C-333/22 – Ligue des droits humains (Vérification du traitement des données par l’autorité de contrôle)

C-333/22 – Ligue des droits humains (Vérification du traitement des données par l’autorité de contrôle)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:488

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 15. Juni 2023(1)

Rechtssache C333/22

Ligue des droits humains ASBL,

BA

gegen

Organe de contrôle de l’information policière

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Bruxelles [Appellationshof Brüssel, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Strafsachen – Ausübung der Rechte der betroffenen Person über die zuständige Aufsichtsbehörde – Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person durch diese Behörde – Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde“

1.        Die Richtlinie (EU) 2016/680(2), besser bekannt als „Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung“, regelt spezifische Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten und den freien Verkehr dieser Daten in den Bereichen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit und trägt im Wesentlichen den „Besonderheiten dieser Bereiche“ Rechnung(3). Mit der Richtlinie 2016/680 werden zwei Zielvorgaben verfolgt. Zum einen soll die Richtlinie zur Verwirklichung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) beitragen(4), der den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen den zuständigen Behörden zu Strafverfolgungszwecken ermöglicht(5). Zum anderen soll sie ein hohes Schutzniveau für diese Daten gewährleisten. Ihre Rechtsgrundlage ist Art. 16 Abs. 2 AEUV, der den Unionsgesetzgeber ermächtigt, Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten zu erlassen.

2.        Diese beiden, mit der Richtlinie 2016/680 verfolgten Zielvorgaben „in Einklang zu bringen“, bleibt jedoch eine schwierige Aufgabe(6). Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, ein konkretes Beispiel einer Abwägung zwischen der Strafverfolgung und dem Datenschutz im Kontext der Ausübung der Rechte durch betroffene Personen zu prüfen. Durch die Richtlinie werden die Rechte betroffener Personen gegenüber der Vorgängerregelung nach dem Rahmenbeschluss 2008/977/JI gestärkt(7). Diese Stärkung bezieht sich insbesondere auf die Anerkennung eines direkten Auskunftsrechts der betroffenen Person, das wesentlicher Bestandteil des Grundrechts auf Datenschutz ist. Wie auch in der Lehre angeführt, sind die Rechte betroffener Personen im Bereich der Strafverfolgung „ein wesentliches Instrument gegen informationelle Machtasymmetrien und unrechtmäßige Verarbeitungen“(8). Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, dass diese Rechte wirksam ausgeübt werden können.

 I. Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2016/680

3.        Art. 3 der Richtlinie 2016/680 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„8.      ‚Verantwortlicher‘ [bezeichnet] die zuständige Behörde, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden;

15.      ‚Aufsichtsbehörde‘ [bezeichnet] eine von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 41 eingerichtete unabhängige staatliche Stelle“.

4.        Kapitel III der Richtlinie 2016/680 trägt die Überschrift „Rechte der betroffenen Person“. In diesem Kapitel bestimmt Art. 13 („Der betroffenen Person zur Verfügung zu stellende oder zu erteilende Informationen“) Abs. 3 und 4:

„(3)      Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen erlassen, nach denen die Unterrichtung der betroffenen Person gemäß Absatz 2 soweit und so lange aufgeschoben, eingeschränkt oder unterlassen werden kann, wie diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig ist und sofern den Grundrechten und den berechtigten Interessen der betroffenen natürlichen Person Rechnung getragen wird:

a)      zur Gewährleistung, dass behördliche oder gerichtliche Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren nicht behindert werden,

b)      zur Gewährleistung, dass die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung nicht beeinträchtigt werden,

c)      zum Schutz der öffentlichen Sicherheit,

d)      zum Schutz der nationalen Sicherheit,

e)      zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

(4)      Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen zur Festlegung der Verarbeitungskategorien erlassen, für die einer der Buchstaben des Absatz 3 vollständig oder teilweise zur Anwendung kommt.“

5.        Art. 14 („Auskunftsrecht der betroffenen Person“) der Richtlinie 2016/680 bestimmt:

„Vorbehaltlich des Artikels 15 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass die betroffene Person das Recht hat, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu erhalten, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie das Recht, Auskunft über personenbezogene Daten und zu folgenden Informationen zu erhalten:

…“

6.        Art. 15 („Einschränkung des Auskunftsrechts“) der Richtlinie 2016/680 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen erlassen, die zu nachstehenden Zwecken das Recht der betroffenen Person auf Auskunft teilweise oder vollständig einschränken, soweit und so lange wie diese teilweise oder vollständige Einschränkung in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig ist und den Grundrechten und den berechtigten Interessen der betroffenen natürlichen Person Rechnung getragen wird:

a)      Gewährleistung, dass behördliche oder gerichtliche Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren nicht behindert werden,

b)      Gewährleistung, dass die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung nicht beeinträchtigt werden,

c)      Schutz der öffentlichen Sicherheit,

d)      Schutz der nationalen Sicherheit,

e)      Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

(2)      Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen zur Festlegung der Verarbeitungskategorien erlassen, für die Absatz 1 Buchstaben a bis e vollständig oder teilweise zur Anwendung kommen.

(3)      Für die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fälle sehen die Mitgliedstaaten vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person unverzüglich schriftlich über die Verweigerung oder die Einschränkung der Auskunft und die Gründe hierfür unterrichtet. Dies gilt nicht, wenn die Erteilung dieser Informationen einem der in Absatz 1 genannten Zwecke zuwiderliefe. Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person über die Möglichkeit unterrichtet, bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde einzulegen oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen.

(4)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Verantwortliche die sachlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung dokumentiert. Diese Angaben sind der Aufsichtsbehörde zur Verfügung zu stellen.“

7.        Art. 16 („Recht auf Berichtigung oder Löschung personenbezogener Daten und Einschränkung der Verarbeitung“) Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person schriftlich über eine Verweigerung der Berichtigung oder Löschung personenbezogener Daten oder Einschränkung der Verarbeitung und über die Gründe für die Verweigerung unterrichtet. Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen erlassen, die zu nachstehenden Zwecken die Pflicht, diese Informationen zur Verfügung zu stellen, teilweise oder vollständig einschränken, soweit diese Einschränkung in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig ist und den Grundrechten und den berechtigten Interessen der betroffenen natürlichen Person Rechnung getragen wird:

a)      Gewährleistung, dass behördliche oder gerichtliche Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren nicht behindert werden,

b)      Gewährleistung, dass die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlungen oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung nicht beeinträchtigt werden,

c)      Schutz der öffentlichen Sicherheit,

d)      Schutz der nationalen Sicherheit,

e)      Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person über die Möglichkeit unterrichtet, bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde einzulegen oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen.“

8.        Art. 17 („Ausübung von Rechten durch die betroffene Person und Prüfung durch die Aufsichtsbehörde“) der Richtlinie 2016/680 bestimmt:

„(1)      In den in Artikel 13 Absatz 3, Artikel 15 Absatz 3 und Artikel 16 Absatz 4 genannten Fällen erlassen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, in denen vorgesehen ist, dass die Rechte der betroffenen Person auch über die zuständige Aufsichtsbehörde ausgeübt werden können.

(2)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Verantwortliche die betroffene Person über die Möglichkeit unterrichtet, ihr Recht auf Befassung der Aufsichtsbehörde gemäß Absatz 1 auszuüben.

(3)      Wird das in Absatz 1 genannte Recht ausgeübt, unterrichtet die Aufsichtsbehörde die betroffene Person zumindest darüber, dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind. Die Aufsichtsbehörde hat zudem die betroffene Person über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf zu unterrichten.“

 Belgisches Recht

9.        Die Loi relative à la protection des personnes physiques à l’égard des traitements de données à caractère personnel (Gesetz über den Schutz natürlicher Personen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten) vom 30. Juli 2018 (Moniteur belge vom 5. September 2018, S. 68616) (im Folgenden: LPD) setzt die Richtlinie 2016/680 in belgisches Recht um. Titel 2 Kapitel III LPD regelt die Rechte der betroffenen Person, d. h. im Wesentlichen das Recht auf Information, das Recht auf Auskunft über die Daten und das Recht auf Berichtigung.

10.      Art. 42 LPD bestimmt:

„Der Antrag auf Ausübung der im vorliegenden Kapitel erwähnten Rechte in Bezug auf die Polizeidienste … oder die Inspection générale de la police fédérale et de la police locale (Generalinspektion der föderalen Polizei und der lokalen Polizei, Belgien) ist an die in Artikel 71 erwähnte Aufsichtsbehörde zu richten.

In den Fällen, die in den Artikeln 37 § 2, 38 § 2, 39 § 4 und 62 § 1 erwähnt sind, unterrichtet die in Artikel 71 erwähnte Aufsichtsbehörde nur die betroffene Person darüber, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden.

Unbeschadet des Absatzes 2 kann die in Artikel 71 erwähnte Aufsichtsbehörde der betroffenen Person bestimmte Hintergrundinformationen mitteilen.

Der König legt nach Stellungnahme der in Artikel 71 erwähnten Aufsichtsbehörde die Kategorien von Hintergrundinformationen fest, die der betroffenen Person von dieser Aufsichtsbehörde mitgeteilt werden können.“

11.      Das vorlegende Gericht gibt an, dass die „Hintergrundinformationen“, die das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen der betroffenen Person mitteilen kann, noch nicht durch einen nach Art. 42 Satz 4 LPD vorgesehenen Königlichen Erlass präzisiert worden seien.

12.      Art. 71 LPD bestimmt:

„§ 1.      Bei der Abgeordnetenkammer wird eine unabhängige Aufsichtsbehörde für polizeiliche Information geschaffen, Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen genannt.

[Sie ist] beauftragt mit: 1. der Aufsicht über die Anwendung des vorliegenden Titels …“.

13.      Titel 5 Kapitel I LPD trägt die Überschrift „Unterlassungsklage“. Der in diesem Kapitel enthaltene Art. 209 lautet:

„Unbeschadet anderer gerichtlicher, administrativer oder außergerichtlicher Beschwerden stellt der Präsident des Gerichts Erster Instanz, der wie im Eilverfahren tagt, das Vorliegen einer Verarbeitung fest, die gegen die Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen zum Schutz natürlicher Personen hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verstößt, und ordnet die Unterlassung dieser Verarbeitung an.

Der wie im Eilverfahren tagende Präsident des Gerichts Erster Instanz erkennt über alle Ersuchen in Bezug auf das durch oder aufgrund des Gesetzes gewährte Recht auf Mitteilung personenbezogener Daten und über alle Ersuchen auf Berichtigung, Löschung oder Verbot der Verwendung personenbezogener Daten, die unrichtig oder unter Berücksichtigung des Verarbeitungszwecks unvollständig oder nicht sachdienlich sind, oder deren Speicherung, Mitteilung oder Aufbewahrung verboten ist, gegen deren Verarbeitung die betroffene Person sich widersetzt hat oder die über den erlaubten Zeitraum hinaus aufbewahrt worden sind.“

14.      Art. 240 LPD bestimmt: Das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen

„4.      befasst sich mit Beschwerden, untersucht den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang und unterrichtet den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung, insbesondere, wenn eine weitere Untersuchung oder Koordinierung mit einer anderen Aufsichtsbehörde notwendig ist. …“

 II. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

15.      Im Jahr 2016 beabsichtigte BA, beim Auf- und Abbau der Anlagen für die zehnte Ausgabe der „Europäischen Entwicklungstage“ in Brüssel (Belgien) mitzuwirken. Zu diesem Zweck benötigte er eine sogenannte „Sicherheitsbescheinigung“.

16.      Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 lehnte die Autorité nationale de sécurité (Nationale Sicherheitsbehörde, Belgien) die Erteilung der erforderlichen Sicherheitsbescheinigung ab. Sie führte an, dass aus den dieser Behörde zur Verfügung gestellten Daten hervorgehe, dass der Antragsteller wegen der Teilnahme an zehn Demonstrationen in den Jahren 2007 bis 2016 in Erscheinung getreten sei, was die Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung nicht zulasse. Diese Entscheidung der Nationalen Sicherheitsbehörde wurde von BA nicht angefochten.

17.      Das LPD, mit dem das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen (im Folgenden auch: Kontrollorgan) eingerichtet wurde, trat am 5. September 2018 in Kraft.

18.      Am 4. Februar 2020 ersuchte der Bevollmächtigte von BA das Kontrollorgan, die für die streitige Verarbeitung Verantwortlichen zu ermitteln und diese anzuweisen, BA Zugang zu allen ihn betreffenden Informationen zu gewähren.

19.      Mit E‑Mail vom 6. Februar 2020 antwortete das Kontrollorgan, dass BA nur ein indirektes Auskunftsrecht habe; dennoch beabsichtige es, die personenbezogenen Daten von BA zu prüfen, um die Rechtmäßigkeit einer möglichen Verarbeitung der Daten in der Banque de données nationale générale (BNG, Allgemeine Nationale Datenbank) sicherzustellen. Das Kontrollorgan sei befugt, die Polizei anzuweisen, Daten erforderlichenfalls zu löschen oder zu ändern; zudem werde BA nach Abschluss der Kontrolle darüber informiert, dass „die erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden“.

20.      Am 22. Juni 2020 schrieb das Kontrollorgan:

„… teile ich Ihnen mit, dass das Kontrollorgan gemäß Art. 42 [LPD] die erforderlichen Prüfungen vorgenommen hat.

Das bedeutet, dass die personenbezogenen Daten Ihres Mandanten in den polizeilichen Datenbanken überprüft wurden, um die Rechtmäßigkeit einer möglichen Verarbeitung zu gewährleisten.

Erforderlichenfalls wurden die personenbezogenen Daten geändert oder gelöscht.

Wie ich Ihnen gegenüber in meiner E‑Mail vom 2. Juni erläutert habe, gestattet Art. 42 LPD dem Kontrollorgan keine Mitteilung weiter gehender Informationen.“

21.      Am 2. September 2020 erhoben die Kläger des Ausgangsverfahrens, nämlich BA und die Ligue des droits humains, Klage gegen das Kontrollorgan beim Präsidenten des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) nach Art. 209 LPD. Sie beantragten, ihre Klage gegen die Aufsichtsbehörde für zulässig zu erklären. Hilfsweise warfen sie im Verfahren vor jenem Gericht die Frage auf, ob Art. 42 LPD gegen Art. 47 Abs. 4 und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2016/680 verstoße. Insoweit machten BA und die Ligue des droits humains geltend, dass Art. 42 LPD keinen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen der unabhängigen Aufsichtsbehörde vorsehe und diese Behörde auch nicht verpflichte, die betroffene Person über ihr Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs zu unterrichten.

22.      Was die Begründetheit ihrer Klage angeht, beantragten die Kläger Zugang zu sämtlichen BA betreffenden personenbezogenen Daten sowie, das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen zu verpflichten, den Verantwortlichen und die möglichen Empfänger dieser Daten zu ermitteln. Hilfsweise beantragten sie ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof im Wesentlichen über die Frage, ob Art. 42 Abs. 2 LPD mit den Art. 14, 15 und 17 der Richtlinie 2016/680 in Verbindung mit den Art. 8, 47 und 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vereinbar ist. Sie rügten insoweit, dass Art. 42 Abs. 2 LPD eine allgemeine und systematische Ausnahme vom Recht auf Zugang zu personenbezogenen Daten vorsehe.

23.      Mit Beschluss vom 17. Mai 2021 erklärte sich das Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) in Bezug auf die Klage der Kläger für unzuständig.

24.      Mit Rechtsmittelschrift vom 15. Juni 2021 wurde das vorliegende Rechtsmittel bei der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) eingelegt. Die Rechtsmittelführer wiederholten im Wesentlichen ihre Kritik an Art. 42 Abs. 2 LPD sowie die von ihnen in erster Instanz gestellten Anträge.

25.      Das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen beantragte, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

26.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass Daten, die von der Polizei verarbeitet würden, nach belgischem Recht besonderen Regelungen unterlägen. Nach Art. 42 LPD seien alle Anträge, die sich auf Rechte in Bezug auf solche personenbezogenen Daten stützten, an das Kontrollorgan zu richten. Dieses Organ informiere die betroffene Person lediglich darüber, dass „alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden“.

27.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2016/680 nicht ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei. Erstens sehe Art. 42 LPD nicht vor, dass die Aufsichtsbehörde die betroffene Person über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf zu unterrichten habe. Zweitens lasse das LPD die Ausübung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen nicht zu.

28.      Insoweit sei zum einen der Rechtsbehelf nach Art. 240 LPD, wonach die betroffene Person eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde einlegen könne, gegen den Verantwortlichen zu richten.

29.      Zum anderen werde BA auch durch das in den Art. 209 ff. LPD ausgestaltete Unterlassungsverfahren kein wirksamer Rechtsbehelf gegen das Kontrollorgan gewährt. Denn erstens müsse nach diesen Bestimmungen das Verfahren gegen den Verantwortlichen betrieben werden. Das Verfahren könne daher von BA nicht gegen das Kontrollorgan betrieben werden. Zweitens werde BA nach Art. 42 LPD keine Möglichkeit eingeräumt, ein solches Verfahren gegen den Verantwortlichen zu betreiben, da das Kontrollorgan mit der Wahrnehmung seiner Rechte betraut sei. Drittens gestatte die äußerst knappe Information durch das Kontrollorgan nach Art. 42 LPD weder BA noch einem Gericht, im Rahmen einer nachträglichen Kontrolle zu beurteilen, ob das Kontrollorgan die Rechte von BA ordnungsgemäß wahrgenommen habe.

30.      Schließlich würde nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, obgleich das Unterlassungsverfahren nach dem LPD „unbeschadet anderer gerichtlicher, administrativer oder außergerichtlicher Beschwerden“ ausgestaltet sei und die „Zuständigkeit des Gerichts Erster Instanz und des wie im Eilverfahren tagenden Präsidenten des Gerichts Erster Instanz“ nicht beschränke (Art. 209 und 219 LPD), jeder andere von BA erhobene Rechtsbehelf auf die gleichen Hindernisse stoßen.

31.      Vor diesem Hintergrund hat die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Verlangen die Art. 47 und 8 Abs. 3 der Charta, einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine unabhängige Aufsichtsbehörde wie das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen vorzusehen, wenn es die Rechte der betroffenen Person gegenüber dem Verantwortlichen ausübt?

2.      Ist Art. 17 der Richtlinie 2016/680 mit den Art. 47 und 8 Abs. 3 der Charta in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof vereinbar, soweit er die Aufsichtsbehörde – die die Rechte der betroffenen Person gegenüber dem Verantwortlichen ausübt – nur dazu verpflichtet, die betroffene Person darüber, „dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind“, sowie „über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf“ zu unterrichten, obgleich eine derartige Unterrichtung keine nachträgliche Kontrolle des Handelns und der Beurteilung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die Daten der betroffenen Person und die Pflichten des Verantwortlichen gestattet?

32.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die belgische Regierung, die Tschechische Republik, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Der Gerichtshof hat mehrere schriftliche Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die belgische Regierung gerichtet. Diese Regierung hat am 13. März 2023 geantwortet. Die Kläger und die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die französische Regierung sowie die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben an der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023 teilgenommen.

 III. Würdigung

 Vorbemerkungen

33.      Die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen betreffen im Wesentlichen die gerichtliche Kontrolle eines Handelns einer Aufsichtsbehörde sowie ihren Umfang und ihre Wirksamkeit in dem Fall, dass diese Behörde die Rechte der betroffenen Person im Namen dieser betroffenen Person ausübt, d. h. im Fall einer mittelbaren Ausübung dieser Rechte. Das vorlegende Gericht stellt die Struktur der belgischen Regelung eines mittelbaren Zugangs betroffener Personen als solche nicht in Frage. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wird jedoch zwangsläufig durch eine Regelung beeinträchtigt, durch die betroffenen Personen eine Auskunft praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird. Wichtig erscheint daher, die Struktur der Rechte betroffener Personen nach der Richtlinie 2016/680 vorab kurz darzustellen, bevor zu prüfen ist, inwieweit die belgische Regelung einer mittelbaren Auskunft sich in diese Struktur einfügt.

 a) Rechte betroffener Personen nach der Richtlinie 2016/680 und Einschränkungen dieser Rechte

34.      Das Recht auf Auskunft über erhobene Daten und das Recht auf Berichtigung der Daten sind wesentlicher Bestandteil des in Art. 8 Abs. 2 der Charta verankerten Rechts auf Schutz personenbezogener Daten. Allgemein dient das Auskunftsrecht zwei Hauptzielen, nämlich der „Erhöhung der Transparenz und der Erleichterung der Kontrolle“(9). Wie im Schrifttum angeführt, wird mit ihm die Transparenz erhöht, weil es „eine zweite, tiefere und detailliertere Informationsebene [eröffnet], die die betroffene Person erreichen kann“(10). Das Auskunftsrecht erleichtert die Kontrolle, da es eine Voraussetzung für die Ausübung anderer Rechte darstellt, nämlich des Rechts auf Berichtigung oder Löschung personenbezogener Daten oder des Rechts auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs(11).

35.      Nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/680 soll mit dieser Richtlinie der unionsweite wirksame Schutz personenbezogener Daten erreicht werden; dies erfordert die Stärkung der Rechte der betroffenen Personen und eine Verschärfung der Verpflichtungen für diejenigen, die personenbezogene Daten verarbeiten, und auch gleichwertige Befugnisse der Mitgliedstaaten bei der Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten. Dies ist gegenüber der früheren Regelung nach dem Rahmenbeschluss 2008/977 ein wichtiger Fortschritt. Der Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses war auf die grenzüberschreitende Datenverarbeitung beschränkt. Er spiegelte ferner die „frühere Säulenstruktur der EU“ wider(12) und räumte „de[n] Mitgliedstaaten … sehr großen Spielraum“ ein(13). Gegenüber dieser früheren Regelung sieht Kapitel III der Richtlinie 2016/680 eine „neue Architektur der Rechte betroffener Personen [vor], die auf dem Grundsatz beruht, dass sie ein Recht auf Unterrichtung, Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung haben, es sei denn, diese Rechte sind eingeschränkt“(14).

36.      Insbesondere sieht Art. 13 der Richtlinie 2016/680 vor, dass die Verantwortlichen betroffenen Personen bestimmte Informationen zu erteilen haben (im Folgenden: Recht auf Unterrichtung). Nach Art. 14 hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu erhalten, ob sie betreffende Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, hat sie das Recht, Auskunft über personenbezogene Daten und zu bestimmten Informationen zu erhalten (im Folgenden: Auskunftsrecht). Nach Art. 16 hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger Daten zu verlangen, sowie das Recht auf Löschung personenbezogener Daten oder gegebenenfalls auf Einschränkung der Verarbeitung (im Folgenden: Recht auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung). Die betroffene Person kann ihre Rechte grundsätzlich unmittelbar ausüben.

37.      Die Richtlinie 2016/680 gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nach den Voraussetzungen der Art. 13 Abs. 3, Art. 15 und Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 Gesetzgebungsmaßnahmen zu erlassen, die die Rechte betroffener Personen teilweise oder vollständig einschränken. Solche Maßnahmen sind im Wesentlichen „in dem Umfang und so lange“ zulässig, wie dies „in einer demokratischen Gesellschaft unter gebührender Berücksichtigung der Grundrechte und der berechtigten Interessen der betroffenen natürlichen Person eine erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme“ darstellt, um einen spezifizierten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck zu wahren, nämlich eine Behinderung behördlicher oder gerichtlicher Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren zu vermeiden, eine Beeinträchtigung der Verhütung, Aufdeckung, Ermittlungen oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung zu vermeiden oder die öffentliche Sicherheit, die nationale Sicherheit oder die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 13 Abs. 4 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2016/680 Gesetzgebungsmaßnahmen zur Festlegung der Verarbeitungskategorien erlassen, für die einer dieser Zwecke vollständig oder teilweise zur Anwendung kommt.

38.      Im Fall einer Einschränkung des Auskunftsrechts muss der Verantwortliche die betroffene Person nach Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2016/680 unverzüglich schriftlich über die Verweigerung oder die Einschränkung der Auskunft und die Gründe hierfür unterrichten. Dies gilt nicht, wenn die Erteilung dieser Informationen einem der in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie genannten, im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke zuwiderliefe. Der Verantwortliche muss die betroffene Person über die Möglichkeit unterrichten, bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde einzulegen oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen. Außerdem muss der Verantwortliche nach Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 im Fall der Einschränkung oder Verweigerung des Auskunftsrechts die sachlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung dokumentieren und diese Angaben der Aufsichtsbehörde zur Verfügung stellen.

39.      Aus der Struktur der in Kapitel III der Richtlinie 2016/680 geregelten Rechte der betroffenen Person ergibt sich der Grundsatz, dass betroffene Personen im Bereich der Strafverfolgung über Rechte in Bezug auf den Schutz ihrer Daten verfügen und diese Rechte unmittelbar ausüben können. Jegliche Einschränkung dieser Rechte stellt eine Ausnahme dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel jedoch eng auszulegen(15). Ferner unterliegen Einschränkungen Beschränkungen in Bezug auf die Begründungspflicht für auferlegte Einschränkungen und die entsprechende Unterrichtung der betroffenen Person. Von einer solchen Unterrichtung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden.

40.      Das gleiche Regel-Ausnahme-Verhältnis gilt auch für die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, „Verarbeitungskategorien“ festzulegen, für die einer der im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke vollständig oder teilweise zur Anwendung kommt, so dass die Einschränkung der Ausübung der Rechte betroffener Personen nach Art. 13 Abs. 3 oder Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2016/680 zulässig wird. Wie von der Artikel‑29-Datenschutzgruppe(16) in ihrer Stellungnahme zur Richtlinie 2016/680 im Wesentlichen hervorgehoben, sind im Rahmen der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, solche Verarbeitungskategorien festzulegen, „pauschale Einschränkungen“ der Rechte der betroffenen Personen auf Unterrichtung und Auskunft verboten(17). Solche pauschalen Einschränkungen würden der Ausnahme den Vorrang vor der Regel geben und damit die Bestimmungen, in denen die Rechte der betroffenen Person verankert sind, weitgehend aushöhlen(18).

 b) Mittelbare Ausübung der Rechte der betroffenen Person

41.      Das Recht der betroffenen Person, zur Ausübung ihrer Rechte unmittelbar mit dem Verantwortlichen Kontakt aufzunehmen, ist ein wichtiges Merkmal der Richtlinie 2016/680. Durch diese Richtlinie wird die unmittelbare Ausübung der Rechte durch betroffene Personen „grundsätzlich“ gewährleistet(19). Betroffene Personen haben das Recht auf unmittelbare Auskunft, es sei denn, es gilt eine Einschränkung. Sofern eine Einschränkung gilt und das Recht auf unmittelbare Auskunft daher nicht mehr zur Verfügung steht, kann die betroffene Person nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2016/680 ihre Rechte mittelbar über die zuständige Aufsichtsbehörde ausüben.

42.      Wie von der französischen Regierung und der Kommission vorgetragen und auch von der Artikel‑29-Datenschutzgruppe in ihrer Stellungnahme zur Richtlinie 2016/680 unterstrichen, ist die mittelbare Ausübung von Rechten über die zuständige Behörde eine zusätzliche Garantie für betroffene Personen in dem Fall, dass Einschränkungen gelten(20). Dass eine mittelbare Ausübung von Rechten als zusätzliche Garantie vorgesehen wurde, stellt gegenüber der früheren, nach dem Rahmenbeschluss 2008/977 geltenden Situation einen wichtigen Fortschritt dar(21). Nach diesem Rahmenbeschluss stand die mittelbare Auskunft nämlich auf einer Stufe mit der unmittelbaren Auskunft(22). Es stände zu dem gesamten, mit der Richtlinie 2016/680 verfolgten Ziel der Harmonisierung im Widerspruch, wenn die Mitgliedstaaten trotz der mit dieser Richtlinie erfolgten Weiterentwicklungen im Hinblick auf die Struktur der Rechte betroffener Personen die Erteilung einer mittelbaren Auskunft für betroffene Personen nicht zu einem zusätzlichen Weg, sondern vielmehr zum einzigen Weg machen würden, der betroffenen Personen offensteht.

 c) Regelung der mittelbaren Ausübung in Art. 42 LPD

43.      Art. 17 der Richtlinie 2016/680 wird durch Art. 42 LPD in das belgische Recht umgesetzt. Nach Art. 42 Satz 1 LPD sind alle Anträge betroffener Personen auf Ausübung ihrer Rechte gegenüber den Polizeidiensten an das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen zu richten. Nach Art. 42 Satz 2 LPD wird die betroffene Person im Fall der Einschränkung oder Verweigerung der Auskunft durch den Verantwortlichen nur darüber informiert, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden.

44.      Meines Erachtens wird mit Art. 42 LPD offenbar eine Regelung festgelegt, die vom Grundsatz der unmittelbaren Ausübung der Rechte betroffener Personen für alle von den Polizeidiensten verarbeiteten Daten abweicht. In Anbetracht des äußerst weit gefassten Anwendungsbereichs in Bezug auf die Daten, für die die Ausnahmeregelung gilt, wird mit dieser Regelung nämlich eine pauschale Ausnahme vom Recht auf unmittelbare Auskunft festgelegt. Wie oben in den Vorbemerkungen erläutert, kann eine derart weit gefasste pauschale Ausnahme vom Recht auf unmittelbare Auskunft nicht als mit der Richtlinie 2016/680 vereinbar angesehen werden(23). In Übereinstimmung mit den vom Conseil d’État (Staatsrat, Belgien) in seinem Gutachten zum Entwurf des LPD im Wesentlichen getroffenen Feststellungen verstößt die Verlagerung weg davon, dass die betroffene Person die Wahlmöglichkeit hat, ihre Rechte mittelbar auszuüben, hin dazu, dass stattdessen der Gesetzgeber die mittelbare Ausübung dieser Rechte verpflichtend vorschreiben kann, gegen Art. 17 der Richtlinie 2016/680(24).

45.      Die unmittelbare Auskunft durch eine mittelbare Auskunft nach Art. 42 LPD zu ersetzen, ist in Anbetracht der begrenzten Befugnisse des Organs für die Kontrolle der polizeilichen Informationen noch problematischer. Auf Nachfrage hierzu in der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte dieser Behörde bestätigt, dass das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen die betroffene Person im Kontext der mittelbaren Ausübung der Rechte der betroffenen Person nur darüber informieren dürfe, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen worden seien. Zu erinnern ist jedoch daran, dass die Regelung der mittelbaren Auskunft die Ausnahme darstellt und hierfür Voraussetzung ist, dass die Rechte betroffener Personen im Einklang mit den Voraussetzungen nach der Richtlinie 2016/680 eingeschränkt sind. Im Gegensatz hierzu ist die betroffene Person nach der belgischen Regelung verpflichtet, bei der Aufsichtsbehörde einen Antrag auf Ausübung ihrer Rechte in Bezug auf von den Polizeidiensten verarbeitete Daten zu stellen. Sie kann keine Auskunft über die sie betreffenden Daten erhalten, sondern lediglich eine Bestätigung, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen worden seien. Der nationale Gesetzgeber hat offenbar eine von der Richtlinie 2016/680 abweichende Vermutung eingeführt, dass – für alle von der Polizei verarbeiteten Daten – die Rechte betroffener Personen stets eingeschränkt sind und eine unmittelbare Auskunft nicht möglich ist.

46.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen wird durch Art. 42 LPD meines Erachtens eine Regelung der mittelbaren Ausübung von Rechten festgelegt, die mit den Modalitäten der Ausübung der Rechte betroffener Personen nach der Richtlinie 2016/680 unvereinbar ist. Unter diesem Blickwinkel sind die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu prüfen.

 Erste Frage

47.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geregelten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom vorlegenden Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen(25).

48.      In der vorliegenden Rechtssache geht aus der Vorlageentscheidung eindeutig hervor, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage um Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 2016/680 ersucht. Es möchte im Wesentlichen wissen, ob diese Bestimmung im Licht der Art. 47 und 8 Abs. 3 der Charta dahin auszulegen ist, dass die betroffene Person über einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine unabhängige Aufsichtsbehörde verfügen muss, wenn sie ihre Rechte über die Aufsichtsbehörde ausübt.

49.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht diese Frage stellt, da seiner Ansicht nach das belgische Recht kein Recht auf gerichtliche Überprüfung gegen eine Aufsichtsbehörde vorsieht, wenn diese mittelbar die Rechte der betroffenen Person ausübt. Hierzu stellt es erstens fest, dass diese Bestimmung nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden sei, da Art. 42 LPD keine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde vorsehe, die betroffene Person über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf zu unterrichten. Zweitens sei es der betroffenen Person auch nach anderen Bestimmungen des LPD, insbesondere den Art. 209 ff. und 240 LPD, nicht möglich, im Fall einer mittelbaren Ausübung ihrer Rechte einen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde einzulegen(26).

50.      Die belgische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebracht, dass die belgische Rechtsordnung unabhängig von der Auslegung von Art. 209 Satz 2 LPD im Fall des Ausgangsverfahrens eine wirksame gerichtliche Kontrolle vorsehe. Die besonderen Rechtsbehelfe des LPD ständen unbeschadet der allgemeinen Zuständigkeit der Zivilgerichte zur Verfügung. Der belgischen Regierung ist weiterhin darin zuzustimmen, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nur befugt ist, über die Auslegung oder die Gültigkeit einer EU-Vorschrift auf der Grundlage des Sachverhalts zu entscheiden, den das nationale Gericht ihm vorlegt. Die Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften obliegt dagegen ausschließlich dem vorlegenden Gericht(27).

 a) Rechtsbehelfe, die der betroffenen Person zur Verfügung stehen

51.      Für die Prüfung, ob eine betroffene Person im Fall der mittelbaren Ausübung ihrer Rechte das Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen die Aufsichtsbehörde hat, ist zu beachten, dass in Kapitel VIII der Richtlinie 2016/680 eine Reihe von betroffenen Personen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen genannt sind. Betroffene Personen haben das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde nach Art. 52 der Richtlinie 2016/680. Nach Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2016/680 müssen betroffene Personen das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde haben. Nach Art. 53 Abs. 2 muss jede betroffene Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf haben, wenn die Aufsichtsbehörde sich nicht mit der Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat. Darüber hinaus haben betroffene Personen das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre Rechte infolge einer unrechtmäßigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Nach allen diesen Bestimmungen steht jeder dieser Rechtsbehelfe „unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs“ zur Verfügung.

52.      Zum Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde heißt es im 86. Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/680, dass dieses Recht gegen einen „Beschluss einer Aufsichtsbehörde …, der gegenüber dieser Person Rechtswirkungen entfaltet“, ausgeübt werden kann. In diesem Erwägungsgrund heißt es weiter, dass ein solcher Beschluss insbesondere die Ausübung von Untersuchungs‑, Abhilfe- und Genehmigungsbefugnissen durch die Aufsichtsbehörde oder die Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden betrifft, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aber nicht „andere – rechtlich nicht bindende – Maßnahmen der Aufsichtsbehörden wie von ihr abgegebene Stellungnahmen oder Empfehlungen“ umfasst.

53.      Nach Art. 53 Abs. 1 in Verbindung mit dem 86. Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/680 hat die betroffene Person das Recht, einen Beschluss oder eine Maßnahme einer Aufsichtsbehörde anzufechten, der oder die verbindliche Rechtswirkungen entfaltet.

54.      Insoweit ist im Blick zu behalten, dass das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf jeder Person zuzuerkennen ist, die sich auf durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten beruft, wenn sie gegen eine sie beschwerende Entscheidung vorgeht, die diese Rechte oder Freiheiten verletzen könnte(28).

55.      Außerdem fallen unter den Begriff der beschwerenden Maßnahmen „solche Handlungen oder Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern“(29). Hierzu ist auf das Wesen dieser Handlung abzustellen und sind diese Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts dieser Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind(30).

 b) Befugnisse der Aufsichtsbehörde im Kontext der mittelbaren Ausübung von Rechten

56.      Aus den Tatbestandsmerkmalen einer beschwerenden Maßnahme folgt, dass für die Prüfung, ob eine Aufsichtsbehörde einen rechtsverbindlichen Beschluss erlässt, wenn sie nach Art. 17 der Richtlinie 2016/680 mittelbar die Rechte der betroffenen Person ausübt, auf den Inhalt oder das Wesen der Handlung der Aufsichtsbehörde abzustellen ist, wobei der Zusammenhang der Handlung und die Befugnisse dieser Behörde zu berücksichtigen sind.

57.      Was erstens das Wesen der Handlung der Aufsichtsbehörde angeht, ist zunächst klarzustellen, dass die Frage, ob eine Handlung sich auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person unmittelbar auswirken kann, sich nicht allein anhand dessen beurteilen lässt, dass diese Handlung die Form einer E‑Mail hat (wie dies im Ausgangsverfahren der Fall war), da dies darauf hinausliefe, auf die Form der angefochtenen Handlung abzustellen statt auf ihr Wesen(31).

58.      Nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2016/680 können die Rechte der betroffenen Person „über“ die zuständige Aufsichtsbehörde ausgeübt werden. Nach dem 48. Erwägungsgrund dieser Richtlinie handelt die Aufsichtsbehörde „im Namen“ der betroffenen Person. Nach Art. 17 Abs. 3 dieser Richtlinie „unterrichtet“ die Aufsichtsbehörde die betroffene Person zumindest darüber, dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind.

59.      Nach Ansicht des Organs für die Kontrolle der polizeilichen Informationen soll sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergeben, dass eine Aufsichtsbehörde nur den Auftrag habe, im Namen der betroffenen Person zu handeln, und dass sie als Bote tätig werde, der der betroffenen Person lediglich Informationen erteile. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Handlung, die diese Behörde erlasse, für die betroffene Person verbindliche Rechtswirkungen erzeuge. Die tschechische Regierung trägt ähnlich vor.

60.      Ich würde nicht bestreiten, dass der Wortlaut, der im Zusammenhang mit der Ausübung von Rechten der betroffenen Person „über“ die Aufsichtsbehörde oder mit dem Handeln der Aufsichtsbehörde „im Namen“ der betroffenen Person verwendet wird, für sich allein betrachtet, dahin verstanden werden könnte, dass die Aufsichtsbehörde lediglich den Auftrag hat, Informationen zu erteilen.

61.      Eine Betrachtung des Zusammenhangs der Handlung und der Befugnisse der Aufsichtsbehörde sprechen meines Erachtens jedoch nicht für die Annahme, es liege ein bloßes Auftragsverhältnis vor. Im Zusammenhang der mittelbaren Ausübung der Rechte der betroffenen Person geht die Rolle der Aufsichtsbehörde deutlich über ein Handeln ähnlich eines „Vertreters“ der betroffenen Person, als „Bote“ oder Vermittler hinaus. Wie ich darlegen werde, hat der Unionsgesetzgeber der Aufsichtsbehörde ganz im Gegenteil eine führende und aktive Rolle bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zugewiesen, die nur von einer Behörde wahrgenommen werden kann.

62.      Insbesondere ist, wie von der Kommission und von der belgischen Regierung vorgetragen, Art. 17 der Richtlinie 2016/680 in Verbindung mit den Bestimmungen von Kapitel VI Abschnitt 2 dieser Richtlinie zu verstehen, in dem die Zuständigkeit, die Aufgaben und die Befugnisse der unabhängigen Aufsichtsbehörden geregelt sind. Art. 46 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde „die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß Artikel 17 überprüft und die betroffene Person innerhalb einer angemessenen Frist über das Ergebnis der Überprüfung gemäß Absatz 3 des genannten Artikels unterrichtet oder ihr die Gründe mitteilt, aus denen die Überprüfung nicht vorgenommen wurde“.

63.      Die belgische Regierung hat in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs zutreffend angeführt, dass die besondere Aufgabe der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung belege, dass die Rolle einer Aufsichtsbehörde sich nicht lediglich auf ein Handeln als „Bote“ zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen beschränke. Vielmehr nimmt diese Behörde eine eigene rechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung vor.

64.      Außerdem verfügt jede Aufsichtsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgabe der unabhängigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung über bestimmte Durchsetzungsbefugnisse nach Art. 47 der Richtlinie 2016/680. Bei diesen Befugnissen handelt es sich um „wirksame Untersuchungsbefugnisse“, die zumindest die „Befugnis [umfassen], von dem Verantwortlichen und dem Auftragsverarbeiter Zugang zu allen personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden …, zu erhalten“, sowie um „Abhilfe“-Befugnisse, einschließlich der Befugnis zur Anordnung der Berichtigung oder Löschung personenbezogener Daten oder Einschränkung der Verarbeitung. Außerdem verfügen die Aufsichtsbehörden nach Art. 47 Abs. 5 über die Befugnis, ein gerichtliches Verfahren zu betreiben oder sich daran zu beteiligen, um die nach der Richtlinie 2016/680 erlassenen Vorschriften durchzusetzen. Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass, wie von ihr vorgetragen, die Aufsichtsbehörde diese Befugnisse insoweit nur in eigener Sache als staatliche Stelle und nicht lediglich als Vertreterin oder im Namen der betroffenen Person ausüben kann.

65.      Wenn die Aufsichtsbehörde die betroffene Person über das Ergebnis der von ihr nach Art. 17 Abs. 3 und Art. 46 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2016/680 durchgeführten Überprüfung unterrichtet, ist sie zwangsläufig am Ende eines Entscheidungsprozesses über die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung angelangt. Auf die Rechtsstellung der betroffenen Person wirkt sich daher aus, i) ob die Aufsichtsbehörde die ihr obliegende Aufgabe, „die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß Artikel 17 [zu] überprüf[en]“, ordnungsgemäß erfüllt hat, und ii) zu welchem Schluss diese Behörde im Anschluss an diesen Prozess gelangt ist.

66.      Dafür, dass der Aufsichtsbehörde nach Art. 17 der Richtlinie 2016/680 eine eigenständige Rolle und nicht lediglich die Rolle eines bloßen Vermittlers zuzuerkennen ist, spricht auch eine Auslegung der Richtlinie im Licht der Charta. Art. 8 Abs. 3 der Charta überträgt die Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzvorschriften und insbesondere des Rechts, Auskunft über Daten zu erhalten, einer unabhängigen Stelle. Der Rolle der Datenschutzbehörden kommt aufgrund ihrer Regelung in der Charta verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Rolle der Überwachung und Durchsetzung der Anwendung der Richtlinie 2016/680 obliegt der Aufsichtsbehörde. Eine Auslegung, wonach diese Behörde dann, wenn sie mittelbar die Rechte der betroffenen Person ausübt, gesondert von der betroffenen Person handelt, fördert die verfassungsrechtliche Rolle der Aufsichtsbehörde.

67.      Würde der Annahme gefolgt, dass die Aufsichtsbehörde ähnlich eines „Vertreters“ der betroffenen Person handelt, dann wäre diese Behörde der betroffenen Person als dem von ihr Vertretenen auskunftspflichtig. Das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen vertritt jedoch die Ansicht, dass es nicht dazu befugt sei, der betroffenen Person weitere Informationen zu erteilen. Dieser Ansatz führt zu der merkwürdigen Situation, dass ein Vertreter weiter gehende Kenntnisse hätte als der von ihm Vertretene.

68.      In der mündlichen Verhandlung hat die französische Regierung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Aufsichtsbehörde, anders als in dem Fall, dass sie sich mit Beschwerden nach Art. 46 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2016/680 befasse, nach Art. 46 Abs. 1 Buchst. g gegenüber dem Verantwortlichen keine Befugnisse habe. Da die betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen keine Befugnisse habe, wenn sie ihre Rechte unmittelbar ausübe, könne sie diese Befugnisse auch dann nicht haben, wenn sie diese Rechte mittelbar über die Aufsichtsbehörde ausübe. Art. 47 der Richtlinie 2016/680 betreffe nur die Befugnisse, die die Aufsichtsbehörde in eigener Sache ausübe, nicht aber die Zuständigkeiten, die sie im Namen der betroffenen Person ausübe.

69.      Die Ansicht der französischen Regierung baut im Wesentlichen auf der Annahme auf, dass die Aufsichtsbehörde lediglich als ein Vermittler der betroffenen Person handele. Aus den oben dargelegten Gründen kann einer solchen einschränkenden Auslegung der Rolle der Aufsichtsbehörde meines Erachtens nicht gefolgt werden. Mit der mittelbaren Ausübung der Rechte einer betroffenen Person muss ein Mehrwert verbunden sein, der eine zusätzliche Garantie und einen Schutz für die betroffene Person darstellt. Wenn die Behörde in jedem Fall lediglich zu bestätigen hätte, dass die erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden, ohne ihre Befugnisse ausüben zu können, wäre der mit ihrer Rolle bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung verbundene Mehrwert begrenzt.

70.      Art. 17 der Richtlinie 2016/680 sieht insoweit vor, dass die Aufsichtsbehörde die betroffene Person „zumindest“ darüber zu unterrichten hat, dass alle erforderlichen Prüfungen erfolgt sind. Dies bedeutet, dass es Umstände geben kann, unter denen die Aufsichtsbehörde über solche Mindestinformationen hinausgehen kann oder muss. Für diese Auslegung spricht Art. 46 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2016/680, wonach der Aufsichtsbehörde die Aufgabe zugewiesen wird, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß Art. 17 zu überprüfen und die betroffene Person über das Ergebnis der Überprüfung gemäß Abs. 3 des genannten Artikels zu unterrichten. Das „Ergebnis der Überprüfung“ schließt die Erteilung der Mindestinformationen ein, beschränkt sich aber nicht immer darauf.

71.      Wie von der Kommission vorgetragen, räumt Art. 17 der Richtlinie 2016/680 der Aufsichtsbehörde einen Entscheidungsspielraum ein. Er räumt den Mitgliedstaaten keinen Entscheidungsspielraum dahin ein, die Rolle der Behörde auf diejenige eines Boten zu reduzieren oder den Entscheidungsspielraum dieser Behörde vollständig aufzuheben, indem vorgeschrieben wird, dass sie nur die Mindestinformationen zu erteilen hat. Könnte ein Mitgliedstaat von der Richtlinie 2016/680 abweichen und den Aufsichtsbehörden weniger Befugnisse einräumen, würde dies nämlich das Ziel der Stärkung der Rechte der betroffenen Personen und der Harmonisierung der Befugnisse zur Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften in den Mitgliedstaaten, erheblich beeinträchtigen. Ebenso würde damit das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Erhöhung der Transparenz und Kontrolle beeinträchtigt.

72.      In der mündlichen Verhandlung hat das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen Bedenken gegen die Anerkennung einer Rolle geäußert, die über diejenige der bloßen Ausführung eines Auftrags der betroffenen Person hinausgeht. Die Aufsichtsbehörde dürfe im Rahmen von Art. 17 der Richtlinie 2016/680 weder über die Zweckmäßigkeit einer Handlung des Verantwortlichen entscheiden noch die mit der Mitteilung der betreffenden Informationen verbundenen Interessen gegeneinander abwägen. Andernfalls wäre sie verpflichtet, die Stelle des Verantwortlichen einzunehmen, was im Widerspruch zu ihrer Unabhängigkeit stünde.

73.      Insoweit ist der Entscheidungsspielraum, über den die Aufsichtsbehörde nach Art. 17 der Richtlinie 2016/680 verfügt, nicht als eine Befugnis zu verstehen, die Stelle des Verantwortlichen einzunehmen und automatisch Auskunft über die Informationen zu erteilen, deren Offenlegung der Verantwortliche verweigert hat. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit führt die Aufsichtsbehörde einen vertraulichen Dialog mit dem Verantwortlichen, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu überprüfen. Wie von der Kommission im Wesentlichen vorgetragen, lässt sich dieser Dialog aus der Verpflichtung des Verantwortlichen nach Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 ableiten, der Aufsichtsbehörde die sachlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung zur Einschränkung des Auskunftsrechts zur Verfügung zu stellen.

74.      Im Kontext dieses Dialogs muss die Aufsichtsbehörde dann, wenn sie der Ansicht ist, dass die Einschränkungen der Rechte der betroffenen Person nicht gerechtfertigt sind, dem Verantwortlichen die Gelegenheit geben, dieser Situation abzuhelfen. Nach Abschluss dieses Dialogs belässt Art. 17 Abs. 3 der Aufsichtsbehörde einen Entscheidungsspielraum im Hinblick darauf, in welchem Umfang sie der betroffenen Person Informationen über das Ergebnis ihrer Überprüfung offenlegen darf. Die Entscheidung über den Umfang der Informationen, die sie offenlegen darf, ist im Wege einer Einzelfallprüfung im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Ferner muss die Aufsichtsbehörde die Einhaltung der Vorschriften der Richtlinie 2016/680 gewährleisten können und die Befugnisse nach Art. 47 der Richtlinie ausüben. Diese Bestimmung sieht keine Einschränkungen im Hinblick auf die Ausübung dieser Befugnisse im Kontext von Art. 17 dieser Richtlinie vor. Im Gegenteil sind die wirksamen Befugnisse der Aufsichtsbehörde ein erforderliches und starkes Gegengewicht zur Einschränkung des Auskunftsrechts der betroffenen Person.

 c) Rangverhältnis der gerichtlichen Rechtsbehelfe

75.      Schließlich haben das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen und die tschechische Regierung ein Argument zum Rangverhältnis der gerichtlichen Rechtsbehelfe vorgebracht. Sie sind im Wesentlichen der Ansicht, dass im Kontext der mittelbaren Ausübung von Rechten über die Aufsichtsbehörde das Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs nach Art. 54 der Richtlinie 2016/680 gegen den Verantwortlichen und nicht gegen die Aufsichtsbehörde ausgeübt werden müsse, es sei denn, diese bleibe untätig.

76.      Hierzu ist festzustellen, dass aus keiner Bestimmung der Richtlinie 2016/680 hervorgeht, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsbehelfe sich gegenseitig ausschließen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der oben angeführten(32) Art. 52, 53 und 54 der Richtlinie 2016/680, dass diese Bestimmungen Personen, die einen Verstoß gegen diese Verordnung geltend machen, verschiedene Rechtsbehelfe bieten, wobei jeder dieser Rechtsbehelfe „unbeschadet“ der anderen eingelegt werden können muss(33). Zum Verhältnis der in der Verordnung (EU) 2016/679(34) vorgesehenen Rechtsbehelfe hat der Gerichtshof im Urteil Nemzeti entschieden, dass diese Verordnung „weder eine vorrangige oder ausschließliche Zuständigkeit noch eine Prioritätsregel für die Beurteilung einer Verletzung der durch diese Verordnung verliehenen Rechte durch die Behörde oder die dort genannten Gerichte vorsieht“(35).

77.      Entgegen der Ansicht der französischen Regierung und des Organs für die Kontrolle der polizeilichen Informationen sind meines Erachtens die Begründungserwägungen im Urteil Nemzeti auf die in der Richtlinie 2016/680 vorgesehenen Rechtsbehelfe in entsprechender Weise übertragbar. Erstens sind die der betroffenen Person nach der Verordnung 2016/679 und der Richtlinie 2016/680 gegen die Aufsichtsbehörde und den Verantwortlichen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ähnlich. Zweitens heißt es im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/680, dass ein unionsweiter wirksamer Schutz personenbezogener Daten die Stärkung der Rechte der betroffenen Personen erfordert(36). Die Bereitstellung mehrerer Rechtsbehelfe stärkt das auch im 85. Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/680 genannte Ziel, das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gemäß Art. 47 der Charta für jede betroffene Person zu garantieren, die sich in ihren Rechten aufgrund von nach dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften verletzt sieht.

78.      Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde und der Rechtsbehelf gegen den Verantwortlichen verschiedene Zwecke haben. Einerseits besteht, wie von der Kommission zutreffend vorgetragen, der Zweck eines Verfahrens gegen die Entscheidung des Verantwortlichen zur Einschränkung der Rechte der betroffenen Person darin, eine gerichtliche Überprüfung zu erwirken, ob Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 richtig angewendet wurden. Andererseits besteht der Zweck eines Verfahrens gegen die Aufsichtsbehörde darin, eine gerichtliche Überprüfung zu erwirken, ob Art. 17 und Art. 46 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2016/680 richtig angewendet wurden, was die Prüfung beinhaltet, ob diese Aufsichtsbehörde ihre Aufgabe der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ordnungsgemäß erfüllt hat.

79.      Das System des gerichtlichen Rechtsschutzes wäre ferner inkohärent und unvollständig, wenn die betroffene Person nur gegen die Untätigkeit der Aufsichtsbehörde vorgehen könnte, während ihre Tätigkeit und die Frage, wie die Behörde ihre Pflichten wahrgenommen hat, der gerichtlichen Kontrolle entzogen wären.

80.      Die Erhebung einer Klage gegen den Verantwortlichen ist im Ausgangsverfahren jedenfalls offenbar unmöglich. Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zu entnehmen, dass betroffene Personen keine Klage gegen den Verantwortlichen erheben können, da mit der Ausübung aller ihrer Rechte das Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen betraut ist. Die Ligue des droits humains hat im Übrigen vorgetragen, dass es im belgischen System der Polizeidatenbanken für die betroffene Person sehr schwierig sei, den Verantwortlichen überhaupt zu ermitteln. Unter diesen Umständen besteht für die betroffene Person die Gefahr, dass ihr ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz völlig genommen wird, da sie nicht weiß, wer der Verantwortliche ist, und selbst wenn dies bekannt wäre, sie nicht das Recht hat, sich unmittelbar an den Verantwortlichen zu wenden. Außerdem kann sie auch das Handeln des Organs für die Kontrolle der polizeilichen Informationen nicht anfechten. Die betroffene Person ist daher meines Erachtens offenbar mit einem System konfrontiert, in dem ihr „alle Türen verschlossen sind“, was gegen die Richtlinie 2016/680 verstößt.

81.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist Art. 17 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2016/680 im Licht von Art. 47 und Art. 8 Abs. 3 der Charta meines Erachtens dahin auszulegen, dass die betroffene Person über einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine unabhängige Aufsichtsbehörde verfügen muss, wenn diese betroffene Person ihre Rechte über diese Aufsichtsbehörde ausübt, soweit dieser Rechtsbehelf die Aufgabe dieser Aufsichtsbehörde betrifft, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu überprüfen.

 Zweite Frage

82.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 der Richtlinie 2016/680 mit Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta vereinbar ist, soweit er die Aufsichtsbehörde nur dazu verpflichtet, die betroffene Person darüber, i) „dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind“, sowie ii) „über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf“ zu unterrichten, obgleich eine derartige Unterrichtung keine nachträgliche Kontrolle des Handelns und der Beurteilung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf diese betroffene Person im Licht der Pflichten des Verantwortlichen gestattet.

83.      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsakt der Union nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz so weit wie möglich in einer seine Gültigkeit nicht in Frage stellenden Weise und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Charta auszulegen ist. Lässt eine Vorschrift des abgeleiteten Unionsrechts mehr als eine Auslegung zu, ist daher die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Primärrecht vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Primärrecht führt(37).

84.      Wie im Rahmen der Vorbemerkungen und der Prüfung der ersten Frage ausgeführt, ist nach Art. 17 der Richtlinie 2016/680 eine mittelbare Ausübung der Rechte der betroffenen Person über die zuständige Aufsichtsbehörde möglich, wenn die Rechte der betroffenen Person nach Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3 oder Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 eingeschränkt sind. Einschränkungen der Rechte der betroffenen Person sind nur zulässig, wenn sie in einer demokratischen Gesellschaft unter gebührender Berücksichtigung der Grundrechte und der berechtigten Interessen der betroffenen natürlichen Person eine erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme darstellen, um einen in diesen Bestimmungen genannten spezifischen, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck zu wahren.

85.      Fraglich ist, inwieweit der Inhalt der Informationen, die von der Aufsichtsbehörde erteilt werden, die die Rechte der betroffenen Person mittelbar ausübt, es der betroffenen Person ermöglicht, ihr Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach Art. 47 Abs. 1 der Charta auszuüben.

86.      Insoweit ist im Rahmen der Prüfung der ersten Frage schon darauf hingewiesen worden, dass das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf jeder Person zuzuerkennen ist, die sich auf durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten beruft, wenn sie gegen eine sie beschwerende Entscheidung vorgeht, die diese Rechte oder Freiheiten verletzen könnte(38).

87.      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann und dass es gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden kann, sofern diese Einschränkungen erstens gesetzlich vorgesehen sind, zweitens den Wesensgehalt der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten achten und drittens unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen(39).

88.      Im Kontext der mittelbaren Ausübung von Rechten über die Aufsichtsbehörde ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit einer mittelbaren Ausübung durch die Einschränkung der Rechte der betroffenen Person herbeigeführt wird. Die Aufsichtsbehörde hat die Aufgabe, tätig zu werden, wenn, ausnahmsweise, ein Recht eingeschränkt wird, und zwar auch dann, wenn, je nach den Umständen, Informationen zu den Gründen für diese Einschränkung vom Verantwortlichen nicht genannt werden(40). Wie im Rahmen der Prüfung der ersten Frage ausführlich dargelegt, besteht die Rolle der Aufsichtsbehörde bei der Erfüllung dieser Aufgabe nicht lediglich darin, als „Bote“ zu handeln, sondern darin, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu gewährleisten.

89.      Das Maß an Informationen, die die Aufsichtsbehörde der betroffenen Person offenlegen kann, hängt zwangsläufig von den Gründen ab, die die Einschränkung des Auskunftsrechts herbeigeführt haben. Je schwerwiegender die Gründe für die Einschränkung und gegebenenfalls für die Nichterteilung von Informationen sind, umso weniger Informationen wird die Aufsichtsbehörde erteilen können. Entgegen der Annahme, die dem Wortlaut der Vorlagefrage zugrunde liegt, ergibt sich aus Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2016/680 nicht, dass die Aufsichtsbehörde in jedem Fall „nur“ bestätigen kann, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen wurden. Vielmehr gibt die Aufsichtsbehörde nach dieser Bestimmung „zumindest“ an, dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind.

90.      Daraus folgt, dass die von der Aufsichtsbehörde zu erteilenden Informationen nicht im Vorhinein festgelegt werden können. Mit anderen Worten ist der in Art. 17 Abs. 3 geregelte Mindestinhalt nicht der einzig mögliche Inhalt. Wie von der Kommission vorgetragen, muss über das Maß an Informationen im Einzelfall entschieden werden; es kann je nach den Umständen und der Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verschieden sein. Veranschaulichend mag etwa, wie in der Lehre(41) zutreffend angeführt, unproblematisch erscheinen, wenn die Aufsichtsbehörde der betroffenen Person mitteilt, dass ein Schreibfehler dazu geführt habe, dass der Name dieser betroffenen Person in einer polizeilichen Datenbank zu finden sei.

91.      Nach dem Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung sollten die Aufsichtsbehörden verpflichtet sein, die betroffene Person zusätzlich zu den Mindestinformationen darüber zu informieren, „was die Prüfung der Rechtmäßigkeit der fraglichen Verarbeitung erbracht hat“(42). Diese letztgenannte Information, nämlich das Ergebnis zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, wurde in Art. 17 der Richtlinie 2016/680 nicht aufgenommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass mögliche Verstöße gegen Datenschutzvorschriften toleriert werden können. Im Rahmen der Prüfung der ersten Frage habe ich ausgeführt, dass die Aufsichtsbehörde einen vertraulichen Dialog mit dem Verantwortlichen führt. Ist die Aufsichtsbehörde der Ansicht, dass die Verarbeitung rechtswidrig ist, gibt sie dem Verantwortlichen die Gelegenheit, dieser Situation abzuhelfen. Wird der Situation jedoch nicht abgeholfen, verfügt die Aufsichtsbehörde über Durchsetzungsbefugnisse nach Art. 47 der Richtlinie 2016/680, die ausgeübt werden müssen. In diesem Fall reicht es meines Erachtens nicht aus, dass die Aufsichtsbehörde dem nationalen Parlament Bericht erstattet, wie von dem Organ für die Kontrolle der polizeilichen Informationen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Sie muss nach Art. 47 Abs. 5 der Richtlinie 2016/680 ihre Befugnis ausüben, Verstöße gegen Datenschutzvorschriften den Justizbehörden zur Kenntnis zu bringen und gegebenenfalls die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu betreiben oder sich sonst daran zu beteiligen.

92.      Die Auslegung, wonach die Aufsichtsbehörde bei der mittelbaren Ausübung der Rechte der betroffenen Person über einen Entscheidungsspielraum verfügt, wird auch durch die verfassungsrechtliche Bedeutung der in Art. 8 Abs. 3 der Charta verankerten Rolle der unabhängigen Aufsichtsbehörden untermauert.

93.      Allerdings kann es Umstände geben, unter denen die Aufsichtsbehörde ihrer Ansicht nach nicht über die Offenlegung der Mindestinformationen hinausgehen darf, nämlich dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen worden seien. In einem solchen Fall wäre die Ausübung einer gerichtlichen Kontrolle unmöglich, sofern nicht das mit der Überprüfung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde befasste Gericht alle Gründe für diese Entscheidung und die Entscheidung des Verantwortlichen zur Einschränkung der Auskunft prüfen kann.

94.      Insoweit muss zum einen nach Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2016/680 der Verantwortliche die sachlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung zur Einschränkung des Auskunftsrechts dokumentieren und diese Angaben den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stellen. Wie vom Europäischen Parlament vorgetragen, ist anzuerkennen, dass diese Informationen, wenn sie der Aufsichtsbehörde zur Verfügung stehen, auch der Justiz zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn die betroffene Person ihr Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung des Verantwortlichen und/oder gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ausübt.

95.      Zum anderen muss in Ausnahmefällen, in denen der Verantwortliche keine Informationen zu den Gründen für die Verweigerung oder für die Einschränkung der Rechte der betroffenen Person erteilt und die Aufsichtsbehörde nur die Mindestinformationen erteilt, nämlich dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen worden seien, das zuständige Gericht des entsprechenden Mitgliedstaats verfahrensrechtliche Techniken und Regeln zu seiner Verfügung haben und anwenden, die es ermöglichen, die legitimen Erwägungen der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Interesses in Bezug auf die Art und die Quellen der Informationen, die beim Erlass der betreffenden Entscheidung berücksichtigt worden sind, auf der einen und das Erfordernis, dem Einzelnen seine Verfahrensrechte wie das Recht, gehört zu werden, und den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens hinreichend zu gewährleisten, auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen(43).

96.      Zu diesem Zweck sind die Mitgliedstaaten nach den sich aus der Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil vom 4. Juni 2013, ZZ (C‑300/11, EU:C:2013:363), ergebenden Begründungserwägungen verpflichtet, zum einen eine wirksame gerichtliche Kontrolle sowohl des Vorliegens und der Stichhaltigkeit der von der nationalen Behörde angeführten Gründe und zum anderen Techniken und Regeln über diese Kontrolle im Sinne der vorstehenden Nummer der vorliegenden Schlussanträge vorzusehen(44).

97.      In der mündlichen Verhandlung hat die französische Regierung die Ansicht vertreten, das Urteil ZZ habe einen anderen Hintergrund als das Ausgangsverfahren, da das Urteil ZZ die gerichtliche Kontrolle einer Entscheidung betroffen habe, mit der einem Bürger der Europäischen Union die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aus Gründen der öffentlichen Sicherheit untersagt worden sei. Hierzu ist festzustellen, dass die Begründungserwägungen des Gerichtshofs in der Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil ZZ, das auf das Urteil Kadi(45) verweist, auf der Notwendigkeit beruhen, die Erfordernisse, die sich aus der Sicherheit des Staates ergeben, und diejenigen, die sich aus dem Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ergeben, in angemessener Weise zum Ausgleich zu bringen. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der französischen Regierung eingeräumt, dass sich aus dieser Rechtsprechung im Wesentlichen ergebe, dass es vor Gericht keine Geheimhaltung gebe. Meines Erachtens ist diese Rechtsprechung daher auf den Kontext der Richtlinie 2016/680 in entsprechender Weise übertragbar, wenn die zuständigen Behörden der Ansicht sind, dass Gründe der nationalen Sicherheit oder des sonstigen öffentlichen Interesses, die geeignet sind, eine Einschränkung der Rechte betroffener Personen zu rechtfertigen, einer genauen und vollständigen Offenlegung der Gründe für eine solche Entscheidung zur Anwendung einer Einschränkung entgegenstehen.

98.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Art. 17 der Richtlinie 2016/680 mit Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta vereinbar ist, soweit i) die Aufsichtsbehörde je nach den Umständen über die Angabe hinausgehen darf, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen worden seien, und ii) der betroffenen Person eine gerichtliche Kontrolle des Handelns und der Beurteilung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf diese betroffene Person im Licht der Pflichten des Verantwortlichen zur Verfügung steht.

99.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen wird die Gültigkeit von Art. 17 der Richtlinie 2016/680 nicht in Frage gestellt.

 III. Ergebnis

100. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 17 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates ist im Licht von Art. 47 und Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

dahin auszulegen, dass danach die betroffene Person über einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine unabhängige Aufsichtsbehörde verfügen muss, wenn diese betroffene Person ihre Rechte über diese Aufsichtsbehörde ausübt, soweit dieser Rechtsbehelf die Aufgabe dieser Aufsichtsbehörde betrifft, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu überprüfen.

2.      Die Gültigkeit von Art. 17 der Richtlinie 2016/680 wird nicht in Frage gestellt.















































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