C-389/19 P – Kommission/ Schweden

C-389/19 P – Kommission/ Schweden

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Language of document : ECLI:EU:C:2020:874

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 29. Oktober 2020(1)

Rechtssache C389/19 P

Europäische Kommission

gegen

Königreich Schweden

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH‑Verordnung) – Art. 56, 58 und 60 – Zulassung – Besonders besorgniserregende Stoffe – Beschluss der Kommission über die Zulassung der Verwendung von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot – Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen – Nichtigkeitsklage – Aufrechterhaltung der Wirkungen“

I.      Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission, das Urteil vom 7. März 2019, Schweden/Kommission (T‑837/16, EU:T:2019:144; im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht den Durchführungsbeschluss C(2016) 5644 final der Kommission vom 7. September 2016 über die Zulassung bestimmter Verwendungen von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt und den Antrag der Kommission auf Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss zurückgewiesen hat.

2.        Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission(2) (im Folgenden: REACH-Verordnung) legt im Hinblick auf das von ihnen ausgehende Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt eine Zulassungsregelung für besonders besorgniserregende Stoffe fest. Nach dieser Regelung darf ein solcher Stoff, wenn er in Anhang XIV dieser Verordnung aufgenommen ist, grundsätzlich nach einem bestimmten Zeitpunkt nur noch verwendet oder in Verkehr gebracht werden, wenn von der Kommission eine besondere Zulassung erteilt wird.

3.        Somit gibt die vorliegende Rechtssache dem Gerichtshof die Gelegenheit, erstmals zu den Tatbestandsmerkmalen Stellung zu nehmen, nach denen die Kommission aufgrund von Art. 60 der REACH-Verordnung eine Zulassung für einen in Anhang XIV dieser Verordnung aufgenommenen besonders besorgniserregenden Stoff erteilen kann(3). Die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene Kernfrage betrifft die von der Kommission vorzunehmende Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen, die eine der Hauptvoraussetzungen für eine nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung zu erteilende Zulassung darstellt. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses bestätigen sollte, wirft die vorliegende Rechtssache auch die neue Frage auf, ob seine Wirkungen im Hinblick auf die Übergangsvorschriften in den Art. 56 und 58 der REACH-Verordnung bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission aufrechtzuerhalten sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

4.        In Titel VII („Zulassung“) der REACH-Verordnung behandeln Kapitel 1 die „Zulassungspflicht“ und Kapitel 2 die „Zulassungserteilung“. Kapitel 1 enthält insbesondere die Art. 56 und 58 und Kapitel 2 Art. 60.

5.        Art. 56 („Allgemeine Bestimmungen“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)      Ein Hersteller, Importeur oder nachgeschalteter Anwender darf einen Stoff, der in Anhang XIV aufgenommen wurde, nicht zur Verwendung in Verkehr bringen und nicht selbst verwenden, es sei denn,

a)      die Verwendung/en dieses Stoffes als solchem oder in einer Zubereitung oder die Aufnahme des Stoffes in ein Erzeugnis, für die der Stoff in Verkehr gebracht wird oder für die er den Stoff selbst verwendet, wurde gemäß den Artikeln 60 bis 64 zugelassen oder

d)      der Zeitpunkt nach Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i wurde erreicht und der Hersteller, Importeur oder nachgeschaltete Anwender hat 18 Monate vor diesem Zeitpunkt einen Zulassungsantrag gestellt, über den bislang noch nicht entschieden wurde, …

…“

6.        Art. 58 („Aufnahme von Stoffen in Anhang XIV“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)      Entscheidungen über die Aufnahme von Stoffen nach Artikel 57 in Anhang XIV sind nach dem in Artikel 133 Absatz 4 genannten Verfahren zu erlassen. In den Entscheidungen wird für jeden Stoff Folgendes angegeben:

c)      Übergangsregelungen:

i)      der/die Zeitpunkt/e, ab dem/denen das Inverkehrbringen und die Verwendung des Stoffes verboten sind, es sei denn, es wurde eine Zulassung erteilt (nachstehend ‚Ablauftermin‘ genannt); dabei sollte gegebenenfalls der für diese Verwendung angegebene Produktionszyklus berücksichtigt werden;

ii)      ein Zeitpunkt oder Zeitpunkte von mindestens 18 Monaten vor dem/den Ablauftermin/en, bis zu dem/denen Anträge eingegangen sein müssen, wenn der Antragsteller den Stoff nach dem/den Ablauftermin/en weiterhin verwenden oder für bestimmte Verwendungen in Verkehr bringen will; diese fortgesetzten Verwendungen sind nach dem Ablauftermin erlaubt, bis über den Zulassungsantrag entschieden wird;

…“

7.        Art. 60 („Zulassungserteilung“) Abs. 4 und 5 der REACH-Verordnung sieht vor:

„(4)      In Fällen, in denen die Zulassung nach Absatz 2 nicht erteilt werden kann, oder für die in Absatz 3 aufgeführten Stoffe kann eine Zulassung nur erteilt werden, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder ‑technologien gibt. Diese Entscheidung ist nach Berücksichtigung aller folgenden Aspekte und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der in Artikel 64 Absatz 4 Buchstaben a und b genannten Ausschüsse für Risikobeurteilung und für sozioökonomische Analyse zu treffen:

a)      Risiko, das aus den Verwendungen des Stoffes entsteht, einschließlich der Angemessenheit und Wirksamkeit der vorgeschlagenen Risikomanagementmaßnahmen;

b)      sozioökonomischer Nutzen seiner Verwendung und die vom Antragsteller oder anderen interessierten Kreisen dargelegten sozioökonomischen Auswirkungen einer Zulassungsversagung;

c)      Analyse der vom Antragsteller nach Artikel 62 Absatz 4 Buchstabe e vorgelegten Alternativen oder eines vom Antragsteller nach Artikel 62 Absatz 4 Buchstabe f vorgelegten Substitutionsplans und der von interessierten Kreisen nach Artikel 64 Absatz 2 übermittelten Beiträge;

d)      verfügbare Informationen über die Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt von Alternativstoffen oder ‑technologien.

(5)      Bei der Beurteilung, ob geeignete alternative Stoffe oder Technologien verfügbar sind, berücksichtigt die Kommission alle maßgeblichen Aspekte einschließlich der folgenden:

a)      die Frage, ob der Übergang zu Alternativen zu einem geringeren Gesamtrisiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führen würde, wobei der Angemessenheit und Wirksamkeit von Risikomanagementmaßnahmen Rechnung zu tragen ist;

b)      die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit der Alternativen für den Antragsteller.“

III. Vorgeschichte des Verfahrens

8.        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, die in den Rn. 1 bis 30 des angefochtenen Urteils dargestellt ist, lässt sich für die vorliegende Rechtssache wie folgt zusammenfassen. Voranzustellen sind einige Vorbemerkungen zur REACH-Verordnung und zur Zulassungsregelung (Abschnitt A), bevor auf den dem Verfahren vor dem Gericht zugrunde liegenden Sachverhalt einzugehen ist (Abschnitt B).

A.      REACH-Verordnung und Zulassungsregelung

9.        Die REACH-Verordnung ist ein zentrales Rechtsinstrument zur Regulierung chemischer Stoffe in der Union. Wie vom Gerichtshof anerkannt, ist es nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung ihr Zweck, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern(4).

10.      Insbesondere verlangt die REACH-Verordnung, wie sich u. a. aus ihren Erwägungsgründen 69 und 70 ergibt, dass bei besonders besorgniserregenden Stoffen mit großer Umsicht vorgegangen wird. Diese Stoffe unterliegen somit der Zulassungsregelung in Titel VII der REACH-Verordnung. Nach Art. 55 dieser Verordnung ist es Zweck dieser Regelung, „sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert und gleichzeitig die von besonders besorgniserregenden Stoffen ausgehenden Risiken ausreichend beherrscht werden und dass diese Stoffe schrittweise durch geeignete Alternativstoffe oder ‑technologien ersetzt werden, sofern diese wirtschaftlich und technisch tragfähig sind“(5).

11.      Die Zulassungsregelung umfasst drei Phasen(6). Die erste Phase ist das Verfahren zur Ermittlung besonders besorgniserregender Stoffe auf der Grundlage der Kriterien des Art. 57 der REACH-Verordnung. Die zweite Phase ist die Aufnahme dieser Stoffe in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe in Anhang XIV dieser Verordnung. Die dritte Phase – in der die vorliegende Rechtssache angesiedelt ist – betrifft das Verfahren, das gegebenenfalls zur Erteilung einer Zulassung für einen besonders besorgniserregenden Stoff führt(7).

12.      Demzufolge dürfen nach den Art. 56 und 58 der REACH-Verordnung in Anhang XIV dieser Verordnung aufgenommene besonders besorgniserregende Stoffe nach einem bestimmten Zeitpunkt (im Folgenden: Ablauftermin) nicht verwendet oder zu einer Verwendung durch Hersteller, Importeure oder nachgeschaltete Anwender in Verkehr gebracht werden, sofern nicht die Verwendung zugelassen ist oder bestimmte Beschränkungen gelten, u. a. wenn für den Stoff vor „Antragsschluss“ ein Zulassungsantrag gestellt, von der Kommission darüber jedoch noch nicht entschieden wurde(8).

13.      Hersteller und Importeure können Zulassungsanträge auf Inverkehrbringen eines Stoffes stellen, um diesen Stoff selbst zu verwenden und seine Verwendung ihren nachgeschalteten Anwendern zu gewähren(9). Diese Anträge werden zwar bei der durch diese Verordnung gegründeten Europäischen Chemikalienagentur (im Folgenden: ECHA) gestellt(10), die Entscheidung trifft jedoch die Kommission(11). In Zulassungsentscheidungen werden u. a. die abgedeckte(n) Verwendung(en), der Zeitraum für die Überprüfung der Zulassung und die Auflagen, unter denen die Zulassung gilt, angegeben(12).

14.      Vor allem legt Art. 60 der REACH-Verordnung zwei mögliche Wege für die Erteilung einer Zulassung durch die Kommission fest: Erstens den Weg der angemessenen Beherrschung nach Art. 60 Abs. 2 der REACH-Verordnung, bei dem das sich aus der Verwendung des Stoffes ergebende Risiko angemessen beherrscht wird, und zweitens den, in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden, sozioökonomischen Weg nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung, für den zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich dass i) der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und es ii) keine geeigneten Alternativstoffe oder ‑technologien gibt(13).

15.      Nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung hat die Kommission die Entscheidung nach Berücksichtigung verschiedener Aspekte, insbesondere der Analyse der vom Antragsteller vorgelegten Alternativen(14) und der von interessierten Kreisen im Rahmen des Verfahrens übermittelten Stellungnahmen sowie der Stellungnahmen der Ausschüsse für Risikobeurteilung und für sozioökonomische Analyse, zu treffen. Ferner hat die Kommission nach Art. 60 Abs. 5 der REACH-Verordnung bei der Beurteilung, ob geeignete Alternativen verfügbar sind, alle maßgeblichen Aspekte zu berücksichtigen, insbesondere erstens, ob der Übergang zu Alternativen zu einem geringeren Gesamtrisiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führen würde, und zweitens die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit der Alternativen für den Antragsteller.

16.      Die Kommission trifft die Entscheidung insoweit nach dem Verfahren in Art. 64 der REACH-Verordnung. Hierzu gehört nach Art. 64 Abs. 2 dieser Verordnung insbesondere eine öffentliche Anhörung, die Dritten die Gelegenheit gibt, Informationen über Alternativstoffe oder ‑technologien vorzulegen. Nach Art. 64 Abs. 3 und 4 der REACH-Verordnung haben die Ausschüsse für Risikobeurteilung und für sozioökonomische Analyse, bei denen es sich um Einrichtungen handelt, die innerhalb der ECHA verschiedene Aufgaben wahrnehmen(15), ihre Stellungnahmen zu relevanten Aspekten des Antrags abzugeben, zu denen im Fall des Ausschusses für sozioökonomische Analyse auch die Verfügbarkeit von Alternativen gehört. Nach Art. 64 Abs. 8 der REACH-Verordnung erstellt die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahmen einen Entscheidungsentwurf und erlässt die endgültige Entscheidung gemäß dem anwendbaren Ausschussverfahren(16).

B.      Sachverhalt des Verfahrens vor dem Gericht

17.      Bleisulfochromatgelb (C. I. Pigment Yellow 34) und Bleichromatmolybdatsulfatrot (C. I. Pigment Red 104) (im Folgenden zusammen: in Rede stehende Stoffe) sind aus Blei- und Chrom-VI‑Elementen bestehende Stoffe. Sie werden wegen ihrer Haltbarkeit, ihrer hellen Farbe und ihres Glanzes insbesondere in Lacken und Anstrichen (z. B. für Eisen- und Stahlbrücken und ‑konstruktionen), zur Erfüllung einer Signalfunktion (etwa bei Warnschildern) und für gelbe Straßenmarkierungen verwendet.

18.      Durch die Verordnung Nr. 125/2012(17) wurden die in Rede stehenden Stoffe wegen ihrer krebserzeugenden und fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften in das Verzeichnis besonders besorgniserregender Stoffe in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen. Folglich war ihre Verwendung und ihr Inverkehrbringen nach dem 21. Mai 2015 (Ablauftermin) zulassungspflichtig, und Antragsschluss war der 21. November 2013.

19.      Die DCC Maastricht BV (im Folgenden: DCC Maastricht oder Antragsteller)(18), die die in Rede stehenden Stoffe an ungefähr 100 nachgeschaltete Anwender in der Union liefert, stellte am 19. November 2013 einen Zulassungsantrag (im Folgenden: Zulassungsantrag) für das Inverkehrbringen dieser Stoffe für die folgenden sechs, für beide Stoffe identischen Verwendungen:

–        in einer industriellen Umgebung vorgenommene Verteilung und Vermischung von Pigmentpulver mit Anstrichfarben auf Lösungsmittelbasis, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind (im Folgenden: Verwendung 1);

–        industrielle Anwendung von Anstrichfarben auf metallischen Oberflächen (Maschinen, Fahrzeuge, Strukturen, Schilder, Straßenmobiliar, Mehrschichtlackierung usw.) (im Folgenden: Verwendung 2);

–        nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmte professionelle Anwendung von Anstrichfarben auf metallischen Oberflächen (Maschinen, Fahrzeuge, Strukturen, Schilder, Straßenmobiliar usw.) oder zur Straßenmarkierung (im Folgenden: Verwendung 3);

–        in einer industriellen Umgebung vorgenommene Verteilung und Vermischung von Pigmentpulver mit flüssigen oder festen Vormischungen zum Färben von Erzeugnissen aus Plastik oder plastifizierten Erzeugnissen, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind (im Folgenden: Verwendung 4);

–        industrielle Verwendung von pigmenthaltigen festen oder flüssigen farbigen Vormischungen und vorgemischten Stoffen zum Färben von Erzeugnissen aus Plastik oder plastifizierten Erzeugnissen, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind (im Folgenden: Verwendung 5) und

–        professionelle Verwendung von pigmenthaltigen festen oder flüssigen farbigen Vormischungen und vorgemischten Stoffen für thermoplastische Straßenmarkierungen (im Folgenden: Verwendung 6).

20.      Im Rahmen der nach Art. 64 Abs. 2 der REACH-Verordnung durchgeführten öffentlichen Anhörung äußerten sich Hersteller, nachgeschaltete Anwender der in Rede stehenden Stoffe, Branchenorganisationen, Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen zu dem Zulassungsantrag. Insbesondere wiesen diese nachgeschalteten Anwender darauf hin, dass etwaige alternative Stoffe nicht dieselben Vorzüge hätten und zumeist teurer seien. Dagegen wiesen Mitglieder der Farb- und Lackindustrie darauf hin, dass es sicherere und geeignete Alternativstoffe gebe, die zu angemessenen Kosten verwendet werden könnten. DCC Maastricht entgegnete hierauf, dass eine Reihe von Unternehmen die in Rede stehenden Stoffe zur Herstellung besonderer „Nischen“-Produkte benötigten.

21.      Am 11. Dezember 2014 nahmen der Ausschuss für Risikobeurteilung und der Ausschuss für sozioökonomische Analyse zwölf konsolidierte Stellungnahmen zu jeder der sechs Verwendungen der beiden in Rede stehenden Stoffe an. In seinen Stellungnahmen „bestätigte [der Ausschuss für sozioökonomische Analyse], dass es offenbar keine unter dem Gesichtspunkt der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit für den Antragsteller geeigneten Alternativen gibt“.

22.      In Sitzungen vom 7. und 8. Juli 2015, 22. und 23. September 2015, 3. und 4. Februar 2016 sowie 6. und 7. Juli 2016 wurde der Zulassungsantrag in dem nach Art. 133 der REACH-Verordnung eingesetzten Komitologie-Ausschuss (im Folgenden: REACH-Ausschuss) geprüft. Zwei Mitgliedstaaten und das Königreich Norwegen teilten insbesondere mit, die in Rede stehenden Stoffe würden nicht für gelbe Straßenmarkierungen benutzt bzw. in einem dieser Mitgliedstaaten sei diese Verwendung vor 20 Jahren verboten worden. Der REACH-Ausschuss gab schließlich eine den Entscheidungsentwurf der Kommission befürwortende Stellungnahme ab; 23 Mitgliedstaaten stimmten dafür, drei Mitgliedstaaten, darunter das Königreich Schweden, dagegen, und zwei Mitgliedstaaten enthielten sich der Stimme.

23.      Am 7. September 2016 erließ die Kommission den streitigen Beschluss. Mit diesem Beschluss erteilte sie DCC Maastricht auf der Grundlage von Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung vorbehaltlich bestimmter Auflagen und Beschränkungen eine Zulassung für die in Rede stehenden Stoffe in Bezug auf die sechs beantragten Verwendungen (im Folgenden: Zulassung).

24.      In den Erwägungsgründen 8 und 9 des streitigen Beschlusses gab die Kommission an, dass die Zulassung wegen „der Schwierigkeiten, die Nichtverfügbarkeit technisch durchführbarer Alternativen für alle genannten Verwendungen zweifelsfrei nachzuweisen“, früher als vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse empfohlen überprüft werden müsse. Sie stellte ferner im neunten Erwägungsgrund dieses Beschlusses fest, dass ein erneuter Meinungsaustausch mit den Mitgliedstaaten ergeben habe, dass offenbar die Verwendung der in Rede stehenden Stoffe bei der Straßenmarkierung in bestimmten Mitgliedstaaten, nicht dagegen in anderen, ersetzt oder verboten worden sei. Daher sei es sinnvoll, den Überprüfungszeitraum für die Verwendungen 1, 2, 4 und 5 auf sieben statt auf zwölf Jahre und für die Verwendungen 3 und 6 auf vier statt auf sieben Jahre festzusetzen.

25.      Im zwölften Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses führte die Kommission aus:

„Aufgrund der Schwierigkeiten, die Nichtverfügbarkeit technisch durchführbarer Alternativen für alle im Antrag genannten Verwendungen zweifelsfrei nachzuweisen, müssen die zugelassenen Verwendungen genauer beschrieben werden, was die technisch erforderlichen Leistungsmerkmale der solche Pigmente enthaltenden Vormischungen, Anstrichfarben, Farbzusammenstellungen und Erzeugnisse betrifft, nämlich diejenigen Merkmale der beiden Stoffe, die durch keine anderen geeigneten alternativen Stoffe oder Techniken erreicht werden können. Die Zulassung sollte somit an die Auflage geknüpft werden, dass der Zulassungsinhaber einen Bericht über die Eignung und die Verfügbarkeit von Alternativen für seine nachgeschalteten Anwender abgibt und auf dieser Grundlage die Beschreibung der zugelassenen Verwendungen präzisiert.“

26.      In Art. 1 Abs. 1 und 2 des streitigen Beschlusses ließ die Kommission die sechs beantragten Verwendungen der in Rede stehenden Stoffe „unter der Voraussetzung [zu], dass die Leistungen der [die in Rede stehenden Stoffe] enthaltenden Vormischungen, Anstrichfarben, Farbmischungen und Fertigerzeugnisse hinsichtlich ihrer Funktionalität, Intensität der Farbgebung, Opazität (Dissimulationsfähigkeit), Dispergierbarkeit, Witterungsbeständigkeit, Hitzebeständigkeit, Nichtauswaschbarkeit oder einer Kombination davon nur bei Verwendung dieser Stoffe technisch durchführbar sind und dass diese Leistungen für die beabsichtigte Verwendung notwendig sind“.

27.      In Art. 1 Abs. 3 Buchst. d des streitigen Beschlusses wird die Zulassung an die Auflage geknüpft, dass die dem Zulassungsinhaber nachgeschalteten Anwender der ECHA bis zum 30. Juni 2017 Informationen über die Eignung und die Verfügbarkeit der Alternativen für ihre Verwendungen zu geben hätten, wobei sie die Notwendigkeit der Verwendung der in Rede stehenden Stoffe im Einzelnen rechtfertigen müssten.

28.      Nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. e des streitigen Beschlusses wurde die Zulassung unter der Auflage erteilt, dass der Zulassungsinhaber der Kommission bis zum 31. Dezember 2017 einen Bericht mit den in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d dieses Beschlusses genannten Angaben zu übermitteln habe. In diesem Bericht müsse er die Beschreibung der genehmigten Verwendungen aufgrund der von seinen nachgeschalteten Anwendern gegebenen Informationen über die Alternativen präzisieren.

29.      Schließlich müssten nach Art. 3 Buchst. b des streitigen Beschlusses die nachgeschalteten Anwender auf Verlangen der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats begründen, warum die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 und 2 erfüllt seien und warum die Leistungsparameter für die beabsichtigte Verwendung notwendig seien.

IV.    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

30.      Am 28. November 2016 erhob das Königreich Schweden beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

31.      Die Kommission beantragte, die Klage abzuweisen. Sie beantragte ferner für den Fall der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, dessen Wirkungen bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss aufrechtzuerhalten.

32.      Mit Beschlüssen vom 24. März und 3. Mai 2017 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts den Anträgen des Königreichs Dänemark, der Republik Finnland und des Europäischen Parlaments auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden stattgegeben. Ferner wurde mit Beschluss vom 20. Juli 2017 dem Antrag der ECHA auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission stattgegeben.

33.      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes des Königreichs Schweden stattgegeben, wonach die Kommission gegen Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung verstoßen habe, indem sie die Zulassung erteilt habe, ohne dass ordnungsgemäß nachgewiesen worden sei, dass es keine geeigneten, die in Rede stehenden Stoffe für die beantragten Verwendungen ersetzenden Alternativen gebe, und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt (Rn. 57 bis 106 des angefochtenen Urteils)(19).

34.      Das Gericht hat auch den Antrag der Kommission zurückgewiesen, die Wirkungen des streitigen Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss aufrechtzuerhalten (Rn. 107 bis 112 des angefochtenen Urteils).

V.      Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

35.      Mit dem vorliegenden, am 20. Mai 2019 eingegangenen Rechtsmittel beantragt die Kommission, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage des Königreichs Schweden abzuweisen und dem Königreich Schweden die Kosten aufzuerlegen. Hilfsweise beantragt die Kommission, die Rechtssache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen, die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren vorzubehalten und die Wirkungen des streitigen Beschlusses aufrechtzuerhalten.

36.      Die ECHA, die dem Verfahren im ersten Rechtszug als Streithelferin zur Unterstützung der Kommission beigetreten ist, unterstützt die Anträge der Kommission.

37.      Das Königreich Schweden beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38.      Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, Streithelfer im ersten Rechtszug zur Unterstützung des Königreichs Schweden, unterstützen die Anträge des Königreichs Schweden.

39.      Mit Beschluss vom 21. November 2019(20) hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs dem Antrag der Kommission auf einstweilige Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Urteils bis zur Entscheidung über das gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel stattgegeben.

40.      In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2020 haben das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden, das Parlament, die Kommission und die ECHA mündliche Ausführungen gemacht.

VI.    Würdigung

41.      Die Kommission macht vier Rechtsmittelgründe geltend. Der erste Grund stützt sich auf die fehlerhafte Beurteilung des Beweismaßstabs in Bezug auf die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung. Der zweite Grund stützt sich darauf, dass der Ermessensspielraum der Kommission zur Festsetzung eines Schwellenwerts von null für die technische Durchführbarkeit von Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung nicht berücksichtigt worden sei. Der dritte Grund stützt sich auf die fehlerhafte Anwendung von Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung im Hinblick auf die in eingeschränktem Umfang und unter Auflagen erfolgte Zulassung im streitigen Beschluss. Der vierte Grund stützt sich auf die fehlerhafte Beurteilung des Antrags auf Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Beschlusses.

42.      Aus den nachfolgend dargelegten Gründen sind meines Erachtens der erste, der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund unbegründet, während der vierte Grund begründet ist. Demzufolge sind meines Erachtens Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Wirkungen des streitigen Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss aufrechtzuerhalten.

A.      Erster Rechtsmittelgrund (zum Beweismaßstab für die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen)

1.      Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

43.      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission, allgemein unterstützt durch die ECHA, im Wesentlichen geltend, das Gericht habe in den Rn. 79, 81, 85, 86, 90 und 101 des angefochtenen Urteils in Bezug auf den Beweismaßstab für die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung offensichtlich rechtsfehlerhaft entschieden.

44.      Erstens habe das Gericht unmögliche Beweisanforderungen gestellt, soweit es vom Antragsteller und von der Kommission verlangt habe, jede wissenschaftliche Unsicherheit zum Nachweis der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung auszuräumen. Die Bewertung von Alternativen setze eine wissenschaftliche Bewertung voraus, die durch erhebliche Unsicherheiten gekennzeichnet sei, so dass, wenn insoweit jede Unsicherheit ausgeschlossen werden müsse, eine probatio diabolica vorliege (d. h. ein gesetzliches Erfordernis, mit dem die Erbringung unmöglich zu erlangender Nachweise verlangt werde).

45.      Zweitens beanstandet die Kommission die Feststellung des Gerichts, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen fortbestanden hätten. Es sei, unter Einschluss von Unsicherheiten, der Beweis erbracht worden, dass die Alternativen nicht das gleiche Niveau an technischer Leistung erreicht hätten wie die in Rede stehenden Stoffe. Sie habe daher ausgehend von der Anwendung einer Nullschwelle für den Verlust an technischer Leistung zu dem Schluss gelangen dürfen, dass die Alternativen technisch nicht durchführbar und daher für die zugelassenen Verwendungen ungeeignet gewesen seien.

46.      Insoweit hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung betont, dass ihr Vorbringen zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen zulässig sei, da es eine Rechtsfrage im Zusammenhang mit der von der Kommission nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung vorzunehmenden Beurteilung von Alternativen und kein neues Vorbringen darstelle, nachdem es insbesondere in ihren Schriftsätzen im Verfahren vor dem Gericht vorgetragen worden sei. Außerdem mache der Umstand, dass sie sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die Feststellungen des Gerichts richte, eine eingehendere Darlegung dieses Vorbringens erforderlich.

47.      Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark und das Parlament, macht die Unzulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes geltend. Das Königreich Schweden macht geltend, die Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen durch die Kommission sei neues Vorbringen, das im Verfahren vor dem Gericht nicht vorgetragen worden sei und daher vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden könne. Nach Ansicht des Königreichs Dänemark und des Parlaments betrifft dieser Grund Tatsachenwürdigungen des Gerichts, die im Rechtsmittelverfahren vom Gerichtshof nicht überprüft werden könnten.

48.      Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, hält den ersten Rechtsmittelgrund ferner für unbegründet. Das Gericht habe keine unmöglichen Beweisanforderungen an die Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen gestellt; der Vortrag der Kommission beruhe auf einem Missverständnis des angefochtenen Urteils. Das Königreich Schweden stellt ferner die Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen durch die Kommission in Abrede, da sie sich weder aus dem streitigen Beschluss noch aus den sonstigen Akten ergebe und auch nicht mit Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung im Einklang stehe. Sie berücksichtige nämlich insbesondere nicht, dass die technische Leistung erforderlich sein müsse, um bei der Verwendung, für die die Zulassung beantragt werde, eine besondere Funktion zu erfüllen. Sie würde somit das Erfordernis der Nichtverfügbarkeit von Alternativen leerlaufen lassen, da kein Stoff genau dieselben technischen Eigenschaften aufweise wie ein anderer.

2.      Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes

a)      Zulässigkeit

49.      Erstens wenden das Königreich Dänemark und das Parlament sich im Wesentlichen gegen die Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes, soweit er die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen und Beweise betrifft, auf deren Grundlage es festgestellt hat, dass die Kommission die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe. Da keine Verfälschung von Tatsachen und Beweismitteln geltend gemacht werde, könne diese Würdigung im Rechtsmittelverfahren vom Gerichtshof nicht überprüft werden.

50.      Meines Erachtens kann diese Unzulässigkeitseinrede keinen Erfolg haben. Bei der Frage, ob das Gericht in Bezug auf den Beweismaßstab für die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung fehlerhaft entschieden hat, geht es darum, ob das Gericht seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat; dies ist eine Rechtsfrage, die der Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zugänglich ist(21). Außerdem betrifft die Frage, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise zu Recht zu dem Schluss gelangen konnte, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung fehlerhaft entschieden habe, die rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts der Rechtssache, für deren Kontrolle der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zuständig ist(22).

51.      Zweitens wendet das Königreich Schweden sich gegen die Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes in Bezug auf das Vorbringen der Kommission zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen mit der Begründung, dass dies neues Vorbringen darstelle, das im Verfahren vor dem Gericht nicht vorgetragen worden sei und somit vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden könne.

52.      Auch diese Unzulässigkeitseinrede kann meines Erachtens keinen Erfolg haben. Nach ständiger Rechtsprechung ist es zulässig, dass ein Rechtsmittelführer ein Rechtsmittel einlegt, mit dem er Rechtsmittelgründe geltend macht, die sich aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben und mit denen dessen Begründetheit aus rechtlichen Erwägungen in Frage gestellt wird(23), wie dies vorliegend der Fall ist. Mit ihrem Vorbringen zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen versucht die Kommission darzutun, dass aus diesem Grund keine erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der Nichtverfügbarkeit von Alternativen bestanden hätten und sie eine zutreffende Bewertung dieses Erfordernisses nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung vorgenommen habe. Dieses Vorbringen richtet sich somit gegen die rechtliche Richtigkeit der Anwendung dieser Bestimmung durch das Gericht im angefochtenen Urteil. Im Übrigen war dieses Vorbringen von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Verfahren vor dem Gericht insbesondere unter Bezug auf den zweiten Teil des ersten Klagegrundes des Königreichs Schweden vorgetragen worden, auf dem die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses durch das Gericht beruhte.

53.      Der erste Rechtsmittelgrund ist somit meines Erachtens zulässig.

b)      Begründetheit

54.      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, indem es nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung unmögliche Beweisanforderungen aufgestellt habe, wonach der Antragsteller und die Kommission in Bezug darauf, dass es keine geeigneten Alternativen gebe, jede wesentliche Unsicherheit ausräumen müssten. Insoweit hätten auf der Grundlage der Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen in Bezug auf ihre Beurteilung geeigneter Alternativen zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses keine erheblichen Unsicherheiten bestanden.

55.      Meines Erachtens ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

56.      Die Auslegung der Rn. 79, 81, 85, 86, 90 und 101 des angefochtenen Urteils durch die Kommission dürfte meines Erachtens nicht überzeugend sein. Diese Passagen sind im richtigen Kontext zu lesen. Der erste Rechtsmittelgrund dürfte somit auf einem Missverständnis des angefochtenen Urteils beruhen.

57.      Erstens hat das Gericht eindeutig in den Rn. 79, 81, 85, 86, 90 und 101 des angefochtenen Urteils in Verbindung insbesondere mit den Rn. 77, 78, 84 und 87 bis 98 nicht verlangt, dass seitens des Antragstellers oder der Kommission jede wissenschaftliche Ungewissheit ausgeschlossen wird. Im Gegenteil hat das Gericht in diesen Randnummern meines Erachtens einen angemessenen Beweismaßstab angewendet, wonach es der Kommission obliege, anhand der im Zulassungsverfahren vorgelegten Informationen den Nachweis für die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung zu führen. In Rn. 86 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich festgestellt, dass die Kommission versäumt habe, vor Erteilung der Zulassung relevante Informationen zu prüfen, die ihr den Schluss ermöglicht hätten, dass keine Alternativen für alle beantragten Verwendungen existiert hätten oder dass die fortbestehenden Ungewissheiten „unerheblich“ gewesen seien.

58.      Insoweit ergibt sich, wie Rn. 77 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, die Feststellung des Gerichts in Rn. 79 des angefochtenen Urteils, dass der Antragsteller gegebenenfalls das Risiko trage, dass der Nachweis der Nichtverfügbarkeit von Alternativen unmöglich sei, so dass ihm, wenn weiterhin Ungewissheiten bestünden, keine Zulassung erteilt werden könne, aus dem Wortlaut von Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung in Verbindung mit deren 69. Erwägungsgrund, wonach der Antragsteller hierfür die Beweislast habe und somit das Risiko trage, dass dieses Erfordernis gegebenenfalls unbewiesen bleibe.

59.      Ebenso kann, wie vom Königreich Schweden vorgetragen, die Feststellung des Gerichts in Rn. 81 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission eine Zulassungsentscheidung nicht aufgrund bloßer Hypothesen treffen könne, nicht dahin ausgelegt werden, dass sie ihr unmögliche Beweisanforderungen auferlege. Aus dieser Feststellung folgt, dass für dieses Erfordernis der Nachweis nicht erbracht ist, wenn es lediglich Vermutungen zur Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen gibt, während es erfüllt ist, wenn die Kommission Informationen hat, die dafür sprechen, dass es keine geeigneten Alternativen gibt.

60.      Hinzuweisen ist auch darauf, dass das Gericht in Rn. 85 in Verbindung mit Rn. 84 des angefochtenen Urteils meines Erachtens zu Recht festgestellt hat, dass die Kommission dann, wenn Angaben, die der Antragsteller in seiner Analyse der Alternativen gemacht habe, im Widerspruch zu Angaben Dritter oder von Mitgliedstaaten stünden, die Nichtverfügbarkeit von Alternativen genauer prüfen müsse, so dass dieses Erfordernis dann, wenn auch nach dieser Prüfung Unsicherheiten fortbestünden, nicht erfüllt und die Kommission nicht befugt sei, eine Zulassung zu erteilen.

61.      Auf dieser Grundlage hat das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission am Tag des Erlasses des streitigen Beschlusses ihre Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen nicht ordnungsgemäß abgeschlossen gehabt habe und dass die Zulassung ohne eine genauere Prüfung dieses Erfordernisses nicht habe erteilt werden dürfen. Diese Feststellung beruhte eindeutig auf mehreren, in den Rn. 87 bis 98 des angefochtenen Urteils dargelegten Erwägungen.

62.      Insbesondere hat das Gericht in Rn. 90 in Verbindung mit den Rn. 88 und 89 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die von einem Interessenvertreter vorgelegten Informationen Zweifel an der vom Antragsteller in seiner Analyse der Alternativen erhobenen Behauptung aufkommen ließen, dass die in Rede stehenden Stoffe durch eine hohe technische Leistung gekennzeichnet seien, die durch keinen alternativen Stoff erreicht würde.

63.      Das Gericht hat in Rn. 101 des angefochtenen Urteils auch das Vorbringen der Kommission, sie habe zusätzliche Analysen zur Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen durchgeführt, mit der Begründung zurückgewiesen, dass diese Analysen in zusätzlichen Informationen des Antragstellers bestanden hätten, die die Verwendungen, für die es keine Alternativen gegeben habe, nicht klargestellt hätten.

64.      Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Kommission zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen nicht überzeugend, da das Gericht hierzu in den von der Kommission beanstandeten Passagen des angefochtenen Urteils nicht Stellung genommen hat. Unabhängig von der Anwendung einer solchen Schwelle durch die Kommission kann der entsprechende Vortrag die Behauptung nicht stützen, das Gericht habe nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung unmögliche Beweisanforderungen gestellt. Wie aus den Rn. 86, 90 und 101 des angefochtenen Urteils hervorgeht, ist das Gericht meines Erachtens zu Recht anhand der Informationen zur technischen Leistung der in Rede stehenden Stoffe zu dem Schluss gekommen, dass klare Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Beurteilung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen durch die Kommission nicht abgeschlossen gewesen sei und die Kommission die Gründe, aus denen sie die Alternativen für ungeeignet gehalten habe, nicht hinreichend erläutert habe.

65.      Ich schlage daher vor, den ersten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

B.      Zweiter Rechtsmittelgrund (zur Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen)

1.      Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

66.      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission, allgemein unterstützt durch die ECHA, im Wesentlichen geltend, das Gericht habe in den Rn. 86, 90 und 96 des angefochtenen Urteils offensichtlich rechtsfehlerhaft entschieden, indem es den Ermessensspielraum der Kommission verkannt habe, im Rahmen der Beurteilung von Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung einen Schwellenwert für die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit festzusetzen. Damit habe das Gericht ein falsches Kriterium für die gerichtliche Überprüfung angewandt und sich bei der Abwägung der einschlägigen sozialen, wirtschaftlichen und technischen Aspekte an die Stelle der Kommission gesetzt.

67.      Der streitige Beschluss beruhe auf der von ihr angewendeten Nullschwelle für die Minderung an technischer Leistung, und keine Alternative habe diese Schwelle erfüllt. Der Ansatz des Gerichts lasse dies unberücksichtigt und vermische diese beiden Aspekte. Sie habe fehlerfrei entschieden, soweit sie eine Nullschwelle festgelegt und sodann die Alternativen anhand dieser Schwelle beurteilt habe, da es unmöglich sei, die technische Durchführbarkeit einer Alternative zu bewerten, ohne zu klären, inwieweit eine Minderung der Leistung akzeptabel sein könne; dies gelte entsprechend für die wirtschaftliche Durchführbarkeit. Hierüber zu entscheiden, falle in das Ermessen der Kommission, wonach sie zur Abwägung verschiedener Aspekte verpflichtet sei. Deshalb unterliege ihre Beurteilung der Alternativen einer gerichtlichen Überprüfung auf offensichtliche Fehler, wie das Gericht in seinem Urteil vom 4. April 2019, ClientEarth/Kommission (T‑108/17, EU:T:2019:215), zutreffend entschieden habe; dies habe das Gericht jedoch im angefochtenen Urteil nicht zur Anwendung gebracht.

68.      Nach Ansicht des Königreichs Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, ist der zweite Rechtsmittelgrund aus zwei Gründen unzulässig. Erstens beträfen die beanstandeten Feststellungen des Gerichts eine Tatsachenfrage. Zweitens sei die Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen durch die Kommission im Verfahren vor dem Gericht nicht geltend gemacht worden und stelle somit neues Vorbringen dar, das im Rechtsmittelverfahren nicht geltend gemacht werden könne.

69.      Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, hält den zweiten Rechtsmittelgrund ferner für unbegründet.

70.      Erstens tragen das Königreich Schweden und das Parlament vor, dass die Vorgehensweise der Kommission mit einer Nullschwelle sich nicht aus dem streitigen Beschluss ergebe und die Kommission dies auch im Verfahren vor dem Gericht nicht vorgetragen habe. Somit gebe es, so trägt das Königreich Schweden vor, keinen Anhaltspunkt, der die Behauptung der Kommission stütze, dass das Gericht diesen Umstand nicht berücksichtigt oder den Ermessensspielraum der Kommission verkannt habe. Das Parlament macht geltend, dass dieses Argument zwar lediglich eine „rückwirkende Rekonstruktion“ darstelle, es jedenfalls aber unerheblich sei, ob die Kommission eine solche Schwelle festgelegt habe, da das Gericht seine Feststellungen darauf gestützt habe, dass die Kommission die Nichtverfügbarkeit von Alternativen nicht habe definitiv nachweisen können und im streitigen Beschluss einräume, dass unklar sei, ob es Alternativen gebe, die den festgelegten Kriterien entsprächen.

71.      Zweitens ist das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, der Ansicht, dass die Vorgehensweise der Kommission mit einer Nullschwelle gegen die REACH-Verordnung verstoße. Das Königreich Schweden trägt vor, das Gericht habe zu Recht entschieden, dass Alternativen konkret anhand ihrer beabsichtigten Verwendung zu beurteilen seien und die Kommission somit dadurch, dass sie eine Schwelle für die Minderung der Leistung festgelegt habe, ohne die Funktion zu berücksichtigen, für die diese Leistung in Bezug auf die beabsichtigte Verwendung erforderlich sei, Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung missachtet habe. Das Königreich Dänemark und das Parlament betonen, eine solche Vorgehensweise stehe nicht im Einklang mit dem Wortlaut und den Zielen der REACH-Verordnung und könne das Erfordernis der Nichtverfügbarkeit von Alternativen aushöhlen, da sie die Substitution auf Basis von Alternativen mit Merkmalen, die denjenigen des in Rede stehenden Stoffes entsprächen, einschränke. Auch die Republik Finnland ist der Ansicht, dass die technische Leistung für jede Verwendung gesondert bewertet werden müsse und die Vorgehensweise der Kommission dazu führe, dass besonders besorgniserregende Stoffe zu leicht zugelassen würden; damit werde das Zulassungsverfahren untergraben.

2.      Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes

a)      Zulässigkeit

72.      Erstens wendet sich das Königreich Schweden, zusammen mit dem Königreich Dänemark, im Wesentlichen gegen die Zulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung, dass er die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen und Beweise betreffe, auf deren Grundlage es festgestellt habe, dass die Kommission die Nichtverfügbarkeit von Alternativen nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe, und diese, da keine Verfälschung von Tatsachen und Beweisen behauptet werde, vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden könne.

73.      Ich stimme mit dieser Unzulässigkeitseinrede nicht überein. Wie in Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge vorgetragen, betrifft die Frage, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise zu Recht zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen fehlerhaft gehandelt habe, die rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts der Rechtssache, für deren Überprüfung der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zuständig ist.

74.      Zweitens wendet sich das Königreich Schweden, zusammen mit dem Königreich Dänemark, gegen die Zulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung, dass das Vorbringen der Kommission zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen neues Vorbringen darstelle, das im Verfahren vor dem Gericht nicht vorgetragen worden sei und daher vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden könne.

75.      Ich stimme auch mit dieser Unzulässigkeitseinrede nicht überein. Ausgehend von meiner Würdigung in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge ist das Vorbringen der Kommission zur Anwendung einer Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als zulässig anzusehen, da damit die rechtliche Richtigkeit der Feststellungen des Gerichts in Frage gestellt werden soll, wonach die Kommission die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung nicht zutreffend beurteilt habe, und da es auf Vorbringen beruht, das die Kommission im Verfahren vor dem Gericht vorgetragen hat.

76.      Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund meines Erachtens zulässig.

b)      Begründetheit

77.      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, indem es den Ermessensspielraum, über den die Kommission bei der Festlegung der Schwelle für die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit von Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung verfüge, und den Umfang der gerichtlichen Kontrolle über ihre nach dieser Bestimmung getroffenen Entscheidungen verkannt habe.

78.      Wie in Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, hat das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses die Nichtverfügbarkeit von Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe. Diese Feststellung beruhte auf mehreren, in den Rn. 87 bis 98 des angefochtenen Urteils dargelegten Erwägungen.

79.      Insbesondere nahm das Gericht in Rn. 90 des angefochtenen Urteils an, dass die von einem Interessenvertreter vorgelegten Informationen darauf hindeuteten, dass unter bestimmten Voraussetzungen auf dem Markt der Union Alternativen für alle im Zulassungsantrag genannten Verwendungen existierten.

80.      Ebenso stellte das Gericht in Rn. 96 des angefochtenen Urteils fest, dass aus den Erwägungsgründen 8, 9 und 12 des streitigen Beschlusses hervorgehe, dass die Kommission noch Zweifel an der Nichtverfügbarkeit von technisch durchführbaren Alternativen für alle im Zulassungsantrag genannten Verwendungen gehabt habe.

81.      In diesen Feststellungen ist meines Erachtens kein Rechtsfehler erkennbar.

82.      Erstens weise ich darauf hin, dass die Festlegung eines Schwellenwerts für die technische oder wirtschaftliche Durchführbarkeit von Alternativen durch die Kommission weder im streitigen Beschluss noch im angefochtenen Urteil, sei es in der Zusammenfassung des Vorbringens der Kommission in den Rn. 51 bis 56 des Urteils oder in den Feststellungen des Gerichts, erwähnt wird. Im angefochtenen Urteil wird nämlich zum Ermessensspielraum der Kommission bei der Beurteilung der technischen oder wirtschaftlichen Durchführbarkeit von Alternativen nicht allgemein Stellung genommen. Somit dürften, wie das Königreich Schweden und das Parlament vortragen, keine Anhaltspunkte vorliegen, auf die die Behauptung der Kommission gestützt werden könnte, dass das Gericht fehlerhaft entschieden habe, indem es die von der Kommission angewendete Nullschwelle für die technische Leistung im streitigen Beschluss nicht berücksichtigt oder ihren Ermessensspielraum für die Festlegung von Schwellenwerten für die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit von Alternativen verkannt habe.

83.      Auch die Feststellung des Gerichts in Rn. 96 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Erwägungsgründe 8, 9 und 12 des streitigen Beschlusses dürfte meines Erachtens nicht zu beanstanden sein. Wie in den Nrn. 24 und 25 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt, hat die Kommission in den Erwägungsgründen 8, 9 und 12 des streitigen Beschlusses die „Schwierigkeiten, die Nichtverfügbarkeit technisch durchführbarer Alternativen für alle“ im Antrag genannten Verwendungen „zweifelsfrei nachzuweisen“, anerkannt. Die Schlussfolgerung des Gerichts folgt somit aus dem Wortlaut dieser Erwägungsgründe. Das Vorbringen der Kommission, sie habe eine Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit angewendet und festgestellt, dass keine Alternative diesen Schwellenwert erfülle, kann dies nicht entkräften.

84.      Allerdings stellt sich, soweit die Kommission vorträgt, dass die von ihr angewendete Nullschwelle für die technische Durchführbarkeit von Alternativen eine Grundlage des streitigen Beschlusses darstelle, die Frage, ob eine solche Vorgehensweise mit der REACH-Verordnung vereinbar ist. Ich verstehe diese Vorgehensweise so, dass eine geeignete Alternativlösung nur dann technisch durchführbar ist, wenn sie für die beabsichtigten Verwendungen die gleiche technische Leistung bietet wie die in Rede stehenden Stoffe. Ausgehend hiervon dürfte es meines Erachtens, wie vom Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden und dem Parlament vorgetragen, unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Ziele der REACH-Verordnung starke Hinweise darauf geben, dass eine solche Vorgehensweise mit der durch diese Verordnung eingeführten Zulassungsregelung nicht im Einklang steht. Sie steht auch nicht im Einklang mit dem angefochtenen Urteil.

85.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 70 bis 76 des angefochtenen Urteils seine Auslegung des Begriffs der geeigneten Alternative im Sinne der REACH-Verordnung dargelegt hat. Es hat insbesondere festgestellt, dass nach den von der ECHA herausgegebenen Leitlinien eine Alternative ein möglicher Ersatz für den betreffenden Stoff sei, der die Funktionen dieses Stoffes erfüllen bzw. übernehmen können sollte. Mit dem Begriff der geeigneten Alternative sei gemeint, dass diese nicht nur sicherer, sondern auch „wirtschaftlich und technisch tragfähig“ im Sinne von Art. 55 der REACH-Verordnung sei. Aus diesem Ausdruck ergebe sich, dass geeignete Alternativen nicht auf alternative Stoffe oder Technologien, die abstrakt oder unter außergewöhnlichen Bedingungen existierten, beschränkt seien, sondern dass die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Produktionskapazitäten für diese Stoffe, der Durchführbarkeit dieser Technologien sowie der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für ihr Inverkehrbringen vorgenommen werden müsse.

86.      Das Gericht stellte weiter fest, dass die Bewertung geeigneter Alternativen auch ein subjektives Kriterium der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit „für den Antragsteller“ nach Art. 60 Abs. 5 Buchst. b der REACH-Verordnung beinhalte, so dass dann, wenn eine Alternative allgemein verfügbar, aber noch nicht für einen Antragsteller verfügbar sei, eine Zulassung gleichwohl erteilt werden könne, wenn dieser Antragsteller, wie in dieser Verordnung vorgesehen, einen Substitutionsplan vorlege, nach dem der Stoff letztendlich durch die Alternative ersetzt werde.

87.      Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass das Erfordernis der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung eine konkrete Beurteilung beinhaltet, die objektive und subjektive Kriterien für die Eignung der Alternative einbezieht, die Funktion zu ersetzen, die der besonders besorgniserregende Stoff in Bezug auf die vom Antragsteller beabsichtigten Verwendungen erfüllt.

88.      Hinzuweisen ist auch darauf, dass auch wenn die Begriffe der geeigneten Alternative oder der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit in der REACH-Verordnung nicht definiert sind, aus dem Wortlaut der REACH-Verordnung, nämlich daraus, dass Alternativen im Sinne von Art. 60 Abs. 4 und 5 dieser Verordnung „geeignet“ und „durchführbar“ sein müssen, abgeleitet werden kann, dass sie auf der Grundlage einer angemessenen Bewertung von Kosten, Verfügbarkeit und Wirksamkeit die Funktion des fraglichen Stoffes erfüllen können müssen(24). Dies wird insbesondere durch Art. 60 Abs. 4 Buchst. d („Alternativstoffe oder ‑technologien“) und Art. 60 Abs. 5 („alle maßgeblichen Aspekte“) der REACH-Verordnung bestätigt, der ein weites Verständnis einer geeigneten Alternative widerspiegelt, die geeignet sein kann, den Stoff zu ersetzen, und sich nicht lediglich auf exakte („vollkompatible“) Substitute beschränkt. Dies kommt auch in den Leitlinien der ECHA zum Ausdruck, wonach die technische Durchführbarkeit einer Alternative darauf beruhe, die Funktion des Stoffes zu erfüllen oder zu ersetzen, während die wirtschaftliche Durchführbarkeit sich auf die sich aufgrund des Übergangs zu der Alternative ergebenden Veränderungen bei den Kosten und Einkünften des Antragstellers konzentriere(25).

89.      Darüber hinaus sollte bei der Beurteilung der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen insbesondere das mit der REACH-Verordnung verfolgte Ziel nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherzustellen, sowie das besondere Ziel des Zulassungssystems nach Art. 55 der Verordnung, sicherzustellen, dass besonders besorgniserregende Stoffe schrittweise durch geeignete Alternativen ersetzt werden, sofern sie wirtschaftlich und technisch tragfähig sind (siehe Nrn. 9 und 10 der vorliegenden Schlussanträge), berücksichtigt werden.

90.      Im Licht dieser Erwägungen dürfte die von der Kommission für die technische Durchführbarkeit von Alternativen angewendete Nullschwelle, wie in Nr. 84 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, meines Erachtens mit dem weiten Verständnis der geeigneten Alternativen nicht vereinbar sein, das in der REACH-Verordnung und in den Feststellungen des Gerichts zum Ausdruck kommt, wonach die Beurteilung geeigneter Alternativen konkret anhand der einschlägigen Umstände und der Eignung der Alternative, die Funktion des Stoffes für die beantragten Verwendungen zu erfüllen, zu bewerten ist. Durch die Festlegung einer Schwelle für die Minderung der technischen Leistung ohne Berücksichtigung der Funktion, die der Stoff erfüllen muss, für den diese Leistung bei den beantragten Verwendungen erforderlich ist, lässt diese Vorgehensweise außer Acht, dass die technische Durchführbarkeit der Alternative anhand der für die beabsichtigte Verwendung zu erfüllenden Funktion und nicht anhand der Leistung des besonders besorgniserregenden Stoffes zu bewerten ist. Somit ist diese Vorgehensweise geeignet, das Erfordernis der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung auszuhöhlen, da er das Spektrum potenzieller Alternativen in unzulässiger Weise einschränkt.

91.      Eine solche Vorgehensweise dürfte somit dem mit der REACH-Verordnung verfolgten Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt widersprechen, da sie zur Erteilung von Zulassungen in Fällen führen kann, in denen geeignete Alternativen tatsächlich zur Verfügung stehen könnten. Ebenso beeinträchtigt sie das mit dem Zulassungssystem in Art. 55 der REACH-Verordnung verfolgte Ziel, die schrittweise Ersetzung besonders besorgniserregender Stoffe zu fördern, da sie nur in denjenigen Ausnahmefällen, in denen die Substitution nicht zu einer Minderung der Wirksamkeit führt, die Möglichkeit einer Substitution zulassen kann.

92.      Schließlich sind meines Erachtens die auf den Umfang der gerichtlichen Kontrolle des streitigen Beschlusses gestützten Beanstandungen nicht überzeugend. Insbesondere erscheint mir der Verweis der Kommission auf das Urteil des Gerichts vom 4. April 2019, ClientEarth/Kommission (T‑108/17, EU:T:2019:215), verfehlt(26). Wie von der Republik Finnland vorgetragen, unterscheiden sich die Umstände der vorliegenden Rechtssache von denjenigen jenes Urteils, insbesondere da es nicht die Überprüfung einer Zulassungsentscheidung der Kommission nach der REACH-Verordnung durch das Gericht betraf, sondern eine Entscheidung der Kommission, mit der ein Antrag auf interne Überprüfung der Zulassungsentscheidung nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1367/2006 zurückgewiesen wurde, mit der die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Aarhus umgesetzt wurden(27).

93.      Außerdem entschied das Gericht in jenem Urteil, dass seine Überprüfung auf offensichtliche Fehler sich auf die Würdigung eines komplexen Sachverhalts durch ein Unionsorgan beziehe, so dass die vom Kläger beigebrachten Beweise ausreichen müssten, um die Sachverhaltswürdigung in dem von diesem Organ erlassenen Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen(28). Dagegen betreffen die beanstandeten Passagen des angefochtenen Urteils nicht die Plausibilität der der Zulassung zugrunde gelegten Sachverhaltswürdigung der Kommission, sondern vielmehr den Verstoß gegen ihre Beurteilungspflicht in Bezug auf den Nachweis der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung. Auch für die Behauptung, dass das Gericht sich bei der Beurteilung der Verfügbarkeit von Alternativen an die Stelle der Kommission gesetzt habe, sehe ich keine Grundlage, da das Gericht über diese Frage in den genannten Passagen nicht entschieden hat.

94.      Ich schlage daher vor, den zweiten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

C.      Dritter Rechtsmittelgrund (zur im streitigen Beschluss erfolgten Zulassung in eingeschränktem Umfang und unter Auflagen)

1.      Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

95.      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Kommission, allgemein unterstützt durch die ECHA, geltend, das Gericht habe in den Rn. 86, 97 und 98 des angefochtenen Urteils in Bezug auf den streitigen Beschluss offensichtlich rechtsfehlerhaft entschieden. Dieser Grund gliedert sich in zwei Teile.

96.      Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes beanstandet die Kommission, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass der streitige Beschluss nicht alle im Zulassungsantrag genannten Verwendungen zulasse, sondern eine Teilzulassung für bestimmte Verwendungen der in Rede stehenden Stoffe darstelle, bei denen die technischen Leistungseigenschaften dieser Stoffe für die beabsichtigte Verwendung erforderlich gewesen seien. Der streitige Beschluss könne nicht dahin ausgelegt werden, dass die Voraussetzungen von Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung für eine Teilzulassung nicht erfüllt gewesen seien.

97.      Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wendet die Kommission sich gegen die Feststellung des Gerichts, dass bestimmte, im streitigen Beschluss enthaltene Auflagen dafür sprächen, dass die Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen in Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es sei möglich, den Umfang der Zulassung mittels objektiver Kriterien zu begrenzen und die zugelassenen Verwendungen anhand der beantragten Funktionalitäten zu definieren, wie dies in Art. 1 Abs. 1 und 2 des streitigen Beschlusses geschehen sei. Die in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d und e dieses Beschlusses genannten Auflagen zu Berichtspflichten des Zulassungsinhabers und seiner nachgeschalteten Anwender dienten der Verbesserung der der ECHA und der Kommission zum Zeitpunkt der Überprüfung oder sogar früher zur Verfügung stehenden Informationen. Auch habe sie die Aufgabe einer mit einem Ermessensspielraum erfolgenden Beurteilung von Alternativen nach Art. 3 Buchst. b des streitigen Beschlusses nicht auf die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats übertragen. Im Hinblick auf die Bestimmungen der REACH-Verordnung über die Rolle der Mitgliedstaaten bei der Durchführung und Durchsetzung dieser Verordnung – wie die Art. 122, 125 und 126 sowie die Erwägungsgründe 119 bis 121 – ist die Kommission der Ansicht, dass, wenn den Mitgliedstaaten nicht gestattet werde, Aufgaben zur Überwachung der Einhaltung von Vorschriften im Kontext der Zulassung wahrzunehmen, dies die in der Verordnung vorgesehene Zuständigkeitsverteilung missachte und nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben könnte.

98.      Das Königreich Dänemark macht geltend, der dritte Rechtsmittelgrund sei unzulässig, da er sich auf die vom Gericht vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung stütze, die im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden könne.

99.      Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, hält den dritten Rechtsmittelgrund ferner für unbegründet. Das Gericht habe zu Recht entschieden, dass die Kommission in der Frage der Nichtverfügbarkeit von Alternativen zu keinem Ergebnis gekommen sei; dies ergebe sich aus den Auflagen im streitigen Beschluss, wonach der Zulassungsinhaber und die nachgeschalteten Anwender Informationen zur Verfügbarkeit geeigneter Alternativen übermitteln müssten und nachgeschaltete Anwender in dem Fall, dass sie eine Alternative gefunden hätten, von einer Verwendung der in Rede stehenden Stoffe absehen müssten. Sie betonen, dass der Umfang der Zulassung zwar durch objektive Kriterien begrenzt werden könne, die Kommission dürfe jedoch keine Auflagen vorsehen, die den Voraussetzungen entsprächen, die sie nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung zu beurteilen habe. Das Königreich Schweden macht ferner geltend, dass die Kommission die ihr durch die REACH-Verordnung übertragenen Aufgaben nicht auf die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats übertragen dürfe; diese Behörden seien zwar befugt, Zulassungsentscheidungen durchzuführen, könnten aber nicht dazu Stellung nehmen, ob die Voraussetzungen nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung erfüllt seien.

2.      Würdigung des dritten Rechtsmittelgrundes

a)      Zulässigkeit

100. Das Königreich Dänemark wendet sich im Wesentlichen gegen die Zulässigkeit des dritten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung, dass er die Tatsachenwürdigung des Gerichts betreffe, auf deren Grundlage es festgestellt habe, dass die Kommission die Nichtverfügbarkeit von Alternativen nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe, und dies vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden könne.

101. Meines Erachtens kann diese Unzulässigkeitseinrede keinen Erfolg haben. Wie in den Nrn. 50 und 73 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt, betrifft die Frage, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise zu Recht zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung des Fehlens geeigneter Alternativen fehlerhaft gehandelt habe, die rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts der Rechtssache, für deren Überprüfung der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zuständig ist.

102. Somit ist der dritte Rechtsmittelgrund meines Erachtens zulässig.

b)      Begründetheit

103. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe infolge einer fehlerhaften Anwendung von Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung auf den streitigen Beschluss rechtsfehlerhaft entschieden. Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie alle im Zulassungsantrag genannten Verwendungen zugelassen habe, obwohl sie lediglich eine Teilzulassung erteilt habe. Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes beanstandet die Kommission die Feststellungen des Gerichts, dass bestimmte Auflagen im streitigen Beschluss belegten, dass sie die Zulassung erteilt habe, ohne die Nichtverfügbarkeit von Alternativen vorher hinreichend geprüft zu haben.

104. Zunächst ist festzustellen, dass der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens in tatsächlicher Hinsicht unbegründet sein dürfte. Entgegen dem Vorbringen der Kommission hat das Gericht in Rn. 97 in Verbindung mit den Rn. 54 bis 56 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass mit dem streitigen Beschluss nicht alle beantragten Verwendungen zugelassen würden, sondern dass er „auf die Fälle beschränkt wird“, in denen die Leistungsmerkmale der in Rede stehenden Stoffe notwendig seien.

105. Richtig ist jedoch, dass das Gericht, wie die Kommission im Rahmen des ersten und des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes vorträgt, in den Rn. 97 und 98 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die von der Kommission an die Zulassung geknüpften Auflagen seine Feststellung in Rn. 86 des angefochtenen Urteils stützten, dass die Kommission die Nichtverfügbarkeit von Alternativen zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe.

106. Das Gericht entschied in Rn. 97 des angefochtenen Urteils, dass die Auflage in Art. 1 Abs. 1 und 2 des streitigen Beschlusses, wonach die Kommission die Zulassung auf die Fälle beschränkt habe, in denen die Leistungen der die in Rede stehenden Stoffe enthaltenden Zusammensetzungen wirklich notwendig seien, auf die Aussage hinauslaufe, dass ein nachgeschalteter Anwender von der Verwendung der in Rede stehenden Stoffe absehen müsse, sobald er eine Alternative gefunden habe. Das Gericht sah in dieser Auflage einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses nicht davon ausgegangen sei, dass die Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen abgeschlossen worden sei.

107. Das Gericht hat ferner in Rn. 98 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Auflagen in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d und e des streitigen Beschlusses, wonach die dem Zulassungsinhaber nachgeschalteten Anwender Informationen zu geeigneten und verfügbaren Alternativen vorlegen mussten, die die Notwendigkeit der Verwendung der in Rede stehenden Stoffe im Einzelnen rechtfertigten, und der Zulassungsinhaber verpflichtet war, einen Bericht abzugeben, in dem er die Beschreibung der genehmigten Verwendungen aufgrund der von den nachgeschalteten Anwendern vorgelegten Alternativen präzisieren musste, ebenfalls darauf hinwiesen, dass die Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen durch die Kommission noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

108. Meines Erachtens sind diese Feststellungen frei von Rechtsfehlern.

109. Hinzuweisen ist darauf, dass nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung die Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen eine Voraussetzung für die nach dieser Bestimmung zu erteilende Zulassung ist, so dass die Prüfung dieses Erfordernisses vor Erlass des streitigen Beschlusses abgeschlossen sein musste. Zwar sind nach der REACH-Verordnung Zulassungen im Allgemeinen an Auflagen zu knüpfen (siehe Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge) und die Verordnung steht, wie von der Kommission hervorgehoben, auch einer Begrenzung des Umfangs der Zulassung durch objektive Kriterien nicht entgegen, doch ergibt sich aus Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung, dass die Kommission eine Zulassung nicht von Voraussetzungen abhängig machen darf, die sie nach dieser Bestimmung zu prüfen hat. Wie das Gericht meines Erachtens zu Recht in den Rn. 82 und 83 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, kann von der Möglichkeit, eine Zulassung an Auflagen zu knüpfen, insbesondere nicht in der Weise Gebrauch gemacht werden, dass die Kommission die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung erfüllt sind, offenlassen oder Mängel der von ihr nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Beurteilung auf diesem Wege beheben kann.

110. Folglich dürfte die Kommission meines Erachtens nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung eine Zulassung nicht davon abhängig machen können, dass es keine geeigneten Alternativen für einen bestimmten Stoff gibt, was sich aus der in Art. 1 Abs. 1 und 2 des streitigen Beschlusses aufgestellten Auflage ergibt, dass die Leistung nur bei Verwendung der in Rede stehenden Stoffe technisch tragfähig und diese Leistung für die beabsichtigte Verwendung erforderlich sei (siehe Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge). Durch diese Auflage bleibt es meines Erachtens im Wesentlichen dem Zulassungsinhaber und seinen nachgeschalteten Anwendern selbst überlassen, zu entscheiden, ob es eine geeignete Alternative gibt. Diese Auflage bedeutet daher, wie das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die Kommission die nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung erforderliche Prüfung nicht abgeschlossen hatte.

111. Ich stimme auch mit der Auslegung der Auflagen in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d und e des streitigen Beschlusses durch das Gericht überein. Insbesondere sind nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. d dieses Beschlusses nachgeschaltete Anwender verpflichtet, Informationen über die Verfügbarkeit von Alternativen vorzulegen und die Notwendigkeit der Verwendung der in Rede stehenden Stoffe zu begründen, während nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. e dieses Beschlusses der Zulassungsinhaber verpflichtet ist, über diese von seinen nachgeschalteten Anwendern übermittelten Informationen Bericht zu erstatten und die Beschreibung der genehmigten Verwendungen aufgrund dieser Informationen zu präzisieren (siehe Nrn. 27 und 28 der vorliegenden Schlussanträge). Meines Erachtens laufen diese Auflagen im Wesentlichen darauf hinaus, dass der Zulassungsinhaber und seine nachgeschalteten Anwender zur Übermittlung von Informationen aufgefordert werden, mit denen die Nichtverfügbarkeit von Alternativen für die Verwendungen der in Rede stehenden Stoffe nach der Zulassung dieser Verwendungen durch die Kommission beurteilt werden soll. Somit dürfte meines Erachtens auch diese Auflage darauf hindeuten, dass die Beurteilung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen durch die Kommission noch nicht abgeschlossen war.

112. Ergänzt sei, dass ähnliche Schlussfolgerungen auch in Bezug auf Art. 3 Buchst. b des streitigen Beschlusses gezogen werden können, wonach auf Verlangen der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats die nachgeschalteten Anwender des Zulassungsinhabers begründen müssen, warum die Auflagen in Art. 1 Abs. 1 und 2 dieses Beschlusses erfüllt und warum die Leistungsparameter für die beabsichtigte Verwendung notwendig seien (siehe Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge). Meines Erachtens wird damit im Wesentlichen bestimmt, dass die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats prüfen müssen, ob nachgeschaltete Anwender zutreffend zu dem Schluss gekommen sind, dass es keine geeigneten Alternativen für die Verwendung der in Rede stehenden Stoffe gibt. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass damit noch weiter untermauert wird, dass die Beurteilung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen durch die Kommission noch nicht abgeschlossen war. Entgegen dem Vorbringen der Kommission lässt sich den Bestimmungen der REACH-Verordnung über die Rolle der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen und bei der Durchführung und Durchsetzung dieser Verordnung nichts entnehmen, was dafür spräche, dass sie Aufgaben wahrnehmen könnten, die unter die Beurteilungspflicht der Kommission nach Art. 60 Abs. 4 der REACH-Verordnung fallen.

113. Ich schlage daher vor, den dritten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

D.      Vierter Rechtsmittelgrund (zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Beschlusses)

1.      Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

114. Mit dem vierten, hilfsweise geltend gemachten Rechtsmittelgrund macht die Kommission, allgemein unterstützt durch die ECHA, geltend, dass Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils, mit dem das Gericht es abgelehnt habe, die Wirkungen des streitigen Beschlusses aufrechtzuerhalten, auf einem offensichtlichen Rechtsfehler in Rn. 112 dieses Urteils beruhe.

115. Erstens macht die Kommission geltend, Rn. 112 des angefochtenen Urteils beruhe auf einer falschen Prämisse – die zugestandenermaßen auch in ihren schriftlichen Erklärungen im Verfahren vor dem Gericht zugrunde gelegt werde – wonach die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses ein Verbot des Inverkehrbringens der in Rede stehenden Stoffe zur Folge habe. Die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses habe die Wirkung, dass die vor seinem Erlass bestehende Rechtslage wiederhergestellt werde, was bedeute, dass die in Rede stehenden Stoffe nach den Übergangsvorschriften in Art. 56 Abs. 1 Buchst. d der REACH-Verordnung bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission über den Zulassungsantrag vom Antragsteller und seinen nachgeschalteten Anwendern für die beantragten Verwendungen weiter verwendet und in den Verkehr gebracht werden könnten.

116. Zweitens bringe die sofortige Wirkung der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses ein erheblich gesteigertes Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich, da die in Rede stehenden Stoffe verwendet und in Verkehr gebracht werden könnten, ohne dass sie den im streitigen Beschluss vorgesehenen Auflagen und Beschränkungen unterlägen. Daher müsse der Gerichtshof, selbst wenn die sonstigen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen würden, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufheben und die Wirkungen des streitigen Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss aufrechterhalten.

117. Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark und die Republik Finnland, hält den vierten Rechtsmittelgrund für unbegründet.

118. Das Königreich Schweden macht zusammen mit der Republik Finnland geltend, dass die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zwar andere als die vom Gericht angenommenen Wirkungen habe, das Gericht den Antrag der Kommission jedoch zu Recht zurückgewiesen habe, weil die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Beschlusses nicht erfüllt seien. Insbesondere habe die Nichtigerklärung dieses Beschlusses keine schwerwiegenden Folgen für DCC Maastricht, da sie die in Rede stehenden Stoffe bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission für die beantragten Verwendungen weiterhin vertreiben könne. Sie bringe auch keine Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich, da es Unionsvorschriften gebe, die Arbeitnehmer vor einer Exposition gegenüber den in Rede stehenden Stoffen schützten(29). Auch habe die Kommission nicht dargelegt, dass im streitigen Beschluss geringere als die im Zulassungsantrag genannten Mengen zugelassen worden seien.

119. Das Königreich Dänemark macht geltend, dass die Übergangsvorschriften in Art. 56 Abs. 1 Buchst. d der REACH-Verordnung nicht mehr anwendbar seien, sobald der Beschluss der Kommission ergehe, und nicht wieder aufleben könnten, wenn dieser Beschluss, wie in der vorliegenden Rechtssache, für nichtig erklärt werde, da dies dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, widersprechen würde. Diese Bestimmung begründe eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Verwendung und des Inverkehrbringens besonders besorgniserregender Stoffe und sei daher eng auszulegen.

2.      Würdigung des vierten Rechtsmittelgrundes

120. Mit dem vierten, hilfsweise geltend gemachten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, soweit es ihren Antrag auf Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Beschlusses zurückgewiesen habe. Sie beantragt, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Wirkungen des streitigen Beschlusses bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission über den Zulassungsantrag aufrechtzuerhalten.

121. Hinzuweisen ist darauf, dass es einer Entscheidung des Gerichtshofs über diesen Rechtsmittelgrund nur dann bedarf, wenn er die übrigen Rechtsmittelgründe zurückweist und die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses bestätigt, wie von mir vorgeschlagen.

122. Voranstellen möchte ich, dass der vierte Rechtsmittelgrund begründet ist. Zu diesem Ergebnis komme ich aus folgenden Gründen.

123. Zu erinnern ist daran, dass die Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts allgemein dazu führt, dass dieser ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens aus der Unionsrechtsordnung wegfällt, d. h., dass sie rückwirkend (ex tunc) wirkt(30). Nach ständiger Rechtsprechung, die in den Rn. 109 bis 111 des angefochtenen Urteils angeführt worden ist, sind die Unionsgerichte jedoch nach Art. 264 Abs. 2 AEUV befugt, die Rückwirkungen der Nichtigerklärung abzumildern, indem sie, wenn sie dies für notwendig halten, diejenigen Wirkungen der für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind. Diese Bestimmung ist insbesondere dahin ausgelegt worden, dass sie es erlaubt, aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch aus Gründen, die auf die Vermeidung eines Rückschritts in den Unionspolitiken, wie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes, abzielen, die Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung der Union aufrechtzuerhalten, bis das Unionsorgan oder die Unionseinrichtung geeignete Maßnahmen erlässt(31).

124. Das Gericht hat in Rn. 112 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses mit sofortiger Wirkung schwerwiegende negative Folgen für DCC Maastricht habe, da sie die in Rede stehenden Stoffe nicht mehr vertreiben könne. Es wies jedoch darauf hin, dass die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses auf Gründen beruhe, die sich auf seine materielle Rechtmäßigkeit bezögen. Die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses sei mit dem Ziel der REACH-Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und den Umweltschutz sicherzustellen, nicht vereinbar. Auf dieser Grundlage hat das Gericht es in Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils abgelehnt, die Wirkungen des streitigen Beschlusses aufrechtzuerhalten.

125. Meines Erachtens ist die Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 112 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft.

126. Es ist davon auszugehen, dass mit der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses auf die Übergangsvorschriften in Art. 56 Abs. 1 Buchst. d in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii der REACH-Verordnung zurückverwiesen wurde, wonach ein Antragsteller den fraglichen Stoff für die beantragten Verwendungen nach dem Ablauftermin bis zum Ergehen einer Entscheidung über den Zulassungsantrag weiter in Verkehr bringen darf, sofern dieser Antrag bis zum Antragsschluss für den in Anhang XIV dieser Verordnung aufgeführten Stoff gestellt wurde (siehe Nrn. 5, 6 und 12 der vorliegenden Schlussanträge).

127. In der vorliegenden Rechtssache fand diese Übergangsregelung zugunsten von DCC Maastricht, die innerhalb der geltenden Frist einen Zulassungsantrag gestellt hat, Anwendung (siehe Nrn. 18, 19 und 23 der vorliegenden Schlussanträge). Da die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zur Folge hatte, dass die Kommission den Zulassungsantrag erneut prüfen muss, dürfte diese Übergangsregelung meines Erachtens zugunsten von DCC Maastricht bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission über diesen Antrag erneut Anwendung finden. Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Dänemark lässt sich dem Wortlaut dieser Bestimmungen nichts entnehmen, was dafür spräche, dass sie in dem Fall, dass eine Zulassungsentscheidung für nichtig erklärt worden ist, keine Anwendung finden sollten.

128. Somit dürfte das Gericht in Rn. 112 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft entschieden haben, soweit es die Übergangsvorschriften in Art. 56 Abs. 1 Buchst. d und Art. 58 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii der REACH-Verordnung außer Acht gelassen hat.

129. Ferner hat der Gerichtshof in der in Rn. 111 des angefochtenen Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung zwar entschieden, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung der Union aufrechterhalten werden können, insbesondere wenn die Rechtmäßigkeit dieser Handlung nicht wegen ihres Ziels oder ihres Inhalts in Abrede gestellt wird, sondern aus Gründen der Unzuständigkeit ihres Urhebers oder der Verletzung wesentlicher Formvorschriften(32). Bei genauer Betrachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt sich jedoch, dass in diesem Gesichtspunkt zwar in bestimmten Fällen ein Hindernis für die Anordnung der Aufrechterhaltung der Wirkungen einer Handlung der Union durch den Gerichtshof gesehen werden kann(33), der Gerichtshof jedoch in anderen Fällen die Wirkungen einer Handlung der Union, die aufgrund ihrer materiellen Rechtmäßigkeit für nichtig erklärt wurde, aufrechterhalten hat(34). Der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist somit zu entnehmen, dass dieser Gesichtspunkt keine Voraussetzung ist, die in jedem Fall gegeben sein muss, sondern dass dies vom Einzelfall abhängig ist.

130. Meines Erachtens lässt sich unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache nicht ausschließen, dass die Ablehnung des Antrags der Kommission auf Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Beschlusses Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringen kann. Entgegen dem Vorbringen der Republik Finnland und des Königreichs Schweden legt der streitige Beschluss Auflagen und Beschränkungen fest, die die Verwendung der in Rede stehenden Stoffe, neben den in Nr. 118 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Unionsvorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern vor einer Exposition gegenüber diesen Stoffen, wirksam beschränken. Hierzu gehören u. a. die besonderen Vorgaben für die persönliche Schutzausrüstung und die Mitarbeiterschulung in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b und im zehnten Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses sowie die Beschränkungen der Jahresmengen in Art. 1 Abs. 3 Buchst. c und im 13. Erwägungsgrund dieses Beschlusses, um sicherzustellen, dass die Mengen an den in Rede stehenden Stoffen nicht die im Zulassungsantrag angegebenen Mengen überschreiten. Außerdem würden die zeitlich begrenzten Überprüfungszeiträume in Art. 2 des streitigen Beschlusses wegfallen(35). Somit ist es in der Gesamtbetrachtung zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vorzugswürdig, die Wirkungen des streitigen Beschlusses aufrechtzuerhalten.

131. Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und anzuordnen, dass die Wirkungen des streitigen Beschlusses bis zum Ergehen einer neuen Entscheidung der Kommission über den Zulassungsantrag aufrechterhalten bleiben.

VII. Kosten

132. Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet. Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint. Da die Kommission nur hinsichtlich ihres Hilfsantrags obsiegt hat, erscheint es angemessen, dass die Kommission vier Fünftel der Kosten des Königreichs Schweden trägt und das Königreich Schweden ein Fünftel der Kosten der Kommission trägt.

133. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof entscheiden, dass eine erstinstanzliche Streithilfepartei, die am Rechtsmittelverfahren teilnimmt, ihre eigenen Kosten trägt. Demnach tragen das Königreich Dänemark, die Republik Finnland, das Parlament und die ECHA ihre eigenen Kosten.

VIII. Ergebnis

134. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        Nr. 2 des Tenors des Urteils vom 7. März 2019, Schweden/Kommission (T‑837/16, EU:T:2019:144), aufzuheben;

–        das Rechtsmittel im Übrigen zurückzuweisen;

–        der Europäischen Kommission vier Fünftel ihrer eigenen Kosten und vier Fünftel der Kosten des Königreichs Schweden aufzuerlegen;

–        dem Königreich Schweden ein Fünftel seiner eigenen Kosten und ein Fünftel der Kosten der Europäischen Kommission aufzuerlegen und

–        dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Chemikalienagentur ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.





































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