C-600/22 P – Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/ Parlament

C-600/22 P – Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/ Parlament

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2024:305

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 11. April 2024(1)

Rechtssache C600/22 P

Carles Puigdemont i Casamajó,

Antoni Comín i Oliveres

gegen

Europäisches Parlament

„Rechtsmittel – Institutionelles Recht – Mitglieder des Europäischen Parlaments – Entscheidungen, mit denen es den Rechtsmittelführern, die zu Mitgliedern des Europäischen Parlaments gewählt worden sind, verweigert wird, als Abgeordnete im Parlament zu sitzen, und mit denen ihnen alle damit verbundenen Rechte vorenthalten werden – Nichtigkeits- und Schadensersatzklage“

 Einleitung

1.        Der Sachverhalt, der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegt, geht auf das am 1. Oktober 2017 in Katalonien (Spanien) durchgeführte Referendum „über die Selbstbestimmung“ und die rechtlichen und politischen Auswirkungen dieses Ereignisses zurück. Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, sich mit den unionsrechtlichen Folgen dieser Ereignisse zu befassen, da einige der an den betreffenden Ereignissen beteiligten Personen erfolgreich an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen haben.

2.        Insbesondere hat sich der Gerichtshof in seinem Urteil Junqueras Vies(2) zu dem Zeitpunkt geäußert, zu dem ein gewählter Kandidat die Eigenschaft als Mitglied des Parlaments erwirbt. Das vorliegende Rechtsmittel betrifft größtenteils die Auslegung dieses Urteils und der sich daraus ergebenden Lehren.

3.        Dem Wunsch des Gerichtshofs entsprechend werde ich mich in den vorliegenden Schlussanträgen auf den ersten Rechtsmittelgrund konzentrieren, dem im vorliegenden Fall die größte Bedeutung zukommt und der Fragen verfassungsrechtlicher Art für das Unionsrecht aufwirft – solche zum Status der Mitglieder des Parlaments und zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Wahl dieser Mitglieder. Es ist auch der Rechtsmittelgrund, dem die Parteien in ihren Schriftsätzen den Löwenanteil gewidmet haben.

 Rechtlicher Rahmen

4.        Art. 9 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union(3), das dem EU- und dem AEU-Vertrag beigefügt ist (im Folgenden: Protokoll), sieht vor:

„Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments

a)      steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

b)      können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.

Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.“

5.        Der Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976(4) in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates vom 25. Juni 2002 und vom 23. September 2002(5) geänderten Fassung (im Folgenden: Wahlakt) regelt auf der Ebene des Unionsrechts die Wahlen zum Parlament. Art. 8 Abs. 1 des Wahlakts bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Akts bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften.“

6.        Art. 12 des Wahlakts sieht vor:

„Das Europäische Parlament prüft die Mandate seiner Mitglieder. Zu diesem Zweck nimmt das Europäische Parlaments die von den Mitgliedstaaten amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis und befindet über die Anfechtungen, die gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden könnten.“

7.        Art. 13 Abs. 1 des Wahlakts bestimmt:

„Ein Sitz wird frei, wenn das Mandat eines Mitglieds des Europäischen Parlaments im Falle seines Rücktritts oder seines Todes oder des Entzugs erlischt.“

8.        Die interne Organisation des Parlaments wird durch seine Geschäftsordnung geregelt. Art. 3 der Geschäftsordnung für die neunte Wahlperiode (2019‑2024, im Folgenden: Geschäftsordnung) bestimmt:

„1. Im Anschluss an die allgemeinen Wahlen zum … Parlament fordert der Präsident [des Parlaments] die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf, dem Parlament unverzüglich die Namen der gewählten Mitglieder mitzuteilen, damit sämtliche Mitglieder ihre Sitze im Parlament ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen einnehmen können.

Gleichzeitig macht der Präsident [des Parlaments] die genannten Behörden auf die einschlägigen Bestimmungen des [Wahlakts] aufmerksam und ersucht sie, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jedweder Unvereinbarkeit mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments vorzubeugen.

2.      Die Mitglieder, deren Wahl dem Parlament bekannt gegeben worden ist, geben vor der Einnahme des Sitzes im Parlament eine schriftliche Erklärung dahingehend ab, dass sie kein Amt innehaben, das im Sinne des Artikels 7 Absätze 1 und 2 des [Wahlakts] mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments unvereinbar ist. Nach allgemeinen Wahlen ist diese Erklärung, soweit möglich, spätestens sechs Tage vor der ersten auf die Wahlen folgenden Sitzung des Parlaments abzugeben. Solange das Mandat eines Mitglieds nicht geprüft oder über eine Anfechtung noch nicht befunden worden ist, nimmt das Mitglied unter der Voraussetzung, dass es zuvor die vorgenannte schriftliche Erklärung unterzeichnet hat, an den Sitzungen des Parlaments und seiner Organe mit vollen Rechten teil.

Steht aufgrund von Tatsachen, die anhand öffentlich zugänglicher Quellen nachprüfbar sind, fest, dass ein Mitglied ein Amt innehat, das im Sinne des Artikels 7 Absätze 1 oder 2 des [Wahlakts] mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments unvereinbar ist, stellt das Parlament nach Unterrichtung durch seinen Präsidenten das Freiwerden des Sitzes fest.

3.      Auf der Grundlage eines Berichts seines zuständigen Ausschusses prüft das Parlament unverzüglich die Mandate und entscheidet über die Gültigkeit der Mandate jedes seiner neu gewählten Mitglieder sowie über etwaige Anfechtungen, die aufgrund der Bestimmungen des [Wahlakts] geltend gemacht werden, mit Ausnahme derjenigen, die aufgrund dieses Akts ausschließlich unter die innerstaatlichen Vorschriften fallen, auf die sich der Akt bezieht.

Der Bericht des Ausschusses stützt sich auf die offizielle Mitteilung sämtlicher Mitgliedstaaten über die Gesamtheit der Wahlergebnisse unter genauer Angabe der gewählten Kandidaten und ihrer etwaigen Stellvertreter sowie ihrer Rangfolge aufgrund des Wahlergebnisses.

Das Mandat eines Mitglieds kann nicht für gültig erklärt werden, wenn das Mitglied die schriftlichen Erklärungen nicht abgegeben hat, zu denen es aufgrund dieses Artikels und der Anlage I dieser Geschäftsordnung verpflichtet ist.

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits, angefochtenes Urteil, Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

9.        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Herren Carles Puigdemont i Casamajó und Antoni Comín i Oliveres die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Juli 2022, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022: 421), mit dem dieses ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Anweisung des Präsidenten des Parlaments(6) vom 29. Mai 2019, mit der ihnen die den neuen Europaabgeordneten angebotenen Empfangs- und Unterstützungsleistungen verweigert wurden (im Folgenden: Anweisung vom 29. Mai 2019), als unzulässig abgewiesen hat, und die Nichtigerklärung der in einem Schreiben vom 27. Juni 2019 an die Rechtsmittelführer enthaltenen Weigerungen dieses Präsidenten, ihnen die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zuzuerkennen und eine Sofortmaßnahme zu ergreifen, um ihre Immunität auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung zu bestätigen (im Folgenden: Handlung vom 27. Juni 2019).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

10.      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 13 bis 36 des angefochtenen Urteils dargelegt. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen.

11.      Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Ley 19/2017 del Parlamento de Cataluña, reguladora del referéndum de autodeterminación (Gesetz 19/2017 des Parlaments von Katalonien über das Referendum über die Selbstbestimmung) vom 6. September 2017(7) und der Ley 20/2017 del Parlamento de Cataluña, de transitoriedad jurídica y fundacional de la República (Gesetz 20/2017 des Parlaments von Katalonien über den Rechtsübergang und die Gründung der Republik) vom 8. September 2017(8) sowie zum Zeitpunkt der Durchführung des Referendums über die Selbstbestimmung am 1. Oktober 2017 gemäß dem erstgenannten Gesetz, dessen Bestimmungen in der Zwischenzeit durch eine Entscheidung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgericht, Spanien) außer Vollzug gesetzt worden waren, waren Herr Puigdemont i Casamajó Präsident der Generalitat de Cataluña (Regionalregierung von Katalonien, Spanien) und Herr Comín i Oliveres Mitglied des Gobierno autonómico de Cataluña (Autonome Regierung von Katalonien, Spanien).

12.      Nach der Verabschiedung dieser Gesetze und der Durchführung dieses Referendums leiteten das Ministerio fiscal (Staatsanwaltschaft, Spanien), der Abogado del Estado (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) und die Partido político VOX (politische Partei VOX, Spanien) ein Strafverfahren u. a. gegen die Rechtsmittelführer ein, denen u. a. vorgeworfen wird, die Straftatbestände des „Aufruhrs“ und der „Veruntreuung von öffentlichen Geldern“ erfüllt zu haben. Mit Beschluss vom 9. Juli 2018 stellte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) nach der Ausreise der Rechtsmittelführer aus Spanien deren Nichterscheinen fest und setzte das Strafverfahren bis zu ihrer Wiederauffindung aus.

13.      Die Rechtsmittelführer traten in der Folge als Kandidaten an und wurden bei den Wahlen zum Parlament, die am 26. Mai 2019 in Spanien stattfanden, gewählt.

14.      Mit der Anweisung vom 29. Mai 2019 wies der Präsident des Parlaments den Generalsekretär dieses Organs an, zum einen allen in Spanien gewählten Kandidaten den Zugang zum „Welcome village“ sowie die Inanspruchnahme der Unterstützungsleistungen für neu ins Parlament gewählte Kandidaten (im Folgenden: besonderer Empfangsdienst) zu verweigern und zum anderen ihre Akkreditierung auszusetzen, bis das Parlament gemäß Art. 12 des Wahlakts die amtliche Bestätigung ihrer Wahl erhalten habe.

15.      Am 13. Juni 2019 erließ die Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission, Spanien) eine Entscheidung über die „Bekanntgabe der bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 26. Mai 2019 gewählten Abgeordneten“(9) (im Folgenden: Bekanntgabe vom 13. Juni 2019). In dieser Bekanntgabe hieß es, dass die Zentrale Wahlkommission die Stimmen auf nationaler Ebene erneut ausgezählt, den einzelnen Kandidaten die entsprechenden Sitze zugeteilt und die gewählten Kandidaten, zu denen die Rechtsmittelführer gehörten, namentlich bekannt gegeben habe. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die gewählten Kandidaten am 17. Juni 2019 den in Art. 224 Abs. 2 der Ley orgánica 5/1985 del Régimen Electoral General (Gesetz 5/1985 über die allgemeine Regelung für Wahlen) vom 19. Juni 1985(10) in geänderter Fassung (im Folgenden: Wahlgesetz) geforderten Eid auf die spanische Verfassung ablegen würden.

16.      Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 ersuchten die Rechtsmittelführer den Präsidenten des Parlaments, die Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019, wie sie in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 enthalten seien, zur Kenntnis zu nehmen, die Anweisung vom 29. Mai 2019 zurückzunehmen, um Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments zu erhalten und den besonderen Empfangsdienst in Anspruch nehmen zu können, und es ihnen schließlich zu gestatten, ab dem 2. Juli 2019, dem Datum der Eröffnung der ersten Plenarsitzung nach den Wahlen, ihre Sitze einzunehmen und die mit ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments verbundenen Rechte in Anspruch zu nehmen.

17.      Am 15. Juni 2019 wies der Untersuchungsrichter des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) einen Antrag der Rechtsmittelführer auf Aufhebung der nationalen Haftbefehle zurück, die von den spanischen Strafgerichten gegen sie erlassen worden waren, um sie im Rahmen des in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge genannten Strafverfahrens vor Gericht zu stellen. Am 20. Juni 2019 lehnte die Zentrale Wahlkommission es ab, dass die Rechtsmittelführer den in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes geforderten Eid im Wege einer schriftlichen Erklärung vor einem Notar in Belgien oder durch Vertreter, die mittels einer in Belgien erstellten notariellen Urkunde ernannt wurden, leisten, da dieser Eid nach Ansicht dieser Wahlkommission persönlich abgelegt werden muss.

18.      Am 17. Juni 2019 übermittelte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament die Liste der in Spanien gewählten Kandidaten (im Folgenden: Mitteilung vom 17. Juni 2019), in der die Namen der Rechtsmittelführer nicht aufgeführt waren. Am 20. Juni 2019 teilte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament mit, dass die Rechtsmittelführer den Eid auf die spanische Verfassung nicht geleistet hätten und dass sie daher gemäß Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes die ihnen zugewiesenen Sitze im Parlament für vakant erklärt und alle mit ihren Ämtern verbundenen Vorrechte vorübergehend ausgesetzt habe, bis sie den Eid geleistet hätten (im Folgenden: Mitteilung vom 20. Juni 2019).

19.      Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 (im Folgenden: Schreiben vom 27. Juni 2019) antwortete der Präsident des Parlaments unter anderem auf das Schreiben vom 14. Juni 2019 und teilte den Rechtsmittelführern im Wesentlichen mit, dass er sie nicht als künftige Mitglieder des Parlaments behandeln könne, da ihre Namen nicht auf der von den spanischen Behörden offiziell übermittelten Liste der gewählten Kandidaten stünden.

20.      Am 28. Juni 2019 beantragten die Rechtsmittelführer mit einer unter der Rechtssachennummer T‑388/19 registrierten Klage beim Gericht zum einen, die Anweisung vom 29. Mai 2019 für nichtig zu erklären, und zum anderen, die verschiedenen Handlungen, die laut den Rechtsmittelführern im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthalten waren, für nichtig zu erklären, nämlich erstens die Weigerung des Präsidenten des Parlaments, die Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 zur Kenntnis zu nehmen, zweitens die vom Präsidenten des Parlaments abgegebene Feststellung des Freiwerdens des den Rechtsmittelführern jeweils zugewiesenen Sitzes, drittens die Weigerung des Präsidenten des Parlaments, ihnen zu gestatten, ihre Ämter anzutreten, das Mandat eines Europaabgeordneten auszuüben und ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen vom 26. Mai 2019 ihre Sitze im Parlament einzunehmen, sowie viertens die Weigerung des Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine Sofortmaßnahme zu ergreifen, um ihre Vorrechte und ihre Immunität zu bestätigen.

21.      Am selben Tag verbanden die Rechtsmittelführer ihre Klage mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der darauf gerichtet war, die Vollstreckung der verschiedenen Entscheidungen des Parlaments auszusetzen, die dazu führten, dass ihnen nicht die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zuerkannt wurde. Sie beantragten außerdem, dem Parlament aufzugeben, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Bestätigung ihrer Vorrechte und Befreiungen nach Art. 9 des Protokolls, um ihnen zu ermöglichen, ab der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen ihre Sitze im Parlament einzunehmen. Mit Beschluss vom 1. Juli 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament(11), wies der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück.

22.      Im Urteil Junqueras Vies hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass bei einer Person, deren Wahl ins Parlament amtlich bekannt gegeben worden ist, der aber nicht gestattet wurde, bestimmten Anforderungen nachzukommen, die nach innerstaatlichem Recht nach einer solchen Bekanntgabe vorgesehen sind, und sich zum Parlament zu begeben, um an dessen erster Sitzung teilzunehmen, davon auszugehen ist, dass sie nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Immunität genießt.

23.      Mit Beschluss vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament(12), hob die Vizepräsidentin des Gerichtshofs den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 1. Juli 2019, mit dem der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen worden war, auf, verwies die Rechtssache an das Gericht zurück und behielt die Kostenentscheidung vor.

24.      In der Plenarsitzung vom 13. Januar 2020 entschied das Parlament im Anschluss an das Urteil Junqueras Vies, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Rechtsmittelführer mit Wirkung zum 2. Juli 2019 ins Parlament gewählt wurden (im Folgenden: Entscheidung vom 13. Januar 2020).

25.      Mit Beschluss vom 19. März 2020, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament(13), erklärte der Präsident des Gerichts nach Zurückverweisung an das Gericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz angesichts der Entscheidung vom 13. Januar 2020 für erledigt und behielt die Kostenentscheidung vor.

 Angefochtenes Urteil

26.      Das Gericht hat das angefochtene Urteil am 6. Juli 2022 verkündet.

27.      Das Gericht stellte in Rn. 70 des angefochtenen Urteils fest, dass sich die Klage der Rechtsmittelführer zum einen auf die Nichtigerklärung der Anweisung vom 29. Mai 2019 und zum anderen auf die Nichtigerklärung der Handlung vom 27. Juni 2019, d. h. der im Wesentlichen im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltenen Weigerung des Präsidenten des Parlaments, den Rechtsmittelführern die Eigenschaft als Mitglieder in diesem Organ zuzuerkennen, beziehe.

28.      In Bezug auf die Handlung vom 27. Juni 2019 stellte das Gericht insbesondere fest, dass die Unmöglichkeit für die Rechtsmittelführer, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen, nicht auf diese Handlung, sondern auf die Anwendung des spanischen Rechts zurückzuführen sei, wie sie in den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 zum Ausdruck komme, in Bezug auf die weder der Präsident des Parlaments noch das Parlament über einen Ermessensspielraum verfügten (Rn. 146 des angefochtenen Urteils). Darüber hinaus stellte das Gericht in Bezug auf das Ausbleiben des Erlasses von Maßnahmen zur Bestätigung und zum Schutz der Vorrechte und der Immunität der Rechtsmittelführer im Wesentlichen fest, dass dieses Ausbleiben nicht als aus der Handlung vom 27. Juni 2019 resultierend angesehen werden könne (vgl. insbesondere Rn. 157 und 166 des angefochtenen Urteils). Das Gericht erklärte daher die Klage in Bezug auf diese Handlung für unzulässig, da diese Handlung keine verbindlichen Rechtswirkungen entfalte, die die Interessen der Rechtsmittelführer beeinträchtigen könnten, und deshalb nicht anfechtbar sei (Rn. 167 des angefochtenen Urteils).

29.      In Bezug auf die Anweisung vom 29. Mai 2019 entschied das Gericht, dass diese nicht dazu geführt habe, dass die Rechtsmittelführer daran gehindert worden seien, die für ihren Amtsantritt erforderlichen administrativen Schritte vorzunehmen, und daher nicht ursächlich dafür gewesen sei, dass es den Rechtsmittelführern unmöglich gewesen sei, ihr Mandat ab der Eröffnung der ersten Sitzung des Parlaments nach den Wahlen auszuüben. Sie habe ihnen allenfalls die Unterstützung des Parlaments bei ihrem Amtsantritt vorenthalten (Rn. 184 und 185 des angefochtenen Urteils). Das Gericht wies daher die Klage in Bezug auf die Anweisung vom 29. Mai 2019 aus den gleichen Gründen als unzulässig ab wie den für die Handlung vom 27. Juni 2019 angeführten Gründen (Rn. 186 und 187 des angefochtenen Urteils).

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

30.      Am 16. September 2022 haben die Rechtsmittelführer das Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt. Das Parlament und das Königreich Spanien haben am 8. bzw. 7. Dezember 2022 ihre Rechtsmittelbeantwortungen eingereicht. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs ist den Parteien die Einreichung einer Erwiderung und einer Gegenerwiderung gestattet worden.

31.      Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführer,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, hilfsweise, die streitigen Handlungen für nichtig zu erklären und

–        dem Parlament und dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen, hilfsweise, die Kostenentscheidung vorzubehalten.

32.      Das Parlament und das Königreich Spanien beantragen,

–        das Rechtsmittel als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführern die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

33.      Der Gerichtshof hat entschieden, ohne mündliche Verhandlung über die Rechtssache zu entscheiden.

 Würdigung

34.      Zur Begründung ihres Rechtsmittels machen die Rechtsmittelführer vier Rechtsmittelgründe geltend. Wie bereits erwähnt und dem Wunsch des Gerichtshofs folgend, werde ich mich in meinen Schlussanträgen auf den ersten Rechtsmittelgrund konzentrieren. Vor der Prüfung der Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes ist es jedoch erforderlich, sich mit den vom Parlament und dem Königreich Spanien geäußerten Zweifeln an der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels zu befassen.

 Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

35.      Das Parlament und das Königreich Spanien bestreiten die Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels insgesamt im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Rechtsmittelführer hätten es versäumt, die beanstandeten Punkte des angefochtenen Urteils genau zu bezeichnen und ihre Rechtsmittelgründe hinreichend zu begründen; das Rechtsmittel sei nicht klar und verständlich; die Rechtsmittelführer würden in Wirklichkeit die erneute Prüfung der vom Gericht entschiedenen Rechtssache beantragen und dabei nur die vor dem Gericht vorgetragenen Argumente wieder aufgreifen. Darüber hinaus bestreiten das Parlament und das Königreich Spanien die Zulässigkeit einer Vielzahl einzelner Rechtsmittelgründe und einzelner Argumente.

36.      Die Rechtsmittelführer treten diesen Rügen in ihrer Erwiderung entgegen und machen im Wesentlichen geltend, dass das Parlament ihr Rechtsmittel falsch oder sogar entstellt lese.

37.      Ich für meinen Teil habe nicht den Eindruck, dass das vorliegende Rechtsmittel insgesamt als unzulässig zurückgewiesen werden muss. Es ist zwar richtig, dass die Rechtsmittelschrift an einigen Stellen unschlüssig und repetitiv ist. Dennoch ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführer entgegen dem Vorbringen des Parlaments und des Königreichs Spanien die Punkte des angefochtenen Urteils, die sie gemäß Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beanstanden, die Rechtsfehler, die das Gericht ihrer Ansicht nach begangen hat, sowie die rechtlichen Argumente, die ihre Thesen untermauern, genau bezeichnen. Die Verfahrensordnung verlangt dagegen nicht, dass die Rechtsmittelgründe und das Vorbringen des Rechtsmittels in einer vorgegebenen Reihenfolge oder Logik vorgetragen werden. Während sich also einige Rechtsmittelgründe oder Argumente des vorliegenden Rechtsmittels tatsächlich als ins Leere gehend oder sogar unzulässig erweisen können, ist dies meiner Meinung nach nicht der Fall, was das Rechtsmittel als Ganzes betrifft.

38.      Ich komme deshalb zur Prüfung der Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

39.      Der erste Rechtsmittelgrund betrifft die Weigerung des Gerichts, zum einen der Anweisung vom 29. Mai 2019 und zum anderen der Handlung vom 27. Juni 2019 den Charakter einer anfechtbaren Handlung zuzuerkennen. Es ist dieser zweite Teil, der meiner Meinung nach für den Ausgang der vorliegenden Rechtssache von entscheidender Bedeutung ist. Ich werde meine Prüfung daher mit diesem zweiten Teil beginnen.

 Zur Handlung vom 27. Juni 2019

–       Einleitende Bemerkungen

40.      Zur Erinnerung: Gemäß Rn. 70 des angefochtenen Urteils besteht die Handlung vom 27. Juni 2019 in einer Weigerung des Präsidenten des Parlaments, den Rechtsmittelführern die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zuzuerkennen, was in dem Schreiben vom 27. Juni 2019 seinen Niederschlag findet.

41.      Diese Weigerung beruhte darauf, dass die Rechtsmittelführer zwar mit der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 als in das Parlament gewählt erklärt wurden, jedoch nicht in die Mitteilung vom 17. Juni 2019 einbezogen wurden, da sie den in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehenen Eid nicht abgelegt hatten. Wie ich bereits in Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt habe, war das Gericht der Ansicht, dass die Unmöglichkeit für die Rechtsmittelführer, ihre Mandate auszuüben, nicht auf die Handlung vom 27. Juni 2019, sondern auf die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften zurückzuführen sei, die das Parlament nicht anfechten könne(14), so dass diese Handlung keine verbindlichen Rechtswirkungen entfalte, die die Interessen der Rechtsmittelführer beeinträchtigen könnten, und daher keine anfechtbare Handlung darstelle(15).

42.      Wie das Parlament in seiner Rechtsmittelbeantwortung werde ich das Vorbringen der Rechtsmittelführer nicht in der Reihenfolge prüfen, in der es in der Rechtsmittelschrift vorgetragen worden ist, sondern in der Reihenfolge der Begründung des Gerichts im angefochtenen Urteil. Da die (ebenfalls von der Handlung vom 27. Juni umfasste) Weigerung des Präsidenten des Parlaments, die Initiative zur Bestätigung der Immunität der Rechtsmittelführer zu ergreifen, Gegenstand des dritten und des vierten Rechtsmittelgrundes ist, beziehen sich die folgenden Ausführungen und meine Vorschläge nicht auf diese Weigerung und präjudizieren nicht die Begründetheit dieser Rechtsmittelgründe.

–       Zum Inhalt des Schreibens vom 27. Juni 2019

43.      Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht vor(16), dass es in den Rn. 81 bis 84 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht eine Analyse des Inhalts des an die Rechtsmittelführer gerichteten Schreibens des Präsidenten des Parlaments, das die Handlung vom 27. Juni 2019 verkörpert, vorgenommen hat, eine Verfälschung des Sachverhalts oder eine falsche rechtliche Einordnung dieses Sachverhalts vorgenommen habe.

44.      Mir scheint nicht, dass hier eine Verfälschung des Sachverhalts durch das Gericht festgestellt werden kann, da dieser Sachverhalt sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 27. Juni 2019 ergibt. Entgegen dem Vorbringen des Parlaments scheint es mir jedoch auch nicht so, dass diese Punkte des angefochtenen Urteils nur als Tatsachenfeststellung im Hinblick auf den Wortlaut dieses Schreibens interpretiert werden können. In Rn. 76 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich festgestellt, dass in Anbetracht der Rechtsprechung die Prüfung, ob eine Handlung Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne, anhand objektiver Kriterien zu erfolgen habe, „wie z. B. des Inhalts [dieser] Handlung“. Vor diesem Hintergrund sind die Feststellungen des Gerichts in den Rn. 81 bis 84 des angefochtenen Urteils daher nicht als bloße Tatsachenfeststellung zu verstehen, sondern als rechtliche Qualifizierung der Handlung vom 27. Juni 2019 anhand des Inhalts des Schreibens, in dem diese Handlung verkörpert ist.

45.      Meines Erachtens ist die Behauptung der Rechtsmittelführer, dass diese Qualifizierung falsch sei, jedoch begründet. Denn mit der Feststellung, dass der Präsident des Parlaments mit dem Schreiben vom 27. Juni 2019 lediglich die Rechtsstellung der Rechtsmittelführer zur Kenntnis genommen habe, „von der er durch die spanischen Behörden im Wege der Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 offiziell unterrichtet worden war“, hat das Gericht der wahren Bedeutung dieses Schreibens nicht Rechnung getragen, die für seine Einordnung als anfechtbare Handlung entscheidend ist, nämlich dass der Präsident des Parlaments mit diesem Schreiben seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, nicht die in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 enthaltenen Wahlergebnisse, sondern nur die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 zur Kenntnis zu nehmen. Diese Entscheidung findet ihre Bestätigung im Wortlaut des Schreibens vom 27. Juni 2019, wonach der Präsident des Parlaments nicht in der Lage gewesen sei, die Rechtsmittelführer „bis zu einer neuen Mitteilung der spanischen Behörden“ als künftige Mitglieder dieses Organs zu behandeln.

46.      Somit hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es das Schreiben vom 27. Juni 2019 im Hinblick auf seinen Inhalt dahin eingestuft hat, dass es keinen Entscheidungscharakter habe und nicht endgültig sei, obwohl sich aus ihm eindeutig die endgültige Entscheidung des Präsidenten des Parlaments ergab, nur die Mitteilungen der spanischen Behörden über die in das Parlament gewählten Personen zu berücksichtigen und die Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 unberücksichtigt zu lassen. Dieser Fehler stellt meines Erachtens die „Erbsünde“ des angefochtenen Urteils dar und beeinträchtigt den Rest der Begründung des Gerichts, die der Prüfung der Anfechtbarkeit der Handlung vom 27. Juni 2019 gewidmet ist. Die im Folgenden aufgedeckten Rechtsfehler bestätigen diesen Ausgangsfehler in der Tat nur.

–       Zur Auslegung von Art. 12 des Wahlakts

47.      Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht des Weiteren ausführlich dargestellt vor(17), dass es bei der Auslegung von Art. 12 des Wahlakts einen Rechtsfehler begangen habe. Diese Rüge ist meines Erachtens begründet.

48.      Zunächst hat das Gericht in den Rn. 97 bis 114 des angefochtenen Urteils seine Auslegung von Art. 12 des Wahlakts in Verbindung mit Art. 3 der Geschäftsordnung und im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere des Urteils Italien und Donnici/Parlament(18), dargelegt. Nach diesen Ausführungen ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass „sich das Parlament bei der Prüfung der Mandate seiner Mitglieder auf die von den nationalen Behörden  offiziell mitgeteilte Liste der gewählten Kandidaten stützen muss, für die davon auszugehen ist, dass sie anhand der amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse, und nachdem etwaige, auf die Anwendung des innerstaatlichen Rechts gestützte Anfechtungen durch diese Behörden geregelt worden sind, erstellt wird“(19).

49.      Sodann hat das Gericht in den Rn. 116 bis 119 des angefochtenen Urteils diese Auslegung der oben genannten Bestimmungen auf den vorliegenden Fall angewandt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 die amtlichen Wahlergebnisse widerspiegelten, „wie sie … nach der Klärung etwaiger auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts erhobener Anfechtungen festgestellt worden sind“(20), so dass der Präsident des Parlaments nicht dafür zuständig gewesen sei, die Begründetheit des Ausschlusses bestimmter Kandidaten, darunter die Rechtsmittelführer, von dieser Liste zu überprüfen, und – so ist dies zu verstehen – dies nur zur Kenntnis habe nehmen können. Das Gericht hat also die Nichteinhaltung der Verpflichtung der Rechtsmittelführer, den in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehenen Eid abzulegen, mit einer Anfechtung im Sinne von Art. 12 des Wahlakts gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ergibt sich eindeutig aus den Rn. 107 und 108 des angefochtenen Urteils und wird in Rn. 129 des Urteils ausdrücklich bestätigt(21). Meiner Ansicht nach stellt sie einen Fehler bei der Auslegung von Art. 12 des Wahlakts dar, der geeignet ist, die Begründung des Gerichts, die sich auf die Handlung vom 27. Juni 2019 bezieht, in ihrer Gesamtheit in Frage zu stellen.

50.      Mir scheint, dass der Begründungsfehler des Gerichts seinen Ursprung in der falschen Auslegung des Urteils Junqueras Vies in den Rn. 85 und 86 des angefochtenen Urteils hat. Denn nach Ansicht des Gerichts hat der Gerichtshof in diesem Urteil zwischen der Eigenschaft als Mitglied des Parlaments und der Ausübung des damit verbundenen Mandats unterschieden. So konnte das Gericht zwar in Rn. 90 des angefochtenen Urteils anerkennen, dass die Rechtsmittelführer mit der Bekanntgabe am 13. Juni 2019 die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments erworben hatten, aber in den Rn. 107 und 108 dieses Urteils argumentieren, dass die Nichteinhaltung einer Verpflichtung wie der in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes eine Person, die diese Eigenschaft erworben habe, daran hindern könne, ihr Amt tatsächlich anzutreten(22), und somit in Rn. 118 des genannten Urteils zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der Ausschluss einer solchen Person von der Liste der gewählten Abgeordneten als „Klärung etwaiger auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts erhobener Anfechtungen“ gerechtfertigt sein könne.

51.      Wenn der Gerichtshof jedoch im Urteil Junqueras Vies zwischen der Eigenschaft als Mitglied des Europäischen Parlaments und dem damit verbundenen Mandat unterschieden hat, dann nur in zeitlicher Hinsicht und nur, um die jeweiligen Zeiträume der Anwendung der parlamentarischen Immunität nach Art. 9 Abs. 1 und 2 des Protokolls zu unterscheiden, wie aus den Rn. 77 bis 81 dieses Urteils klar hervorgeht. Hingegen rechtfertigt nichts in dem genannten Urteil die Schlussfolgerung, dass der Gerichtshof zugelassen hätte, dass einer Person, die die Mitgliedschaft im Parlament erworben hat, die Möglichkeit genommen werden kann, ihr Mandat auszuüben, ohne zuvor diese Mitgliedschaft zu verlieren. Im Gegenteil, in Rn. 65 des Urteils Junqueras Vies hat der Gerichtshof betont, dass „das Mandat der Mitglieder [des Parlaments] … das Hauptattribut dieser Eigenschaft [darstellt]“.

52.      Zwar konzentriert sich das Urteil Junqueras Vies auf die parlamentarische Immunität, da diese Gegenstand der Vorlagefragen in der Rechtssache war, die diesem Urteil zugrunde lag. Die gesamte Begründung, die den Gerichtshof zu der in diesem Urteil gefundenen Lösung geführt hat, konzentriert sich jedoch auf den Begriff „Mitglied des Parlaments“(23). Es ist genau diese Eigenschaft, die die spanischen Behörden dem Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache, die zu diesem Urteil führte, abzusprechen versuchten, und bezüglich der der Gerichtshof festgestellt hat, dass dieser sie zum Zeitpunkt und allein aufgrund der amtlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse(24) erworben hatte. Hinzu kommt, dass der Gerichtshof in Rn. 70 des Urteils Junqueras Vies ausdrücklich festgestellt hat, dass „das … Parlament dadurch, dass es die von den Mitgliedstaaten amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse ‚zur Kenntnis nimmt‘, zwangsläufig davon ausgeht, dass die Personen, deren Wahl amtlich bekanntgegeben wurde, aufgrund dieser Bekanntgabe Mitglieder dieses Organs geworden sind, weshalb es seine Aufgabe ist, ihnen gegenüber dadurch seine Befugnis auszuüben, dass es ihre Mandate prüft“.

53.      Die Auffassung zu vertreten, dass die Eigenschaft als Mitglied des Parlaments von der Ausübung des damit verbundenen Mandats unterschieden werden könne, so dass eine Person an der Ausübung des Mandats gehindert werden könne, während sie diese Eigenschaft beibehalte, wie es das Gericht im angefochtenen Urteil nicht nur in den oben genannten Randnummern, sondern auch in Rn. 144 dieses Urteils getan hat, steht somit sowohl zur Logik als auch zum Wortlaut des Urteils Junqueras Vies in klarem Widerspruch. Eine solche Lösung zu akzeptieren, hätte zur Folge, dass dieses Urteil jeglicher praktischen Wirksamkeit beraubt würde, da es den Mitgliedstaaten überlassen bliebe, zu entscheiden, wer von den gewählten Personen das Mandat tatsächlich ausüben kann, was durch dieses Urteil gerade verhindert werden sollte.

54.      Die falsche Auslegung des Urteils Junqueras Vies hat dazu geführt, dass das Gericht in Rn. 118 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Wahlakts, insbesondere von dessen Art. 12, begangen hat.

55.      Aus diesem Artikel, wie er vom Gerichtshof insbesondere im Urteil Donnici ausgelegt worden ist, ergibt sich, dass das Parlament die Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch den betreffenden Mitgliedstaat zur Kenntnis nehmen muss, wobei alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit dieser Bekanntgabe, einschließlich etwaiger anderer Anfechtungen als derjenigen, die auf der Grundlage des Wahlakts selbst erhoben werden, auf nationaler Ebene zu entscheiden sind(25).

56.      Wie aus dem Urteil Junqueras Vies jedoch klar hervorgeht, sind die amtliche Bekanntgabe der Ergebnisse durch die Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 12 des Wahlakts und des Urteils Donnici sowie die Eigenschaft als Mitglied des Parlaments insoweit eng miteinander verknüpft, als die für gewählt erklärten Personen diese Eigenschaft zu dem Zeitpunkt und allein aufgrund dieser Bekanntgabe erwerben(26). Daraus folgt, dass die „mit dieser Bekanntgabe zusammenhängenden Rechtsfragen“, die in Rn. 55 des Urteils Donnici erwähnt werden, sowie die „Anfechtungen, die gegebenenfalls … vorgebracht werden könnten“, im Sinne von Art. 12 des Wahlakts keine anderen sind als diejenigen, die an die Eigenschaft der betreffenden Person als Mitglied des Parlaments geknüpft sind.

57.      Diese Rechtsfragen und Anfechtungen können sich insbesondere erstens auf das Wahlverfahren beziehen, das sich gemäß Art. 8 des Wahlakts nach den innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten bestimmt(27), zweitens auf die in Art. 13 Abs. 1 des Wahlakts aufgeführten Fälle der Beendigung der Amtszeit und schließlich drittens auf die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Unvereinbarkeiten aufgrund von Art. 7 Abs. 3 des Wahlakts. Dies sind genau die drei Stellen, an denen der Wahlakt auf die nationalen Bestimmungen verweist, die in Art. 12 in fine des Wahlakts genannt werden. Die Klärung von Rechtsfragen oder Anfechtungen kann dazu führen, dass die betreffende Person die Eigenschaft als Mitglied des Parlaments nicht erwirbt oder verliert und dass gegebenenfalls ein Sitz frei wird.

58.      Im Gegensatz dazu kann die Situation, in der ein Mitgliedstaat dem Parlament den Namen einer Person, die eigentlich für gewählt erklärt worden ist, nicht mitteilt, ohne das Mandat dieser Person abzuerkennen oder die Bekanntgabe ihrer Wahl auf andere Weise in Frage zu stellen, weder mit einer solchen Rechtsfrage gleichgesetzt werden, die mit der Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammenhängt, noch mit einer Anfechtung im Sinne von Art. 12 des Wahlakts. Diese Bestimmung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof verlangt also nicht, dass das Parlament eine solche Mitteilung ohne jegliche Bewertung ihrer Begründetheit zur Kenntnis nimmt, insbesondere wenn diese Mitteilung die amtliche Bekanntgabe der Wahlergebnisse nicht wahrheitsgetreu wiedergibt.

59.      Wie das Gericht aber in Rn. 90 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, stimmen die Parteien darin überein, dass die Rechtsmittelführer mit der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments erworben haben, und gemäß den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 108 und 152 dieses Urteils haben die spanischen Behörden nicht den Verlust ihrer Mandate, sondern nur die vorübergehende Aussetzung ihrer Vorrechte ausgesprochen.

60.      Die Aufgabe des Gerichts bestand also nicht darin, ein Problem der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten zu lösen, da sich diese Aufteilung eindeutig aus dem Wahlakt in seiner Auslegung durch den Gerichtshof ergibt, sondern die Konsequenzen aus dieser Aufteilung zu ziehen. Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht zu Recht vor, bei der Auslegung von Art. 12 des Wahlakts einen Rechtsfehler begangen zu haben, als es in Rn. 118 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 die amtlichen Wahlergebnisse widerspiegelten, wie sie nach der Klärung der auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts erhobenen Anfechtungen festgestellt worden seien, so dass der Präsident des Parlaments nicht dafür zuständig gewesen sei, deren Richtigkeit zu überprüfen. Die Antwort des Parlaments auf diese Rüge, die sich darauf beschränkt, die vom Gericht vorgenommene, falsche Auslegung zu stützen, überzeugt mich nicht(28).

61.      Die Feststellung des Gerichts in Rn. 118 des angefochtenen Urteils, dass die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 die Wahlergebnisse im Sinne von Art. 12 des Wahlakts widerspiegelten, so dass das Parlament sie nur zur Kenntnis habe nehmen können, stellt das zentrale Element der Begründung des Gerichts dar. Der Fehler bei der Auslegung dieses Artikels ist somit entscheidend für das Ergebnis, zu dem das angefochtene Urteil in Bezug auf die Handlung vom 27. Juni 2019 gelangt ist. Er führt insbesondere in gerader Linie zu den in den Rn. 146 und 153 des angefochtenen Urteils enthaltenen Schlussfolgerungen, wonach sich die verschiedenen Folgen für die Rechtsmittelführer im Zusammenhang mit der Weigerung, ihnen die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zuzuerkennen, nicht aus der Handlung vom 27. Juni 2019 ergäben, sondern aus der Anwendung des spanischen Rechts, die ihren Niederschlag in den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 gefunden habe. Dieser Rechtsfehler wäre folglich für sich genommen ausreichend, um diesen Teil des angefochtenen Urteils aufzuheben.

–       Zu den Auswirkungen der Entscheidung vom 13. Januar 2020

62.      Die Rechtsmittelführer beanstanden auch die Rn. 120 bis 123 des angefochtenen Urteils, mit denen das Gericht ihre Argumentation zurückgewiesen hat, dass das Parlament den Rechtsmittelführern mit der Entscheidung vom 13. Januar 2020 erlaubt habe, ihren Sitz im Parlament einzunehmen, obwohl es keine offizielle Mitteilung der spanischen Behörden über ihre Wahl gegeben habe, was den Entscheidungscharakter der Handlung vom 27. Juni 2019 belege(29).

63.      Es ist richtig, wie das Parlament in seiner Rechtsmittelbeantwortung argumentiert, dass die Handlung vom 27. Juni 2019 als solche und nach objektiven Kriterien beurteilt werden muss.

64.      Nichtsdestotrotz erscheint es widersprüchlich, einerseits zu behaupten, dass das Parlament ohne Ermessensspielraum an die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 gebunden gewesen sei, und andererseits, dass es mit der Entscheidung vom 13. Januar 2020 „entschieden habe, den Klägern … zu gestatten“(30), ihre Ämter anzutreten. Logischerweise hatte, wenn die Entscheidung vom 13. Januar 2020 Entscheidungscharakter hatte, auch die Handlung vom 27. Juni 2019 Entscheidungscharakter, es sei denn, man würde zu dem Schluss kommen, dass die erste dieser Handlungen rechtswidrig ist, was das Gericht nicht einmal angedeutet hat. Entgegen der Darstellung des Gerichts in Rn. 121 des angefochtenen Urteils stellt der Erlass der Entscheidung vom 13. Januar 2020 durch das Parlament somit bestimmte vom Gericht dargelegte Erwägungen in Frage, nämlich die in den Rn. 82 bis 84, 108 und insbesondere 118 des angefochtenen Urteils. Indem das Gericht die Konsequenzen, die sich logischerweise aus der Entscheidung vom 13. Januar 2020 ergeben, bei der Beurteilung des rechtlichen Charakters der Handlung vom 27. Juni 2019 nicht berücksichtigt hat, hat es zumindest die Begründung des angefochtenen Urteils mit einem Begründungsfehler behaftet.

65.      Darüber hinaus steht fest – und das Gericht hat dies in Rn. 121 des angefochtenen Urteils implizit festgestellt –, dass die Entscheidung vom 13. Januar 2020 infolge des Urteils Junqueras Vies getroffen wurde. Da dieses Urteil jedoch eine Auslegung des Unionsrechts ex tunc enthält, hätten seine Wirkungen auch für die Zwecke der Beurteilung des rechtlichen Charakters der Handlung vom 27. Juni 2019 berücksichtigt werden müssen, wie die Rechtsmittelführer zu Recht geltend machen. Ihre Rechtsstellung hatte sich nämlich zwischen der Vornahme dieser Handlung und der Entscheidung vom 13. Januar 2020 nicht geändert.

–       Zu den Auswirkungen von Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes

66.      Ein Begründungsfehler wird dem Gericht auch in Bezug auf die Rn. 128 bis 131 des angefochtenen Urteils vorgeworfen(31), in denen das Gericht auf die Argumente der Rechtsmittelführer eingegangen ist, die sich auf die Unzuständigkeit des Königreichs Spanien für den Erlass von Vorschriften wie Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes, d. h. auf die Unionsrechtswidrigkeit dieser nationalen Bestimmung, stützen. Das Gericht hat festgestellt, dass weder das Parlament noch es selbst im vorliegenden Verfahren dafür zuständig gewesen seien, die genannte nationale Bestimmung in Frage zu stellen oder zu überprüfen.

67.      In Anbetracht der von den Rechtsmittelführern vorgetragenen Argumente ging es jedoch nicht so sehr darum, die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden nationalen Bestimmung an sich zu prüfen, sondern vielmehr um die Folgen, die das Königreich Spanien und das Parlament an die Nichteinhaltung der durch diese Bestimmung begründeten Verpflichtung knüpfen. Was diese Folgen betrifft, hat das Gericht jedoch in Rn. 152 des angefochtenen Urteils die Erklärung des Königreichs Spanien für bare Münze genommen, dass die Mandate der Rechtsmittelführer bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie den in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehenen Eid leisten würden, nur „ausgesetzt“ seien, wie es in der Mitteilung vom 20. Juni 2019 heißt.

68.      Zwar zählt Art. 13 des Wahlakts mehrere Ereignisse auf, die zur Beendigung des Mandats eines Mitglieds des Parlaments führen, von denen einige ihren Ursprung in der Anwendung des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten haben können, jedoch erlaubt keine Bestimmung des Wahlakts einem Mitgliedstaat, die Ausübung eines solchen Mandats vorübergehend auszusetzen, da jeder Versuch dieser Art offensichtlich gegen das Unionsrecht verstößt. Da das Königreich Spanien somit nicht befugt war, durch die Mitteilung vom 20. Juni 2019 die Ausübung der Mandate durch die Rechtsmittelführer auszusetzen, können diese daher berechtigterweise geltend machen, dass es tatsächlich der Präsident des Parlaments gewesen sei, der dieser Mitteilung durch die Handlung vom 27. Juni 2019 eine Rechtswirkung verliehen habe.

–       Ergebnis hinsichtlich der Handlung vom 27. Juni 2019

69.      In den Rn. 167 und 168 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Schluss gelangt, dass die Handlung vom 27. Juni 2019 keine verbindlichen Rechtswirkungen entfalte, die die Interessen der Rechtsmittelführer beeinträchtigen könnten, und dass die gegen diese Handlung gerichtete Klage daher als unzulässig abzuweisen sei.

70.      Meiner Ansicht nach tragen die Rechtsmittelführer zu Recht vor, dass das Gericht zu dieser Schlussfolgerung im Anschluss an eine Begründung gelangt ist, die, wie ich aufgezeigt habe, mit mehreren Fehlern behaftet ist, nämlich der falschen Einordnung des Inhalts des Schreibens vom 27. Juni 2019 in den Rn. 81 bis 84 des angefochtenen Urteils, der falschen Anwendung des Urteils Junqueras Vies in den Rn. 85, 86 und 144 des angefochtenen Urteils, dem Rechtsfehler bei der Auslegung von Art. 12 des Wahlakts in Rn. 118 des angefochtenen Urteils, der inkohärenten Begründung hinsichtlich der Auswirkungen der Entscheidung vom 13. Januar 2020 in den Rn. 116 bis 123 des angefochtenen Urteils und schließlich der fehlenden Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit der Aussetzung der Ausübung der Mandate der Rechtsmittelführer in den Rn. 128 bis 131 des angefochtenen Urteils.

71.      In Wirklichkeit hat der Präsident des Parlaments mit der Handlung vom 27. Juni 2019, konfrontiert zum einen mit der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019, die er nicht ignorieren konnte, da sie öffentlich war, und zum anderen den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019, entschieden, diesen beiden Mitteilungen zu folgen, indem er diese Bekanntgabe außer Acht ließ und den Rechtsmittelführern die Anerkennung als Mitglieder dieses Organs verweigerte, eine Entscheidung, die später durch die Entscheidung vom 13. Januar 2020 abgeändert wurde.

72.      Durch die Weigerung, die Anfechtbarkeit der Handlung vom 27. Juni 2019 anzuerkennen, hat das Gericht somit gegen Art. 263 AEUV verstoßen. Folglich ist dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es diese Handlung betrifft.

 Zur Anweisung vom 29. Mai 2019

73.      Zur Erinnerung: Mit der Anweisung vom 29. Mai 2019 wies der Präsident des Parlaments die Verwaltungsdienste des Parlaments an, den in Spanien gewählten Mitgliedern des Parlaments den besonderen Empfangsdienst zu verweigern, der ihnen bis zur offiziellen Mitteilung ihrer Wahl durch die spanischen Behörden die für den Amtsantritt erforderlichen administrativen Schritte erleichtern soll.

74.      In den Rn. 169 bis 187 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Klagegründe geprüft, die von den Rechtsmittelführern zur Stützung ihrer Klage auf Nichtigerklärung der Anweisung vom 29. Mai 2019 vorgebracht wurden. Am Ende dieser Prüfung ist es zu dem Schluss gelangt, dass diese Anweisung keine verbindlichen Rechtswirkungen entfaltet habe, die die Interessen der Rechtsmittelführer beeinträchtigen könnten, so dass die Klage gegen diese Anweisung unzulässig sei.

75.      Die Rechtsmittelführer widersprechen dieser Schlussfolgerung(32), wobei sie hauptsächlich damit argumentieren, dass die Anweisung vom 29. Mai 2019 und das Schreiben vom 27. Juni 2019 untrennbar miteinander verbunden seien, insbesondere im Hinblick auf ihre Annahme, dass das Schreiben vom 27. Juni 2019 lediglich eine viel früher getroffene Entscheidung widerspiegele.

76.      Diese Argumente erscheinen mir nicht überzeugend. Es trifft zwar zu, dass das Gericht, getreu seiner Analyse hinsichtlich der Handlung vom 27. Juni 2019, die negativen Folgen, die sich für die Rechtsmittelführer aus der in der Anweisung vom 29. Mai 2019 enthaltenen Weigerung ergeben, nicht dieser Anweisung, sondern der Anwendung des spanischen Rechts zugeschrieben hat. So ist es in Rn. 185 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangt, dass diese Anweisung zwar Rechtswirkungen gegenüber den Rechtsmittelführern entfaltet habe, dies aber ab der Mitteilung vom 17. Juni 2019 nicht mehr der Fall gewesen sei. Diese Schlussfolgerung ist jedoch ebenso falsch wie der Teil des angefochtenen Urteils, der sich mit der Prüfung der Handlung vom 27. Juni 2019 befasst.

77.      Dennoch bleibt erstens festzustellen, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführer nicht geeignet ist, die Erwägung des Gerichts in Frage zu stellen, dass der von der Anweisung vom 29. Mai 2019 betroffene besondere Empfangsdienst nicht unerlässlich gewesen sei, um die mit dem Amtsantritt der Mitglieder des Parlaments verbundenen Formalitäten zu erledigen, sondern lediglich ein Mittel dargestellt habe, um ihnen technische Unterstützung zu gewähren. Der Entzug einer solchen Unterstützung kann aber die Rechtsstellung der Betroffenen nicht dauerhaft beeinträchtigen.

78.      Zweitens ergab sich die Unmöglichkeit für die Rechtsmittelführer, die für ihren Amtsantritt erforderlichen Schritte zu unternehmen, meines Erachtens nicht aus der Anweisung vom 29. Mai 2019, sondern aus der Handlung vom 27. Juni 2019. Die Rechtsmittelführer bestätigen dies im Übrigen implizit selbst, wenn sie vortragen(33), dass diese Unmöglichkeit bis zur Entscheidung vom 13. Januar 2020 angedauert habe, einer Entscheidung, die die Rechtswirkungen dieser Handlung zumindest teilweise aufgehoben hat.

79.      Daher bin ich der Ansicht, dass der erste Rechtsmittelgrund, soweit er sich auf die Schlussfolgerungen des Gerichts hinsichtlich der Anweisung vom 29. Mai 2019 bezieht, als unbegründet zurückzuweisen ist.

 Ergebnis zum ersten Rechtsmittelgrund

80.      Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich vor, dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es sich auf die Handlung vom 27. Juni 2019 bezieht, und diesen Rechtsmittelgrund im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur Entscheidung nach Nichtigerklärung

81.      Gemäß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Dies beantragen die Rechtsmittelführer hilfsweise.

82.      Sollte der Gerichtshof also meinem Vorschlag folgen, dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Handlung vom 27. Juni 2019 betrifft, bin ich der Ansicht, dass der Rechtsstreit in Bezug auf diese Handlung entscheidungsreif ist. Denn die Argumente zur Anfechtbarkeit der genannten Handlung und die Argumente zu ihrer Rechtmäßigkeit überschneiden sich, wie aus der Rechtsmittelbeantwortung des Königreichs Spanien hervorgeht, die in Wirklichkeit größtenteils der Verteidigung der Rechtmäßigkeit dieser Handlung gewidmet ist. Im Übrigen scheint mir keine andere als die bereits im angefochtenen Urteil getroffene Tatsachenfeststellung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich zu sein. Ich schlage daher vor, dass der Gerichtshof selbst über den von den Rechtsmittelführern in erster Instanz gestellten Antrag auf Nichtigerklärung der Handlung vom 27. Juni 2019 entscheidet.

 Zum Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführer

83.      Vor der Prüfung dieses Antrags ist zu bestimmen, ob – in Anbetracht der Tatsache, dass das Parlament mit der Entscheidung vom 13. Januar 2020 faktisch die Weigerung, sie als Mitglieder dieses Organs anzuerkennen, widerrufen und damit viele der Rechtswirkungen der Handlung vom 27. Juni 2019 beseitigt hat – ein diesbezügliches Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführer fortbesteht. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Es kann aber jeder Umstand, der die Zulässigkeit der beim Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage betrifft, einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellen, den der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels von Amts wegen prüfen muss(34). Der Gerichtshof muss sich daher von Amts wegen mit der Frage befassen, ob die Rechtsmittelführer trotz der Entscheidung vom 13. Januar 2020 weiterhin ein Interesse daran haben, dass die Handlung vom 27. Juni 2019 für nichtig erklärt wird.

84.      Ich bin der Ansicht, dass dies der Fall ist. Wie das Gericht nämlich in Rn. 122 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat das Parlament vor dem Gericht erklärt, dass die Entscheidung vom 13. Januar 2020 „angesichts der Rechtsunsicherheit über den Status der Kläger nach dem Urteil [Junqueras Vies] und dem Beschluss [Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament(35)]“ getroffen worden sei. Diese Entscheidung besteht darin, den Rechtsmittelführern auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 in fine der Geschäftsordnung vorläufig zu gestatten, ihre Mandate auszuüben, ohne jedoch eine Prüfung ihrer Mandate vorzunehmen, bis die nationalen Behörden ihre Wahl gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung offiziell mitgeteilt haben.

85.      Zwar sind die Entscheidung des Parlaments, die Prüfung der Mandate der Rechtsmittelführer nicht vorzunehmen, sowie die Gültigkeit von Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung in der Auslegung durch das Parlament mit Blick auf den Wahlakt nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Gleichwohl würde die Nichtigerklärung der Handlung vom 27. Juni 2019 es erlauben, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführer zu klären, und würde dem Parlament den Weg ebnen, in Bezug auf die Rechtsmittelführer eine nicht vorläufige, sondern endgültige Entscheidung zu treffen, die auf einer korrekten Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen beruht. Somit haben die Rechtsmittelführer meiner Ansicht nach weiterhin ein Interesse daran, dass diese Handlung für nichtig erklärt wird.

 Zur Gültigkeit der Handlung vom 27. Juni 2019

86.      Mit der Handlung vom 27. Juni 2019 verweigerte der Präsident des Parlaments den Rechtsmittelführern die Anerkennung als Mitglieder dieses Organs und folgte damit den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019. In Rn. 96 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die vor ihm aufgeworfene Rechtsfrage als solche beschrieben, ob der Präsident des Parlaments befugt gewesen sei, die Mitteilung vom 17. Juni 2019, in der die Namen der Rechtsmittelführer nicht enthalten gewesen seien, in Frage zu stellen, obwohl ihre Namen in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 aufgeführt gewesen seien. Die Rechtsmittelführer merken hingegen – meiner Ansicht nach zu Recht – an(36), dass die Frage umgekehrt hätte formuliert werden müssen und sich darauf hätte beziehen müssen, ob der Präsident des Parlaments befugt gewesen sei, diese Bekanntgabe gestützt auf die betreffenden Mitteilungen in Frage zu stellen.

87.      Erstens bestimmt Art. 12 des Wahlakts, dass „das … Parlament die von den Mitgliedstaaten amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis [nimmt]“. Diese Bestimmung fügt anschließend hinzu, dass das Parlament über Anfechtungen entscheidet, die auf der Grundlage des Wahlakts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften – vorgebracht werden. Unter Berücksichtigung der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Donnici deutet diese Formulierung auf das völlige Fehlen eines Ermessensspielraums des Parlaments hin, so dass die Bekanntgabe der Ergebnisse durch einen Mitgliedstaat für das Parlament eine bereits bestehende Rechtslage darstellt(37).

88.      Gemäß meiner Analyse in den Nrn. 55 bis 61 der vorliegenden Schlussanträge kann die Nichteinhaltung der in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehenen Verpflichtung aber nicht mit einer auf der Grundlage innerstaatlicher Vorschriften erhobenen Anfechtung im Sinne von Art. 12 des Wahlakts oder mit einer Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Bekanntgabe ihrer Wahl im Sinne von Rn. 55 des Urteils Donnici gleichgesetzt werden, da sie nicht zum Verlust ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments führt.

89.      Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 „anhand der amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse“ erstellt wurden, wie das Gericht in Rn. 114 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, da sie diese Ergebnisse nicht wahrheitsgemäß und vollständig widerspiegelten. Die amtliche Bekanntgabe der Wahlergebnisse war die Bekanntgabe vom 13. Juni 2019, wie der Gerichtshof im Urteil Junqueras Vies ausdrücklich bestätigt hat(38), und an diese war das Parlament gebunden, ohne sie in Frage stellen zu können, genauso wie es an die Bekanntgabe der italienischen Behörden vom 29. März 2007 in der Rechtssache, die dem Urteil Donnici zugrunde lag, gebunden war(39).

90.      Diese Schlussfolgerung wird entgegen der Behauptung des Königreichs Spanien nicht durch Art. 8 des Wahlakts in Frage gestellt, der vorsieht, dass sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften bestimmt.

91.      Die Mitglieder des Parlaments sind nicht Vertreter der Mitgliedstaaten oder gar der Völker dieser Mitgliedstaaten, sondern gemäß Art. 14 Abs. 2 EUV in allgemeiner Wahl gewählte Vertreter der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger. In Ermangelung eines einheitlichen Wahlverfahrens, das allerdings in Art. 223 AEUV vorgesehen ist, wird das Wahlverfahren subsidiär und vorbehaltlich der durch den Wahlakt vorgenommenen Harmonisierung durch das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten geregelt, die die Wahlen zum Parlament in ihrem eigenen Hoheitsgebiet abhalten. Diese Delegation verleiht den Mitgliedstaaten weitreichende Befugnisse, die über das eigentliche Wahlverfahren hinausgehen, insbesondere in Bezug auf das aktive und passive Wahlrecht oder auch die Inkompatibilitäten.

92.      Das Wahlverfahren, das durch die nationalen Bestimmungen geregelt wird, endet logischerweise mit der amtlichen Bekanntgabe der Ergebnisse. Dies hat der Gerichtshof im Urteil Junqueras Vies festgestellt(40), als er befunden hat, dass „nach derzeitigem Stand des Unionsrechts die Mitgliedstaaten grundsätzlich dafür zuständig bleiben, das Wahlverfahren zu regeln und nach dessen Abschluss die Wahlergebnisse amtlich bekanntzugeben“. Die auf diese Weise bekannt gegebenen Ergebnisse können im Nachhinein nur geändert werden, wenn entweder die Wahl einer oder mehrerer Personen für ungültig erklärt wird oder eines der in Art. 13 Abs. 1 des Wahlakts aufgeführten Ereignisse eintritt, die den Verlust der Eigenschaft als Mitglied des Parlaments zur Folge haben.

93.      Dagegen kann ein Mitgliedstaat die praktische Wirksamkeit des Erwerbs der Eigenschaft als Mitglied des Parlaments allein durch die Bekanntgabe der Wahlergebnisse, wie sie sich aus dem Urteil Junqueras Vies ergibt(41), nicht dadurch beeinträchtigen, dass er den Begriff „Wahlverfahren“ auf eine beliebige Vorschrift seines innerstaatlichen Rechts ausdehnt, mit der er eine für gewählt erklärte Person daran hindern möchte, ihr Mandat auszuüben, ein Mandat, das nach diesem Urteil(42) das Hauptattribut dieser Eigenschaft darstellt. Eine solche Möglichkeit würde nicht nur gegen die Art. 8, 12 und 13 des Wahlakts, wie sie in den Urteilen Donnici und Junqueras Vies ausgelegt worden sind, verstoßen, sondern auch gegen den in Art. 14 EUV verankerten Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts, wonach die Zusammensetzung des Parlaments die von den Unionsbürgern frei getroffenen Entscheidungen bezüglich der Personen, von denen sie während einer bestimmten Legislaturperiode vertreten werden möchten, getreu und vollständig wiedergeben muss(43).

94.      Außerdem stellt, wie ich bereits Gelegenheit hatte, festzustellen, die in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehene Verpflichtung selbst nach dem spanischen Recht kein Element des Wahlverfahrens dar(44). Daher kann in Bezug auf die Auslegung von Art. 8 des Wahlgesetzes nicht das Gegenteil behauptet werden.

95.      Die unter Nr. 89 dieser Schlussanträge dargelegte Schlussfolgerung wird auch nicht durch den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 und 3 der Geschäftsordnung in Frage gestellt, wonach der Präsident des Parlaments im Anschluss an die Wahlen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auffordert, die Namen der gewählten Mitglieder mitzuteilen, und das Parlament die Mandate prüft und über die Gültigkeit der Mandate seiner Mitglieder auf der Grundlage der Mitteilung der Wahlergebnisse durch die Mitgliedstaaten entscheidet.

96.      Denn die Geschäftsordnung ist als Akt der internen Organisation normativen Akten wie dem Wahlakt hierarchisch untergeordnet und kann nicht von ihnen abweichen(45). Also kann Art. 3 Abs. 1 und 3 der Geschäftsordnung nicht so ausgelegt werden, dass er das Parlament daran hindert, die amtliche Bekanntgabe der Wahlergebnisse gemäß Art. 12 des Wahlakts zur Kenntnis zu nehmen, unter dem Vorwand, dass diese Ergebnisse nicht von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats mitgeteilt worden seien. Eine solche Auslegung würde nämlich die Gültigkeit der oben genannten Bestimmungen der Geschäftsordnung mit Blick auf den Wahlakt in Frage stellen.

97.      Zweitens hat der Präsident des Parlaments, indem er der Mitteilung vom 20. Juni 2019 durch die Handlung vom 27. Juni 2019 folgte, der Aussetzung der Vorrechte der Rechtsmittelführer, die sich aus ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments ergeben, Wirkung verliehen, nachdem die Zentrale Wahlkommission diese Aussetzung im Anschluss an die Nichterfüllung der in Art. 224 Abs. 2 des Wahlgesetzes vorgesehenen Verpflichtung durch die Rechtsmittelführer ausgesprochen hatte.

98.      Indes ermächtigt weder Art. 13 des Wahlakts noch eine andere Bestimmung des Unionsrechts einen Mitgliedstaat, die Vorrechte der Mitglieder des Parlaments auszusetzen. Diese Aussetzung war daher rechtswidrig und hat die Handlung vom 27. Juni 2019 mit einer zusätzlichen Rechtswidrigkeit behaftet.

99.      Mit der Handlung vom 27. Juni 2019 hat der Präsident des Parlaments daher die amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse in Frage gestellt und der Aussetzung der Vorrechte der Rechtsmittelführer Wirksamkeit verliehen, was einen Verstoß gegen die Art. 12 und 13 des Wahlakts darstellt. Diese Handlung ist daher meiner Ansicht nach für rechtswidrig und für nichtig zu erklären.

 Kosten

100. Da sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes beschränken, werde ich keinen Vorschlag zu den Kosten machen, da die Lösung diesbezüglich gemäß Art. 138 der Verfahrensordnung vom Schicksal der übrigen Rechtsmittelgründe abhängt.

 Ergebnis

101. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Juli 2022, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19, EU:T:2022:421), aufzuheben, soweit es die Weigerung des Präsidenten des Europäischen Parlaments betrifft, Herrn Carles Puigdemont i Casamajó und Herrn Antoni Comín i Oliveres die Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zuzuerkennen, die in dem an sie gerichteten Schreiben vom 27. Juni 2019 enthalten ist;

–        die streitige Weigerung für nichtig zu erklären;

–        den ersten Rechtsmittelgrund im Übrigen zurückzuweisen.















































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