Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 13. Juli 2023(1 )
Rechtssache C ‑434/22
AS „Latvijas valsts meži“
gegen
Dabas aizsardzības pārvalde
(Vorabentscheidungsersuchen des Administratīvā rajona tiesa [Verwaltungsgericht erster Instanz, Lettland])
„Vorabentscheidungsersuchen – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Angemessene Verträglichkeitsprüfung – Begriff des Plans oder des Projekts – Eingriff in einen Wald, um Bränden vorzubeugen – Unmittelbare Verbindung mit der Verwaltung des Gebiets oder Notwendigkeit hierfür – Dringlichkeit der Maßnahme – Vorsorgende Maßnahmen – Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen“
I. Einleitung
1. Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie(2 ) verlangt eine Vorabprüfung der Auswirkungen von Plänen und Projekten, die Naturschutzgebiete von europäischer Bedeutung – sogenannte Natura-2000-Gebiete – erheblich beeinträchtigen könnten. Doch müssen auch vorsorgende Brandschutzmaßnahmen in Waldgebieten vorab geprüft werden? Und welche Folgen ergeben sich aus dem Versäumnis einer Prüfung? Diese Fragen sind im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren zu klären.
2. Das Ausgangsverfahren beruht darauf, dass der Nutzer eines Waldes in einem Natura-2000-Gebiet ohne Vorabprüfung Bäume gefällt hat, um die zukünftige Bekämpfung von Bränden zu erleichtern. Nachdem die für den Gebietsschutz zuständigen Stellen davon Kenntnis erlangten, ordneten sie bestimmte Maßnahmen an, die der Nutzer anficht. Neben der Prüfungspflicht für solche vorsorgenden Brandschutzmaßnahmen ist insbesondere zu erörtern, welche Maßnahmen angeordnet werden können, wenn solche Tätigkeiten ohne eine Vorabprüfung durchgeführt wurden.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
3. Art. 1 Buchst. l der Habitatrichtlinie definiert ein besonderes Schutzgebiet als „ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden“.
4. Die Ausweisung besonderer Schutzgebiete ist in Art. 4 Abs. 4 der Habitatrichtlinie festgelegt:
„Ist ein Gebiet aufgrund des in Abs. 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.“
5. Der Schutz von Natura-2000-Gebieten ist insbesondere in Art. 6 der Habitatrichtlinie geregelt:
„(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.
(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.
(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Abs. 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.
(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.
Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.“
6. Außerdem wird in der ersten Frage die Projektdefinition des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie(3 ) angesprochen:
„(2) Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) ‚Projekt‘:
– die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,
– sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen;
b) …“
B. Lettisches Recht
7. Lettland hat die Habitatrichtlinie im Likums „Par īpaši aizsargājamām dabas teritorijām“ (Gesetz über besondere Schutzgebiete) umgesetzt.
8. Zum Schutz des streitgegenständlichen Gebiets wurde das Ministru kabineta 2017. gada 16. Augusta noteikumi Nr. 478, „Dabas lieguma ‚Ances purvi un meži‘ individuālie aizsardzības un izmantošanas noteikumi“ (Dekret Nr. 478 des Ministerrats vom 16. August 2017 über spezielle Normen für die Erhaltung und Nutzung des Naturschutzgebiets „Feuchtgebiete und Wälder von Ance“, im Folgenden: Dekret Nr. 478) erlassen.
9. Gemäß Unterabs. 11.2 des Dekrets Nr. 478 sind auf Waldflächen das Fällen abgestorbener Bäume und die Beseitigung umgestürzter Bäume sowie von Streu oder Teilen davon mit einem Durchmesser von mehr als 25 cm verboten, wenn ihr Gesamtvolumen weniger als 20 m3 pro Hektar des Bestands beträgt; davon bestehen folgende Ausnahmen: 11.2.1. das Fällen und die Beseitigung gefährlicher Bäume, wobei die Bäume im Bestand belassen werden; 11.2.2. die Durchführung der genannten Tätigkeiten in den prioritären Waldbiotopen der Europäischen Union: Moorwälder (91D0*), Bruchwälder (9080*), Auenwälder (91E0*) und alte oder natürliche boreale Wälder (9010*), in denen das Fällen abgestorbener Bäume und die Beseitigung umgestürzter Bäume sowie von Streu oder Teilen davon mit einem Durchmesser von mehr als 25 cm verboten sind.
10. Nach Unterabs. 23.3.3 des Dekrets Nr. 478 sind vom 1. Februar bis zum 31. Juli forstwirtschaftliche Tätigkeiten im saisonalen Schutzgebiet verboten, mit Ausnahme von Maßnahmen zum Schutz vor und zur Bekämpfung von Waldbränden.
11. Für das Naturschutzgebiet gibt es darüber hinaus einen Naturschutzplan (Plan für die Jahre 2016 bis 2028, im Folgenden: Schutzplan), der gemäß der Vides aizsardzības un reģionālās attīstības ministra 2016. gada 28. aprīļa rīkojums Nr. 105 (Verordnung Nr. 105 des Ministers für Umweltschutz und regionale Entwicklung vom 28. April 2016) genehmigt wurde.
III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen
12. Nach dem Vorabentscheidungsersuchen ist das Naturschutzgebiet „Ances purvi un meži“ (Feuchtgebiete und Wälder von Ances, im Folgenden: Schutzgebiet) ein besonderes Schutzgebiet von europäischer Bedeutung mit einer Gesamtfläche von 9 822 ha.(4 ) Das Gebiet wurde geschaffen, um den Erhalt und die Verwaltung besonders geschützter Biotope in Lettland und der Europäischen Union, Standorte seltener und geschützter Tier- und Pflanzenarten sowie die landschaftliche Schönheit der dortigen Küstenniederungen und Dünen sicherzustellen. Dort gibt es 20 besonders geschützte Biotope von europäischer Bedeutung mit einer Gesamtfläche von 9 173 ha,(5 ) 48 geschützte Gefäßpflanzenarten, 28 Moospflanzenarten, zwei Pilzarten, neun Flechtenarten, elf Säugetierarten, 61 seltene Vogelarten und 15 wirbellose Tierarten. Es ist ein wichtiges Nistgebiet für seltene und vom Aussterben bedrohte Vögel. Im Jahr 2004 wurde das Schutzgebiet mit einer Fläche von 10 056 ha in die Liste der Gebiete von internationaler Bedeutung für Vögel aufgenommen.
13. Am 31. Juli 2019 stellte die Aktiengesellschaft Latvijas valsts meži(6 ) beim Valsts vides dienests (Staatlicher Umweltdienst, Lettland) einen Antrag auf eine erste Umweltverträglichkeitsprüfung und den Erlass technischer Normen im Zusammenhang mit der Umsetzung der nach den Angaben des Valsts meža dienests (Staatlicher Forstdienst, Lettland) für das Jahr 2019 im Plan für Maßnahmen zur Verhütung von Bränden vorgesehenen Tätigkeiten im Naturschutzgebiet. Zu diesen Maßnahmen gehört das Fällen von Bäumen, um langfristig den Brandschutz im Naturschutzgebiet zu verbessern und zugleich eine rechtzeitige und wirksame Vorbeugung und Verhinderung etwaiger Waldbrände zu gewährleisten.
14. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2019 ordnete die in den Staatlichen Umweltdienst eingegliederte Ventspils reģionālā vides pārvalde (regionale Umweltbehörde von Ventspils, Lettland) an, die Umweltverträglichkeitsprüfung auf die von Latvijas valsts meži ins Auge gefasste Tätigkeit anzuwenden. Das Vides pārraudzības valsts birojs (Staatliches Amt für Umweltüberwachung, Lettland) änderte am 20. Februar 2020 den Beschluss der regionalen Umweltbehörde von Ventspils vom 4. Dezember 2019 dahin gehend, dass diese Tätigkeit nicht unter die Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern unter das Verfahren zur Prüfung von Natura-2000-Gebieten falle.
15. Latvijas valsts meži teilte dem Staatlichen Amt für Umweltüberwachung mit, dass der Plan für Maßnahmen zur Verhütung von Bränden (für das Jahr 2019) nicht umgesetzt und daher das Verfahren zur Prüfung besonderer Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) nicht durchgeführt werde.
16. Am 7. und am 14. Januar 2021 inspizierten Mitarbeiter der Dabas aizsardzības pārvalde (Umweltschutzbehörde, Lettland), der Regionalverwaltung von Kurzeme (Lettland), das Schutzgebiet und stellten fest, dass Latvijas valsts meži in einem Bereich des Naturschutzgebiets von etwa 17 km Länge Bäume gefällt und die naturbelassenen Fahrwege verbreitert hatte.
17. Die Umweltschutzbehörde kam zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine Tätigkeit durchgeführt wurde, die weder im Gebietsbewirtschaftungsplan noch im lettischen Dekret Nr. 478 vorgesehen ist. Sie stellte zudem fest, dass diese Tätigkeit Teil der ins Auge gefassten Tätigkeit war, die zuvor Gegenstand des oben genannten Verfahrens zur Prüfung der Auswirkungen auf das Schutzgebiet gewesen war.
18. Daher verpflichtete die Umweltschutzbehörde Latvijas valsts meži durch Beschluss vom 15. Januar 2021, die negativen Auswirkungen der im Schutzgebiet durchgeführten Tätigkeit auf die Bewahrung seiner Natürlichkeit dadurch zu verringern, dass die in den Waldbeständen gefällten Kiefern, deren Stamm einen Durchmesser von mehr als 25 cm hat, an Ort und Stelle bleiben. Sie begründete dies damit, dass sich die gefällten Bäume im Lauf der Zeit durch die allmähliche natürliche Zersetzung des Holzes zu einem geeigneten Nährboden für eine Reihe besonders geschützter, im Naturschutzgebiet vorkommender Insektenarten wie dem Nadelholzbockkäfer der Art Tragosoma depsarium und dem Großen Bockkäfer der Art Ergates faber entwickeln werden. Ferner wies die Umweltschutzbehörde Latvijas valsts meži an, die derzeit unzureichende Totholzmenge in diesen Beständen des prioritär geschützten EU-Biotops 9010* „Alte oder natürliche boreale Wälder“(7 ) aufzustocken.
19. Latvijas valsts meži widersprach diesem Beschluss, doch der Generaldirektor der Umweltschutzbehörde bestätigte ihn mit Beschluss vom 22. März 2021. Daraufhin erhob das Unternehmen vor dem Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz, Lettland) Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses.
20. In der Klageschrift wird ausgeführt, Latvijas valsts meži habe im vorliegenden Fall nur die nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässigen und erforderlichen Tätigkeiten – Maßnahmen zum Schutz vor Waldbränden durch Verringerung der Brandgefahr, die die Instandhaltung der Waldwege und der naturbelassenen Fahrwege umfassten, darunter das Fällen von Bäumen auf der Grundlage von Genehmigungen des Valsts meža dienests (Staatliches Forstamt) – durchgeführt; diese Maßnahmen unterlägen nicht dem Verfahren zur Prüfung von Natura-2000-Gebieten und stünden im Einklang mit dem Gebietsbewirtschaftungsplan sowie dem Dekret Nr. 478.
21. In der Klageschrift wird zudem auf eine Vereinbarung verwiesen, die bei einem vom Staatlichen Forstamt am 29. Juli 2020 veranstalteten Seminar über die Verbesserung des Brandschutzes in Wäldern und Feuchtgebieten, einschließlich des Naturschutzgebiets, getroffen worden sei und nach der zur Instandhaltung der naturbelassenen Fahrwege im Naturschutzgebiet Bäume gefällt werden sollten. Die mit dem angefochtenen Beschluss auferlegte Verpflichtung wirke sich negativ auf den Brandschutz und die Brandbekämpfung im Naturschutzgebiet aus. Auch die staatliche Forstverwaltung hat auf den genannten Aspekt hingewiesen.
22. Daher richtet das Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz) die folgenden Fragen an den Gerichtshof:
1) Erstreckt sich der Begriff „Projekt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie auch auf Tätigkeiten, die in einem Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet im Einklang mit den Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden sicherzustellen, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgestellt werden?
2) Falls die erste Frage bejaht wird: Ist davon auszugehen, dass Tätigkeiten, die in einem Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastrukturanlagen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet im Einklang mit den in den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgestellten Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden sicherzustellen, ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie darstellen, das unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung steht oder hierfür notwendig ist, so dass das Prüfverfahren für Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) in Bezug auf diese Tätigkeiten nicht durchgeführt werden muss?
3) Falls die zweite Frage verneint wird: Ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie die Verpflichtung, auch solche Pläne und Projekte (Tätigkeiten) zu prüfen, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des besonderen Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, aber Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) erheblich beeinträchtigen können, und die gleichwohl in Erfüllung der nationalen Rechtsvorschriften durchgeführt werden, um die Anforderungen des Schutzes vor und der Bekämpfung von Waldbränden zu gewährleisten?
4) Falls die dritte Frage bejaht wird: Kann diese Tätigkeit fortgesetzt und abgeschlossen werden, bevor das Verfahren zur Ex-post -Prüfung der besonderen Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) durchgeführt wird?
5) Falls die dritte Frage bejaht wird: Sind die zuständigen Behörden verpflichtet, zur Vermeidung etwaiger erheblicher Auswirkungen Schadensersatz zu verlangen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Erheblichkeit der Auswirkungen im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der besonderen Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) nicht beurteilt wurde?
23. Latvijas valsts meži, Dabas aizsardzības pārvalde (Umweltschutzbehörde) sowie die Europäische Kommission haben schriftlich Stellung genommen. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof nach Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichtet, weil er sich für ausreichend unterrichtet hält, um das Vorabentscheidungsersuchen zu beantworten.
IV. Rechtliche Würdigung
24. Dem Wunsch des Gerichtshofs entsprechend werde ich mich vor allem auf die fünfte Frage zu den Anordnungen der Umweltschutzbehörde aufgrund des Fehlens einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung konzentrieren (dazu unter E). Darüber hinaus verdienen aber auch die zweite und die vierte Frage eine genauere Betrachtung. Sie betreffen zum einen den Zusammenhang der streitigen vorsorgenden Brandschutzmaßnahmen mit der Verwaltung des Gebiets (dazu unter B) und zum anderen die Dringlichkeit der Maßnahmen (dazu unter D). Zur Beantwortung der ersten und der dritten Frage (dazu unter A und C) werde ich im Wesentlichen an die maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs erinnern.
A. Erste Frage – Instandhaltung und Schaffung von Fahrwegen
25. Mit der ersten Frage bezieht sich das vorlegende Gericht zwar auf den Projektbegriff der UVP-Richtlinie. Tatsächlich möchte es jedoch erfahren, ob das Fällen von Bäumen zur Instandsetzung oder Schaffung naturbelassener Fahrwege innerhalb eines Schutzgebiets im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden als Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie anzusehen ist.
26. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie ist eine angemessene Prüfung auf Verträglichkeit mit den für ein besonderes Schutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen nämlich nur notwendig, wenn ein Plan oder Projekt ein besonderes Schutzgebiet im Sinne der Richtlinie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnte.
27. Zwar definiert die Habitatrichtlinie nicht, was unter einem Projekt zu verstehen ist, aber Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP‑Richtlinie enthält eine Definition. Danach umfasst der Begriff „Projekt“ die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass ein Projekt im Sinne der Definition der UVP-Richtlinie erst recht ein Projekt im Sinne der Habitatrichtlinie ist.(8 )
28. Allerdings wird der Begriff „Projekt“ in der UVP‑Richtlinie enger definiert als in der Habitatrichtlinie, denn die Voraussetzungen der „Anlage“ oder des „Eingriffs“ fehlen in der Habitatrichtlinie. Daher umfasst der Projektbegriff der Habitatrichtlinie auch Vorhaben, die nicht mehr unter den Projektbegriff der UVP-Richtlinie fallen.(9 ) Entscheidend ist vielmehr, ob die fragliche Tätigkeit ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann(10 ) bzw. ob die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr besteht, dass ein Plan oder Projekt das Gebiet erheblich beeinträchtigt.(11 )
29. Die Schaffung eines naturbelassenen Fahrwegs durch das Fällen von Bäumen könnte als Errichtung einer sonstigen Anlage anzusehen sein.(12 ) Hingegen könnte das Fällen von Bäumen zur Instandhaltung bestehender Fahrwege zumindest einen sonstigen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen. In jedem Fall sind solche Maßnahmen in einem Schutzgebiet, das – wie im vorliegenden Fall(13 ) – den Schutz von Waldlebensraumtypen einschließt, grundsätzlich mit einer Wahrscheinlichkeit oder Gefahr der erheblichen Beeinträchtigung verbunden.
30. Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass das Fällen von Bäumen in einem Schutzgebiet zum Schutz von Waldlebensräumen, um Infrastruktureinrichtungen in diesem Gebiet im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden instand zu halten oder neu zu schaffen, ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie ist.
B. Zweite Frage – Verwaltung eines Gebiets
31. Mit der zweiten Frage soll geklärt werden, ob das Fällen von Bäumen in einem Schutzgebiet zum Schutz von Waldlebensräumen, um Infrastruktureinrichtungen in diesem Gebiet im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden instand zu halten oder neu zu schaffen, unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung steht oder hierfür notwendig ist.
32. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie ist eine angemessene Prüfung auf Verträglichkeit mit den für ein besonderes Schutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen nämlich nicht notwendig, wenn die betreffende Maßnahme unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung steht oder hierfür notwendig ist.
33. Der wirtschaftliche Nutzer eines Waldgebiets wird sicherlich der Auffassung sein, dass vorsorgende Brandschutzmaßnahmen in diesem Gebiet unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind.
34. Art. 6 der Habitatrichtlinie hat jedoch den Schutz von Natura-2000-Gebieten zum Gegenstand. Daher sind mit „der Verwaltung des Gebiets“ nicht Maßnahmen zur wirtschaftlichen Nutzung des Gebiets gemeint, sondern Maßnahmen im Sinne der Definition des Art. 1 Buchst. l, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten erforderlich sind, für die dieses Gebiet bestimmt ist.
35. Diese Maßnahmen müssen nach Art. 6 Abs. 1 den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen. Und Art. 4 Abs. 4 sieht vor, dass der Mitgliedstaat bei der Ausweisung der Gebiete die Prioritäten nach Maßgabe ihrer Wichtigkeit für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach festlegt, inwieweit die Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind. Bei der Festlegung dieser Maßnahmen und Prioritäten muss der Mitgliedstaat im Übrigen die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse heranziehen.(14 )
36. Dementsprechend hat der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren zum Wald von Białowieża geprüft, ob die streitigen Baumfällarbeiten den für das Schutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen und –maßnahmen entsprachen. Da dies nicht der Fall war, wies er das Vorbringen des Mitgliedstaats zurück, diese Arbeiten stünden mit der Verwaltung des Schutzgebiets unmittelbar in Verbindung oder seien hierfür notwendig.(15 )
37. Vorsorgende Maßnahmen zur Verhinderung oder Bekämpfung von Bränden können im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie mit der Verwaltung eines Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein. Denn Brände können geschützte Lebensräume und damit die Erhaltungsziele des Gebiets beeinträchtigen.(16 ) Dementsprechend enthalten nach dem Vorabentscheidungsersuchen sowohl der Schutzplan als auch das lettische Dekret Nr. 478(17 ) indirekte Hinweise auf die Notwendigkeit von Brandschutz- und Brandbekämpfungsmaßnahmen im betroffenen Schutzgebiet.
38. Daraus folgt allerdings nicht, dass alle vorsorgenden Brandschutzmaßnahmen oder zumindest die streitgegenständlichen Maßnahmen zwangsläufig unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind. Das zeigt sich bereits daran, dass Brände auch Teil der natürlichen Entwicklung bestimmter geschützter Lebensraumtypen und daher sogar für bestimmte Arten notwendig sein können.(18 ) Auch die Umweltschutzbehörde hebt dies in ihrem Vorbringen hervor.
39. So definiert das Interpretationshandbuch der Kommission zu den Lebensraumtypen nach Anhang I der Habitatrichtlinie den prioritären Lebensraumtyp 9010* „Westliche Taiga“ als natürliche alte Wälder und junge Sukzessionsstadien, die sich natürlich nach Feuer entwickeln.(19 ) Dementsprechend haben Mitgliedstaaten für diesen Lebensraumtyp und den Lebensraumtyp 2180 „Bewaldete Dünen der atlantischen, kontinentalen und borealen Region“, die weite Teile des streitgegenständlichen Schutzgebiets abdecken, sowohl Feuer als auch seine Bekämpfung als eine der zehn wichtigsten Bedrohungen und Belastungen mitgeteilt.(20 )
40. Inwieweit das Fällen von Bäumen, um naturbelassene Fahrwege innerhalb eines Schutzgebiets instand zu halten oder zu schaffen, das Schutzgebiet beeinträchtigt, hängt vor allem vom Standort der gefällten Bäume ab, insbesondere davon, ob dort geschützte Lebensraumtypen oder Arten betroffen sind, sowie von der Art und dem Zustand der Bäume.
41. Aber selbst wenn dadurch bestimmte Erhaltungsziele des Schutzgebiets nachteilig berührt werden, ist es möglich, dass der Mitgliedstaat dem Brandschutz ein höheres Gewicht zumisst. Denn nach Art. 4 Abs. 4 der Habitatrichtlinie muss er Prioritäten festlegen und somit insbesondere Konflikte zwischen verschiedenen Zielen entscheiden.(21 ) Eine Abwägung zugunsten vorsorgender Brandschutzmaßnahmen wäre gerechtfertigt, wenn das Risiko einer künftigen Beeinträchtigung des Gebiets durch Brände schwerer wiegt als die konkrete Beeinträchtigung bestimmter Erhaltungsziele durch die betreffenden Maßnahmen.
42. Diese Abwägung setzt jedoch voraus, dass die betroffenen Erhaltungsziele umfassend berücksichtigt werden. Allgemeine behördliche Zuständigkeiten für den Brandschutz oder die Forstverwaltung begründen daher noch nicht die Befugnis, vorsorgende Brandschutzmaßnahmen als Erhaltungsmaßnahmen für ein Natura-2000-Gebiet festzulegen. Auch ein Unternehmen, das das Gebiet wirtschaftlich nutzt, kann darüber nicht entscheiden. Die Abwägung fällt vielmehr in die Verantwortung derjenigen Stellen, die nach dem Recht des Mitgliedstaats für den Gebietsschutz zuständig sind, also für die Festlegung von Erhaltungszielen und –maßnahmen nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie.
43. Vorsorgende Maßnahmen aufgrund allgemeiner gesetzlicher Regelungen über den Brandschutz oder darauf beruhender Brandschutzpläne können daher nur dann im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie unmittelbar mit der Verwaltung eines Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein, wenn sie zugleich Teil der festgelegten Erhaltungsmaßnahmen gemäß Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 sind. Vorsorgende Brandschutzmaßnahmen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen und die Erhaltungsziele des Gebiets beeinträchtigen könnten, müssen dagegen einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 unterzogen werden.
C. Dritte Frage – Regelung zur Brandbekämpfung
44. Die dritte Frage greift erneut den Gesichtspunkt auf, dass die streitgegenständlichen Maßnahmen in Erfüllung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften durchgeführt werden, um die Anforderungen des Schutzes vor und der Bekämpfung von Waldbränden zu gewährleisten. Daher wird gefragt, ob eine Verträglichkeitsprüfung trotz dieser innerstaatlichen Regelungen durchzuführen ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie für eine solche Prüfung vorliegen.
45. Die Verpflichtung zur Prüfung der Verträglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie enthält jedoch keine Ausnahme für im innerstaatlichen Recht vorgesehene Maßnahmen. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Brandbekämpfung können daher nicht von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 befreien.
46. Praktisch muss daher das innerstaatliche Gericht die Regelungen zur Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie und alle anderen innerstaatlichen Regelungen einschließlich derjenigen zur Brandbekämpfung so weit wie möglich in Übereinstimmung mit den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 auslegen.(22 ) Diese Auslegung muss möglichst sicherstellen, dass auch Maßnahmen in Erfüllung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zum Brandschutz geprüft werden, wenn die Voraussetzungen der Prüfungspflicht vorliegen. Nach den Angaben der Umweltschutzbehörde und der Kommission ist dies im lettischen Recht problemlos möglich.
47. Sollte eine solche richtlinienkonforme Auslegung dennoch nicht möglich sein, so kann die Habitatrichtlinie allerdings keine unmittelbar anwendbaren Verpflichtungen Einzelner begründen, weil es sich um eine Richtlinie handelt.(23 ) Private Waldbesitzer könnten sich daher auf innerstaatlich vorgesehene Ausnahmen von der Verpflichtung zur Verträglichkeitsprüfung aufgrund der Regelungen zum Brandschutz berufen.
48. Das Unternehmen Latvijas valsts meži befindet sich jedoch nach den Angaben auf seiner Website vollständig im Eigentum des lettischen Staats und bewirtschaftet die staatlichen Wälder Lettlands. Das kommt auch in seinem Namen zum Ausdruck, der mit „Lettische Staatswälder“ übersetzt werden kann. Wenn dies zutrifft, was das vorlegende Gericht im Zweifel prüfen müsste, ist Latvijas valsts meži dem lettischen Staat zuzuordnen, der aus einer fehlerhaften Umsetzung der Habitatrichtlinie keinen Vorteil ziehen darf.(24 ) In diesem Fall kann die Habitatrichtlinie Latvijas valsts meži unmittelbar entgegengehalten werden.(25 )
D. Vierte Frage – Fortführung der Maßnahmen vor Prüfung der Verträglichkeit
49. Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die streitgegenständlichen Maßnahmen zur Brandbekämpfung fortgesetzt und abgeschlossen werden dürfen, bevor das Verfahren zur Ex-post -Prüfung von Beeinträchtigungen von Natura-2000-Gebieten durchgeführt wird.
50. Möglicherweise denkt das vorlegende Gericht bei dieser Frage an die Rechtsprechung, wonach innerstaatliche Gerichte die Wirkung von bestimmten Genehmigungen, die unter Verletzung einer unionsrechtlich gebotenen Prüfungspflicht erteilt wurden, unter bestimmten Umständen vorübergehend bis zur nachträglichen Heilung dieses Verfahrensfehlers aufrechterhalten können.(26 )
51. Das Vorabentscheidungsersuchen enthält jedoch – abgesehen von der vierten Frage – keinen Hinweis auf eine tatsächliche Fortsetzung der Arbeiten oder eine nachträgliche Prüfung der Verträglichkeit der Maßnahmen. Außerdem setzt die genannte Rechtsprechung voraus, dass die Aufrechterhaltung der Genehmigung und die damit einhergehende Fortführung der jeweiligen Tätigkeit aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls, etwa aus Gründen des Umweltschutzes(27 ) oder der Energieversorgung,(28 ) notwendig ist. Auch dafür enthält das Vorabentscheidungsersuchen keinen Hinweis.
52. Aus der Vorgeschichte der angefochtenen Entscheidung und dem Vorbringen von Latvijas valsts meži ergibt sich jedoch, dass die streitgegenständlichen Maßnahmen ohne eine angemessene Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurden, weil das Unternehmen die Prüfung aufgrund der Dringlichkeit von Maßnahmen zum vorsorgenden Brandschutz nicht abwarten wollte. Ich verstehe diese Frage daher dahin, ob es in Fällen besonderer Dringlichkeit zulässig sein kann, prinzipiell prüfungspflichtige Maßnahmen durchzuführen, bevor die Prüfung durchgeführt wurde und die Prüfungsergebnisse vorliegen.
53. Eine solche vorzeitige Durchführung von Maßnahmen ist in Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie nicht vorgesehen. Vielmehr muss die angemessene Prüfung nach dem Wortlaut dieser Bestimmung vor der betreffenden Maßnahme durchgeführt werden.(29 ) Dementsprechend bezeichnet der Gerichtshof die Prüfung als Ex-ante -Prüfung.(30 )
54. Diese zeitliche Abfolge ist notwendig, damit vor der Durchführung der jeweiligen Maßnahme so weit wie möglich aufgeklärt wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Schutzgebiet dadurch beeinträchtigt würde. Eine nachträgliche Prüfung erlaubt es naturgemäß nicht, Beeinträchtigungen zu verhindern. Ohne eine gründliche Bestandsaufnahme vor der Beeinträchtigung wird es im Nachhinein darüber hinaus regelmäßig schwierig sein, den ursprünglichen Zustand des Gebiets und das Ausmaß etwaiger Beeinträchtigungen zweifelsfrei festzustellen.
55. Es ist daher im Prinzip nicht zulässig, mit einer prüfungspflichtigen Maßnahme zu beginnen, bevor die Verträglichkeitsprüfung abgeschlossen ist. Das gilt erst recht für die Fortführung einer Maßnahme, falls man unter Verletzung der Verpflichtung zur Verträglichkeitsprüfung bereits damit begonnen hat.
56. Allerdings sind unterschiedliche Arten von Gefahren vorstellbar, die möglicherweise in Anlehnung an die oben genannte Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung von Genehmigungen(31 ) eine Ausnahme von der Ex-ante -Prüfung rechtfertigen könnten.
57. Eine solche Ausnahme liegt bei tatsächlichen und gegenwärtigen Gefahren, etwa einem Feuer oder einer Flut, besonders nahe. Denkbar ist sie auch bei unmittelbar drohenden Gefahren, die zwar noch nicht gegenwärtig sind, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zukunft eintreten werden. Eine solche Wahrscheinlichkeit könnte sich etwa aus der Wettervorhersage ergeben oder daraus, dass es flussaufwärts bereits erhebliche Niederschläge gegeben hat, die demnächst flussabwärts zu einer Flut führen werden.
58. Über derartige Fallkonstellationen ist im vorliegenden Verfahren allerdings nicht zu entscheiden. Vielmehr streiten sich die Beteiligten über vorsorgende Maßnahmen, um in der Zukunft – zu einem noch nicht vorhersehbaren Zeitpunkt – die Abwehr von dann tatsächlichen und gegenwärtigen Gefahren zu erleichtern.
59. Es ist zwar in der Regel sinnvoll, solche vorsorgenden Maßnahmen so schnell wie möglich zu verwirklichen, damit man vorbereitet ist, wenn eine Gefahr tatsächlich eintritt. Die Dringlichkeit ist jedoch deutlich geringer ausgeprägt als bei tatsächlichen und gegenwärtigen Gefahren oder bei unmittelbar drohenden Gefahren.
60. Insofern obliegt es den Mitgliedstaaten, Regelungen zu treffen und Vorkehrungen zu ergreifen, die im Bedarfsfall eine rechtzeitige Entscheidung über die vorsorgenden Maßnahmen ermöglichen, die mit den Regelungen des Art. 6 der Habitatrichtlinie über den Gebietsschutz vereinbar sind.(32 )
61. Wenn solche Maßnahmen – wie im vorliegenden Fall – nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie zugelassen werden sollen, muss der Mitgliedstaat daher zumindest dafür sorgen, dass die Verträglichkeitsprüfung so schnell wie möglich durchgeführt werden kann. Die Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse(33 ) sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit(34 ) werden zweifelsohne Zeit kosten. Wenn die zuständigen Behörden über ausreichende Ressourcen sowie Erfahrung verfügen und alle Beteiligten loyal zusammenarbeiten, sollte es aber möglich sein, innerhalb einiger Monate oder sogar noch schneller zu einer Entscheidung zu kommen.
62. Die Angaben des Vorabentscheidungsersuchens lassen es möglich erscheinen, dass im vorliegenden Fall rechtzeitig über die Maßnahmen hätte entschieden werden können. Tatsächlich vergingen schon zwischen dem Antrag von Latvijas valsts meži am 31. Juli 2019 auf Durchführung einer Prüfung und der letzten behördlichen Entscheidung vom 20. Februar 2020 mehr als sechs Monate. Während des folgenden Jahres teilte Latvijas valsts meži dann zunächst mit, die Maßnahmen nicht durchzuführen, bevor die Umweltbehörde bei einer Inspektion im Januar 2021 feststellte, dass sie doch – ohne eine Prüfung – durchgeführt worden waren. Das geschah vermutlich im Winter 2020/2021, also mehr als ein Jahr nach dem ersten Antrag. Daher ist zu vermuten, dass man eine angemessene Verträglichkeitsprüfung hätte durchführen können.
63. Darüber hinaus ist auch in diesem Punkt nochmals daran zu erinnern, dass vorsorgende Maßnahmen zum Brandschutz den Erhaltungszielen des Gebiets dienen und daher als Erhaltungsmaßnahmen unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein können.(35 ) Die Festlegung von Erhaltungsmaßnahmen muss zwar auch die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen(36 ) und eine Öffentlichkeitsbeteiligung kann ebenfalls erforderlich sein.(37 ) Allerdings besteht etwas mehr Flexibilität als bei der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie. Daher dürfte es in der Regel vorzugswürdig und auch schneller sein, über vorsorgende Brandschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Erhaltungsmaßnahmen für das Gebiet zu entscheiden.
64. Vorsorgende Brandschutzmaßnahmen, die ein besonderes Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten, nicht der Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden tatsächlichen Gefahr für ein überwiegendes Schutzgut dienen und auch nicht als Erhaltungsmaßnahmen nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie festgelegt wurden, dürfen somit nicht vor dem Abschluss einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten müssen allerdings sicherstellen, dass solche Maßnahmen so schnell wie möglich geprüft werden können.
E. Fünfte Frage – Wiedergutmachung
65. Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die zuständigen Behörden verpflichtet sind, zur Vermeidung etwaiger erheblicher Auswirkungen Schadensersatz zu verlangen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Erheblichkeit der Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet nicht nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie beurteilt wurde.
66. Diese Frage hat nichts mit der Haftung des Staates für Schäden zu tun, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen.(38 ) Vielmehr fragt das Gericht, ob die zuständigen Behörden von Einzelnen, die ohne angemessene Verträglichkeitsprüfung ein Natura-2000-Gebiet beeinträchtigt haben, Schadensersatz oder andere Maßnahmen verlangen müssen.
67. Ziel dieses „Schadensersatzes“ kann in der Regel keine finanzielle Entschädigung sein, sondern vorrangig die echte „Naturalrestitution“, also die Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen des Gebiets. Eine vollständige Wiedergutmachung ist zwar selten möglich. So geht es im vorliegenden Fall um gefällte Bäume, die nur über Jahrzehnte ersetzt werden können. Es wird jedoch häufig möglich sein, Maßnahmen zu ergreifen, um Beeinträchtigungen zu reduzieren oder sie an anderer Stelle wieder auszugleichen.
68. So verstanden, soll die Frage klären, ob die Umweltschutzbehörde aufgrund der Habitatrichtlinie die im Ausgangsverfahren angefochtenen Anordnungen erlassen musste. Nach dem Vorabentscheidungsersuchen verpflichtete sie Latvijas valsts meži, die in den Waldbeständen gefällten Kiefern, deren Stamm einen Durchmesser von mehr als 25 cm hat, an Ort und Stelle zu belassen und die derzeit unzureichende Totholzmenge in den Beständen des prioritär geschützten EU-Biotops 9010* „Westliche Taiga“ aufzustocken.
69. Die letztgenannte Anordnung verstehe ich dahin gehend, dass Latvijas valsts meži Totholz nicht beseitigen darf, bis es in ausreichender Menge vorhanden ist. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Umweltschutzbehörde damit das Abtöten von Bäumen verlangen wollte, bis ein bestimmter Totholzanteil erreicht wird. In dieser Auslegung wiederholt die Anordnung allem Anschein nach nur die bereits bestehenden Verpflichtungen nach Unterabs. 11.2 des Dekrets Nr. 478, bei unzureichendem Totholzanteil auf die Entfernung von Totholz zu verzichten. Dabei handelt es sich somit nicht um die Anordnung einer Wiedergutmachung.
70. Folglich stellt sich im Wesentlichen die Frage, ob die zuständigen Behörden verpflichtet waren, Latvijas valsts meži aufzugeben, die in den Waldbeständen gefällten Kiefern, deren Stamm einen Durchmesser von mehr als 25 cm hat, an Ort und Stelle zu belassen.
71. Das Gericht fragt zwar danach, ob diese Anordnung zur Vermeidung etwaiger erheblicher Auswirkungen geboten wurde. Die Frage wird jedoch nur für den Fall gestellt, dass das Fällen der Bäume einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung bedurfte, die nicht vorgenommen wurde. Daher bewirkt diese Anordnung vor allem, dass Latvijas valsts meži die unter Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie vorgenommenen Maßnahmen nicht weiter fortführen kann, indem sie die illegal gefällten Bäume dem Wald entnimmt.
72. Auch diese Anordnung zielt somit nicht auf Wiedergutmachung ab oder unmittelbar auf die Vermeidung etwaiger erheblicher Auswirkungen, sondern nur darauf, eine Fortsetzung der Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie zu verhindern. Dass damit eine Begrenzung der nachteiligen Auswirkungen dieses Verstoßes einhergeht, ist nur ein Nebeneffekt.
73. Zur Anordnung der Beendigung einer Verletzung des Unionsrechts und zum Erlass entsprechender Umsetzungsmaßnahmen sind die Mitgliedstaaten und alle ihre Stellen bereits aufgrund der Bindung an Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und die Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet. Die Unionstreue verlangt insbesondere, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben. Diese Verpflichtung obliegt nicht nur dem Staat als solchem, sondern im Rahmen ihrer Befugnisse auch allen seinen Behörden,(39 ) also auch der Umweltbehörde. Sie obliegt darüber hinaus sogar Unternehmen, die dem Mitgliedstaat zuzuordnen sind,(40 ) was bei Latvijas valsts meži allem Anschein nach der Fall ist.(41 )
74. Im Zusammenhang mit anderen Umweltprüfungen hat der Gerichtshof daher entschieden, dass die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung notwendig sein kann, um eine versäumte Prüfung nachholen zu können.(42 ) Die Verhinderung der weiteren Durchführung einer das Unionsrecht verletzenden Tätigkeit hat die gleiche Qualität.
75. Somit bleibt festzuhalten, dass die Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Befugnisse aufgrund von Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet sind, die Beendigung von Maßnahmen anzuordnen, die unter Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie durchgeführt wurden. Ein dem Mitgliedstaat zuzuordnendes Unternehmen ist dabei bereits unmittelbar und ohne eine innerstaatliche Regelung oder behördliche Anordnung verpflichtet, eine solche Maßnahme einzustellen.
76. Nur für den Fall, dass der Gerichtshof sich nicht nur zur Beendigung von Verstößen, sondern auch zur echten Wiedergutmachung von Schäden äußern will, ist anzumerken, dass die Unionstreue ebenfalls einschlägig wäre. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten nämlich auch, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben(43 ) und die durch den Verstoß verursachten Schäden zu ersetzen.(44 )
77. Außerdem sind die Mitgliedstaaten, auch wenn eine Unionsregelung wie die Habitatrichtlinie keine besondere Vorschrift enthält, die für den Fall ihrer Verletzung eine Sanktion vorsieht, nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.(45 ) Damit sind Maßnahmen und insbesondere Regelungen gemeint, die sicherstellen, dass Einzelne das Unionsrecht beachten. Zwar werden in diesem Zusammenhang meist Sanktionen erörtert,(46 ) doch Regelungen zur Gewährleistung der Wiedergutmachung etwaiger Schäden aufgrund der Verletzung von Unionsrecht sind erst recht geboten.(47 ) Das Hauptziel der jeweiligen Regelung ist nämlich nicht die Sanktion von Einzelnen, sondern die Herstellung oder Erhaltung eines bestimmten Zustands. Darüber hinaus erhöht eine Verpflichtung zur Wiedergutmachung von Schäden die Durchsetzungskraft der jeweiligen Regelungen, weil sie einen Anreiz zur Vermeidung von Verstößen begründet.(48 )
78. Beim Gebietsschutz nach der Habitatrichtlinie kommt dem Ziel der Herstellung oder Erhaltung eines bestimmten Zustands besondere Bedeutung zu, denn diese Regelungen bezwecken den Schutz des gemeinsamen Naturerbes der Europäischen Union.(49 )
79. Daher müssen die Mitgliedstaaten Regelungen erlassen, die es erlauben, Einzelne zur Wiedergutmachung von Schäden zu verpflichten, wenn diese unter Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie Natura-2000-Gebiete beeinträchtigt haben, wie der Gerichtshof bereits angedeutet hat.(50 ) Teilweise mögen sich entsprechende innerstaatliche Rechtsgrundlagen bereits aus der Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie(51 ) ergeben, doch wegen der vielfältigen Einschränkungen dieser Regelung ist es nicht auszuschließen, dass eine wirksame Umsetzung der Habitatrichtlinie den Erlass weiter reichender Vorschriften zur Wiedergutmachung verlangt.
80. Im vorliegenden Fall kommt es auf solche innerstaatlichen Vorschriften aber nicht an, wenn Latvijas valsts meži dem lettischen Staat zuzurechnen ist und somit unmittelbar den Verpflichtungen unterliegt, die sich aus der Habitatrichtlinie ergeben.(52 )
V. Ergebnis
81. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:
1) Das Fällen von Bäumen in einem Schutzgebiet zum Schutz von Waldlebensräumen, um Infrastruktureinrichtungen in diesem Gebiet im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden instand zu halten oder neu zu schaffen, ist ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.
2) Vorsorgende Maßnahmen aufgrund allgemeiner gesetzlicher Regelungen über den Brandschutz oder darauf beruhender Brandschutzpläne können nur dann im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 unmittelbar mit der Verwaltung eines Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein, wenn sie zugleich Teil der nötigen Erhaltungsmaßnahmen gemäß Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 sind. Vorsorgende Brandschutzmaßnahmen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen und die Erhaltungsziele des Gebiets beeinträchtigen könnten, müssen dagegen einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 unterzogen werden.
3) Die Verpflichtung zur Prüfung der Verträglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 enthält keine Ausnahme für Maßnahmen aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften zur Brandbekämpfung. Solche Rechtsvorschriften können daher grundsätzlich nicht von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 befreien.
4) Vorsorgende Brandschutzmaßnahmen, die ein besonderes Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten, nicht der Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden tatsächlichen Gefahr für ein überwiegendes Schutzgut dienen und auch nicht als Erhaltungsmaßnahmen nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 festgelegt wurden, dürfen nicht vor dem Abschluss einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten müssen allerdings sicherstellen, dass solche Maßnahmen so schnell wie möglich geprüft werden können.
5) Die Behörden eines Mitgliedstaats sind im Rahmen ihrer Befugnisse aufgrund von Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, die Beendigung von Maßnahmen anzuordnen, die unter Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 durchgeführt wurden. Ein dem Mitgliedstaat zuzuordnendes Unternehmen ist bereits unmittelbar und ohne eine innerstaatliche Regelung oder behördliche Anordnung verpflichtet, eine solche Maßnahme einzustellen.