Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
4. Oktober 2024(* )
„ Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Richtlinie 2001/42/EG – Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme – Art. 2 Buchst. a – Begriff ‚Pläne und Programme, … die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen‘ – Maßnahme der Regierung eines Mitgliedstaats, deren alleinige Grundlage eine Bestimmung der Verfassung dieses Mitgliedstaats ist, wonach die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt wird “
In der Rechtssache C‑727/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberstes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 24. November 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2022, in dem Verfahren
Friends of the Irish Environment CLG
gegen
Government of Ireland,
Minister for Housing, Planning and Local Government,
Ireland,
Attorney General
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, der Richter N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter) sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Friends of the Irish Environment CLG, vertreten durch N. Steen, SC, J. Kenny, BL, und F. Logue, Solicitor,
– von Irland, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von M. Gray, SC, F. Valentine, SC, und E. Synnott, BL,
– der tschechischen Regierung, vertreten durch A. Edelmannová, L. Langrová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. März 2024
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. 2001, L 197, S. 30).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Friends of the Irish Environment CLG, einer im Bereich des Umweltschutzes tätigen Nichtregierungsorganisation, auf der einen sowie dem Government of Ireland (irische Regierung), dem Minister for Housing, Planning and Local Government (Minister für Wohnungswesen, Raumordnung und örtliche Selbstverwaltung, Irland), Irland und dem Attorney General (Irland) auf der anderen Seite wegen eines Beschlusses der irischen Regierung über die Annahme eines nationalen Planungsrahmens und eines nationalen Entwicklungsplans.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 1 („Ziele“) der Richtlinie 2001/42 lautet:
„Ziel dieser Richtlinie ist es, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden.“
4 In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) ‚Pläne und Programme‘ Pläne und Programme, einschließlich der von der Europäischen Gemeinschaft mitfinanzierten, sowie deren Änderungen,
– die von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder die von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden und
– die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen;
…“
5 Art. 3 („Geltungsbereich“) dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die unter die Absätze 2 bis 4 fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, werden einer Umweltprüfung nach den Artikeln 4 bis 9 unterzogen.
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 3 wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen,
a) die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 85/337/EWG [des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40)] aufgeführten Projekte gesetzt wird …
…
(4) Die Mitgliedstaaten befinden darüber, ob nicht unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
…
(8) Die folgenden Pläne und Programme unterliegen dieser Richtlinie nicht:
– Pläne und Programme, die ausschließlich Zielen der Landesverteidigung oder des Katastrophenschutzes dienen;
– Finanz- oder Haushaltspläne und ‑programme.
(9) Diese Richtlinie gilt nicht für Pläne und Programme, die in den laufenden jeweiligen Programmplanungszeiträumen … für die Verordnungen (EG) Nr. 1260/1999 [des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. 1999, L 161, S. 1)] und (EG) Nr. 1257/1999 [des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. 1999, L 160, S. 80)] mitfinanziert werden.“
6 Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie hat folgenden Wortlaut:
„Gehören Pläne und Programme zu einer Plan- oder Programmhierarchie, so berücksichtigen die Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Mehrfachprüfungen die Tatsache, dass die Prüfung gemäß der vorliegenden Richtlinie auf verschiedenen Stufen dieser Hierarchie durchgeführt wird. Die Mitgliedstaaten wenden, unter anderem zur Vermeidung von Mehrfachprüfungen, Artikel 5 Absätze 2 und 3 an.“
7 Art. 5 („Umweltbericht“) der Richtlinie 2001/42 bestimmt:
„(1) Ist eine Umweltprüfung nach Artikel 3 Absatz 1 durchzuführen, so ist ein Umweltbericht zu erstellen; darin werden die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen, die die Durchführung des Plans oder Programms auf die Umwelt hat, sowie vernünftige Alternativen, die die Ziele und den geographischen Anwendungsbereich des Plans oder Programms berücksichtigen, ermittelt, beschrieben und bewertet. Welche Informationen zu diesem Zweck vorzulegen sind, ist in Anhang I angegeben.
(2) Der Umweltbericht nach Absatz 1 enthält die Angaben, die vernünftigerweise verlangt werden können, und berücksichtigt dabei den gegenwärtigen Wissensstand und aktuelle Prüfmethoden, Inhalt und Detaillierungsgrad des Plans oder Programms, dessen Stellung im Entscheidungsprozess sowie das Ausmaß, in dem bestimmte Aspekte zur Vermeidung von Mehrfachprüfungen auf den unterschiedlichen Ebenen dieses Prozesses am besten geprüft werden können.
(3) Zur Gewinnung der in Anhang I genannten Informationen können alle verfügbaren relevanten Informationen über die Umweltauswirkungen der Pläne und Programme herangezogen werden, die auf anderen Ebenen des Entscheidungsprozesses oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft gesammelt wurden.
…“
8 Die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1), die am 17. Februar 2012 in Kraft trat, hat die Richtlinie 85/337 aufgehoben und ersetzt.
Irisches Recht
9 Art. 28 Abs. 2 der irischen Verfassung lautet:
„Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verfassung wird die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt.“
10 Section 2(1) des Planning and Development Act 2000 (Planungs- und Entwicklungsgesetz von 2000) in der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz von 2000) bestimmte:
„Mit ‚National Spatial Strategy‘ [(Nationale Raumplanungsstrategie)] ist gemeint: die von der Regierung am 28. November 2002 veröffentlichte ‚National Spatial Strategy: 2002-2020‘ [(Nationale Raumplanungsstrategie 2002-2020)] oder jedes von der Regierung veröffentlichte Dokument, das diese Strategie ändert oder ersetzt.“
11 Nach Inkrafttreten des Planning and Development (Amendment) Act 2018 (Planungs- und Entwicklungsgesetz [Änderung] 2018, im Folgenden: Gesetz von 2018) am 22. Oktober 2018 hat Teil II Kapitel IIA des Gesetzes von 2000 folgenden Wortlaut:
„National Planning Framework [(Nationaler Planungsrahmen)]
20A. Die Nationale Raumplanungsstrategie in der gemäß den Bestimmungen dieses Kapitels geänderten Fassung, einschließlich aller von der Regierung veröffentlichten Dokumente, die diese Strategie oder solche weiteren Dokumente ändern oder ersetzen, wird als Nationaler Planungsrahmen bezeichnet.
…
Im Nationalen Planungsrahmen zu behandelnde Fragestellungen
20C.
…
(4) Die Regierung erstellt und veröffentlicht den Nationalen Planungsrahmen und überprüft seine Umsetzung.
(5) Alle 6 Jahre nach dem Datum der Veröffentlichung des Nationalen Planungsrahmens wird die Regierung entweder –
(a) den Rahmen überarbeiten oder durch einen neuen ersetzen oder
(b) eine Stellungnahme veröffentlichen, in der dargelegt wird, warum die Regierung beschlossen hat, den Rahmen nicht zu überarbeiten, und in der ein Datum angegeben wird, bis zu dem der Rahmen überarbeitet sein wird oder ein neuer Nationaler Planungsrahmen veröffentlicht werden soll.
(6) Der Minister trägt dafür Sorge, dass bei der Ausarbeitung eines neuen oder überarbeiteten Nationalen Planungsrahmens eine öffentliche Anhörung durchgeführt wird. …
…
(7) Die Ausarbeitung des Nationalen Planungsrahmens unterliegt den Bestimmungen der einschlägigen EU-Umweltrichtlinien …
(8) Die Regierung legt den Entwurf des überarbeiteten oder neuen Nationalen Planungsrahmens vor seiner Veröffentlichung zusammen mit dem Umweltbericht und dem entsprechenden Bewertungsbericht den beiden Kammern des Oireachtas (irisches Parlament) zur Genehmigung vor.
(9) Bei der Ausarbeitung oder Überarbeitung des Nationalen Planungsrahmens berücksichtigt die Regierung alle Beschlüsse oder Berichte des Oireachtas (irisches Parlament) oder eines seiner Ausschüsse, die während des Prüfungszeitraums in Bezug auf die vorgeschlagene Strategie oder ggf. die vorgeschlagene Überarbeitung des Planungsrahmens angenommen wurden.“
Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen
12 Mit Beschluss vom 16. Februar 2018 nahm die irische Regierung zwei Maßnahmen des Project Ireland 2040 an: den National Planning Framework (Nationaler Planungsrahmen, im Folgenden: NPF) und den National Development Plan (Nationaler Entwicklungsplan, im Folgenden: NDP). Dieser Beschluss wurde durch einen Beschluss der Regierung vom 29. Mai 2018 „bekräftigt“.
13 Das Project Ireland 2040 dient der Erstellung eines einheitlichen und kohärenten Plans zur Flächennutzung und ‑entwicklung in Irland. Der NPF schafft einen Planungsrahmen zur Lenkung von Entwicklungsinvestitionen in den kommenden Jahren und legt laut seinem Vorwort „eine Reihe nationaler Ziele und zentraler Grundsätze“ fest, „auf deren Grundlage weitere Einzelheiten und differenziertere Pläne folgen werden“. Im NPF werden mithin nicht ausdrücklich alle Einzelheiten für jeden Landesteil festgelegt, vielmehr wird „jede Region … ermächtigt, bei der Planung und Entwicklung ihrer örtlichen Gemeinschaften die Führung zu übernehmen“. Der NPF wird durch den NDP ergänzt, der als eine Zehnjahresstrategie für öffentliche Investitionen in Höhe von bis zu 116 Mrd. Euro bezeichnet wird. In ihm wird, ohne auf Planungs- oder Entwicklungserwägungen einzugehen, dargelegt, wie Finanzmittel für die Durchführung bestimmter Vorhaben bereitgestellt werden, die als für die Erreichung der im NPF festgelegten strategischen Ziele wesentlich erachtet werden; ferner werden größere Infrastrukturarbeiten benannt, die finanziert werden sollen.
14 Mit einem Urteil sowie einem Beschluss vom 24. April 2020 und mit Beschluss vom 13. Mai 2020 wies der High Court (Hohes Gericht, Irland) den Antrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf Erlass von Verfügungen zur Aufhebung des Beschlusses vom 16. Februar 2018 zurück, der mit Beschluss vom 29. Mai 2018 bestätigt worden war.
15 Mit Urteil vom 26. November 2021 und Beschluss vom 7. Dezember 2021 wies der Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) das von der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen diese Entscheidungen des High Court (Hohes Gericht) eingelegte Rechtsmittel zurück.
16 Am 4. Januar 2022 legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen diese Entscheidungen des Court of Appeal (Berufungsgericht) beim Supreme Court (Oberstes Gericht, Irland), dem vorlegenden Gericht, ein Rechtsmittel ein, mit dem sie die Gültigkeit des NPF und des NDP in Frage stellt. Im Wesentlichen macht sie geltend, dass bei Erlass des NPF und des NDP den Anforderungen der Richtlinie 2001/42 nicht entsprochen worden sei und dass insbesondere in Bezug auf das NPF vernünftige Alternativen nicht hinreichend beschrieben und auf einer korrekten Grundlage im Verhältnis zur Analyse der bevorzugten Option bewertet worden seien.
17 Die Beklagten des Ausgangsverfahrens machen vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass der NPF zwar Gegenstand einer Prüfung nach der Richtlinie 2001/42 gewesen sei; diese Prüfung sei aber nach der Richtlinie nicht erforderlich gewesen, da der NPF kein Plan oder Programm im Sinne von Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie sei, da er nicht im Sinne dieser Bestimmung „aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden [muss]“. Das Gleiche gelte für den NDP, der im Übrigen gemäß Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sei.
18 Unter diesen Umständen hat der Supreme Court (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen, dass eine vom Exekutivorgan eines Mitgliedstaats erlassene Maßnahme, die nicht von einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift verlangt oder aufgrund einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift erlassen wird, einen Plan oder ein Programm darstellen kann, auf den bzw. das die Richtlinie anwendbar ist, wenn der so erlassene Plan oder das so erlassene Programm einen Rahmen für die Erteilung oder Versagung einer Projektgenehmigung auf einer nachfolgenden Stufe festlegt und somit die Anforderungen von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie erfüllt?
2. a) Ist Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 8 und 9 der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen, dass ein Plan oder Programm, der bzw. das konkrete, wenn auch als „indikativ“ bezeichnete Vorschriften für die Zuweisung von Mitteln für den Bau bestimmter Infrastrukturprojekte mit Blick auf die Unterstützung der Raumentwicklungsstrategie eines anderen Plans vorsieht, wobei hierin die Grundlage für eine Raumentwicklungsstrategie auf einer nachfolgenden Stufe liegt, selbst ein Plan oder Programm im Sinne der Richtlinie 2001/42 sein könnte?
b) Falls Buchst. a der zweiten Frage bejaht wird: Muss ein Plan, der die Zuweisung von Mitteln zum Ziel hat, als Haushaltsplan im Sinne von Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2001/42 behandelt werden?
3. a) Sind Art. 5 und Anhang 1 der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen, dass, wenn nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/42 eine Umweltprüfung vorgeschrieben ist, der danach vorgesehene Umweltbericht eine Prüfung der bevorzugten Option und der vernünftigen Alternativen auf einer vergleichbaren Grundlage vorzunehmen hat, sobald vernünftige Alternativen zu einer bevorzugten Option ermittelt sind?
b) Falls Buchst. a der dritten Frage bejaht wird: Genügt es den Anforderungen der Richtlinie, wenn die vernünftigen Alternativen vor der Auswahl der bevorzugten Option auf einer vergleichbaren Grundlage geprüft werden, danach der Entwurf des Plans oder des Programms geprüft wird und dann eine umfassendere Strategische Umweltprüfung (SUP) nur in Bezug auf die bevorzugte Option durchgeführt wird?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
19 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen ist, dass eine Maßnahme der Regierung eines Mitgliedstaats, deren alleinige Grundlage eine Bestimmung der Verfassung dieses Mitgliedstaats ist, wonach die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt wird, einen „Plan“ oder ein „Programm“ im Sinne dieses Art. 2 Buchst. a darstellen kann, wenn diese Maßnahme einen Rahmen für die Erteilung oder Versagung einer Projektgenehmigung auf einer nachfolgenden Stufe festlegt.
20 Art. 3 der Richtlinie 2001/42 sieht vor, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen.
21 Insbesondere muss nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 bei allen Plänen und Programmen eine Umweltprüfung vorgenommen werden, die zwei kumulative Voraussetzungen erfüllen: i) Sie müssen in den in dieser Bestimmung genannten Bereichen ausgearbeitet werden, und ii) durch sie muss der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92 aufgeführten Projekte gesetzt werden (Urteil vom 9. März 2023, An Bord Pleanála u. a. [Gelände der St Teresa’s Gardens], C‑9/22, EU:C:2023:176, Rn. 36).
22 Im vorliegenden Fall erfüllt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts der NPF die zweite Voraussetzung von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie.
23 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nur „Pläne und Programme“, die der Definition dieses Begriffs in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 entsprechen, in den Geltungsbereich dieser Richtlinie und damit auch in denjenigen ihres Art. 3 fallen.
24 Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 definiert „Pläne und Programme“ im Sinne dieser Richtlinie anhand zweier in dieser Bestimmung genannter kumulativer Voraussetzungen, nämlich dass sie zum einen von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen wurden oder von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet wurden (erste Voraussetzung) und zum anderen aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen (zweite Voraussetzung) (Urteil vom 9. März 2023, An Bord Pleanála u. a. [Gelände der St Teresa’s Gardens], C‑9/22, EU:C:2023:176, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Was die zweite der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen angeht, so ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass im Sinne und zur Anwendung der Richtlinie 2001/42 als Pläne und Programme, die „erstellt werden müssen“ und bei denen daher eine Umweltprüfung unter den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen vorgenommen werden muss, jene Pläne und Programme anzusehen sind, deren Erlass in nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften geregelt ist, die die insoweit zuständigen Behörden und das Ausarbeitungsverfahren festlegen. So hat der Gerichtshof entschieden, dass in Anbetracht des mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 verfolgten Ziels, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, und um die Wirksamkeit dieser Bestimmung zu wahren, eine Maßnahme als ein Plan oder ein Programm, der bzw. das „erstellt werden muss“, anzusehen ist, wenn es im nationalen Recht eine besondere Rechtsgrundlage gibt, die die zuständigen Behörden zum Erlass des Plans oder Programms ermächtigt, auch wenn dieser Erlass nicht verpflichtend ist (Urteil vom 22. Februar 2022, Bund Naturschutz in Bayern, C‑300/20, EU:C:2022:102, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Im vorliegenden Fall ist jedoch unter Berücksichtigung der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht ersichtlich, dass der NPF unter Bezugnahme auf eine solche besondere Rechtsgrundlage erlassen wurde.
27 Wie das vorlegende Gericht ausführt, wurde der NPF durch einen Beschluss der Regierung angenommen, wobei sie auf der alleinigen Grundlage der ihr durch Art. 28 Abs. 2 der irischen Verfassung übertragenen Befugnisse handelte.
28 Nach dieser Vorschrift „[wird] [v]orbehaltlich der Bestimmungen [der irischen Verfassung] … die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt“.
29 Diese Bestimmung regelt also keineswegs die Annahme von Plänen oder Programmen, indem sie die für ihre Annahme zuständigen Behörden sowie das Verfahren für ihre Ausarbeitung festlegt, sondern stellt lediglich im Einklang mit dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung fest, dass die vollziehende Gewalt des Staates im Gegensatz zur gesetzgebenden und zur rechtsprechenden Gewalt im Allgemeinen von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt wird.
30 Zwar sind in Anbetracht des Ziels der Richtlinie 2001/42, das nach ihrem Art. 1 darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, die Bestimmungen, die ihren Geltungsbereich abgrenzen, und insbesondere jene, die die Definitionen der von ihr erfassten Rechtsakte aufführen, weit auszulegen (Urteil vom 22. Februar 2022, Bund Naturschutz in Bayern, C‑300/20, EU:C:2022:102, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Eine Auslegung der Richtlinie 2001/42, wonach eine Maßnahme, die die Voraussetzungen zum Erlass des NPF erfüllt, in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, würde jedoch über eine weite Auslegung dieser Richtlinie hinausgehen. Eine solche Auslegung liefe nämlich darauf hinaus, dass die zweite der beiden in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie genannten kumulativen Voraussetzungen ausgehöhlt würde.
32 Folglich kann daher eine Maßnahme wie der NPF, die auf der alleinigen Grundlage einer Bestimmung der Verfassung eines Mitgliedstaats wie der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannten erlassen wurde, nicht als in den Geltungsbereich der Richtlinie 2001/42 fallend angesehen werden, selbst wenn diese Maßnahme die zweite in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie erfüllt.
33 Eine solche Auslegung wird im Übrigen nicht durch den vom vorlegenden Gericht erwähnten Umstand in Frage gestellt, dass nach Section 2(1) des Gesetzes von 2000 die „Nationale Raumplanungsstrategie“ oder jede Änderung dieser Strategie der Veröffentlichung bedurfte. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung lediglich ein Veröffentlichungserfordernis vorsah, ohne jedoch das Verfahren für die Ausarbeitung des NPF zu bestimmen. Selbst unter Berücksichtigung dieser Bestimmung kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass der Erlass des NPF auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2 der irischen Verfassung im Sinne der in Rn. 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung „geregelt“ war.
34 Daraus folgt, dass eine Maßnahme, die die Voraussetzungen für den Erlass des NPF erfüllt, der zweiten der beiden in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 genannten Voraussetzungen nicht Genüge tut und infolgedessen keinen „Plan oder Programm“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
35 Diese Schlussfolgerung lässt die Beurteilung der Pläne oder Programme, die gegebenenfalls zur Umsetzung des NPF angenommen werden, anhand der Richtlinie 2001/42 unberührt.
36 Insoweit ist hinsichtlich solcher Pläne oder Programme, die die in der Richtlinie 2001/42 festgelegten Voraussetzungen erfüllen, um der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterliegen, insbesondere darauf hinzuweisen, dass der NPF keinen „Plan“ oder „Programm“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie darstellt und somit nicht Teil einer „Hierarchie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie ist. Daher gibt es in dieser Richtlinie keine Bestimmung, die es den nationalen Behörden gestattet, etwaige Auswirkungen dieser Pläne oder Programme auf die Umwelt mit der Begründung zu rechtfertigen, dass sich solche Auswirkungen aus Leitlinien ergäben, die in einer Maßnahme wie dem NPF beschlossen worden seien.
37 Die Schlussfolgerung in Rn. 34 des vorliegenden Urteils lässt auch die Beurteilung der Pläne oder Programme anhand der Richtlinie 2001/42 unberührt, die gegebenenfalls nach den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes von 2000 in der durch das Gesetz von 2018 geänderten Fassung angenommen werden, einschließlich insbesondere einer etwaigen Änderung oder Ersetzung des NPF, die nach dem in diesen Bestimmungen vorgesehenen Verfahren vorgenommen wird.
38 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen ist, dass eine Maßnahme der Regierung eines Mitgliedstaats, die auf der alleinigen Grundlage einer Bestimmung der Verfassung dieses Mitgliedstaats erlassen wurde, wonach die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt wird, nicht die Voraussetzung erfüllt, dass sie „aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden [muss]“, und sie daher keinen „Plan“ oder „Programm“ im Sinne dieses Art. 2 Buchst. a darstellen kann.
Zur zweiten Frage
39 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/42 in Verbindung mit ihrem Art. 3 Abs. 8 und 9 dahin auszulegen ist,
– dass eine Maßnahme, die konkrete – wenn auch als „indikativ“ bezeichnete – Vorschriften für die Zuweisung von Mitteln für den Bau bestimmter Infrastrukturprojekte mit Blick auf die Unterstützung der Raumentwicklungsstrategie einer anderen Maßnahme vorsieht, einen Plan oder ein Programm im Sinne der Richtlinie 2001/42 darstellen kann;
– dass eine solche Maßnahme gleichwohl gemäß Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2001/42 vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, da sie die Zuweisung von Mitteln zum Ziel hat.
40 Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass sich diese Frage auf den NDP bezieht.
41 Aus dem Ersuchen geht jedoch auch hervor, dass der NDP, der einen der beiden Teile des Project Ireland 2040 darstellt, von der irischen Regierung auf derselben Rechtsgrundlage wie der NPF angenommen wurde.
42 In Anbetracht der in den Rn. 26 bis 34 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen und der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage daher nicht beantwortet zu werden.
Zur dritten Frage
43 Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass eine Maßnahme wie der NPF keinen „Plan“ oder „Programm“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 darstellt und folglich nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt.
44 Unter diesen Umständen braucht die dritte Frage, die sich auf Art. 5 der Richtlinie 2001/42 und die Methodik bezieht, die bei der Prüfung der dieser Richtlinie unterliegenden Pläne und Programme anzuwenden ist, nicht beantwortet zu werden.
Kosten
45 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme
ist dahin auszulegen, dass
eine Maßnahme der Regierung eines Mitgliedstaats, die auf der alleinigen Grundlage einer Bestimmung der Verfassung dieses Mitgliedstaats erlassen wurde, wonach die vollziehende Gewalt des Staates von der Regierung oder in ihrem Auftrag ausgeübt wird, nicht die Voraussetzung erfüllt, dass sie „aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden [muss]“, und sie daher keinen „Plan“ oder „Programm“ im Sinne dieses Art. 2 Buchst. a darstellen kann.
Unterschriften