Vorläufige Fassung
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
22. Dezember 2022(*)
[Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023]
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Art. 267 AEUV – Auslegung, die für den Erlass des Urteils durch das vorlegende Gericht erforderlich ist – Fehlen – Offensichtliche Unzulässigkeit“
In den verbundenen Rechtssachen C‑491/20 bis C‑496/20, C‑506/20, C‑509/20 und C‑511/20
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Izba Pracy i Ubezpieczeń Społecznych) (Oberstes Gericht [Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen], Polen) mit Entscheidungen vom 15. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 24. September 2020 (C‑491/20), am 25. September 2020 (C‑492/20), am 28. September 2020 (C‑493/20), am 2. Oktober 2020 (C‑494/20 und C‑495/20), am 6. Oktober 2020 (C‑496/20), am 9. Oktober 2020 (C‑506/20), am 22. September 2020 (C‑509/20) und am 13. Oktober 2020 (C‑511/20), in den Verfahren
W. Ż.
gegen
A. S.,
Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑491/20)
und
W. Ż.
gegen
K. Z.,
Skarb Państwa – Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑492/20)
und
P. J.
gegen
A. T.,
R. W.,
Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑493/20)
und
K. M.
gegen
T. P.,
Skarb Państwa – Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑494/20),
und
T. M.
gegen
T. D.,
M. D.,
P. K.,
J. L.,
M. L.,
O. N.,
G. Z.,
A. S.,
Skarb Państwa – Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
[berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] Prokurator Generalny (C‑495/20)
und
M. F.
gegen
T. P.,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑496/20)
und
T. B.
gegen
T. D.,
M. D.,
P. K.,
J. L.,
M. L.,
O. N.,
G. Z.,
A. S.,
Skarb Państwa – Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑506/20)
und
M. F.
gegen
J. M.,
Beteiligter:
Prokurator Generalny,
Rzecznik Praw Obywatelskich (C‑509/20),
und
B. S.
gegen
T. D.,
M. D.,
P. K.,
J. L.,
M. L.,
O. N.,
Skarb Państwa – Sąd Najwyższy,
Beteiligter:
Prokurator Generalny (C‑511/20),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von W. Ż., vertreten durch S. Gregorczyk-Abram, M. Pietrzak und M. Wawrykiewicz, Adwokaci,
– von A. S., der sich selbst vertritt,
– von K. Z., der sich selbst vertritt,
– von P. J., vertreten durch S. Gregorczyk-Abram und M. Wawrykiewicz, Adwokaci,
– von A. T., der sich selbst vertritt,
– von K. M., vertreten durch M. Jabłoński, Adwokat,
– von T. P., der sich selbst vertritt,
– von T. M., T. B. und B. S., vertreten durch M. Gajdus, Adwokat,
– von M. F., vertreten durch W. Popiołek, Radca prawny,
– von P. K., der sich selbst vertritt,
– des Sąd Najwyższy, vertreten durch M. Manowska,
– des Prokurator Generalny, vertreten durch R. Hernand und M. Pasionek,
– des Rzecznik Praw Obywatelskich, vertreten durch M. Taborowski und M. Wróblewski,
– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2, Art. 4 Abs. 2 und 3, Art. 6 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, von Art. 267 AEUV sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
2 Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen W. Ż. (C‑491/20 und C‑492/20), P. J. (C‑493/20), K. M. (C‑494/20), T. M. (C‑495/20), M. F. (C‑496/20 und C‑509/20), T. B. (C‑506/20) sowie B. S. (C‑511/20) auf der einen Seite und A. S. (C‑491/20), K. Z. (C‑492/20), A. T. und R. W. (C‑493/20), T. P. (C‑494/20 und C‑496/20), T. D., M. D., P. K., J. L., M. L. und O. N. (C‑495/20, C‑506/20 und C‑511/20), G. Z. und A. S. (C‑495/20 und C‑506/20), J. M. (C‑509/20) sowie dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) (C‑491/20 und C‑493/20) und der Skarb Państwa – Sąd Najwyższy (Staatskasse – Oberstes Gericht, Polen) (C‑492/20, C‑494/20, C‑495/20, C‑506/20 und C‑511/20) auf der anderen Seite wegen Anträgen auf Feststellung, dass zwischen verschiedenen Personen, die das Amt eines Richters am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) ausüben, einerseits und diesem Gericht andererseits kein Dienstverhältnis besteht.
Nationaler rechtlicher Rahmen
Verfassung
3 In Art. 144 Abs. 2 und 3 der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej (Verfassung der Republik Polen, im Folgenden: Verfassung) heißt es:
„(2) Amtsakte des Präsidenten der Republik bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Vorsitzenden des Ministerrats, der infolge der Unterzeichnung die Verantwortung vor dem Sejm [(Abgeordnetenkammer, Polen)] trägt.
(3) Die Vorschrift des Abs. 2 gilt nicht für:
…
17. die Ernennung von Richtern,
…“
4 Gemäß Art. 179 der Verfassung werden die Richter vom Präsidenten der Republik auf Vorschlag der Krajowa Rada Sądownictwa (Landesjustizrat, Polen) (im Folgenden: KRS) auf unbestimmte Zeit ernannt.
Zivilprozessordnung
5 Art. 189 des Kodeks postępowania cywilnego (Zivilprozessordnung) bestimmt:
„Ein Kläger kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts begehren, sofern er insoweit ein Rechtsschutzinteresse hat.“
Gesetz über das Oberste Gericht
6 Die Ustawa o Sądzie Najwyższym (Gesetz über das Oberste Gericht) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 5) trat am 3. April 2018 in Kraft. Durch dieses Gesetz wurden u. a. beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) zwei neue Kammern eingerichtet, nämlich zum einen die Izba Dyscyplinarna (Disziplinarkammer) und zum anderen die Izba Kontroli Nadzwyczajnej i Spraw Publicznych Sądu Nawyższego (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten).
7 Art. 27 § 1 des Gesetzes über das Oberste Gericht bestimmt:
„Die Disziplinarkammer ist zuständig für
1) Disziplinarsachen,
a) die Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen,
b) die vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren geprüft werden, die auf der Grundlage folgender Gesetze betrieben werden:
…
– Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit …
…
…
2) arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Sachen, die Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen;
…“
8 Art. 73 § 1 des Gesetzes über das Oberste Gericht bestimmt:
„Disziplinargerichte in Disziplinarsachen gegen Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) sind
1) im ersten Rechtszug – der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) in der Besetzung mit zwei Richtern der Disziplinarkammer und einem ehrenamtlichen Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht);
2) im zweiten Rechtszug – der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) in der Besetzung mit drei Richtern der Disziplinarkammer und zwei ehrenamtlichen Richtern des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht).“
9 Das Gesetz über das Oberste Gericht ist mehrfach geändert worden, u. a. durch die Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Sądzie Najwyższym oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über das Oberste Gericht und einiger anderer Gesetze) vom 20. Dezember 2019 (Dz. U. 2020, Position 190).
10 Art. 26 § 2 des Gesetzes über das Oberste Gericht in der durch das Gesetz vom 20. Dezember 2019 geänderten Fassung bestimmt:
„Die Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten ist zuständig für die Entscheidung über Anträge oder Erklärungen betreffend die Ablehnung eines Richters oder die Bestimmung des Gerichts, vor dem ein Verfahren geführt werden soll, mit denen u. a. die fehlende Unabhängigkeit des Gerichts oder des Richters gerügt wird. Das mit der Sache befasste Gericht übermittelt dem Präsidenten der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten unverzüglich den Antrag, damit dieser nach den in gesonderten Vorschriften festgelegten Regeln weiter behandelt wird. …“
11 In Art. 29 §§ 2 und 3 des Gesetzes über das Oberste Gericht in der durch das Gesetz vom 20. Dezember 2019 geänderten Fassung heißt es:
„§ 2 Im Rahmen der Tätigkeit des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) oder seiner Organe ist es nicht zulässig, die Legitimität der [Gerichte], der Verfassungsorgane des Staates oder der Organe zur Kontrolle und zum Schutz des Rechts in Frage zu stellen.
§ 3 Der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) oder ein anderes Staatsorgan darf die Rechtmäßigkeit der Ernennung eines Richters oder der sich aus dieser Ernennung ergebenden Befugnis zur Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Rechtspflege weder feststellen noch beurteilen.“
Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit
12 Art. 110 der Ustawa – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit) vom 27. Juli 2001 in geänderter Fassung (Dz. U. 2018, Position 23) bestimmt:
„§ 1 Zuständig für Disziplinarsachen, die Richter betreffen, sind
1) im ersten Rechtszug
a) die Disziplinargerichte bei den Berufungsgerichten in einer Besetzung mit drei Richtern;
…
§ 3 Das Disziplinargericht, in dessen Bezirk der Richter, gegen den das Disziplinarverfahren anhängig ist, sein Amt ausübt, ist nicht befugt, über die in § 1 Nr. 1 Buchst. a genannten Angelegenheiten zu befinden. Das für die Entscheidung über die Sache zuständige Disziplinargericht wird vom Präsidenten des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), der die Arbeit der Disziplinarkammer leitet, auf Antrag des Disziplinarbeauftragten bestimmt.
…“
Gesetz über die KRS
13 Die KRS wird geregelt durch die Ustawa o Krajowej Radzie Sądownictwa (Gesetz über den Landesjustizrat) vom 12. Mai 2011 (Dz. U. 2011, Nr. 126, Position 714) in der u. a. durch die Ustawa o zmianie ustawy o Krajowej Radzie Sądownictwa oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und einiger anderer Gesetze) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 3) und die Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit und einiger anderer Gesetze) vom 20. Juli 2018 (Dz. U. 2018, Position 1443) geänderten Fassung (im Folgenden: KRS-Gesetz).
14 Art. 37 Abs. 1 des KRS-Gesetzes bestimmt:
„Hat sich mehr als ein Kandidat um eine Stelle als Richter beworben, prüft und bewertet [die KRS] alle eingereichten Bewerbungen gemeinsam. In diesem Fall verabschiedet [die KRS] eine Entschließung, die ihre Entscheidungen über die Einreichung eines Vorschlags zur Ernennung auf eine Richterstelle für alle Kandidaten enthält.“
15 Art. 43 Abs. 2 des KRS-Gesetzes sieht vor:
„Wird die in Art. 37 Abs. 1 genannte Entschließung nicht von allen Teilnehmern an dem Verfahren angefochten, so wird sie vorbehaltlich von Art. 44 Abs. 1b für den Teil bestandskräftig, der die Entscheidung enthält, die Teilnehmer, die keinen Rechtsbehelf eingelegt haben, nicht zur Ernennung zum Richter vorzuschlagen.“
16 Art. 44 des KRS-Gesetzes sah vor:
„(1) Ein Teilnehmer an dem Verfahren kann gegen die Entschließung [der KRS] einen Rechtsbehelf beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) mit der Begründung einlegen, dass diese rechtswidrig sei, soweit nicht besondere Bestimmungen etwas anderes vorsehen. …
(1a) In Individualverfahren, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen, kann ein Rechtsbehelf beim [Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen)] eingelegt werden. In diesen Fällen kann kein Rechtsbehelf beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) eingelegt werden. Der Rechtsbehelf zum [Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht)] kann nicht damit begründet werden, dass nicht zutreffend beurteilt worden sei, ob die Kandidaten die Kriterien erfüllen, die bei der Entscheidung über die Einreichung des Vorschlags für die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) berücksichtigt werden.
(1b) Haben in Individualverfahren, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen, nicht alle Teilnehmer an dem Verfahren die in Art. 37 Abs. 1 genannte Entschließung angefochten, wird diese Entschließung für die Teilnehmer, die keinen Rechtsbehelf eingelegt haben, in dem Teil bestandskräftig, in dem die Entscheidung über die Einreichung eines Vorschlags für die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) bzw. die Entscheidung, keinen Vorschlag für die Ernennung zum Richter an diesem Gericht einzureichen, enthalten ist.
…
(4) In Individualverfahren, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen, kommt die Aufhebung der Entschließung [der KRS], den Vorschlag für eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) nicht einzureichen, durch den [Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht)] der Zulassung der Bewerbung des Verfahrensteilnehmers, der den Rechtsbehelf eingelegt hat, um eine freie Richterstelle am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) gleich, und zwar für die Stelle, für die das Verfahren vor [der KRS] zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des [Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht)] noch nicht abgeschlossen ist, oder mangels eines solchen Verfahrens für die nächste freie Richterstelle am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), die ausgeschrieben wird.“
17 Abs. 1a von Art. 44 des KRS-Gesetzes wurde durch das Gesetz vom 8. Dezember 2017 zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und einiger anderer Gesetze, das am 17. Januar 2018 in Kraft trat, in diesen Artikel eingefügt, und die Abs. 1b und 4 durch das Gesetz vom 20. Juli 2018 zur Änderung des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit und einiger anderer Gesetze, das am 27. Juli 2018 in Kraft trat. Vor der Einfügung dieser Änderungen wurden die in Abs. 1a genannten Rechtsbehelfe gemäß Art. 44 Abs. 1 des KRS-Gesetzes beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) eingelegt.
18 Mit Urteil vom 25. März 2019 erklärte das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof, Polen) Art. 44 Abs. 1a des KRS-Gesetzes für unvereinbar mit Art. 184 der Verfassung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die dem Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) durch Abs. 1a übertragene Zuständigkeit in Anbetracht der Art der betreffenden Sachen, der organisatorischen Merkmale dieses Gerichts und des von ihm angewandten Verfahrens nicht gerechtfertigt sei. In diesem Urteil wies das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) außerdem darauf hin, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit „zwangsläufig die Einstellung aller auf der Grundlage der aufgehobenen Bestimmung geführten Gerichtsverfahren zur Folge hat“.
19 Anschließend wurde Art. 44 des KRS-Gesetzes durch die Ustawa o zmianie ustawy o Krajowej Radzie Sądownictwa oraz ustawy – Prawo o ustroju sądów administracyjnych (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und des Gesetzes über die Organisation der Verwaltungsgerichte) vom 26. April 2019 (Dz. U. 2019, Position 914) geändert, das am 23. Mai 2019 in Kraft trat. Art. 44 Abs. 1 lautet seitdem:
„Ein Teilnehmer an dem Verfahren kann gegen die Entschließung [der KRS] einen Rechtsbehelf beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) mit der Begründung einlegen, dass diese rechtswidrig sei, soweit nicht besondere Bestimmungen etwas anderes vorsehen. In Individualverfahren, die die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen, kann kein Rechtsbehelf eingelegt werden.“
20 Darüber hinaus sieht Art. 3 dieses Gesetzes vom 26. April 2019 vor, dass „Verfahren über Rechtsbehelfe gegen die Entschließungen [der KRS] in Individualverfahren, die die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) betreffen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitet und nicht entschieden wurden, … von Rechts wegen eingestellt [werden]“.
Ausgangsverfahren
Rechtssache C‑509/20
21 Der Ausgangsrechtsstreit in der Rechtssache C‑509/20 war bereits Gegenstand eines früheren Vorabentscheidungsersuchens, das zum Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny u. a. (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑508/19, EU:C:2022:201, im Folgenden: Urteil Prokurator Generalny), geführt hat.
22 M. F., die Richterin am Sąd Rejonowy w P. (Rayongericht P., Polen) ist, erhob beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) auf der Grundlage von Art. 189 der Zivilprozessordnung eine Klage auf Feststellung, dass zwischen J. M. und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) kein Dienstverhältnis besteht, weil es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei und diese sich angeblich auf die Ernennung von J. M. zum Richter in der Disziplinarkammer des letztgenannten Gerichts (im Folgenden: Disziplinarkammer) ausgewirkt hätten. M. F. erhob diese Klage, nachdem J. M. in seiner Eigenschaft als Präsident der Disziplinarkammer auf der Grundlage von Art. 110 § 3 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit in geänderter Fassung einen Beschluss erlassen hatte, mit dem der Sąd Dyscyplinarny przy Sądzie Apelacyjnym w X (Disziplinargericht beim Berufungsgericht X, Polen) als zuständiges Disziplinargericht zur Führung eines Disziplinarverfahrens bestimmt wurde, das gegen M. F. eingeleitet worden war, weil sie von ihr betriebene Verfahren verschleppt und die Abfassung der Begründung ihrer Entscheidungen verzögert haben soll.
23 Zur Begründung dieser Klage macht M. F. geltend, die Unwirksamkeit der Ernennung von J. M. zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) ergebe sich daraus, dass ihm die Ernennungsurkunde vom Präsidenten der Republik ausgehändigt worden sei, obwohl die Entschließung der KRS, mit der die Ernennung von J. M. vorgeschlagen worden sei, Gegenstand einer Klage vor dem Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) gewesen sei, die nach Art. 44 Abs. 1a des KRS-Gesetzes von einem Teilnehmer, der nicht gemäß der genannten Entschließung zur Ernennung vorgeschlagen worden sei, erhoben worden sei. Darüber hinaus sei das Auswahlverfahren zur Besetzung dieser Stelle aufgrund einer Mitteilung des Präsidenten der Republik durchgeführt worden, die nicht mit der gemäß Art. 144 der Verfassung erforderlichen ministeriellen Gegenzeichnung versehen gewesen sei.
24 M. F. beantragte außerdem, alle zu Richtern in der Disziplinarkammer ernannten Personen abzulehnen und anstelle der gemäß Art. 27 § 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Oberste Gericht für die Entscheidung normalerweise zuständigen Disziplinarkammer die Izba Pracy i Ubezpieczeń Społecznych (Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen) des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) (im Folgenden: Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen) zur Entscheidung über ihre Klage zu bestimmen. Schließlich beantragte M. F. im Wege einer einstweiligen Anordnung, für die gesamte Dauer des Verfahrens anzuordnen, dass das gegen sie eingeleitete Disziplinarverfahren ausgesetzt werde.
Rechtssachen C‑494/20 und C‑496/20
25 Die Konstellation der Ausgangsrechtsstreitigkeiten in den Rechtssachen C‑494/20 und C‑496/20 ist nahezu identisch mit der des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑509/20.
26 Mit ihren jeweiligen Klagen beantragen K. M., der Richter am Sąd Okręgowy w K. (Regionalgericht K., Polen) ist, einerseits und M. F. andererseits, festzustellen, dass kein Dienstverhältnis zwischen T. P., dem Nachfolger von J. M. als Präsident der Disziplinarkammer, und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) besteht, weil es bei der Ernennung dessen angeblich zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten Unregelmäßigkeiten entsprechen.
27 Darüber hinaus wurden auch diese Klagen im Anschluss an den Erlass von Beschlüssen durch T. P. erhoben, mit denen die Disziplinargerichte bestimmt wurden, die zur Entscheidung über die gegen K. M. und M. F. eingeleiteten Disziplinarverfahren berufen waren, und zwar im Fall von K. M. hinsichtlich eines Disziplinarverfahrens wegen öffentlicher Äußerungen zu einem laufenden Disziplinarverfahren, mit denen die Unabhängigkeit und Rechtmäßigkeit der Handlungen der KRS und der verfassungsmäßige und unpolitische Charakter der Disziplinarkammer angezweifelt wurden, und im Fall von M. F. hinsichtlich eines Disziplinarverfahrens wegen Verstößen gegen Unionsvorschriften, die sich aus ihren gerichtlichen Entscheidungen angeblich ergeben sollen.
28 Schließlich beantragten K. M. und M. F. im Rahmen der genannten Klagen einstweilige Anordnungen und prozessleitende Maßnahmen, die den in Rn. 24 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen. K. M. beantragte darüber hinaus, dem Beklagten des Ausgangsverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, weiterhin als Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) tätig zu sein, und dieses Gericht anzuweisen, den Betreffenden von jeglicher gerichtlichen Tätigkeit auszuschließen.
Rechtssache C‑493/20
29 Mit seiner Klage im Ausgangsverfahren begehrt P. J., der Richter am Sąd Rejonowy w O. (Rayongericht O., Polen) ist, die Feststellung, dass keine Dienstverhältnisse zwischen A. T. und R. W. einerseits und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) andererseits bestehen, weil es bei ihren Ernennungen zu Richtern in der Disziplinarkammer angeblich zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen.
30 Die Klage wurde im Anschluss an eine Entscheidung erhoben, mit der ein mit drei Richtern besetzter Spruchkörper der Disziplinarkammer, in der A. T. und R. W. saßen, im Rahmen eines Disziplinarverfahrens gegen P. J. dessen vorübergehende Suspendierung während dieses Verfahrens bestätigte und gleichzeitig dessen Dienstbezüge für die Dauer der Suspendierung um 40 % kürzte. Diese Entscheidung wurde u. a. damit begründet, dass P. J. ohne Rechtsgrundlage eine Entscheidung getroffen habe, mit der der Leiter des Sekretariats des Sejm (Abgeordnetenkammer) aufgefordert worden sei, Listen von Bürgern und Richtern vorzulegen, die Bewerbungen für Stellen als Mitglieder der neuen KRS unterstützt hätten.
31 Im Rahmen seiner Klage beantragte P. J. auch prozessleitende Maßnahmen und einstweilige Anordnungen, die den in Rn. 28 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, darunter die Anordnung der Aussetzung des in der vorstehenden Randnummer erwähnten Disziplinarverfahrens.
Rechtssache C‑492/20
32 Mit seiner Klage im Ausgangsverfahren begehrt W. Ż., der Richter am Sąd Okręgowy w K. (Regionalgericht K.) ist, festzustellen, dass das Dienstverhältnis zwischen K. Z. und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) nicht besteht, weil es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, und weil diese sich angeblich auf dessen Ernennung zum Richter in der Izba Cywilna (Zivilkammer) des genannten Gerichts (im Folgenden: Zivilkammer) ausgewirkt hätten.
33 Im Rahmen dieser Klage macht W. Ż. geltend, dass gegen ihn derzeit ein Disziplinarverfahren geführt werde, weil er in einem Interview die Rechtmäßigkeit der Ernennung von K. Z. in Frage gestellt habe, und dass eine Feststellung, dass das Dienstverhältnis von K. Z. nicht bestehe, es ihm ermöglichen könnte, die Begründetheit der von ihm in dieser Weise geäußerten Auffassung zu belegen. Das vorlegende Gericht bezieht sich auch auf die Tatsache, dass K. Z. als amtierender Präsident des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) ein Dekret erlassen habe, dessen Wirkung darin bestanden habe, ein Dekret seines Vorgängers aufzuheben und der Disziplinarkammer wieder die Aufgabe zu übertragen, die Akten der gegen Richter eingeleiteten Disziplinarverfahren aufzubewahren und die administrative Verwaltung dieser Akten sicherzustellen.
34 Schließlich beantragte W. Ż. einstweilige Anordnungen und prozessleitende Maßnahmen, die den in Rn. 28 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen und insbesondere eine Aussetzung des gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens zum Ziel haben. Außerdem beantragte er eine Beweiserhebung in Bezug auf das in der vorstehenden Randnummer erwähnte Interview.
Rechtssache C‑491/20
35 Mit seiner Klage im Ausgangsverfahren begehrt abermals W. Ż. die Feststellung, dass zwischen A. S. und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) kein Dienstverhältnis besteht, weil es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, und weil diese sich angeblich auf die Ernennung von A. S. zum Richter in der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des genannten Gerichts (im Folgenden: Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten) ausgewirkt hätten.
36 Diese Klage wurde erhoben, nachdem A. S. als Einzelrichter der genannten Kammer einen Beschluss erlassen hatte, mit dem eine Klage abgewiesen wurde, in deren Rahmen W. Ż. eine Entscheidung angefochten hatte, durch die er ohne seine Zustimmung versetzt worden war. Zum Zeitpunkt des Erlasses des genannten Beschlusses war bei der Zivilkammer aber ein Antrag anhängig, der u. a. auf Ablehnung aller anderen Richter gerichtet war, aus denen sich die normalerweise für die Entscheidung über die fragliche Klage zuständige Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten zusammensetzt.
37 Im Rahmen der genannten Klage beantragte W. Ż. auch prozessleitende Maßnahmen und einstweilige Anordnungen, die den in Rn. 28 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen.
Rechtssache C‑495/20
38 [Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] Mit seiner Klage im Ausgangsverfahren begehrt T. M., der Richter am Sąd Rejonowy w B. (Rayongericht B., Polen) ist, festzustellen, dass das Dienstverhältnis zwischen T. D., M. D., P. K., J. L., M. L, O. N., G. Z. und A. S. einerseits und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) andererseits nicht besteht, weil es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, und weil diese sich angeblich auf die Ernennung der Betroffenen zu Richtern in der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten ausgewirkt hätten.
39 Diese Klage wurde erhoben, nachdem die Kammer einen Antrag auf Ablehnung ihrer Mitglieder zurückgewiesen hatte, den T. M. im Rahmen eines gegen Entscheidungen der KRS eingeleiteten Verfahrens gestellt hatte; diese Entscheidungen bezogen sich zum einen auf die „Feststellung, das Ausschlussverfahren eines Mitglieds der KRS von der Prüfung der Rechtssache einzustellen“, und zum anderen auf „die Beschwerde gegen die Geschäftsverteilung“.
40 Im Rahmen seiner Klage beantragte T. M. prozessleitende Maßnahmen und einstweilige Anordnungen, die den in Rn. 28 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen und insbesondere darauf abzielen, dass das Verfahren vor der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten, in dem er Verfahrensbeteiligter ist, ausgesetzt wird.
Rechtssachen C‑506/20 und C‑511/20
41 Mit ihren jeweiligen Klagen in den Rechtssachen C‑506/20 und C‑511/20 begehren T. B. und B. S., die beide Richter am Sąd Rejonowy w S. (Rayongericht S., Polen) sind, im Fall von T. B., festzustellen, dass die Dienstverhältnisse aller in Rn. 38 des vorliegenden Beschlusses genannten Richter der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten nicht bestehen, und im Fall von B. S., festzustellen, dass in Bezug auf sechs dieser Richter keine Dienstverhältnisse bestehen. Die von den Klägern dieser Ausgangsverfahren zur Begründung ihrer Klagen angeführten Gründe beruhen darauf, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die den in Rn. 23 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, und dass diese sich angeblich auf die Ernennung der Betroffenen zu Richtern in der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten ausgewirkt hätten.
42 Ihr Rechtsschutzinteresse begründen die Kläger damit, dass sie, nachdem sie sich um eine Stelle als Richter in der Disziplinarkammer beworben hätten, beide nicht von der KRS für diese Ernennung vorgeschlagen worden seien. Ihre jeweiligen Klagen gegen die Entschließung dieses Organs, mit dem andere Kandidaten für diese Ernennung vorgeschlagen worden seien, müssten grundsätzlich von der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten und damit potenziell von den Richtern geprüft werden, die in den Ausgangsverfahren Beklagte seien.
43 Im Rahmen ihrer Klagen beantragten T. B. und B. S. prozessleitende Maßnahmen und einstweilige Anordnungen, die im Wesentlichen den in Rn. 28 des vorliegenden Beschlusses genannten entsprechen, wobei diese Anordnungen insbesondere die Aussetzung der von ihnen bei der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten eingeleiteten Verfahren umfassen.
Vorlagefragen
44 Wie aus den Vorlageentscheidungen hervorgeht, haben die verschiedenen Spruchkörper der Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen, bei denen die vorliegenden Klagen der Ausgangsverfahren anhängig sind, zunächst beschlossen, deren Prüfung bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑508/19, Prokurator Generalny u. a. (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung), auszusetzen.
45 [Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] In Anbetracht mehrerer nach diesen Aussetzungsentscheidungen eingetretener Umstände haben diese Spruchkörper jedoch später beschlossen, die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen zu stellen. Diese Umstände bestehen erstens darin, dass der Präsident der Disziplinarkammer am 6. Mai 2020 einen Antrag auf Übermittlung der meisten Akten der Ausgangsverfahren stellte und der Staatsanwalt am 7. und 8. Juli 2020 die Verweisung aller dieser Verfahren an diese Kammer beantragte. Zweitens beziehen sich die vorlegenden Spruchkörper auf die kürzlich durch das Gesetz vom 20. Dezember 2019 erfolgte Einführung eines neuen Art. 29 §§ 2 und 3 in das Gesetz über das Oberste Gericht, der es dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) untersagt, die Legitimität der Gerichte in Frage zu stellen oder die Rechtmäßigkeit der Ernennung von Richtern oder deren Befugnis, Aufgaben im Bereich der Rechtspflege auszuüben, zu beurteilen. Drittens berichten diese Spruchkörper von einem Schreiben des Präsidenten der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten vom 8. Juli 2020. In diesem Schreiben habe dieser darauf hingewiesen, dass in Anbetracht des neuen Art. 26 § 2 Satz 1 des Gesetzes über das Oberste Gericht, einer Bestimmung, die ebenfalls erst kürzlich durch das Gesetz vom 20. Dezember 2019 in das Gesetz über das Oberste Gericht eingefügt worden sei, die genannte Kammer zur Entscheidung darüber zuständig sei, ob die Klagen der Ausgangsverfahren in die Zuständigkeit der Disziplinarkammer oder in die der Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen fielen, der die verschiedenen Spruchkörper angehörten, bei denen diese Klagen derzeit anhängig seien.
46 Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Izba Pracy i Ubezpieczeń Społecznych) (Oberstes Gericht [Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen], Polen) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof in jeder der vorliegenden Rechtssachen folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 279 AEUV und Art. 160 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 1 EUV sowie mit Nr. 1 erster und zweiter Gedankenstrich des Tenors des Beschlusses vom 8. April 2020, Kommission/Polen (C‑791/19 R, EU:C:2020:277), dahin zu verstehen, dass der Präsident der Disziplinarkammer des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), oder nach dem Wortlaut der Frage, wie sie in der Rechtssache C‑492/20 gestellt wurde, „der Staatsanwalt“ bis zur Verkündung des Urteils in der Rechtssache C‑791/19 aufgrund der Aussetzung der Anwendung von Art. 3 Nr. 5, Art. 27 und Art. 73 § 1 des Gesetzes über das Oberste Gericht nicht die Übermittlung der Akten einer Rechtssache betreffend die Feststellung des Nichtbestehens eines Dienstverhältnisses als Richter am Obersten Gericht verlangen kann?
2. Sind Art. 2 und Art. 4 Abs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV sowie das Recht auf Zugang zu einem Gericht dahin auszulegen, dass
a) ein nationales Gericht verpflichtet ist, die Verbote „der Anzweiflung der Legitimität von Gerichten“ und „der Feststellung oder der Beurteilung – durch Gerichte – der Rechtmäßigkeit der Ernennung von Richtern oder der aus dieser Ernennung resultierenden Befugnis zur Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Rechtsprechung“, wie sie in Art. 29 §§ 2 und 3 des Gesetzes über das Oberste Gericht aufgestellt werden, unangewendet zu lassen, weil die Achtung der verfassungsrechtlichen Identität der Mitgliedstaaten durch die Union den nationalen Gesetzgeber nicht berechtigt, Lösungen einzuführen, die die Grundwerte und ‑prinzipien der Union untergraben;
b) die verfassungsrechtliche Identität eines Mitgliedstaats nicht das Recht auf ein unabhängiges, durch Gesetz errichtetes Gericht nehmen kann, wenn das Ernennungsverfahren vor der Aushändigung der Ernennungsurkunde mit den in den Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑487/19 und C‑508/19 beschriebenen Mängeln behaftet war und seine vorherige gerichtliche Überprüfung bewusst und in einer mit der nationalen Verfassung offensichtlich nicht vereinbaren Weise ausgeschlossen wird?
3. Sind Art. 2 und Art. 4 Abs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV sowie der Grundsatz des Rechts auf Zugang zu einem Gericht und Art. 267 AEUV dahin auszulegen, dass der Inhalt des Begriffs der verfassungsrechtlichen Identität eines Mitgliedstaats in Bezug auf das Recht auf Zugang zu einem Gericht in einer für das letztinstanzliche Gericht eines Mitgliedstaats verbindlichen Weise nur im Rahmen eines Dialogs dieses Gerichts oder anderer nationaler Gerichte (z. B. des Trybunał Konstytucyjny [Verfassungsgerichtshof]) mit dem Gerichtshof unter Anwendung des Vorabentscheidungsverfahrens bestimmt werden kann?
4. Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV – diese Präzisierung findet sich nur in den Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑494/20, C‑506/20, C‑509/20 und C‑511/20 – sowie der Grundsatz des Rechts auf Zugang zu einem zuvor durch Gesetz errichteten Gericht dahin auszulegen, dass ein letztinstanzliches Gericht eines Mitgliedstaats ein Ersuchen auf Übermittlung der Akten einer Rechtssache, in der es eine Vorlagefrage an den Gerichtshof gerichtet hat – diese Präzisierung findet sich nur in den Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑491/20 und C‑509/20 –, ablehnt, wenn dieses Ersuchen von einer Person gestellt wurde, die auf der Grundlage nationaler Vorschriften und unter Umständen, die zur Errichtung eines Gerichts führen, das die Anforderungen an Autonomie und Unabhängigkeit nicht erfüllt und kein durch Gesetz errichtetes Gericht ist, zum Richter ernannt wurde, ohne dass das Verfahren, von dem im Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑508/19 oder im Urteil des Gerichtshofs vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982), die Rede ist, vorher ausgeschöpft werden muss?
47 Sodann ist in den Vorlageentscheidungen in den Rechtssachen C‑491/20 bis C‑495/20, C‑506/20 und C‑511/20 eine fünfte Frage wie folgt gestellt worden:
5. Ist Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 und Art. 4 Abs. 3 EUV sowie dem Recht auf Zugang zu einem Gericht dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das über die Feststellung, ob aufgrund grundlegender Mängel des Ernennungsverfahrens ein Dienstverhältnis eines Richters eines nationalen Gerichts nicht besteht, verpflichtet ist, einstweilige Anordnungen zu treffen und dem Beklagten in einer solchen Rechtssache unter Androhung der Unwirksamkeit der von einem solchen Richter erlassenen Handlungen oder Entscheidungen zu untersagen, in allen anderen Rechtssachen zu entscheiden, die unter das Unionsrecht fallen, und den anderen Organen aufzugeben, es zu unterlassen, diesem Beklagten Rechtssachen zuzuweisen oder ihn in Spruchkörpern zu benennen?
48 Schließlich hat das vorlegende Gericht in allen diesen verbundenen Rechtssachen mit Ausnahme der Rechtssache C‑509/20 unter Hinweis darauf, dass es „gemäß Art. 267 AEUV in Verbindung mit Nr. 27 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1)“ tätig wird, die folgenden vier Fragen gestellt, die den Wortlaut von vier bereits zuvor im Rahmen der Rechtssache C‑508/19, Prokurator Generalny u. a. (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung), an den Gerichtshof gerichteten Fragen identisch wiedergeben:
6. Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs 2, Art. 2, Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta sowie Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass ein letztinstanzliches Gericht eines Mitgliedstaats in einem Verfahren über die Feststellung des Nichtbestehens eines Dienstverhältnisses entscheiden kann, dass kein Richter ist, wem eine Urkunde über die Berufung in ein Richteramt bei diesem Gericht ausgehändigt wurde, die auf der Grundlage von gegen den Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes verstoßenden Vorschriften oder in einer mit diesem Grundsatz nicht im Einklang stehenden Art und Weise ausgestellt worden ist, wenn eine Prüfung dieser Frage durch ein Gericht vor der Aushändigung dieser Urkunde vorsätzlich unmöglich gemacht wird?
7. Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 2 und Art. 4 Abs. 3 EUV sowie Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 267 AEUV dahin auszulegen, dass gegen den Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes verstoßen wird, wenn eine Urkunde über die Berufung in ein Richteramt ausgehändigt wird, nachdem ein nationales Gericht eine Vorabentscheidungsfrage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt hat, von deren Beantwortung abhängt, ob die nationalen Vorschriften, deren Anwendung die Aushändigung dieser Urkunde ermöglicht hat, als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden können?
8. Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 2, Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 3 EUV sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass der Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes dadurch verletzt wird, dass das Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht gewährleistet ist, wenn die Urkunde über die Berufung in ein Richteramt bei einem mitgliedstaatlichen Gericht infolge eines Ernennungsverfahrens ausgehändigt worden ist, das unter eklatantem Verstoß gegen die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über die Ernennung von Richtern durchgeführt worden ist?
9. Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 2 und Art. 4 Abs. 3 EUV sowie Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass der Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes dadurch verletzt wird, dass der nationale Gesetzgeber innerhalb des letztinstanzlichen Gerichts des Mitgliedstaats eine organisatorische Einheit geschaffen hat, die kein Gericht im Sinne des Unionsrechts ist?
Verfahren vor dem Gerichtshof
Zu den Anträgen auf ein beschleunigtes Verfahren
49 Das vorlegende Gericht hat beantragt, die erste und die fünfte Vorlagefrage einem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung zu unterwerfen. Zur Begründung dieses Antrags machte es geltend, dass hinsichtlich der ersten Frage ein beschleunigtes Verfahren geboten sei, um Zweifel am sachlichen Anwendungsbereich des Beschlusses vom 8. April 2020, Kommission/Polen (C‑791/19 R, EU:C:2020:277), auszuräumen. In Bezug auf die fünfte Frage sei ein beschleunigtes Verfahren geboten, um das Funktionieren eines nationalen Justizsystems zu gewährleisten, das den Anforderungen des Unionsrechts genüge.
50 Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.
51 Ein solches beschleunigtes Verfahren ist ein Verfahrensinstrument, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichtshofs mit Beschlüssen vom 12. und 30. Oktober 2020 sowie vom 13. November 2020 nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts entschieden, den in Rn. 49 des vorliegenden Beschlusses genannten Anträgen nicht stattzugeben.
53 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Präsident des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑508/19, Prokurator Generalny u. a. (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung), die denselben Ausgangsrechtsstreit wie die Rechtssache C‑509/20 betrifft und in der dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden, die mit der sechsten bis neunten Frage in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen identisch sind, mit Entscheidung vom 20. August 2019 bereits einen früheren Antrag des vorlegenden Gerichts auf ein beschleunigtes Verfahren zurückgewiesen hat. Insofern gelten die in den Rn. 39 bis 43 des Urteils Prokurator Generalny für diese Zurückweisung dargelegten Gründe auch für die in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen gestellten Anträge auf ein beschleunigtes Verfahren.
54 Im Übrigen ist, selbst wenn angenommen wird, dass ein beschleunigtes Verfahren, wie es das vorlegende Gericht hier beantragt, nur in Bezug auf einige der Vorlagefragen, mit denen der Gerichtshof befasst ist, statthaft wäre, festzustellen, dass nicht erkennbar ist, inwiefern eine Antwort auf die erste Frage besonders dringlich wäre; im Übrigen hat das vorlegende Gericht seinen Antrag diesbezüglich auch in keiner Weise begründet.
55 Zur fünften Frage ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines nationalen Verfahrens ergeht, in dem einstweilige Anordnungen erlassen werden können, für sich genommen nicht geeignet ist, zu belegen, dass die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert (Urteil Prokurator Generalny, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zweitens ist festzustellen, dass die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen, auf die sich diese fünfte Frage bezieht, bereits seit Langem beim vorlegenden Gericht anhängig waren, insbesondere bei den Spruchkörpern dieses Gerichts, die die Prüfung der Ausgangsverfahren zunächst in Erwartung des Urteils in der Rechtssache C‑508/19, Prokurator Generalny u. a. (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung), ausgesetzt hatten; dies trägt schwerlich dazu bei, eine außerordentliche Dringlichkeitssituation, die ein beschleunigtes Verfahren zur Beantwortung dieser Frage rechtfertigen könnte, zu belegen.
Zur Verbindung
56 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. November 2020 sind die Rechtssachen C‑491/20 bis C‑496/20, C‑506/20, C‑509/20 und C‑511/20 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zur teilweisen Rücknahme der Vorlagefragen
57 Nachdem der Gerichtshof im Urteil Prokurator Generalny das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑508/19 für unzulässig erklärt hatte, ist das vorlegende Gericht gefragt worden, ob es die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten wolle.
58 In seiner Antwort hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof am 27. April 2022 mitgeteilt, dass es beschlossen habe, die erste, die achte und die neunte Vorlagefrage zurückzunehmen und die übrigen sechs Fragen aufrechtzuerhalten. Die Beschlüsse, in denen diese Entscheidung begründet wurde, hat das vorlegende Gericht am 23. Mai 2022 erlassen und dem Gerichtshof am selben Tag übermittelt.
59 Aus dieser Begründung geht hervor, dass das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass die Notwendigkeit, die zweite bis vierte Frage zu beantworten, weiterhin bestehe, und zwar auch dann, wenn der Gerichtshof die sechste und die siebte Frage verneint oder für unzulässig erklärt, wie er dies im Urteil Prokurator Generalny getan hat. Die vierte Frage beziehe sich nämlich auf eine verfahrensrechtliche Schwierigkeit, bei der das vorlegende Gericht eine mögliche Übertragung der Rechtssachen an die Disziplinarkammer oder die Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten prüfen und hierüber entscheiden müsse. Die zweite und die dritte Frage stünden in engem Zusammenhang mit der vierten Frage. Zudem seien die Antworten auf die zweite und die dritte Frage umso notwendiger, als das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof) vor Kurzem eine Rechtsprechung eingeleitet habe, die den Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts einschränke.
60 Zur fünften Frage führt das vorlegende Gericht aus, dass diese nur dann als gegenstandslos angesehen werden könne, wenn die sechste und die siebte Frage vom Gerichtshof verneint oder für unzulässig erklärt würden.
61 Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es bei der sechsten und der siebten Frage darum gehe, ob das Unionsrecht vorschreibe, dass im nationalen Recht ein Rechtsbehelf wie der im Rahmen der Ausgangsverfahren in Betracht gezogene zum Schutz der Rechte, die der Einzelne aus diesem Recht herleite, vorgesehen sei.
62 Allerdings sei zum einen das Verfahren zur Feststellung des Nichtbestehens des Dienstverhältnisses des im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑508/19 beklagten Richters entgegen der Auffassung, die der Gerichtshof im Urteil Prokurator Generalny vertreten habe, nicht akzessorisch zu dem Disziplinarverfahren gewesen, das gegen die im Ausgangsverfahren klagende Richterin in dieser Rechtssache eingeleitet worden sei. Diese beiden Verfahren seien nämlich eigenständig, und im Übrigen werde Interesse eines Klägers an einer negativen Feststellungsklage erst beurteilt, nachdem der so eingeleitete Rechtsbehelf für zulässig befunden worden sei. Darüber hinaus gebe es in mehreren der vorliegenden Ausgangsverfahren kein parallel anhängiges Verfahren, das dem Verfahren im Urteil Prokurator Generalny entspreche.
63 Zum anderen müsse die in diesem Urteil erwähnte Berücksichtigung des nationalen Systems aller den Einzelnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe dazu führen, dass sich die fragliche negative Feststellungklage als einziger Weg zur Gewährleistung der Garantien aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta durchsetze, da es innerstaatlich keinen Rechtsbehelf gebe, mit dem das Mandat eines Richters direkt in Frage gestellt werden könne, wenn dieser unrechtmäßig vom Präsidenten der Republik ernannt worden sei.
64 Des Weiteren weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Richter, die sich an die Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Rechtsstaatsprinzip hielten, nunmehr sowohl disziplinarischen als auch strafrechtlichen Repressalien ausgesetzt seien. Das vorlegende Gericht belegt dies mit verschiedenen konkreten Beispielen, die es aufführt. Es weist ferner darauf hin, dass die nationalen Akten in den Rechtssachen C‑487/19 und C‑508/19, die der Gerichtshof an die vorlegenden Gerichte in diesen Rechtssachen zurückgesandt habe, vom neuen Ersten Präsidenten des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) verwahrt worden seien und nicht an diese Gerichte übermittelt worden seien und dass die Zusammensetzung dieser Gerichte inzwischen umgestaltet worden sei, so dass diese nun mehrheitlich aus Richtern bestünden, die im Rahmen von Verfahren ernannt worden seien, die mit ähnlichen Mängeln behaftet seien wie den in der Rechtssache C‑487/19 in Rede stehenden.
65 Schließlich meint das vorlegende Gericht in Bezug auf die besonderen, die Rechtssachen C‑494/20, C‑496/20, C‑508/19 und C‑509/20 kennzeichnenden Umstände, dass berücksichtigt werden müsse, dass letztlich die Disziplinarkammer berufen sei, durch ihren Präsidenten überprüfen zu lassen, ob die Einsetzung der Disziplinargerichte, die für die Entscheidung über die parallel gegen die Kläger der Ausgangsverfahren geführten Disziplinarverfahren zuständig seien, rechtmäßig sei.
Zur Zulässigkeit
66 Nach Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn er für die Entscheidung über eine Rechtssache offensichtlich unzuständig ist oder wenn ein Ersuchen offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
67 Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall Anwendung. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem Urteil Prokurator Generalny bleibt hinsichtlich der Unzulässigkeit der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen nunmehr keinerlei Raum für Zweifel (vgl. entsprechend Beschluss vom 6. Oktober 2020, Prokuratura Rejonowa w Słubicach, C‑623/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:800, Rn. 23).
Zur sechsten und zur siebten Frage
68 Was die sechste und die siebte Vorlagefrage betrifft, so ist zunächst zum einen darauf hinzuweisen, dass diese Fragen denselben Wortlaut haben wie die ersten beiden Fragen des Vorabentscheidungsersuchens, das der Gerichtshof im Urteil Prokurator Generalny für unzulässig erklärt hat. Zum anderen wurde jenes Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen desselben Ausgangsverfahrens an den Gerichtshof gerichtet wie dasjenige, das später zum Vorabentscheidungsersuchen in einer der vorliegenden verbundenen Rechtssachen geführt hat, nämlich der Rechtssache C‑509/20.
69 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Gerichtshof in Rn. 60 des Urteils Prokurator Generalny auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen hat, wonach das durch Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen, und wonach die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen liegt, sondern darin, dass es für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist. Auch hat der Gerichtshof in Rn. 62 dieses Urteils auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Aufbau von Art. 267 AEUV folgt, dass das Vorabentscheidungsverfahren insbesondere voraussetzt, dass bei den nationalen Gerichten tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sie eine Entscheidung erlassen müssen, bei der das Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren berücksichtigt werden kann.
70 In Bezug auf die im Ausgangsverfahren anhängige Zivilklage auf Feststellung des Nichtbestehens des Dienstverhältnisses eines Richters in der Rechtssache C‑508/19 hatte der Gerichtshof zwar in Rn. 66 des Urteils Prokurator Generalny darauf hingewiesen, dass es, soweit eine solche auf eine deklaratorische Entscheidung gerichtete Klageart nach nationalem Recht zulässig ist und ein vorlegendes Gericht die Klage, mit der es auf der Grundlage dieses Rechts befasst ist, für zulässig erklärt hat, nicht Sache des Gerichtshofs ist, diese Beurteilung in Frage zu stellen, doch hat der Gerichtshof in Rn. 67 dieses Urteils festgestellt, dass dies in jener Rechtssache gerade nicht der Fall war.
71 Das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑508/19, bei dem eine Klage dieser Art anhängig war, stellte nämlich fest, dass es nach dem anwendbaren nationalen Recht nicht über die Zuständigkeit verfüge, die es ihm erlauben würde, über die Rechtmäßigkeit des Rechtsakts zu entscheiden, mit dem eine Person zum Richter ernannt worden sei, und dass die Zulässigkeit einer solchen Klage auch nicht auf der Grundlage dieses nationalen Rechts begründet werden könne. Auch das vorlegende Gericht, das in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen mit entsprechenden Klagen befasst ist, verfügt über keine derartige Zuständigkeit.
72 Nachdem der Gerichtshof in den Rn. 68 und 69 des Urteils Prokurator Generalny ferner auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen hat, wonach die durch Art. 267 AEUV geschaffene Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten grundsätzlich voraussetzt, dass das vorlegende Gericht für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zuständig ist, damit dieser nicht als rein hypothetisch angesehen wird, und es sich nur unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen anders verhalten kann, hat der Gerichtshof in den Rn. 70 ff. dieses Urteils die Gründe dargelegt, warum in dem betreffenden Fall ein außergewöhnlicher Umstand nicht gegeben war.
73 Hierzu hat der Gerichtshof erstens – wie sich aus Rn. 70 des Urteils Prokurator Generalny im Licht der Rn. 63 bis 65 dieses Urteils ergibt – festgestellt, dass aus Ausführungen in der Vorlageentscheidung in der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt hat, hervorgeht, dass die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens eingereichte Klage zwar formal auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Dienstverhältnisses zwischen dem Beklagten des Ausgangsverfahrens und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) gerichtet war, mit dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Übrigen überhaupt nichts zu tun hatte. Letztendlich zielte die Klage aber darauf ab, die Gültigkeit der Ernennung dieses Beklagten zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) in Frage zu stellen. Der Gerichtshof hat auch ausgeführt, dass die Klägerin damit in Wirklichkeit die Klärung einer Rechtsfrage anstrebte, die sich im Rahmen eines damals vor einem anderen nationalen Gericht gegen sie geführten Disziplinarverfahrens stellte und die Wirksamkeit des Rechtsakts betraf, mit dem dieses Gericht zur Entscheidung bestimmt worden war. Es handelte sich folglich um ein anderes Gerichtsverfahren als das im Ausgangsverfahren eingeleitete, dessen Aussetzung die Klägerin im Übrigen im Wege der einstweiligen Anordnung beim vorlegenden Gericht beantragt hatte.
74 Entsprechende Feststellungen drängen sich jedoch in allen Ausgangsverfahren auf, die zu den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt haben.
75 Zunächst gilt dies für die Rechtssache C‑509/20, die, wie bereits erwähnt, denselben Ausgangsrechtsstreit betrifft wie der, zu dem das Urteil Prokurator Generalny ergangen ist. Das Gleiche gilt für die Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑494/20 und C‑496/20, die, wie aus den Rn. 25 bis 28 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, in jeder Hinsicht eine ähnliche Konstellation aufweisen wie das Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑508/19 und C‑509/20.
76 [Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] Dies ist im Übrigen auch bei den anderen Ausgangsverfahren in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen der Fall. Denn wie sich aus den Ausführungen in den Vorlageentscheidungen und den Darstellungen in den Rn. 29 bis 43 des vorliegenden Beschlusses ergibt, sind die von den verschiedenen Klägern der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑491/20 bis C‑493/20, C‑495/20, C‑506/20 und C‑511/20 erhobenen Klagen zwar formal auf die Feststellung gerichtet, dass zwischen den Beklagten in jedem dieser Ausgangsrechtsstreitigkeiten und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) kein Dienstverhältnis besteht, letztlich zielen diese Klagen aber darauf ab, die Gültigkeit der Ernennung dieser Beklagten zu Richtern am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) in Frage zu stellen, und somit darauf, Rechtsfragen zu klären, die sich im Rahmen anderer Verfahren stellen, in denen die Kläger der Ausgangsverfahren vor anderen Gerichten Partei sind. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass fast alle der genannten Kläger auch beim vorlegenden Gericht in den vorliegenden Rechtssachen beantragt haben, im Wege der einstweiligen Anordnung die Aussetzung dieser anderen getrennten Gerichtsverfahren, in denen sie dergestalt Parteien sind, anzuordnen.
77 Somit beziehen sich die sechste und die siebte Frage in den Rechtssachen C‑491/20, C‑492/20 bis C‑496/20, C‑506/20 und C‑511/20 in Entsprechung zu dem, was der Gerichtshof in Rn. 71 des Urteils Prokurator Generalny für die an den Gerichtshof in der Rechtssache C‑508/19 gerichteten identischen Fragen festgestellt hat, ihrem Wesen nach auf andere Rechtsstreitigkeiten als die der Ausgangsverfahren. Für diese sind sie in Wirklichkeit nur akzessorisch insofern, als diese Fragen im Wesentlichen darauf abzielen, eine Beurteilung zu ermöglichen, ob bestimmte angebliche Unregelmäßigkeiten, die die Ernennung der im Ausgangsverfahren beklagten Richter berührten, dazu führen, dass diese nicht berechtigt waren oder sein werden, Handlungen im Rahmen dieser anderen Rechtsstreitigkeiten zu erlassen. In vergleichbarer Weise sollen diese Fragen in dem spezifischen Kontext der Rechtssache C‑492/20 die Beurteilung ermöglichen, ob eine Behauptung, mit der solche Unregelmäßigkeiten gerügt werden, im Rahmen des Disziplinarverfahrens, in dem der Kläger des Ausgangsverfahrens in dieser Rechtssache im Übrigen Partei ist, als Disziplinarvergehen qualifiziert werden kann.
78 Wie der Gerichtshof ebenfalls in Rn. 71 des Urteils Prokurator Generalny hervorgehoben hat, wäre er unter diesen Umständen, um die Tragweite dieser Fragen in vollem Umfang zu beurteilen und sie in geeigneter Weise zu beantworten, gezwungen, die relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die diese anderen Verfahren kennzeichnen, statt sich an die Konstellation der Ausgangsrechtsstreitigkeiten zu halten, wie es Art. 267 AEUV indessen verlangt.
79 Zweitens hat der Gerichtshof in Rn. 72 des Urteils Prokurator Generalny festgestellt, dass die Klägerin, wenn sie nicht über ein unmittelbares Klagerecht gegen die Ernennung des Beklagten in der dem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache zum Präsidenten der Disziplinarkammer oder gegen die Handlung des Beklagten verfügt, mit der das mit der Prüfung des Disziplinarverfahrens gegen die Klägerin in dieser Rechtssache betraute Disziplinargericht bestimmt wurde, vor diesem Gericht hätte rügen können, dass durch diese Handlung gegebenenfalls ihr Recht darauf verletzt worden sei, dass in diesem Verfahren ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht entscheidet.
80 In Rn. 73 des Urteils Prokurator Generalny hat der Gerichtshof ferner hervorgehoben, dass er bereits entschieden hat, dass nationale Rechtsvorschriften, die dem Präsidenten der Disziplinarkammer in dieser Weise das Ermessen einräumen, das örtlich zuständige Disziplinargericht für Disziplinarverfahren zu bestimmen, die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit betreffen, gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 176). Ebenso hat der Gerichtshof in Rn. 74 des Urteils Prokurator Generalny festgestellt, dass angesichts der unmittelbaren Wirksamkeit dieser Bestimmung, soweit darin die Anforderung aufgestellt wird, dass die zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts berufenen Gerichte unabhängig, unparteiisch und zuvor durch Gesetz errichtet sein müssen, der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts es einem so bestimmten Disziplinargericht vorschreibt, solche nationalen Vorschriften unangewendet zu lassen und sich somit für die Entscheidung über das ihm so zugewiesene Verfahren für unzuständig zu erklären.
81 Zu dem vom vorlegenden Gericht angeführten und in Rn. 65 des vorliegenden Beschlusses erwähnten Umstand, dass es letztlich Sache der Disziplinarkammer sein werde, die Rechtmäßigkeit der Bestimmung der für die betreffenden Disziplinarverfahren zuständigen Disziplinargerichte durch den Präsidenten dieser Kammer zu überprüfen, ist Folgendes festzustellen: Der Gerichtshof hat nach Einreichung der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen u. a. entschieden, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen hat, dass sie nicht die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Disziplinarkammer gewährleistet, die im zweiten Rechtszug über Disziplinarsachen, die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit betreffen, zu entscheiden hat (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 113).
82 [Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] Aus den bereits in Rn. 75 des vorliegenden Beschlusses dargelegten Gründen gelten die Erwägungen der Rn. 79 bis 81 des vorliegenden Beschlusses in gleicher Weise im Kontext der hier vorliegenden Rechtssachen C‑494/20, C‑496/20 und C‑509/20.
83 Darüber hinaus können in entsprechender Weise ähnliche Überlegungen für die übrigen Ausgangsverfahren in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen angestellt werden.
84 So ist zunächst offenkundig, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑492/20 in der Lage gewesen wäre, angebliche Mängel bei der Ernennung des im Ausgangsverfahren beklagten Richters im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV unmittelbar vor dem Disziplinargericht, das mit dem gegen ihn geführten Disziplinarverfahren befasst war, vorzubringen. Der Kläger hätte damit dem entgegentreten können, dass seine in Rn. 33 des vorliegenden Beschlusses beschriebenen Äußerungen im Zusammenhang mit den Umständen, unter denen diese Ernennung erfolgte, angeblich den Tatbestand eines Vergehens erfüllen.
85 Sodann ist in Bezug auf die Rechtssache C‑493/20 anzumerken, dass auch der Kläger dieses Ausgangsverfahrens in den Genuss kommen muss, sich auf die potenzielle Unwirksamkeit der von der Disziplinarkammer gegen ihn erlassenen vorläufigen Entscheidung berufen zu können, indem er geltend macht, dass diese Entscheidung im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV stehe, und zwar sowohl im Rahmen des gegen ihn noch immer anhängigen Disziplinarverfahrens als auch gegenüber anderen nationalen Behörden, die angerufen werden könnten, um diese Entscheidung durchzuführen.
86 Was die Rechtssache C‑491/20 betrifft, so ist daran zu erinnern, dass im Hinblick auf das Verfahren von W. Ż. wegen Anfechtung der Versetzungsmaßnahme, der er unterworfen war und die zu dem von dem Richter A. S. getroffenen Beschluss geführt hatte, auf den in Rn. 36 des vorliegenden Beschlusses Bezug genommen wird, die im Zusammenhang mit diesem Verfahren mit einem Ablehnungsantrag befasste Zivilkammer dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt hat, zu dem inzwischen am 6. Oktober 2021 das Urteil W. Ż (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798) ergangen ist.
87 In diesem Urteil hat der Gerichtshof, wie aus dessen Tenor hervorgeht, entschieden, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen sind, dass ein nationales Gericht, das mit einem Ablehnungsantrag im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf befasst ist, mit dem ein Richter, der in einem zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts berufenen Gericht tätig ist, eine Entscheidung anficht, durch die er ohne seine Zustimmung versetzt wurde, einen Beschluss als nicht existent anzusehen hat, mit dem ein letztinstanzlich und in Einzelrichterbesetzung entscheidender Spruchkörper diesen Rechtsbehelf zurückgewiesen hat, wenn eine solche Folge in Anbetracht der in Rede stehenden Verfahrenslage unerlässlich ist, um den Vorrang des Unionsrechts zu gewährleisten, und wenn sich aus der Gesamtheit der Bedingungen und Umstände, unter denen das Verfahren zur Ernennung dieses Einzelrichters stattgefunden hat, ergibt, dass die Ernennung unter offensichtlicher Verletzung der Grundregeln erfolgt ist, die Bestandteil der Errichtung und der Funktionsfähigkeit des betroffenen Justizsystems sind, und dass die Integrität des Ergebnisses dieses Ernennungsverfahrens dadurch gefährdet ist, dass bei den Rechtsunterworfenen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters geweckt werden, so dass der genannte Beschluss nicht als von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV erlassen angesehen werden kann.
88 Was schließlich die Rechtssachen C‑495/20, C‑506/20 und C‑511/20 sowie das von den Klägern in diesen Ausgangsverfahren verfolgte Ziel betrifft, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, dass die Richter der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten nicht über die Rechtsbehelfe entscheiden dürfen, die die Kläger vor dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) erhoben haben und auf die sich die Rn. 38 bis 43 des vorliegenden Beschlusses beziehen, so müssen sie auch hier im Rahmen des Verfahrens über diese Rechtsbehelfe und vor dem mit diesen Rechtsbehelfen befassten Gericht Argumente vorbringen können, mit denen eine etwaige Missachtung der betreffenden Bestimmungen des Unionsrechts gerügt wird.
89 Ferner ist noch darauf hinzuweisen, dass angesichts der bereits in Rn. 80 des vorliegenden Beschlusses angeführten unmittelbaren Wirksamkeit von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und der sich somit aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts für alle Behörden jedes Mitgliedstaats ergebenden Folgen nicht erkennbar ist, inwiefern die Entscheidungen, die in den vorliegenden Ausgangsverfahren mit der Wirkung ergehen könnten, dass das Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses der Beklagten der Ausgangsverfahren festgestellt würde, geeignet sein könnten, für die Kläger in diesen Rechtssachen zu einem anderen Ergebnis zu führen als zu dem, das gegebenenfalls unmittelbar aus dem genannten Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV resultieren könnte, und zwar in allen parallelen nationalen Verfahrenskontexten, auf die in den Rn. 82 bis 88 des vorliegenden Beschlusses Bezug genommen worden ist.
90 Drittens hat der Gerichtshof in Rn. 75 des Urteils Prokurator Generalny festgestellt, dass sich aus den Erläuterungen in der Vorlageentscheidung in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist – allesamt Erläuterungen, die sich das vorlegende Gericht in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen in vollem Umfang zu eigen macht –, sowie unmittelbar aus dem Wortlaut der ersten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑508/19, die in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen als sechste Vorlagefrage gestellt wird, hervorgeht, dass die von dem vorlegenden Gericht formulierten Fragen insbesondere damit zusammenhängen, dass der polnische Gesetzgeber die nationale Rechtsordnung bewusst neu gefasst habe, um nunmehr zu verhindern, dass das Verfahren zur Ernennung von Richtern am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein könne.
91 Insoweit hat der Gerichtshof jedoch im Hinblick auf die vom vorlegenden Gericht in dieser Weise beanstandeten Gesetzesänderungen, die nacheinander Art. 44 des KRS-Gesetzes betrafen, im Wesentlichen festgestellt, dass diese, wie sich auch aus den Rn. 77 bis 81 des Urteils Prokurator Generalny ergibt, inzwischen zu dem Urteil vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153), geführt haben. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang insbesondere an den Wortlaut des Tenors jenes Urteils erinnert, der klarstellt, unter welchen Bedingungen das vorlegende Gericht, das den Gerichtshof in jener Rechtssache angerufen hatte, berechtigt wäre, davon auszugehen, dass die besagten Gesetzesänderungen gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und/oder Art. 267 AEUV verstoßen, und sie demzufolge unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vorrangs unangewendet zu lassen.
92 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Rn. 80 des Urteils Prokurator Generalny darauf hingewiesen, dass er in den Rn. 129 und 156 des Urteils vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153), entschieden hat, dass solche Verstöße gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV unter Umständen eintreten können, in denen insbesondere die Bedingungen, unter denen die bis dahin bestehenden Möglichkeiten der gerichtlichen Anfechtung eines solchen Ernennungsverfahrens oder die Wirksamkeit bis dahin bestehender Rechtsbehelfe dieser Art plötzlich beseitigt werden, bei den Rechtsunterworfenen systemische Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der am Ende dieses Verfahrens ernannten Richter wecken können.
93 Darüber hinaus hat der Gerichtshof in Rn. 81 des Urteils Prokurator Generalny auch darauf hingewiesen, dass er in den Rn. 129 und 156 des Urteils vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153), ausdrücklich festgestellt hat, dass sich das etwaige Fehlen der Möglichkeit, im Zusammenhang mit einem solchen Ernennungsverfahren einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen, in bestimmten Fällen als unproblematisch im Hinblick auf die sich aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, ergebenden Anforderungen erweisen kann.
94 In dieser Rn. 81 hat der Gerichtshof daher in Bezug auf den letztgenannten Gesichtspunkt festgestellt, dass eine Klage wie die in der Rechtssache Prokurator Generalny erhobene im Wesentlichen darauf gerichtet ist, eine Art Nichtigerklärung erga omnes der Ernennung des Beklagten des Ausgangsverfahrens zum Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) zu erwirken, obwohl das nationale Recht es nicht sämtlichen Einzelnen gestattet – und nie gestattet hat –, die Ernennung von Richtern mit einer direkten Klage auf Nichtig- oder Ungültigerklärung einer solchen Ernennung anzufechten.
95 Die gleichen Hinweise und Feststellungen sind für alle Ausgangsverfahren geboten.
96 Im Licht aller im Urteil Prokurator Generalny hervorgehobenen und soeben in Erinnerung gerufenen Gesichtspunkte sowie des Umstands, dass die dem Gerichtshof durch Art. 267 AEUV übertragene Aufgabe darin besteht, jedem Gericht in der Union die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es zur Entscheidung tatsächlicher bei ihm anhängiger Rechtsstreitigkeiten benötigt, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere das System sämtlicher den Einzelnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu berücksichtigen ist, hat der Gerichtshof schließlich in Rn. 82 dieses Urteils festgestellt, dass die Fragen, die in dem betreffenden Vorabentscheidungsersuchen an ihn gerichtet wurden, über den Rahmen des dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV zugewiesenen Rechtsprechungsauftrags hinausgehen.
97 Die vom vorlegenden Gericht angeführten und in Rn. 64 des vorliegenden Beschlusses erwähnten Gesichtspunkte sind jedoch nicht geeignet, die Gesamtheit der soeben dargelegten Erwägungen und die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Beschlusses wiederholte Schlussfolgerung zu beeinträchtigen.
98 Aus alledem folgt, dass die sechste und die siebte Vorlagefrage für offensichtlich unzulässig zu erklären sind.
Zur fünften Frage
99 In Anbetracht des Vorstehenden ist auch die Unzulässigkeit der fünften Vorlagefrage offensichtlich, wobei das vorlegende Gericht im Übrigen, wie aus Rn. 60 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, selbst ausgeführt hat, dass diese Frage gegenstandslos würde, wenn die sechste und die siebte Frage für unzulässig zu erklären wären.
100 Die fünfte Frage betrifft nämlich die nach nationalem Recht nicht zulässige Möglichkeit, einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu erlassen, den Beklagten in einigen der Ausgangsverfahren zu untersagen, weiterhin als Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) tätig zu sein, und diesem Gericht aufzugeben, die Betroffenen von jeder gerichtlichen Tätigkeit auszuschließen, bis die Entscheidungen in der Sache ergangen sein werden, durch die das vorlegende Gericht in den genannten Rechtssachen infolge der erwarteten Antworten des Gerichtshofs auf die sechste und die siebte Frage gegebenenfalls berechtigt sein könnte, festzustellen, dass zwischen den genannten Richtern und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) nach dem Unionsrecht keine Dienstverhältnisse bestehen. Da diese sechste und die siebte Frage für unzulässig erklärt und folglich in der Sache nicht beantwortet worden sind, kann unter diesen Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass eine Antwort auf die fünfte Frage für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten erforderlich ist.
Zur vierten Frage
101 Die vierte Frage ist ebenfalls für offensichtlich unzulässig zu befinden.
102 Hierzu ist festzustellen, dass schon der Wortlaut dieser vierten Frage, wie in Rn. 46 des vorliegenden Beschlusses wiedergegeben, das Verständnis dieser Frage außerordentlich erschwert; ebenso wenig ermöglicht es die Begründung der Vorlageentscheidungen, die genaue Tragweite dieser Frage zu erfassen, da bestimmte, in diesen Entscheidungen enthaltene komplexe Behauptungen, die sich insbesondere auf die Subsidiaritätsbeziehungen beziehen, die zwischen der zweiten Frage und der vierten Frage bestehen sollen, dieses Verständnis noch verkomplizieren. Folglich ist es schwierig, das genaue und konkrete Problem der Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts abzugrenzen, das sich in den Ausgangsverfahren im Zusammenhang mit dieser vierten Frage stellen könnte.
103 Insbesondere ist nicht erkennbar, inwiefern die Bedingungen, unter denen die Ernennung der beiden jeweiligen Präsidenten der Disziplinarkammer bzw. der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten zu Richtern am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) erfolgte, schlicht aufgrund der Tatsache, dass die Richter Anträge auf Übermittlung der entsprechenden Akten gestellt haben, geeignet sein könnten, das Recht der Kläger der Ausgangsverfahren auf eine Verhandlung ihrer Sache durch ein unabhängiges Gericht zu beeinträchtigen. Denn nur die Bedingungen für die Ernennung der Richter, die möglicherweise in einer der beiden so betroffenen Kammern zu entscheiden haben, scheinen gegebenenfalls geeignet zu sein, zu einer solchen Beeinträchtigung führen zu können.
104 Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die so gestellten Anträge auf Übertragung der Rechtssachen seitens des vorlegenden Gerichts eine andere Entscheidung als die erfordern könnten, die dieses Gericht in jedem Fall zu treffen hat, unabhängig von einem solchen „Antrag“ auf Übertragung dieser Rechtssachen an die eine oder die andere der betreffenden Kammern, die deshalb geboten ist, weil diese Kammern für die Entscheidung zuständig sind, oder umgekehrt unabhängig davon, ob eine solche Übertragung möglicherweise z. B. deshalb abgelehnt wird, weil eine solche Kammer kein unabhängiges Gericht sei.
105 Unter diesen verschiedenen Aspekten ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung unerlässlich ist, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Bestimmungen des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und dem auf den fraglichen Rechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit müssen die Angaben und Fragen in den Vorlageentscheidungen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten sowie anderen Beteiligten Gelegenheit geben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben, und der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Gelegenheit gegeben wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 12. Mai 2016, Security Service u. a., C‑692/15 bis C‑694/15, EU:C:2016:344, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur zweiten und zur dritten Frage
106 Schließlich sind auch die zweite und die dritte Frage offensichtlich unzulässig.
107 Die genannten Fragen beziehen sich auf die sich aus Art. 29 §§ 2 und 3 des Gesetzes über das Oberste Gericht ergebenden Verbote, die Rechtmäßigkeit von Gerichten oder die Rechtmäßigkeit der Ernennung eines Richters bzw. seiner Befugnis, Aufgaben im Bereich der Rechtspflege wahrzunehmen, festzustellen oder zu beurteilen.
108 Wie sich jedoch aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt, wurden diese Fragen von diesem Gericht insoweit gestellt, als diese nationalen Vorschriften das vorlegende Gericht zum einen daran hätten hindern können, das Nichtbestehen von Dienstverhältnissen zwischen den Beklagten der Ausgangsverfahren und dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) festzustellen, wenn die Antworten des Gerichtshofs auf die sechste und die siebte Frage ihm erlaubt hätten, diese Feststellung zu treffen. Zum anderen hätten die Spruchkörper des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), die die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen gestellt haben, durch die nationalen Vorschriften daran gehindert sein können, sich zu weigern, die Ausgangsrechtsstreitigkeiten an andere Kammern dieses Gerichts zu verweisen, obwohl eine solche Weigerung angesichts der Antworten des Gerichtshofs auf die erste oder die vierte Frage erforderlich sein würde.
109 Unter diesen Umständen genügt der Hinweis, dass unter Berücksichtigung der Unzulässigkeit der vierten, der sechsten und der siebten Frage sowie der Rücknahme der ersten Frage eine Antwort auf die zweite und die dritte Frage für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht relevant wäre.
110 Nach alledem sind die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen für offensichtlich unzulässig zu erklären.
111 [Berichtigt durch Beschluss vom 2. März 2023] Unter diesen Umständen braucht über den Antrag von A. S. auf Vernehmung eines Zeugen gemäß Art. 67 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht entschieden zu werden, da dieser Antrag nämlich gegenstandslos geworden ist (vgl. entsprechend Beschluss vom 6. Oktober 2020, Prokuratura Rejonowa w Słubicach, C‑623/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:800, Rn. 37).
Kosten
112 Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) beschlossen:
Die vom Sąd Najwyższy (Izba Pracy i Ubezpieczeń Społecznych) (Oberstes Gericht [Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen], Polen) mit Entscheidungen vom 15. Juli 2020 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen sind unzulässig.
Unterschriften