Umsetzung ihrer Leitlinien zuständig ist.

62.      Diese Feststellung scheint mir aufschlussreich in Bezug auf die Tatsache, dass das geprüfte Kriterium, das darauf abzielt, das etwaige Dazwischentreten einer eigenständigen Absicht zwischen einen Rechtsakt der Union und seine Auswirkungen auf den Kläger(23) zu ermitteln, nicht sinnvoll auf ein Instrument des nicht zwingenden Rechts wie die streitigen Leitlinien angewandt werden kann, das eine bloße Selbstbeschränkungswirkung bei dem Organ, das es verwendet, entfaltet. In einem solchen Fall ist es nämlich nicht sinnvoll, nach dem Vorliegen einer solchen eigenständigen Absicht zu fragen, da die Wirkungen der streitigen Leitlinien in der rechtlichen Sphäre der Kommission verbleiben und nur ein von ihr erlassener Beschluss über die Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme im Sinne von Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2018/410 geänderten Fassung mit dem Binnenmarkt verbindliche Rechtswirkungen gegenüber den Rechtsmittelführerinnen zu erzeugen vermag.

63.      Der Vollständigkeit halber füge ich hinzu, dass die Nichtanwendbarkeit der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit auf die streitigen Leitlinien logischerweise bedeutet, dass das Ergebnis, zu dem der Gerichtshof im Urteil Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission(24) gelangt ist, im vorliegenden Fall nicht von Relevanz ist. Im Übrigen steht dieses Ergebnis ganz im Einklang mit der in den vorliegenden Schlussanträgen vorgeschlagenen Auslegung hinsichtlich des Fehlens verbindlicher Rechtswirkungen der streitigen Leitlinien gegenüber Dritten.

64.      Im Urteil Montessori hat der Gerichtshof im Wesentlichen eine Lesart der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit gewählt, die es einem Unternehmen, das bei der Kommission eine Beschwerde eingereicht hat, ermöglicht, Zugang zum Gericht zu erhalten, damit dieses die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission über die Maßnahme, auf die sich diese Beschwerde bezieht, überprüft, wenn das Unternehmen vor dem Gericht stichhaltig darlegt, dass es aufgrund dieses Beschlusses Gefahr läuft, einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden(25). Meiner Ansicht nach kann das Recht jedes Wirtschaftsteilnehmers, nicht durch eine nationale Maßnahme einem verfälschten Wettbewerb ausgesetzt zu sein, auf dem diese Lesart aufbaut, es nicht rechtfertigen, dieses Kriterium auf einen Fall wie den vorliegenden zu übertragen, der nicht einen Beschluss der Kommission, sondern von ihr erlassene Leitlinien betrifft, die keine verbindlichen Rechtswirkungen gegenüber den rechtsmittelführenden Unternehmen entfalten.

 Die Erwägungen des Urteils Deutsche Post sind nicht anwendbar, wenn ein Instrument des nicht zwingenden Rechts vorliegt, das lediglich die Befugnis des Organs, das es erlassen hat, beschränken soll

65.      An dieser Stelle bedarf es der Klarstellung, dass die Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil Deutsche Post im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind. In diesem Urteil hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass die Rechtsprechung, wonach eine Handlung nur dann anfechtbar ist, wenn die von ihr ausgehenden verbindlichen Rechtswirkungen die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen, im Kontext von Klagen natürlicher oder juristischer Personen gegen Handlungen, deren Adressaten sie waren, entwickelt worden ist. Außerdem und vor allem hat er festgestellt, dass, wenn eine natürliche oder juristische Person eine Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung erhebt, deren Adressat sie nicht ist, sich das oben genannte Erfordernis mit den in Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellten Voraussetzungen (unmittelbare und individuelle Betroffenheit oder bloße unmittelbare Betroffenheit, wenn es sich um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt) überschneidet(26).

66.      Diese Erwägungen sind meiner Meinung nach nicht anwendbar, wenn ein Instrument des nicht zwingenden Rechts wie die streitigen Leitlinien vorliegt, dessen einzige Wirkung darin besteht, den Ermessensspielraum seines Urhebers zu begrenzen.

67.      Das Instrument, dessen Anfechtbarkeit in dem Fall, der dem genannten Urteil zugrunde lag, diskutiert wurde, war eine Entscheidung der Kommission, mit der ein Mitgliedstaat aufgefordert wurde, Informationen über eine angeblich rechtswidrige Beihilfe zu übermitteln, wie es in Art. 10 Abs. 3 der alten Verordnung über das Verfahren für staatliche Beihilfen (jetzt Art. 12 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589) vorgesehen war(27). Es handelte sich also nicht um ein Instrument des nicht zwingenden Rechts, mit dem das Ermessen des Organs, das es erlassen hatte, eingeschränkt werden sollte, sondern um eine Handlung, die den Zwecken des Verwaltungsverfahrens diente und einen Adressaten (jeden Mitgliedstaat) hatte, der sich deutlich von seinem Urheber (der Kommission) unterschied, und der Gerichtshof hatte insbesondere über die Frage zu entscheiden, ob eine Klage gegen diese Handlung zulässig war, die von Deutsche Post als Begünstigte der Beihilfemaßnahme, auf die sich die in der Anordnungsentscheidung genannten Informationen bezogen, erhoben worden war.

68.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass dieses Urteil vom Gerichtshof im Bereich der staatlichen Beihilfen bislang noch nie wieder aufgegriffen worden ist, sondern nur ein einziges Mal in einem Fall in einem anderen Bereich des Unionsrechts(28), für den die gleichen Erwägungen wie die in der vorhergehenden Randnummer ausgeführten gelten. Es stellte sich nämlich die Frage nach der Zulässigkeit einer Klage gegen ein Schreiben des Einheitlichen Abwicklungsausschusses, in dem begründet wurde, weshalb diese Einrichtung nicht beabsichtige, eine abschließende Ex-post-Bewertung der Banco Popular Español SA nach Erlass eines Abwicklungskonzepts für diese Bank vorzunehmen, wobei die Rechtsmittelführerinnen Investmentfondsmanager waren, die verschiedene Typen von Kapitalinstrumenten von ihr hielten.

69.      Daher bin ich der Ansicht, dass die vorgeschlagene Auslegung, wonach die streitigen Leitlinien keine verbindlichen Rechtswirkungen gegenüber den Rechtsmittelführerinnen entfalten können und somit keine Handlung darstellen, die Gegenstand einer Klage nach Art. 263 AEUV sein kann, nicht unter Berufung auf eine Anwendung der vom Gerichtshof im Urteil Deutsche Post angestellten Erwägungen auf den vorliegenden Fall in Frage gestellt werden kann.

 Kurze abschließende Bemerkungen: das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und der Zugang zu den Gerichten der Union

70.      Abschließend möchte ich zwei Anmerkungen machen.

71.      Zunächst entgeht mir nicht, dass im Fall der Bejahung, dass die streitigen Leitlinien ihrer Natur nach nicht anfechtbar sind, die Rechtsmittelführerinnen vorliegend mangels Durchführungsmaßnahmen auch auf innerstaatlicher Ebene nicht in der Lage wären, sich an die nationale Gerichtsbarkeit zu wenden, um die Rechtmäßigkeit von Anhang I der streitigen Leitlinien anzugreifen. Diesbezüglich genügt es, daran zu erinnern, dass die Voraussetzung der verbindlichen Rechtswirkungen zwar im Licht des in Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen ist, der Gerichtshof aber bereits festgestellt hat, dass dieses Recht nicht bezweckt, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit von Klagen, die unmittelbar bei den Gerichten der Union erhoben werden, zu ändern. Die Auslegung des Begriffs der anfechtbaren Handlung im Licht von Art. 47 der Charta kann nämlich nicht zum Wegfall dieser Voraussetzung führen, ohne dass die den Unionsgerichten durch den AEU-Vertrag verliehenen Befugnisse überschritten würden(29).

72.      Auch wenn ich die vorherrschende Meinung von der Notwendigkeit, den Zugang zu den europäischen Gerichten für Einzelpersonen zu erweitern, kenne, frage ich mich außerdem, ob es grundsätzlich wünschenswert wäre, wenn der Gerichtshof zu dem Schluss käme, dass ein Instrument des nicht zwingenden Rechts wie die streitigen Leitlinien eine anfechtbare Handlung darstellt und dass jeder Wettbewerber, der nachweisen kann, dass er die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit nach dem Urteil Montessori erfüllt, die Möglichkeit erhielte, diese Handlung vor Gericht anzufechten, sofern die Handlung einen „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Unterabsatz AEUV darstellt. Diese nicht zwingenden Rechtsinstrumente wurden aufgrund ihrer schnellen Verabschiedung und ihrer Anpassungsfähigkeit an unvorhersehbare wirtschaftliche Situationen beispielsweise dazu verwendet, die Reaktion der Mitgliedstaaten auf die jüngsten Krisensituationen zu flankieren, die durch den Zusammenbruch des Bankensystems, den Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den Ausbruch des Kriegs in der Ukraine ausgelöst wurden. Können wir in solchen Situationen von der Kommission verlangen, Rechtsakte zu erlassen, die die Ausübung ihres Ermessensspielraums vorhersehbarer und transparenter machen sollen, wenn wir doch wissen, dass die Rechtmäßigkeit einiger Bestimmungen unmittelbar gerichtlich angefochten werden kann? Könnte eine Zunahme dieser gerichtlichen Überprüfungen, die mir dann leicht vorhersehbar erscheint, nicht die klärende Tätigkeit dieses Organs lähmen? Ist die Überprüfung der problematischen Bestimmungen der genannten Rechtsakte durch die Kommission selbst für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer nicht ausreichend zufriedenstellend?

 Zum Hilfsantrag: Das Gericht war nicht verpflichtet, die Begründetheit der Klagen zu prüfen, bevor es über ihre Zulässigkeit entschieden hat

73.      Hilfsweise beantragen die Rechtsmittelführerinnen, wie oben gesehen, die angefochtenen Beschlüsse mit der Begründung aufzuheben, dass das Gericht die Begründetheit der Klagen hätte prüfen müssen, bevor es über ihre Zulässigkeit entschieden habe.

74.      In diesem Zusammenhang erinnern sie daran, dass das Gericht nach Art. 130(3) Abs. 7 seiner Verfahrensordnung die Entscheidung über Einreden oder Zwischenstreit dem Endurteil vorbehalte, „wenn besondere Umstände dies rechtfertigen“. Im Sinne einer geordneten Rechtspflege hätte das Gericht davon ausgehen müssen, dass solche Umstände im vorliegenden Fall gegeben seien, und zwar aufgrund der Überschneidung der Beurteilungen, die das Gericht habe vornehmen müssen, um festzustellen, ob die Rechtsmittelführerinnen unmittelbar von den streitigen Leitlinien betroffen gewesen seien, wobei es um die Art, den Inhalt und den Kontext dieser Leitlinien gegangen sei, mit den Beurteilungen des Gerichts im Hinblick auf seine Entscheidung über die Begründetheit des ersten Klagegrundes. Dieser betraf die Frage, ob die Kommission die Zuständigkeit besitzt, den Mitgliedstaaten unabhängige rechtliche Verpflichtungen aufzuerlegen und damit eine Übertragung der Zuständigkeit vorzunehmen, über die diese Staaten nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen rechtlich verfügen.

75.      Meiner Ansicht nach überlässt Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts die Entscheidung, ob über die Zulässigkeit der Klage so bald wie möglich entschieden wird oder diese Frage angesichts des Vorliegens besonderer Umstände bis zur Entscheidung über die Begründetheit zurückgestellt wird, dem souveränen Ermessen des Gerichts. Daraus folgt, dass sich das Gericht mit seiner Entscheidung, nur über die Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden, nicht dem erhobenen Vorwurf aussetzt(30). Jedenfalls liegen diese besonderen Umstände im vorliegenden Fall nicht vor, da, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beurteilungen, die vorgenommen werden mussten, um festzustellen, ob die Rechtsmittelführerinnen von den streitigen Leitlinien unmittelbar betroffen sind, und diejenigen, die für die Entscheidung über die Begründetheit des ersten Klagegrundes erforderlich waren, sich überschneiden, die geordnete Rechtspflege das Gericht nicht dazu verpflichtete, seine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage der Rechtsmittelführerinnen für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten. Vielmehr verpflichtete dieser Grundsatz es gemäß Art. 130(3) Abs. 7 seiner Verfahrensordnung, so bald wie möglich zu entscheiden. Der betreffende Rechtsmittelgrund ist daher unbegründet.

76.      Nach alledem bin ich der Meinung, dass das Gericht, indem es sich auf die Feststellung stützte, dass die Rechtsmittelführerinnen von den streitigen Leitlinien nicht unmittelbar betroffen seien, um die Klagen auf teilweise Nichtigerklärung dieser Leitlinien für unzulässig zu erklären, diese Leitlinien implizit, aber notwendigerweise als anfechtbare Handlungen eingestuft und damit einen Rechtsfehler begangen hat.

77.      Meines Erachtens kann der Rechtsfehler des Gerichts dennoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse führen, da die Entscheidungsformeln dieser Beschlüsse, mit denen die Klagen gegen die streitigen Leitlinien als unzulässig abgewiesen worden sind, aus dem Rechtsgrund der Unanfechtbarkeit der Leitlinien weiterhin begründet bleiben. Folglich sollte der Gerichtshof den vom Gericht angenommenen unrichtigen Grund durch diesen Grund ersetzen(31).

 Ergebnis

78.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, den zweiten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen und, falls auch der erste Rechtsmittelgrund zurückgewiesen wird, die Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

































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