Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
29. Februar 2024(* )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Assoziationsabkommen EG‑Algerien – Soziale Sicherheit der algerischen Wanderarbeitnehmer und ihrer Hinterbliebenen – Transfer von Leistungen nach Algerien zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaats geltenden Sätzen – Hinterbliebenenleistungen – Nationale Regelung, die das Wohnstaatsprinzip anwendet – Wohnortklausel, die die Kürzung der Hinterbliebenenleistungen für die Leistungsempfänger mit Wohnort in Algerien enthält“
In der Rechtssache C‑549/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes, Niederlande) mit Entscheidung vom 15. August 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2022, in dem Verfahren
X
gegen
Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin),
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank, vertreten durch C. Speear, W. van den Berg und M. Van der Ent-Eltink als Berater,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann, D. Martin und F. van Schaik als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Oktober 2023
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 68 Abs. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits (ABl. 2005, L 265, S. 2, im Folgenden: Assoziationsabkommen EG-Algerien).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und dem Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank (Verwaltungsrat der Sozialversicherungsanstalt, Niederlande) (im Folgenden: SVB) über die Kürzung der an X gezahlten Hinterbliebenenleistung aufgrund ihres Wohnsitzes in Algerien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Assoziationsabkommen EG-Algerien
3 Das Assoziationsabkommen EG-Algerien wurde in Valencia (Spanien) am 22. April 2002 unterzeichnet und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/690/EG des Rates vom 18. Juli 2005 (ABl. 2005, L 265, S. 1) genehmigt. Gemäß seinem Art. 110 Abs. 1 trat es, wie sich aus der im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2005, L 292, S. 10) veröffentlichten Mitteilung ergibt, am 1. September 2005 in Kraft. Darüber hinaus ersetzte es gemäß Art. 110 Abs. 2 mit seinem Inkrafttreten das am 26. April 1976 in Algier (Algerien) unterzeichnete Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien, das im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978 (ABl. 1978, L 263, S. 1, im Folgenden: Kooperationsabkommen EWG‑Algerien) genehmigt worden war.
4 Art. 1 des Assoziationsabkommens EG-Algerien bestimmt:
„(1) Zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Algerien andererseits wird eine Assoziation gegründet.
(2) Ziel dieses Abkommens ist es,
– einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, der die Vertiefung ihrer Beziehungen und ihrer Zusammenarbeit in allen Bereichen ermöglicht, die sie für sachdienlich erachten;
– den Handel zu fördern, die Entwicklung ausgewogener wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen zwischen den Vertragsparteien zu gewährleisten und die Voraussetzungen für die schrittweise Liberalisierung des Waren‑, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zu schaffen;
– den Austausch von Menschen zu fördern, insbesondere im Rahmen von Verwaltungsverfahren;
– die Integration der Maghreb-Länder untereinander zu unterstützen und zu diesem Zweck den Handel und die Zusammenarbeit innerhalb des Maghreb sowie zwischen diesem und der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten zu fördern;
– die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und finanzielle Zusammenarbeit zu fördern.“
5 In Art. 68 des Abkommens heißt es:
„(1) Vorbehaltlich der folgenden Absätze gilt für die algerischen Arbeitnehmer und die mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit eine Regelung, die keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, in denen sie beschäftigt sind, beinhaltet.
Der Begriff der sozialen Sicherheit umfasst die Zweige der Sozialversicherung, die für Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft, für Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten, Altersruhegeld, Hinterbliebenenrenten, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Sterbegeld, Arbeitslosenunterstützung und Familienbeihilfen zuständig sind.
Jedoch darf diese Bestimmung nicht dazu führen, dass die anderen Koordinierungsregeln, die die auf Artikel [48] des [AEU]-Vertrages gestützte Gemeinschaftsregelung vorsieht, in anderer Weise angewandt werden als unter den Bedingungen des Artikels 70 dieses Abkommens.
…
(4) Die betreffenden Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, Alters- und Hinterbliebenenrenten und Renten bei Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Erwerbsunfähigkeit, wenn diese durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaates bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen frei nach Algerien zu transferieren, mit Ausnahme beitragsunabhängiger Sonderleistungen.
…“
6 Art. 70 des Abkommens bestimmt:
„(1) Spätestens am Ende des ersten Jahres nach Inkrafttreten dieses Abkommens erlässt der Assoziationsrat die Bestimmungen zur Gewährleistung der Anwendung der in Artikel 68 genannten Grundsätze.
(2) Der Assoziationsrat legt die Modalitäten für eine Zusammenarbeit der Verwaltungen fest, die die für die Anwendung der in Absatz 1 genannten Bestimmungen erforderlichen Verwaltungs- und Kontrollgarantien bietet.“
Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrats
7 Der Beschluss 2010/699/EU des Rates vom 21. Oktober 2010 über den Standpunkt der Europäischen Union im Assoziationsrat, der gemäß dem Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits eingerichtet worden ist, zur Annahme von Bestimmungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2010, L 306, S. 14), enthält im Anhang einen Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrats (im Folgenden: Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrats), mit dem Art. 70 des Abkommens umgesetzt wird.
8 Dieser Entwurf wurde vom Rat der Europäischen Union auf der Grundlage des Entwurfs eines Beschlusses des Assoziationsrats angenommen, der dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 12. Dezember 2007 (KOM[2007] 790 endgültig) für einen Beschluss des Rates beigefügt ist.
9 Art. 1 Abs. 1 des Entwurfs eines Beschlusses des Assoziationsrats bestimmt:
„Im Sinne dieses Beschlusses bezeichnet der Ausdruck
…
i) „exportierbare Leistungen“
i) in Bezug auf die Mitgliedstaaten:
…
– Hinterbliebenenrenten,
…
im Sinne der [Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1)], mit Ausnahme der in Anhang X der Verordnung genannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen;
…“
10 In Art. 2 (Persönlicher Geltungsbereich) des Entwurfs heißt es:
„Dieser Beschluss gilt für:
a) Arbeitnehmer, die algerische Staatsangehörige sind, rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt sind oder waren und für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Hinterbliebenen,
…“
11 Art. 4 („Aufhebung der Wohnortklauseln“) sieht in Abs. 1 vor:
„Exportierbare Leistungen im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe i, auf die die Personen im Sinne des Artikels 2 Buchstaben a und c Anspruch haben, dürfen nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Leistungsempfänger
i) für die Zwecke einer Leistungsgewährung gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet Algeriens hat oder
ii) für die Zwecke einer Leistungsgewährung gemäß den Rechtsvorschriften Algeriens seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.“
Niederländisches Recht
ANW
12 Art. 14 Abs. 1 der Algemene Nabestaandenwet (Allgemeines Hinterbliebenengesetz, im Folgenden: ANW) bestimmt:
„Der überlebende Angehörige hat Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn er
a) ein lediges Kind unter 18 Jahren hat, das nicht mit einer anderen Person in häuslicher Gemeinschaft lebt; oder
b) arbeitsunfähig ist.
…“
13 Art. 17 Abs. 1 und 3 ANW in der durch die Wet woonlandbeginsel in de sociale zekerheid (Gesetz über das Wohnstaatsprinzip im Bereich der sozialen Sicherheit) geänderten Fassung, in Kraft getreten am 1. Juli 2012, bestimmt:
„(1) Die Bruttohinterbliebenenrente wird so festgesetzt, dass nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge, die für eine Person, die das Rentenalter noch nicht erreicht hat, von diesem Betrag einzubehalten sind, allein unter Berücksichtigung der in Art. 22 der Wet op de loonbelasting 1964 (Lohnsteuergesetz von 1964) genannten allgemeinen Steuergutschrift die Nettohinterbliebenenrente 70 % des Nettomindestlohns beträgt.
…
(3) Für einen überlebenden Angehörigen, der außerhalb der Niederlande, eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaats des [Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum] oder der Schweiz wohnt, ist die Bruttohinterbliebenenrente ein durch Ministerialverordnung festgesetzter Prozentsatz des gemäß den Abs. 1, 2 oder 5 ermittelten Betrags. Dieser Prozentsatz wird so festgesetzt, dass er dem Verhältnis der Lebenshaltungskosten des Landes, in dem der überlebende Angehörige wohnt, zu den Lebenshaltungskosten in den Niederlanden entspricht. Der Prozentsatz darf 100 nicht überschreiten.“
Verordnung über das Wohnstaatsprinzip
14 Art. 1 der Regeling woonlandbeginsel in de sociale zekerheid 2012 (Verordnung über das Wohnstaatsprinzip in der sozialen Sicherheit von 2012, im Folgenden: Verordnung über das Wohnstaatsprinzip) sieht vor:
„[Der] in … Art. 17 Abs. 3 … ANW bestimmte [Prozentsatz] für einen anderen Wohnstaat als:
a) den Niederlanden,
b) einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,
c) einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, und
d) der Schweiz
beläuft sich auf den im Anhang dieser Verordnung aufgenommenen Prozentsatz.“
15 Nach dem Anhang der Verordnung beträgt der in Art. 1 der Verordnung genannte Wohnstaatsprinzip-Faktor für Algerien ab dem 1. Januar 2013 60 % und ab dem 1. Januar 2016 40 %.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16 X wohnt in Algerien. Ihr Ehemann war in den Niederlanden beschäftigt und im Zeitpunkt seines Todes nach der ANW versichert. Als Hinterbliebene ihres verstorbenen Ehemannes hat sie nach der ANW seit dem 1. Januar 1999 Anspruch auf eine Hinterbliebenenleistung.
17 Mit Bescheiden vom 19. September 2018 ließ der SVB in der Folge eines Urteils der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) vom 10. November 2016 zum einen die Zahlung der Hinterbliebenenleistung an X rückwirkend wieder aufleben, die er am 1. November 2012 eingestellt hatte. Zum anderen informierte er X, dass die Hinterbliebenenleistung ab dem 1. Januar 2013 gekürzt werde, da sie ab diesem Zeitpunkt nach dem Wohnstaatsprinzip, d. h. nach einem Prozentsatz hätte gezahlt werden müssen, der die Höhe der Lebenshaltungskosten in diesem Land im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten in den Niederlanden widerspiegele. Gemäß den Bestimmungen des Anhangs der Verordnung über das Wohnstaatsprinzip sei dieser Prozentsatz für Algerien auf 60 % des Höchstbetrags der Hinterbliebenenleistungen ab dem 1. Januar 2013 und auf 40 % des Höchstbetrags ab dem 1. Januar 2016 festgesetzt worden.
18 X legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, der vom SVB mit Entscheidung vom 4. Dezember 2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
19 Da die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) die gegen diese Entscheidung erhobene Klage als unbegründet abwies, legte X Berufung beim Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, ein.
20 Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich die Parteien über die Frage stritten, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien einer auf das Wohnstaatsprinzip gestützten Kürzung der Hinterbliebenenleistung von X entgegenstehe.
21 In diesem Zusammenhang hegt es erstens Zweifel, ob eine Person wie X in den persönlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung falle. Letztere betreffe im Gegensatz zu Art. 68 Abs. 1 und 3 des Assoziationsabkommens EG-Algerien nur die Arbeitnehmer und nicht ihre Familienangehörigen.
22 Sollten Hinterbliebene als Leistungsempfänger in den Geltungsbereich von Art. 68 Abs. 4 des Abkommens fallen, möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, ob nur die Hinterbliebenen, die in den Niederlanden wohnten, die Möglichkeit hätten, die erhaltenen Leistungen frei nach Algerien zu transferieren, oder ob sich, wozu es neigen würde, auch diejenigen, die in Algerien wohnten, auf diese Bestimmung berufen könnten.
23 Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien unmittelbare Wirkung entfalte. Art. 68 des Abkommens sehe eine Reihe allgemeiner Grundsätze vor, jedoch würden gemäß Art. 70 des Abkommens der genaue materielle Gehalt dieser Grundsätze und die Modalitäten für eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten des Abkommens durch einen Beschluss des Assoziationsrats festgelegt. Jedoch könnten in analoger Anwendung zu insbesondere den Urteilen vom 31. Januar 1991, Kziber (C‑18/90, EU:C:1991:36), und vom 5. April 1995, Krid (C‑103/94, EU:C:1995:97), sowie den Beschlüssen vom 13. Juni 2006, Echouikh (C‑336/05, EU:C:2006:394), und vom 17. April 2007, El Youssfi (C‑276/06, EU:C:2007:215), ungeachtet der Notwendigkeit, einen solchen Beschluss zu erlassen, bestimmte Merkmale von Art. 68 wie das Verbot der Diskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit, das in Abs. 1 des Artikels geregelt sei, unmittelbare Wirkung haben.
24 Was insbesondere Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien betrifft, geht das vorlegende Gericht davon aus, dass weder sein Wortlaut noch sein Gegenstand oder seine Natur, wie sie sich aus Art. 1 des Abkommens ergäben, der Anerkennung einer unmittelbaren Wirkung der Bestimmung entgegenstünden. Es erkenne jedoch an, dass die Erfüllung der Verpflichtung, die Leistungen zugunsten von Personen zu exportieren, die in Algerien wohnten, vom Erlass eines späteren Aktes abhängig gemacht werden könne, nämlich einem Akt, der die Modalitäten für eine Zusammenarbeit der Verwaltungen festlege, die die in Art. 70 Abs. 2 des Abkommens genannten erforderlichen Verwaltungs- und Kontrollgarantien biete.
25 Drittens möchte das vorlegende Gericht schließlich wissen, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien einer Kürzung von Leistungen nach dem Wohnstaatsprinzip entgegenstehe. Obwohl der Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrats, der dem in Rn. 8 des vorliegenden Urteils genannten Vorschlag beigefügt sei, noch nicht angenommen worden sei, könne Art. 4 des Entwurfs Hinweise auf die Tragweite von Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien geben, die darauf schließen ließen, dass diese Bestimmung ein Verbot von Wohnortklauseln aufstelle.
26 Unter diesen Umständen hat der Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien dahin auszulegen, dass er auf eine in Algerien wohnhafte Hinterbliebene eines verstorbenen Arbeitnehmers Anwendung findet, die ihre Hinterbliebenenleistungen nach Algerien exportieren möchte?
Falls ja:
2. Ist Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien unter Berücksichtigung seines Wortlauts sowie von Sinn und Zweck dieser Vorschrift dahin auszulegen, dass er unmittelbar anwendbar ist, so dass Personen, auf die diese Bestimmung Anwendung findet, das Recht haben, sich vor den Gerichten der Mitgliedstaaten unmittelbar auf sie zu berufen, damit die mit ihr unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften unangewendet gelassen werden?
Falls ja:
3. Ist Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien dahin auszulegen, dass er der Anwendung des Wohnstaatsprinzips im Sinne von Art. 17 Abs. 3 ANW entgegensteht, das eine Beschränkung des Exports der Hinterbliebenenleistungen nach Algerien zur Folge hat?
Zu den Vorlagefragen
Zur zweiten Frage
27 Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien dahin auszulegen ist, dass er unmittelbare Wirkung entfaltet, so dass die Personen, auf die diese Bestimmung Anwendung findet, das Recht haben, sich vor den Gerichten der Mitgliedstaaten unmittelbar auf sie zu berufen, damit die mit ihr unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften unangewendet gelassen werden.
28 Aus Art. 68 Abs. 4 ergibt sich, dass die algerischen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, Alters- und Hinterbliebenenrenten und Renten bei Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Erwerbsunfähigkeit, wenn diese durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaats bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen frei nach Algerien zu transferieren, mit Ausnahme beitragsunabhängiger Sonderleistungen.
29 Darüber hinaus folgt aus Art. 70 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien, dass spätestens am Ende des ersten Jahres nach Inkrafttreten dieses Abkommens der Assoziationsrat die Bestimmungen zur Gewährleistung der Anwendung der in Art. 68 genannten Grundsätze erlässt und die Modalitäten für eine Zusammenarbeit der Verwaltungen festlegt, die die für die Anwendung dieser Bestimmungen erforderlichen Verwaltungs- und Kontrollgarantien bietet. Allerdings sind die genannten Bestimmungen, die der Assoziationsrat spätestens am Ende des ersten Jahres nach dem 1. September 2005, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziationsabkommens EG-Algerien, hätte erlassen müssen, noch immer nicht festgelegt worden, obwohl der Rat den in Rn. 7 des vorliegenden Urteils genannten Beschluss 2010/699, der im Anhang einen Entwurf eines Beschlusses des Assoziationsrats zur Durchführung von Art. 70 des Abkommens enthält, erlassen hat.
30 Was die etwaige unmittelbare Wirkung von Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Bestimmung eines von der Union mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen ist, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Gegenstand und die Natur des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 1987, Demirel, 12/86, EU:C:1987:400, Rn. 14, und vom 26. Mai 2011, Akdas u. a., C‑485/07, EU:C:2011:346, Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien klar, genau und unbedingt das Recht auf freien Transfer der von dieser Bestimmung vorgesehenen Renten nach Algerien begründet, und zwar zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaats geltenden Sätzen. Somit enthält die Bestimmung nach ihrem Wortlaut für die Mitgliedstaaten eine klare und präzise Ergebnispflicht, die darin besteht, dass den Betroffenen ein solcher freier Transfer ermöglicht werden muss, und die als solche bei ihrer Erfüllung oder in ihren Wirkungen nicht vom Erlass eines späteren Aktes abhängt.
32 Zwar gilt zum einen das Recht auf freien Transfer nicht absolut, da seine konkreten Wirkungen in jedem Einzelfall, wie aus Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien hervorgeht, von den „zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaates bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen“ abhängen. Jedoch kann diese Wendung nicht dahin ausgelegt werden, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, das genannte Recht auf freien Transfer nach freiem Ermessen einzuschränken und es somit auszuhöhlen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Mai 2003, Deutscher Handballbund, C‑438/00, EU:C:2003:255, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Zum anderen hängen die Durchführung oder die Wirkungen des in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechts nicht vom Erlass eines anderen Aktes, insbesondere nicht vom Erlass der in Art. 70 Abs. 1 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien vorgesehenen Bestimmungen durch den Assoziationsrat, ab (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Juni 2006, Echouikh, C‑336/05, EU:C:2006:394, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Rolle, die diese Bestimmung dem Assoziationsrat zuweist, besteht darin, die Wahrung des Rechts auf freien Transfer der in Art. 68 Abs. 4 des Abkommens genannten Renten nach Algerien zu erleichtern; sie kann jedoch nicht so aufgefasst werden, als ob sie die unmittelbare Anwendung dieses Rechts von einer Bedingung abhängig machen würde (vgl. entsprechend Urteil vom 31. Januar 1991, Kziber, C‑18/90, EU:C:1991:36, Rn. 19).
34 Was zweitens den Gegenstand und die Natur des Assoziationsabkommens EG‑Algerien betrifft, hat der Gerichtshof bereits zum einen entschieden, dass die Ziele dieses Abkommens, wie sie in dessen Art. 1 Abs. 2 vorgesehen sind, dieselben sind wie diejenigen, die mit dem Kooperationsabkommen EWG-Algerien verfolgt wurden (vgl. entsprechend Beschluss vom 13. Juni 2006, Echouikh, C‑336/05, EU:C:2006:394, Rn. 40), und zum anderen, dass das Ziel dieses Kooperationsabkommens, eine globale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien, namentlich im Bereich der Arbeitskräfte, zu fördern, bestätigt, dass das in Art. 39 Abs. 1 des Kooperationsabkommens verankerte Diskriminierungsverbot geeignet ist, die Rechtsstellung des Einzelnen unmittelbar zu regeln, so dass diese Vorschrift unmittelbare Wirkung hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 1998, Babahenini, C‑113/97, EU:C:1998:13, Rn. 17 und 18 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Somit müssen die Ziele des Assoziationsabkommens EG‑Algerien, die den Willen erkennen lassen, die Ziele des Kooperationsabkommens EWG‑Algerien zu bekräftigen, erst recht als Bestätigung der unmittelbaren Wirkung des Rechts auf freien Transfer der in Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien genannten Renten nach Algerien angesehen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2006, Gattoussi, C‑97/05, EU:C:2006:780, Rn. 27).
36 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien dahin auszulegen ist, dass er unmittelbare Wirkung entfaltet, so dass die Personen, auf die diese Bestimmung Anwendung findet, das Recht haben, sich vor den Gerichten der Mitgliedstaaten unmittelbar auf sie zu berufen, damit die mit ihr unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften unangewendet gelassen werden.
Zur ersten Frage
37 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien dahin auszulegen ist, dass er auf die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers Anwendung findet, die ihre Hinterbliebenenleistungen nach Algerien transferieren möchten, selbst aber keine Arbeitnehmer sind, und die in Algerien wohnen.
38 Hierzu ist erstens festzustellen, dass Art. 68 Abs. 4 ausdrücklich nur „[d]ie betreffenden Arbeitnehmer“ nennt, womit auf die in Abs. 1 dieses Artikels genannten „algerischen Arbeitnehmer“ Bezug genommen wird. Jedoch ist festzustellen, dass nach dem Wortlaut von Abs. 4 zu den Leistungen, die frei nach Algerien transferiert werden können, auch Hinterbliebenenrenten zählen. Per Definition sind es nicht die Arbeitnehmer, die solche Leistungen beziehen können, sondern ihre Hinterbliebenen. Daher würde Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien, wie auch der Generalanwalt in Nr. 44 der Schlussanträge ausgeführt hat, seiner praktischen Wirksamkeit beraubt, wenn die Hinterbliebenen vom persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen wären.
39 In seiner schriftlichen Stellungnahme beruft sich der SVB, um einer solchen Schlussfolgerung entgegenzutreten, auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2), nach der die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers nur abgeleitete und keine eigenen Rechte hätten, was die Bestimmungen dieser Verordnung betreffe, die ausschließlich für Arbeitnehmer gälten (Urteile vom 30. April 1996, Cabanis‑Issarte, C‑308/93, EU:C:1996:169, und vom 21. Februar 2006, Hosse, C‑286/03, EU:C:2006:125).
40 Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt festgestellt, dass sich eine solche Rechtsprechung im Rahmen eines Abkommens wie dem Assoziationsabkommen EG‑Algerien nicht übertragen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 1998, Babahenini, C‑113/97, EU:C:1998:13, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 17. April 2007, El Youssfi, C‑276/06, EU:C:2007:215, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Zweitens besteht zwar kein Zweifel daran, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG-Algerien anwendbar ist, wenn der Hinterbliebene im Schuldnermitgliedstaat wohnt, jedoch widerspräche es, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 46 und 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der dem Grundsatz des freien Transfers von Leistungen nach Algerien zugrunde liegenden Logik, zu verlangen, dass der Leistungsempfänger im Schuldnermitgliedstaat wohnt.
42 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien dahin auszulegen ist, dass er auf die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers Anwendung findet, die ihre Hinterbliebenenleistungen nach Algerien transferieren möchten, selbst aber keine Arbeitnehmer sind, und die in Algerien wohnen.
Zur dritten Frage
43 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien dahin auszulegen ist, dass er einer Kürzung des Betrags einer Hinterbliebenenleistung aufgrund des Umstands, dass der Leistungsempfänger in Algerien wohnt, entgegensteht.
44 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kürzung aus dem Gesetz über das Wohnstaatsprinzip im Bereich der sozialen Sicherheit ergibt, mit dem dieses Prinzip u. a. für die gemäß der ANW gezahlten Hinterbliebenenleistungen eingeführt wurde. Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass die vom niederländischen Mindestlohn abhängigen Leistungen, die außerhalb der Niederlande ausgezahlt werden, dem Verhältnis der Lebenshaltungskosten des Wohnstaats des Leistungsempfängers zu den Lebenshaltungskosten in den Niederlanden entsprechen. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Hinterbliebenenleistung gehört gerade zu den vom niederländischen Mindestlohn abhängigen Leistungen, da ihr Nettobetrag nach Art. 17 Abs. 1 ANW 70 % dieses Nettomindestlohns entspricht.
45 In diesem Zusammenhang hat der SVB in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich um einen Höchstprozentsatz handele, da die Höhe der Leistung, die jeder Hinterbliebene erhalte, im Verhältnis zu dessen Einkommen berechnet werde. Außerdem hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Hinterbliebenenleistungen eine Risikoversicherung darstellten und dass die Höhe der für diese Leistungen gezahlten Beiträge für alle Versicherten gleich sei. Sie verwies auch darauf, dass der Mindestlohn in den Niederlanden an die Lebenshaltungskosten in diesem Mitgliedstaat angepasst werde.
46 Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien das Recht auf freien Transfer der dort genannten Leistungen nach Algerien „zu den nach den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaates bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen“ vorsieht.
47 Aus dieser Klarstellung ergibt sich, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 57 der Schlussanträge ausgeführt hat, dass es im Ermessen des Schuldnermitgliedstaats steht, die Regeln für die Berechnung der in Art. 68 Abs. 4 des Abkommens genannten Leistungen aufzustellen. Insbesondere ist diese Klarstellung, da sie in der Bestimmung des Abkommens über den Transfer dieser Leistungen nach Algerien enthalten ist, dahin auszulegen, dass sie es diesem Mitgliedstaat grundsätzlich gestattet, Regeln wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regel, die auf dem Wohnstaatsprinzip beruht, vorzusehen, um die Höhe der Leistungen anlässlich des Transfers anzupassen.
48 Jedoch dürfen solche Regeln das Recht auf freien Transfer von Leistungen nicht aushöhlen und es nicht seiner praktischen Wirksamkeit berauben (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Mai 2003, Deutscher Handballbund, C‑438/00, EU:C:2003:255, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Aus den in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils dargelegten Kriterien, die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Hinterbliebenenleistung kennzeichnen, ergibt sich, dass ihre Höhe in Abhängigkeit von den Lebenshaltungskosten in den Niederlanden festgesetzt wird und dass mit dieser Leistung daher sichergestellt werden soll, dass die Hinterbliebenen über ein Grundeinkommen verfügen, das in Abhängigkeit von den Lebenshaltungskosten in diesem Mitgliedstaat berechnet wird. Was den in Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien vorgesehenen Transfer dieser Leistung nach Algerien betrifft, vermag der Umstand, dass ihre Höhe angepasst wird, um den Lebenshaltungskosten in diesem Drittland Rechnung zu tragen, das Recht auf freien Transfer nicht auszuhöhlen, sofern die Bestimmung der für diese Anpassung verwendeten Sätze anhand objektiver Kriterien erfolgt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
50 Was schließlich den Umstand anbelangt, dass Art. 4 des Entwurfs eines Beschlusses des Assoziationsrats u. a. das Verbot vorsieht, eine solche Leistung, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet wird, deshalb zu kürzen, weil ihr Empfänger seinen Wohnsitz in Algerien hat, ist festzustellen, dass dieser Entwurf, der noch nicht vom Assoziationsrat angenommen worden ist, nicht die gleichen Wirkungen entfalten kann wie diejenigen, die einer entsprechenden Bestimmung, nämlich Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf türkische Arbeitnehmer und deren Familienangehörige (ABl. 1983, C 110, S. 60), durch das Urteil vom 26. Mai 2011, Akdas u. a. (C‑485/07, EU:C:2011:346) zuerkannt worden sind.
51 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 68 Abs. 4 des Assoziationsabkommens EG‑Algerien dahin auszulegen ist, dass er der Kürzung einer Hinterbliebenenleistung aufgrund des Umstands, dass der Leistungsempfänger in Algerien wohnt, nicht entgegensteht, wenn mit dieser Leistung bezweckt wird, ein Grundeinkommen zu sichern, das in Abhängigkeit von den Lebenshaltungskosten im Schuldnermitgliedstaat berechnet wird, und wenn die vorgenommene Kürzung nicht das Recht auf freien Transfer einer solchen Leistung aushöhlt.
Kosten
52 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 68 Abs. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits
ist dahin auszulegen, dass
er unmittelbare Wirkung entfaltet, so dass die Personen, auf die diese Bestimmung Anwendung findet, das Recht haben, sich vor den Gerichten der Mitgliedstaaten unmittelbar auf sie zu berufen, damit die mit ihr unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften unangewendet gelassen werden.
2. Art. 68 Abs. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits
ist dahin auszulegen, dass
er auf die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers Anwendung findet, die ihre Hinterbliebenenleistungen nach Algerien transferieren möchten, selbst aber keine Arbeitnehmer sind, und die in Algerien wohnen.
3. Art. 68 Abs. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits
ist dahin auszulegen, dass
er der Kürzung einer Hinterbliebenenleistung aufgrund des Umstands, dass der Leistungsempfänger in Algerien wohnt, nicht entgegensteht, wenn mit dieser Leistung bezweckt wird, ein Grundeinkommen zu sichern, das in Abhängigkeit von den Lebenshaltungskosten im Schuldnermitgliedstaat berechnet wird, und wenn die vorgenommene Kürzung nicht das Recht auf freien Transfer einer solchen Leistung aushöhlt.
Unterschriften