C-66/22 – Infraestruturas de Portugal und Futrifer Indústrias Ferroviárias

C-66/22 – Infraestruturas de Portugal und Futrifer Indústrias Ferroviárias

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:398

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 11. Mai 2023(1)

Rechtssache C66/22

Infraestruturas de Portugal, S. A.,

Futrifer Indústrias Ferroviárias, S. A.

gegen

Toscca – Equipamentos em Madeira Lda.,

Beteiligte:

Mota-Engil Railway Engineering, S. A.

(Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal Administrativo [Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2014/24/EU – Öffentliche Auftragsvergabe – Fakultative Ausschlussgründe – Art. 57 Abs. 4 Buchst. d – Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren – Sanktion für wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen – Automatischer Ausschluss aufgrund einer früheren Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde – Befugnisse des öffentlichen Auftraggebers zur Beurteilung des Vorliegens des Ausschlussgrundes – Art. 57 Abs. 6 – Eignung und Zuverlässigkeit des Bieters – Begründung – Im Vergabeverfahren selbst festgestellte wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen“

1.        Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist der Gerichtshof aufgerufen, Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU(2) auszulegen, wonach öffentliche Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen können, wenn dieser mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, um den Wettbewerb zu verzerren.

2.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits über die Vergabe eines Auftrags an ein Unternehmen, gegen das zuvor wegen einer Absprache mit anderen Unternehmen über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen (Preis- und Marktaufteilungsabsprachen) eine Sanktion verhängt worden war.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2014/24

3.        Art. 56 („Allgemeine Grundsätze“) bestimmt:

„(1)      Die Aufträge werden auf der Grundlage von in Einklang mit den Artikeln 67 bis 69 festgelegten Kriterien vergeben, sofern der öffentliche Auftraggeber gemäß den Artikeln 59 bis 61 überprüft hat, dass sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

b)      das Angebot kommt von einem Bieter, der nicht gemäß Artikel 57 ausgeschlossen ist …“.

4.        Art. 57 („Ausschlussgründe“) legt fest:

„…

(4)      Öffentliche Auftraggeber können in einer der folgenden Situationen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder dazu von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden:

c)      der öffentliche Auftraggeber kann auf geeignete Weise nachweisen, dass der Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Integrität in Frage stellt;

d)      der öffentliche Auftraggeber verfügt über hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür, dass der Wirtschaftsteilnehmer mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen;

(5)      …

Zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens können die öffentlichen Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer ausschließen oder von den Mitgliedstaaten zum Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers verpflichtet werden, wenn sich herausstellt, dass sich der Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf Handlungen oder Unterlassungen vor oder während des Verfahrens in einer der in Absatz 4 genannten Situationen befindet.

(6)      Jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in den Absätzen 1 und 4 genannten Situationen befindet, kann Nachweise dafür erbringen, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsteilnehmers ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Werden solche Nachweise für ausreichend befunden, so wird der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Zu diesem Zweck weist der Wirtschaftsteilnehmer nach, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.

Die von den Wirtschaftsteilnehmern ergriffenen Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der Schwere und besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens bewertet. Werden die Maßnahmen als unzureichend befunden, so erhält der Wirtschaftsteilnehmer eine Begründung dieser Entscheidung.

(7)      Die Mitgliedstaaten legen durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift und unter Beachtung des Unionsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels fest. Sie bestimmen insbesondere den höchstzulässigen Zeitraum des Ausschlusses für den Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Maßnahmen gemäß Absatz 6 zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergreift. Wurde kein Ausschlusszeitraum durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt, so darf dieser Zeitraum in den in Absatz 1 genannten Fällen fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung und in den in Absatz 4 genannten Fällen drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis nicht überschreiten“.

2.      Richtlinie 2014/25/EU(3)

5.        Art. 80 („In der Richtlinie 2014/24/EU festgelegte Ausschlussgründe und Auswahlkriterien“) sieht vor:

„(1)      Die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Wirtschaftsteilnehmern, die eine Qualifizierung im Rahmen eines Qualifizierungssystems beantragen, und die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Bewerbern und Bietern in offenen Verfahren, nichtoffenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen oder Innovationspartnerschaften können die in Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen beinhalten.

Handelt es sich beim Auftraggeber um einen öffentlichen Auftraggeber, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften die in Artikel 57 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen.

Wenn die Mitgliedstaaten dies vorschreiben, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften überdies die in Artikel 57 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen.

…“

B.      Portugiesisches Recht

1.      Decreto-lei n.º 18/2008, Código dos Contratos Públicos(4)

6.        Art. 55 („Kontrahierungsverbote“) bestimmt:

„1 – Folgende Unternehmen können weder Bewerber noch Bieter sein, noch einem Zusammenschluss angehören:

c)      Unternehmen in Form von natürlichen Personen, gegen die eine verwaltungsrechtliche Sanktion wegen schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens verhängt worden ist und die nicht inzwischen rehabilitiert wurden, bzw. Unternehmen in Form von juristischen Personen, wenn gegen die Mitglieder ihrer Verwaltungs‑, Leitungs- oder Geschäftsführungsorgane eine solche verwaltungsrechtliche Sanktion verhängt worden ist und diese sich weiter im Amt befinden.

f)      Unternehmen, gegen die die Nebensanktion des Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren verhängt worden ist, die in Sondervorschriften, insbesondere den Sanktionsregelungen im Bereich … des Wettbewerbsrechts … vorgesehen ist, während des in der Sanktionsentscheidung festgelegten Zeitraums.“

7.        Art. 70 („Prüfung der Angebote“) Abs. 2 legt fest:

„2 – Angebote sind auszuschließen, wenn ihre Prüfung ergibt:

g)      dass starke Indizien für Handlungen, Vereinbarungen, Verhaltensweisen oder Informationen vorliegen, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen.“

2.      Lei n.º 19/2012 da Concorrência (Wettbewerbsgesetz)(5)

8.        Art. 71 („Nebensanktionen“) Abs. 1 Buchst. b sieht vor, dass die Autoridade de Concorrência (Wettbewerbsbehörde, im Folgenden: AC), wenn die Schwere des Verstoßes und das Verschulden der Person, die den Verstoß begangen hat, dies rechtfertigen, neben der Geldbuße die Nebensanktion des Verbots der Teilnahme an bestimmten öffentlichen Vergabeverfahren verhängen kann, sofern die Verhaltensweise, die den mit einer Geldbuße zu ahndenden Verstoß darstellt, während oder infolge des betreffenden Verfahrens erfolgt ist.

II.    Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

9.        Am 18. Januar 2019 veröffentlichte Infraestruturas de Portugal, S. A. (im Folgenden: Infraestruturas) eine Ausschreibung für die Vergabe eines Auftrags zur Lieferung von Bolzen und Schwellen aus mit Kreosot (Teeröl) imprägniertem Tannenholz zu einem Grundpreis von 2 979 200 Euro(6).

10.      Die Unternehmen Toscca – Equipamentos em Madeira, Lda. (im Folgenden: Toscca) und Futrifer, Indústrias Ferroviárias, S. A. (im Folgenden: Futrifer) nahmen an der Ausschreibung teil und reichten ihre jeweiligen Angebote ein.

11.      Am 12. Juni 2019 verhängte die AC gegen Futrifer eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht in Vergabeverfahren(7) aus den Jahren 2014 und 2015(8).

12.      Konkret stellte die AC fest, Futrifer und andere Unternehmen des Sektors hätten unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 19/2012 und Art. 101 Abs. 1 AEUV ihre Preise abgesprochen und den Markt für Wartungsleistungen für das Eisenbahnnetz unter sich aufgeteilt.

13.      In ihrer Entscheidung hielt es die AC angesichts der Umstände des Falles und des von Futrifer unterbreiteten Vergleichsvorschlags nicht für erforderlich, gegen diese die in Art. 71 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes Nr. 19/2012 vorgesehene Nebensanktion eines Kontrahierungsverbots zu verhängen(9).

14.      Am 27. Juli 2019 vergab Infraestruturas den streitigen Auftrag an Futrifer.

15.      Toscca erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunal Administrativo e Fiscal de Viseu (Verwaltungs- und Finanzgericht Viseu, Portugal; im Folgenden: TAF Viseu). Sie beantragte die Aufhebung der Vergabeentscheidung, den Ausschluss des Angebots von Futrifer und die Erteilung des Zuschlags an sie selbst. Zur Begründung ihres Antrags führte sie insbesondere die von der AC gegen Futrifer verhängte Sanktion an.

16.      Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage von Toscca mit der Begründung ab, Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP komme nur zur Anwendung, wenn die Indizien für eine Wettbewerbsverfälschung im Rahmen des Vergabeverfahrens vorlägen, das Gegenstand des Rechtsstreits sei.

17.      Toscca legte gegen das Urteil des TAF Viseu ein Rechtsmittel beim Tribunal Central Administrativo Norte (Zentrales Verwaltungsgericht Nord, Portugal) ein. Dieses hob mit Urteil vom 29. Mai 2020 das angefochtene Urteil auf und verurteilte Infraestruturas, den Auftrag an Toscca zu vergeben, da die vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Auslegung von Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP fehlerhaft sei.

18.      Infraestruturas und Futrifer legten gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) ein, das das Urteil wegen unzureichender Begründung aufhob und die Rechtssache an das Tribunal Central Administrativo Norte (Zentrales Verwaltungsgericht Nord) zurückverwies.

19.      Mit Urteil vom 2. Juni 2021 hob das Tribunal Central Administrativo Norte (Zentrales Verwaltungsgericht Nord) das erstinstanzliche Urteil erneut auf und verurteilte Infraestruturas, den Auftrag an Toscca zu vergeben.

20.      Infraestruturas und Futrifer legten gegen das Urteil vom 2. Juni 2021 ein Rechtsmittel beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) ein, das dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorlegt:

1.      Handelt es sich bei dem in Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU vorgesehenen Ausschlussgrund um eine Materie, die der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vorbehalten ist („reserva de decisão“)?

2.      Kann der nationale Gesetzgeber die Entscheidung, die der öffentliche Auftraggeber nach Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU zu treffen hat, vollständig durch eine allgemeine Entscheidung (mit den Wirkungen einer Entscheidung) der Wettbewerbsbehörde ersetzen, mit der als Nebensanktion zur Verhängung einer Geldbuße wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln ein Verbot der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren für einen bestimmten Zeitraum verhängt wird?

3.      Erfordert die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die „Zuverlässigkeit“ des Wirtschaftsteilnehmers mit Blick auf die Befolgung (oder Nichtbefolgung) der Wettbewerbsregeln außerhalb des konkreten Vergabeverfahrens notwendig eine mit Gründen versehene Beurteilung der entsprechenden Eignung dieses Wirtschaftsteilnehmers, was eine konkrete Ausprägung des Rechts auf eine gute Verwaltung im Sinne von Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darstellt?

4.      Ist die im portugiesischen Recht in Art. 55 Abs. 1 Buchst. f CCP festgelegte Lösung, die den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers vom Vergabeverfahren wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln außerhalb des betreffenden konkreten Vergabeverfahrens an die Entscheidung knüpft, die die Wettbewerbsbehörde in Bezug auf die Verhängung einer Nebensanktion in Form eines Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren trifft, ein Verfahren, bei dem die Wettbewerbsbehörde in diesem Zusammenhang die Relevanz der getroffenen Maßnahmen zur Selbstkorrektur (self cleaning) beurteilt, mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU, vereinbar?

5.      Ist mit dem Unionsrecht, konkret mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU, auch die im portugiesischen Recht in Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP festgelegte Lösung vereinbar, wonach die Möglichkeit zum Ausschluss eines Angebots aufgrund starker Indizien für das Vorliegen von Handlungen, Vereinbarungen, Verhaltensweisen oder Informationen, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen, auf das konkrete Vergabeverfahren beschränkt ist, in dem diese Verhaltensweisen festgestellt werden?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

21.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 2. Februar 2022 beim Gerichtshof eingegangen.

22.      Futrifer, Toscca, die portugiesische, die tschechische und die ungarische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

23.      Mit Ausnahme der tschechischen und der ungarischen Regierung haben sie alle an der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2023 teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

1.      Anwendbare Richtlinie

24.      Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof lediglich um Auslegung der Richtlinie 2014/24, ohne die Richtlinie 2014/25 zu erwähnen. Letztere regelt öffentliche Aufträge, die von öffentlichen Auftraggebern im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste vergeben werden.

25.      Der Auftrag, um dessen Vergabe es geht, betrifft die Lieferung von Infrastrukturelementen für den Eisenbahnsektor, d. h. für einen Verkehrssektor. Auf eine Frage des Gerichtshofs haben die Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung übereinstimmend geantwortet, dass der Vertrag in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25 fällt, die insbesondere auf „die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn“ (Art. 11) Anwendung findet.

26.      Auf jeden Fall ist es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu bestimmen, ob der streitige Auftrag aufgrund seiner Klauseln unter die Richtlinie 2014/24 oder, worauf alles hinzudeuten scheint, unter die Richtlinie 2014/25 fällt.

27.      Es ist zwar richtig, dass die Anwendbarkeit der einen oder der anderen Richtlinie in der Praxis, was den streitigen Punkt anbetrifft, keinen nennenswerten Unterschied macht: Selbst wenn die Richtlinie 2014/25 anwendbar sein sollte, verweist ihr Art. 80 auf „die in Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen“(10).

28.      Die Anwendung der Richtlinie 2014/25 könnte jedoch Auswirkungen auf die (umstrittene) „Befugnis“ der Mitgliedstaaten haben, die fakultativen Ausschlussgründe in nationales Recht umzusetzen, wie ich nachstehend erläutern werde(11).

29.      Nach dieser Klarstellung werde ich mich im Folgenden auf Art. 57 der Richtlinie 2014/24 beziehen.

2.      Umsetzung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 in portugiesisches Recht

30.      Die schriftlichen Erklärungen der Kommission haben zu einer Debatte geführt, die in der mündlichen Verhandlung weitergeführt wurde und bei der es um die Frage ging, ob die Mitgliedstaaten den Spielraum besitzen, die fakultativen Ausschlussgründe aus Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 nicht umzusetzen.

31.      Die Kommission trägt Folgendes vor:

–      Art. 57 Abs. 4 deute ebenso wie der 101. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 auf die Absicht des Gesetzgebers hin, es den Mitgliedstaaten nicht freizustellen, ob sie die neun darin vorgesehenen Ausschlussgründe umsetzten oder nicht. Die Wahlmöglichkeit stehe den öffentlichen Auftraggebern zu, sofern die Mitgliedstaaten sie nicht zur Anwendung der Ausschlussgründe verpflichteten. Umgekehrt sei es den Mitgliedstaaten nicht möglich, einen oder mehrere dieser Gründe nicht umzusetzen.

–      Der fakultative Ausschlussgrund des Bestehens von Vereinbarungen mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielten, sei nicht in das portugiesische Recht übernommen worden.

32.      Das Problem, auf das die Kommission hinweist, könnte im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen behandelt werden, wenn die zweite Aussage zuträfe: Bei fehlender Umsetzung eines Ausschlussgrundes in nationales Recht wäre zu prüfen, ob die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs(12) zur Befugnis der Mitgliedstaaten, diese Kategorie von Ausschlussgründen umzusetzen oder nicht, anzupassen oder gar zu korrigieren ist.

33.      Im Folgenden werde ich darstellen, warum die zweite Aussage der Kommission (der in einigen der im Vorlageverfahren eingereichten schriftlichen Erklärungen zugestimmt wird) meines Erachtens nicht der Realität entspricht.

34.      Mit der Gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 111‑B/2017 wurde der CCP mit dem Ziel geändert, die Richtlinien 2014/24 und 2014/25 umzusetzen. So stellt der portugiesische Gesetzgeber in Art. 1 CCP ausdrücklich fest, dass er mit diesem Gesetz u. a. die Richtlinien 2014/24 und 2014/25 „umsetzt“(13).

35.      Die in der neuen Fassung des CCP enthaltenen Ausschlussgründe („Kontrahierungsverbote“) werden in Art. 55 Abs. 1 Buchst. a bis l aufgeführt und entsprechen mit einigen Abweichungen den Gründen aus Art. 57 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/24.

36.      Der streitige Ausschlussgrund ist in Art. 55 Abs. 1 Buchst. f CCP wie folgt festgeschrieben: „Folgende Unternehmen können [nicht] Bewerber … sein …: … Unternehmen, gegen die die Nebensanktion des Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren verhängt worden ist, die in Sondervorschriften, insbesondere den Sanktionsregelungen im Bereich … des Wettbewerbsrechts … vorgesehen ist, während des in der Sanktionsentscheidung festgelegten Zeitraums“.

37.      Außerdem enthält der CCP eine weitere Bestimmung (Art. 70 Abs. 2 Buchst. g), wonach Angebote auszuschließen sind, wenn ihre Prüfung ergibt, „dass starke Indizien für Handlungen, Vereinbarungen, Verhaltensweisen oder Informationen vorliegen, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen“(14).

38.      In Anbetracht dieser beiden Bestimmungen kann ich einige Ausführungen von Futrifer und der portugiesischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen (wobei Letztere eine zweideutige Formulierung verwendet, die sie in der mündlichen Verhandlung nicht klargestellt hat(15)) hinsichtlich der mangelnden Umsetzung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 in den CCP nur schwer nachvollziehen.

39.      Der Wortlaut dieser beiden Bestimmungen des CCP zeigt meiner Ansicht nach, dass der portugiesische Gesetzgeber die eindeutige Absicht hatte, den Inhalt von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 in sein Rechtssystem zu übernehmen (bzw. dort beizubehalten)(16). Sowohl Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 als auch die beiden angeführten nationalen Bestimmungen zielen darauf ab, auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielende Vereinbarungen von Wirtschaftsteilnehmern im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu bekämpfen.

40.      Eine andere Frage ist, ob sich der portugiesische Gesetzgeber bei der Regelung dieses Ausschlussgrundes in der von ihm eingeführten Fassung genau an Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 gehalten hat oder ob er im Gegenteil eine Fassung gewählt hat, die diese Bestimmung verändert, von ihren Grundprinzipien abweicht oder ihren Anwendungsbereich unangemessen einschränkt.

41.      Der Gerichtshof hat bestätigt, dass „[s]obald ein Mitgliedstaat die Entscheidung getroffen hat, einen der fakultativen Ausschlussgründe der Richtlinie 2014/24 zu übernehmen, … er die von ihr vorgegebenen wesentlichen Merkmale beachten [muss]. Indem Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 klarstellt, dass die Mitgliedstaaten ,die Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels‘ ,unter Beachtung des Unionsrechts‘ festlegen, hindert er sie daran, die in dieser Bestimmung geregelten fakultativen Ausschlussgründe zu verfälschen oder die Ziele und Grundsätze, auf denen diese Gründe beruhen, unberücksichtigt zu lassen(17)“.

42.      Wie ich nachstehend erläutern werde, steht meiner Ansicht nach die Umsetzung des Inhalts von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 in portugiesisches Recht nicht vollkommen mit der Richtlinie in Einklang: insbesondere schränkt Art. 55 Abs. 1 Buchst. f CCP die Befugnisse des öffentlichen Auftraggebers zum Ausschluss von Bietern, die an abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt waren, unangemessen ein, indem er verlangt, dass deren Verhalten zuvor durch die AC mit einer Nebensanktion des Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren geahndet wurde.

43.      Dass dies, wie ich denke, der Fall ist, bedeutet jedoch nicht, dass keine Umsetzung stattgefunden hat, sondern, dass die erfolgte Umsetzung mangelhaft ist. Dieser Mangel könnte im Übrigen eventuell durch eine großzügigere Auslegung von Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP, d. h. im Einklang mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 (Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung), behoben werden(18).

44.      Im Ergebnis ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen meines Erachtens nicht geeignet, die Debatte über die Befugnis der Mitgliedstaaten, die fakultativen Ausschlussgründe nicht in nationales Recht umzusetzen, neu zu entfachen, da sich der portugiesische Gesetzgeber gerade für die gegenteilige Lösung entschieden hat (selbst wenn diese Lösung aus Sicht des Unionsrechts nicht so zufriedenstellend ist, wie sie sein sollte).

45.      Die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Befugnissen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich berücksichtigt selbstverständlich die Verpflichtung (Art. 288 AEUV) der Mitgliedstaaten, sich an das mit einer Richtlinie zu erreichende Ziel zu halten. Ausgehend von dieser Prämisse haben die verschiedenen Spruchkörper des Gerichtshofs entschieden, dass die Umsetzung der Richtlinie 2015/24 in Bezug auf die fakultativen Ausschlussgründe so wie vorstehend dargestellt erfüllt wird(19).

46.      Eine Wiederaufnahme der Debatte, auf die ich zuvor Bezug genommen habe, wäre außerdem besonders problematisch, was das Ergebnis anbetrifft:

–      Sie könnte unabhängig von der in Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 genannten Beteiligung der Staaten zu einer Umwandlung der fakultativen Ausschlussgründe in obligatorische Ausschlussgründe führen.

–      Sie könnte die einheitliche Regelung auflösen, die der Verweisung in den Bestimmungen über Ausschlussgründe der Richtlinie 2014/25 auf die Richtlinie 2014/24 zugrunde liegt. Nach Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/25 beinhalten die für den Ausschluss von Bewerbern geltenden Kriterien und Vorschriften die in Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 genannten Ausschlussgründe, wenn die Mitgliedstaaten dies vorschreiben.

B.      Erste Vorlagefrage

47.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob es sich bei dem in Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Ausschlussgrund „um eine Materie [handelt], die der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vorbehalten ist“.

48.      Der Gerichtshof hat diese Frage bereits beantwortet: „[D]er Unionsgesetzgeber [wollte] nach dem Wortlaut von Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dem öffentlichen Auftraggeber und nur ihm im Stadium der Bieterauswahl die Aufgabe übertragen, zu beurteilen, ob ein Bewerber oder ein Bieter von einem Vergabeverfahren auszuschließen ist“(20).

49.      Diese Feststellung des Gerichtshofs steht im Einklang mit Art. 56 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/24: Der öffentliche Auftraggeber muss überprüfen, dass „das Angebot … von einem Bieter [kommt], der nicht gemäß Artikel 57 ausgeschlossen ist“. Er ist somit in jedem Fall für die Entscheidung zuständig, ob ein Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen ist.

50.      Die vorstehende kategorische Aussage ist allerdings einzuschränken, wenn in einer früheren bestandskräftigen Entscheidung der zuständigen Behörde ein Verhalten, das mit dem Zugang zu Vergabeverfahren unvereinbar ist, festgestellt oder dem Bieter die Teilnahme an diesen Verfahren untersagt wurde.

51.      In dem Zusammenhang, in dem die Vorlagefrage gestellt wird (d. h. bei Vorliegen eines einem Bieter zuzurechnenden wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens), sind zwei Situationen möglich:

–      Wurde ein Wirtschaftsteilnehmer zuvor aufgrund eines wettbewerbswidrigen Verhaltens durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen (Art. 57 Abs. 6 letzter Unterabsatz der Richtlinie 2014/24)(21), hat der öffentliche Auftraggeber dieses Verbot zu beachten. Der ausgeschlossene Wirtschaftsteilnehmer ist während des Ausschlusszeitraums, der in dieser Entscheidung festgelegt wurde, nicht berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung wirksam ist, von der Möglichkeit, seine Zuverlässigkeit nachzuweisen (Maßnahmen zur Selbstkorrektur bzw. „self cleaning“), Gebrauch zu machen(22).

–      Wurde das Teilnahmeverbot nicht in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, sondern in einer Entscheidung der Wettbewerbsbehörde ausgesprochen, so ist der öffentliche Auftraggeber nicht unausweichlich daran gebunden: Er kann prüfen, ob der Wirtschaftsteilnehmer die vorstehend genannten Maßnahmen zur Selbstkorrektur ergriffen hat, und ihm trotz allem die Teilnahme am Vergabeverfahren gestatten.

–      Dies gilt erst recht, wenn die Wettbewerbsbehörde die Teilnahme am Vergabeverfahren nicht untersagt, sondern gegen den Wirtschaftsteilnehmer wegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen eine Sanktion verhängt hat.

52.      Bei der Prüfung der folgenden Vorlagefragen werde ich mich auf die zweite und die dritte der vorstehend genannten Hypothesen konzentrieren. Für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist meines Erachtens aufgrund ihrer weiten Formulierung eine Antwort ausreichend, die die allgemeine Regelung aufzeigt, unbeschadet der Ausnahmen, die sich aus der Richtlinie 2014/24 selbst ergeben.

C.      Zweite Vorlagefrage

53.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob der nationale Gesetzgeber im Rahmen von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 „die Entscheidung, die der öffentliche Auftraggeber … zu treffen hat, vollständig“ durch eine Entscheidung der Wettbewerbsbehörde „ersetzen“ kann, mit der gegen einen Wirtschaftsteilnehmer als Nebensanktion ein Verbot der Teilnahme an Vergabeverfahren verhängt wird.

54.      Nach dem Gesetz Nr. 19/2012 kann die AC Wirtschaftsteilnehmern, die sich wettbewerbswidrig verhalten haben, neben einer Geldbuße eine Nebensanktion(23) auferlegen, mit der ihnen für einen bestimmten Zeitraum die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren untersagt wird (Art. 71 Abs. 1 Buchst. b).

55.      Wie ich bereits erläutert habe, hat die AC ausdrücklich entschieden, dass gegen Futrifer keine Nebensanktion zu verhängen sei.

1.      Unzulässigkeit

56.      Auf dieser Grundlage mag die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zwar unter anderen Gesichtspunkten und in allgemeiner Hinsicht von Interesse sein, jedoch ist sie in Bezug auf die vorliegende Rechtssache hypothetischer Natur.

57.      Die Frage könnte sinnvoll sein, wenn angesichts einer Entscheidung der AC über die Verhängung eines Kontrahierungsverbots, zu prüfen wäre – wie vom vorlegenden Gericht erbeten –, inwieweit diese Entscheidung ausreicht, um die (spätere) Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers zu „ersetzen“.

58.      Wenn hingegen die AC es in dem Verfahren gegen Futrifer nachweislich bewusst unterlassen hat, die Nebensanktion des Kontrahierungsverbots zu verhängen, erschließt sich mir nicht, welchen Nutzen es für den vorliegenden Rechtsstreit hätte, über die Folgen eines (nicht existierenden) Verbots zu entscheiden.

59.      Die zweite Vorlagefrage ist somit unzulässig(24).

2.      Hilfsweise in der Sache

60.      Für den Fall, dass der Gerichtshof anderer Auffassung ist und sich mit dieser Vorlagefrage in der Sache befasst, werde ich meine Ansicht dazu darstellen.

61.      Meines Erachtens bindet die Entscheidung der AC, mit der einem Wirtschaftsteilnehmer die Teilnahme an einem Vergabeverfahren untersagt wird (abgesehen von den Fällen, in denen das Teilnahmeverbot durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verhängt wurde)(25), den öffentlichen Auftraggeber nicht in dem Maße, dass sie „seine Entscheidung vollständig ersetzt“.

62.      Der öffentliche Auftraggeber kann nämlich auch in diesem Fall prüfen, ob der Wirtschaftsteilnehmer, gegen den die Sanktion verhängt wurde, die in Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 genannten Maßnahmen zur Selbstkorrektur ergriffen hat, und ihm trotz allem die Teilnahme am Vergabeverfahren gestatten.

63.      Ich möchte daran erinnern, dass dem Wirtschaftsteilnehmer das eindeutige Recht zusteht, durch diese Maßnahmen zur Selbstkorrektur seine Zuverlässigkeit nachzuweisen, und dass sich dieses Recht unmittelbar aus Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 ergibt(26).

64.      Mit der von mir vorgeschlagenen Lösung (Vorbehalt der Befugnis des öffentlichen Auftraggebers zur Beurteilung der Maßnahmen zur Selbstkorrektur, ungeachtet des von der Wettbewerbsbehörde verhängten Kontrahierungsverbots) kann ein Gleichgewicht zwischen den folgenden beiden Ansätzen gefunden werden:

–      zum einen der Ansatz, mit dem die Befugnisse des öffentlichen Auftraggebers gewahrt werden, der über die Freiheit verfügen muss, die Zuverlässigkeit des Bewerbers zu prüfen, ohne zwangsläufig an die Beurteilungen anderer öffentlicher Stellen gebunden zu sein(27);

–      zum anderen der Ansatz, der die Aufgaben der Behörden berücksichtigt, die für die Verfolgung insbesondere von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen zuständig sind(28). Der öffentliche Auftraggeber muss die Entscheidungen dieser Behörden berücksichtigen, denn schließlich „[kann] das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen erst nach dem Erlass einer solchen Entscheidung, die den Sachverhalt rechtlich entsprechend einordnet, als erwiesen erachtet werden“(29).

65.      Es ist jedoch richtig, dass die Mitgliedstaaten, wie der Gerichtshof im Licht des 102. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/24(30) festgestellt hat, „bei der Bestimmung der mit der Bewertung der Angemessenheit von Abhilfemaßnahmen betrauten Behörden [über] einen weiten Ermessensspielraum [verfügen]. Insoweit [können sie] mit dieser Bewertungsaufgabe jede andere Behörde als den öffentlichen Auftraggeber oder Auftraggeber betrauen“(31).

66.      Im Ergebnis kann der öffentliche Auftraggeber bei der Beurteilung, ob er die Regelung aus Art. 57 Abs. 4 Buchst. d anwendet,

–      entweder von sich aus und ohne vorherige Entscheidung einer anderen Behörde einen Wirtschaftsteilnehmer ausschließen, bei dem hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen,

–      oder, wenn solche wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen von der zuständigen Behörde festgestellt wurden(32), und unabhängig davon, ob diese ein Verbot der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgesprochen hat oder nicht, prüfen, ob die Maßnahmen zur Selbstkorrektur des Bieters oder Bewerbers seine Zuverlässigkeit nachweisen und er folglich nicht gemäß Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 vom Vergabeverfahren auszuschließen ist.

–      Ein Mitgliedstaat kann jedoch die Beurteilung der Maßnahmen zur Selbstkorrektur an eine andere Behörde als den öffentlichen Auftraggeber übertragen, und in diesem Fall muss dieser sich an diese Beurteilung halten.

D.      Dritte Vorlagefrage

67.      Die dritte Vorlagefrage scheint in Wirklichkeit aus den folgenden zwei Fragen zu bestehen:

–      zum einen die Frage, ob „die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die ,Zuverlässigkeit‘ des Wirtschaftsteilnehmers mit Blick auf die Befolgung (oder Nichtbefolgung) der Wettbewerbsregeln außerhalb des konkreten Vergabeverfahrens“ erfolgen kann;

–      zum anderen die Frage, ob diese Beurteilung der entsprechenden Eignung des Wirtschaftsteilnehmers in einer „eigenständigen Beurteilung“ des öffentlichen Auftraggebers, die von anderen Wettbewerbern angefochten werden kann, „hinreichend begründet“ sein muss(33).

68.      Auch hier scheint die Vorlagefrage von der Prämisse auszugehen, dass der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers eine von der AC verhängte Nebensanktion (Kontrahierungsverbot) vorausgegangen ist. Auf dieser Grundlage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Gründe, die der Nebensanktion zugrunde liegen, „von gleicher Art und Natur“ sind wie die „Beurteilung der Zuverlässigkeit“, die der öffentliche Auftraggeber vorzunehmen hat(34).

69.      Wird die Frage so ausgelegt, so bestehen für sie (aufgrund ihres hypothetischen Charakters) die gleichen Zulässigkeitsprobleme, die bereits im Rahmen der zweiten Vorlagefrage dargestellt wurden. In seiner Begründung verweist das vorlegende Gericht jedoch auf die Möglichkeit, dass der öffentliche Auftraggeber von der Eignung eines Wirtschaftsteilnehmers ausgeht, obwohl gegen diesen eine Sanktion wegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen verhängt wurde, die jedoch kein Kontrahierungsverbot umfasst(35).

70.      Ich werde daher die zwei Fragen auf der Grundlage des vorstehend dargestellten Ansatzes des vorlegenden Gerichts beantworten.

1.      Beurteilung der Zuverlässigkeit oder Eignung durch den öffentlichen Auftraggeber

71.      Die Antwort auf diesen Teil der Vorlagefrage ergibt sich bereits aus der Antwort, die ich für die zwei vorhergehenden Vorlagefragen vorschlage. Der öffentliche Auftraggeber behält seine Befugnis, die Zuverlässigkeit des Bieters oder Bewerbers zu beurteilen, auch nach der Entscheidung der Wettbewerbsbehörde, wie oben beschrieben, in vollem Umfang bei.

72.      Nach dem 101. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 „[sollten ö]ffentliche Auftraggeber … die Möglichkeit erhalten, Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, beispielsweise wegen … anderer Formen schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens wie der Verletzung von Wettbewerbsregeln“(36). Abs. 2 dieses Erwägungsgrundes betrifft ein Verhalten bei früheren Aufträgen, „das ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers aufkommen lässt“(37).

73.      Es ist nicht überraschend, dass der Gerichtshof im Licht dieses Erwägungsgrundes festgestellt hat: „[D]ie Befugnis jedes öffentlichen Auftraggebers, einen Bieter von einem Vergabeverfahren auszuschließen, [soll] ihm insbesondere die Möglichkeit geben, die Integrität und Zuverlässigkeit jedes einzelnen Bieters zu beurteilen“(38).

74.      Die fakultativen Ausschlussgründe gestatten es den Mitgliedstaaten, Ziele von allgemeinem Interesse zu verfolgen, und sie sollen in jedem Fall dazu dienen, die Zuverlässigkeit(39), die Sorgfalt, die berufliche Ehrenhaftigkeit und die Seriosität des Bieters sicherzustellen(40).

75.      Der Gerichtshof hat insbesondere in Bezug auf die „Zielsetzung …, die Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 zugrunde liegt“, festgestellt, dass „die Befugnis bzw. sogar die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, ihm insbesondere die Möglichkeit geben soll, die Integrität und Zuverlässigkeit jedes einzelnen Wirtschaftsteilnehmers zu beurteilen“(41).

76.      Zudem erfordert eine korrekte Auslegung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24, dass sich die Überprüfung der Integrität und Zuverlässigkeit des Bieters auch auf in der Vergangenheit liegendes wettbewerbswidriges Verhalten erstreckt und nicht nur auf wettbewerbswidrige Absprachen im „konkreten“ Vergabeverfahren, über das der öffentliche Auftraggeber zu entscheiden hat.

77.      Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 57 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24, wonach die öffentlichen Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer ausschließen können, wenn sich herausstellt, „dass sich der Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf Handlungen oder Unterlassungen vor oder während des Verfahrens in einer der in Absatz 4 genannten Situationen befindet“(42).

78.      Zu den vorstehenden Erwägungen ist hinzuzufügen, dass der öffentliche Auftraggeber alternativ von Art. 57 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 Gebrauch machen kann, indem er seine Entscheidung, den Bieter auszuschließen, auf den Umstand stützt, dass dieser im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat.

79.      Unter den Begriff des schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens, das die portugiesischen Rechtsvorschriften als Ausschlussgrund ansehen(43), können auch wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen fallen, und zwar selbst dann, wenn für diese ein besonderer Ausschlussgrund existiert: Dies bestätigt der 101. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24, wonach (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur vorhergehenden Richtlinie(44)) die Verletzung von Wettbewerbsregeln als Form des schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens anzusehen ist(45).

80.      Wie in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben wurde, führt diese Möglichkeit zwar zu einer gewissen Überschneidung zwischen den beiden fakultativen Ausschlussgründen. Ich bin jedoch der Meinung, dass sie, wenn deren Verhältnis als einander ergänzend angesehen wird, den Zielen der Richtlinie 2014/24 dient.

81.      Sind die Voraussetzungen des Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 erfüllt, ist es folgerichtig, dass der öffentliche Auftraggeber diesen Ausschlussgrund geltend macht. Für alle anderen Verhaltensweisen, die zwar gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, jedoch nicht als „Vereinbarungen mit anderen Wirtschaftsteilnehmern“ anzusehen sind, kann er auf die allgemeinere Bestimmung in Buchst. c zurückgreifen.

82.      Wenn beabsichtigt wird, dem öffentlichen Auftraggeber möglichst umfassende Befugnisse zu geben, um die Zuverlässigkeit der Bieter und Bewerber zu beurteilen, sehe ich keinen Grund, warum seine Befugnisse bei der Feststellung, welche „Verletzung von Wettbewerbsregeln“ erfolgt ist, beschränkt werden sollten. Der 101. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 lässt eine Anwendung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. c und d in der oben dargestellten Art und Weise zu. Dies führt dazu, dass mehrere Bestimmungen vorliegen und die auslegende Instanz entscheiden muss, welche von ihnen den Umständen im Einzelfall am ehesten entspricht und zur Anwendung kommt.

2.      Begründungspflicht

83.      Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, „eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers vorzunehmen“(46). Diese Beurteilung muss zu einer Begründung der erlassenen Entscheidung führen, die es den Adressaten und etwaigen Bewerbern ermöglicht, diese gerichtlich anzufechten(47).

84.      Wenn wie im vorliegenden Fall einer der Bewerber geltend macht, ein anderer Bewerber falle unter einen Ausschlussgrund nach Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24, hat der öffentliche Auftraggeber konkret zu erläutern, warum er von der Zuverlässigkeit dieses Bewerbers ausgeht. Die Begründung muss sich gegebenenfalls auf die Bewertung der Maßnahmen zur Selbstkorrektur erstrecken, die der mit der Sanktion belegte Bieter geltend macht(48).

85.      Die Begründungspflicht kann erfüllt werden, indem der öffentliche Auftraggeber direkt oder durch Verweis die Argumente übernimmt, die die sektorspezifische Behörde (hier die AC) bei ihrer Feststellung berücksichtigt hat, dass ein Wirtschaftsteilnehmer sich mit anderen zur Verzerrung des Wettbewerbs abgesprochen habe.

E.      Vierte Vorlagefrage

86.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die „im portugiesischen Recht in Art. 55 Abs. 1 Buchst. f CCP festgelegte Lösung“ mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 vereinbar ist.

87.      Die Auslegung dieser Bestimmung des CCP durch das vorlegende Gericht (an die sich der Gerichtshof zu halten hat, da es sich um das oberste portugiesische Verwaltungsgericht handelt) lautet wie folgt: Wenn der Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers wegen „Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln außerhalb des betreffenden konkreten Vergabeverfahrens“ erfolge, sei nach Art. 55 Abs. 1 Buchst. f CCP dieser Ausschluss davon abhängig, welche Entscheidung die AC „in Bezug auf die Verhängung einer Nebensanktion in Form eines Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren“ treffe. In diesem Verfahren beurteile die Wettbewerbsbehörde die Relevanz der getroffenen Maßnahmen zur Selbstkorrektur.

88.      Aus den gleichen Gründen wie denen, die im Rahmen der Würdigung der zweiten Vorlagefrage(49) angeführt werden, ist auch die vorliegende Frage hypothetisch, da

–      zum einen die Wettbewerbsbehörde die Verhängung einer Nebensanktion als Reaktion auf das Verhalten von Futrifer ausdrücklich ausgeschlossen hat;

–      zum anderen aus den Akten nicht hervorgeht, dass sich einer der beteiligten Wirtschaftsteilnehmer, um ein (nicht bestehendes) vorheriges Kontrahierungsverbot zu überwinden, darauf berufen hätte, die in Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 genannten Maßnahmen zur Selbstkorrektur ergriffen zu haben.

89.      Die vom vorlegenden Gericht vorgelegten Fragen gehen somit angesichts des streitigen Sachverhalts über die Grenzen des Rechtsstreits hinaus und mit ihnen wird de facto eine Stellungnahme des Gerichtshofs zu Fragen begehrt, die mit diesem Sachverhalt nichts zu tun haben.

90.      Um die Einrede der Unzulässigkeit zu umgehen, könnte die Frage in dem Sinne umformuliert werden, dass sie für den Fall gestellt wird, dass die AC die wettbewerbswidrige Absprache als erwiesen erachtet und eine Geldbuße verhängt hat, ohne jedoch zusätzlich ein Kontrahierungsverbot aufzuerlegen.

91.      Auf jeden Fall leitet sich die Antwort, die ich entweder für den Fall einer Umformulierung oder hilfsweise vorschlage, aus meinen vorstehenden Erwägungen ab. Das bedeutet:

–      Mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 wäre eine nationale Regelung (oder deren Auslegung), die als unverzichtbare Voraussetzung für seine Anwendung die vorherige Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde vorsieht, nicht vereinbar.

–      Die Mitgliedstaaten können die Beurteilung der Maßnahmen zur Selbstkorrektur an andere Behörden als den öffentlichen Auftraggeber, wie z. B. die Wettbewerbsbehörde, übertragen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im portugiesischen Recht der Fall ist, und, sollte dies bejaht werden, festzustellen, ob „die zu diesem Zweck eingeführte nationale Regelung alle in Art. [57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24] aufgestellten Anforderungen [erfüllt]“(50).

F.      Fünfte Vorlagefrage

92.      Das vorlegende Gericht bezieht sich auf Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP und möchte wissen, ob sein Inhalt mit Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 vereinbar ist.

93.      Seine Auslegung dieses Artikels des CCP veranlasst das vorlegende Gericht zu der Feststellung, dass der Artikel „die Möglichkeit zum Ausschluss eines Angebots aufgrund starker Indizien für das Vorliegen von Handlungen, Vereinbarungen, Verhaltensweisen oder Informationen, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen, auf das konkrete Vergabeverfahren beschränkt …, in dem diese Verhaltensweisen festgestellt werden“.

94.      Art. 70 CCP greift, zumindest vom Wortlaut her, in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens: Während Art. 55 in der Anfangsphase (Auswahl des Wirtschaftsteilnehmers auf der Grundlage qualitativer Kriterien) zur Anwendung kommt, betrifft Art. 70 die nachfolgende Phase (Prüfung der eingereichten Angebote). Um diese zweite Phase zu erreichen, muss der Bieter oder Bewerber logischerweise die erste Phase bestanden haben, d. h. er darf nicht vorher vom Verfahren ausgeschlossen worden sein.

95.      Der nationalen Rechtsvorschrift steht nichts entgegen, wenn ihre Auslegung auf jeden Fall die Befugnis des öffentlichen Auftraggebers unberührt lässt, zu prüfen, ob ein Bieter vor dem konkreten von ihm durchzuführenden Vergabeverfahren wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat, die zu seinem Ausschluss führen.

96.      Mit anderen Worten liegt kein Verstoß gegen die Richtlinie 2014/24 vor, wenn Art. 70 Abs. 2 Buchst. g CCP den öffentlichen Auftraggeber lediglich ermächtigt, das Angebot eines Bieters von sich aus auszuschließen, wenn er feststellt, dass es auf wettbewerbswidrige Verhaltensweisen im Rahmen des Vergabeverfahrens selbst zurückzuführen ist(51).

97.      Der Wortlaut von Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 ist hinreichend weit gefasst, um alle Möglichkeiten zu umfassen, wie der öffentliche Auftraggeber von einem Verhalten eines Bieters, das auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielt, Kenntnis erlangen kann.

98.      In den Schlussanträgen in der Rechtssache Vossloh Laeis habe ich darauf hingewiesen, dass Art. 57 der Richtlinie 2014/24 den öffentlichen Auftraggebern einige Funktionen mit Ermittlungscharakter überträgt(52), und der Gerichtshof hat diesen Ansatz in seinem Urteil in jener Rechtssache übernommen(53).

99.      Durch die Ausübung dieser Funktionen sind die öffentlichen Auftraggeber in der Lage, wettbewerbsverzerrende Vereinbarungen zwischen Bietern, die im Zusammenhang mit einem laufenden Vergabeverfahren geschlossen wurden, aufzudecken. Wie die Kommission feststellt, kann der Nachweis eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens durch den öffentlichen Auftraggeber selbst Schwierigkeiten bereiten. Abgesehen davon, dass diese Schwierigkeiten in der Praxis nicht unüberwindbar sind, rechtfertigen sie es nicht, die Befugnis des öffentlichen Auftraggebers zur Beurteilung von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen, deren Vorliegen er feststellt, zu beschränken.

V.      Ergebnis

100. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite und die vierte Vorlagefrage für unzulässig zu erklären und dem Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) wie folgt zu antworten:

Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG

ist dahin auszulegen, dass

–      der in dieser Bestimmung vorgesehene fakultative Ausschlussgrund vom öffentlichen Auftraggeber zu beurteilen ist, ohne dass dieser dabei an die Entscheidungen anderer Behörden gebunden ist, es sei denn, ein Wirtschaftsteilnehmer wurde durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen, wobei dies während des Ausschlusszeitraums, der in dieser Entscheidung festgelegt wurde, und in dem Mitgliedstaat gilt, in dem die Entscheidung wirksam ist;

–      der öffentliche Auftraggeber direkt oder durch Verweis zu begründen hat, warum er einen Bieter zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren zulässt, wenn gegen diesen zuvor wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens eine Sanktion verhängt wurde;

–      er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den öffentlichen Auftraggeber ermächtigt, ein Angebot auszuschließen, wenn starke Indizien für das Vorliegen von Handlungen, Vereinbarungen, Verhaltensweisen oder Informationen vorliegen, die geeignet sind, im jeweiligen Vergabeverfahren, in dem ein solches Verhalten festgestellt wird, den Wettbewerb zu verfälschen.

Hilfsweise schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite und die vierte Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

–      Hat eine Wettbewerbsbehörde gegen einen Wirtschaftsteilnehmer eine Nebensanktion in Form eines Verbots der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren für einen bestimmten Zeitraum verhängt, ist der öffentliche Auftraggeber weiterhin befugt, den Wirtschaftsteilnehmer nicht vom Vergabeverfahren auszuschließen, sofern die Voraussetzungen von Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 erfüllt sind.

–      Der Wirtschaftsteilnehmer ist berechtigt, gemäß Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 Nachweise zu erbringen, dass er ausreichende Maßnahmen ergriffen hat, um seine Zuverlässigkeit nachzuweisen, und der öffentliche Auftraggeber (oder die nach nationalem Recht dazu befugte Behörde) hat diese selbst dann zu beurteilen, wenn eine Wettbewerbsbehörde gegen ihn eine Nebensanktion in Form eines Verbots der Teilnahme an Vergabeverfahren verhängt hat.























































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