C-26/17 P – Birkenstock Sales/ EUIPO
Language of document : ECLI:EU:C:2018:714
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
13. September 2018()
„Rechtsmittel – Unionsmarke – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Bildmarke, die ein Muster aus sich kreuzenden Wellenlinien darstellt – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b – Absolutes Eintragungshindernis – Unterscheidungskraft – Oberflächenmuster“
In der Rechtssache C‑26/17 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 18. Januar 2017,
Birkenstock Sales GmbH mit Sitz in Vettelschoß (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. Menebröcker und Rechtsanwältin V. Töbelmann,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) und der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2018,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Juni 2018
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Birkenstock Sales GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 9. November 2016, Birkenstock Sales/EUIPO (Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien) (T‑579/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:650), soweit das Gericht darin ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 15. Mai 2014 (Sache R 1952/2013‑01) über die mit Benennung der Europäischen Union erfolgte internationale Registrierung der Bildmarke, die ein Muster aus sich kreuzenden Wellenlinien darstellt (im Folgenden: streitige Entscheidung), teilweise abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) bestimmt in ihrem Art. 7 Abs. 1 Buchst. b:
„(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
…“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
3 Die Rechtsmittelführerin ist Rechtsnachfolgerin der Birkenstock Orthopädie GmbH & Co. KG, die am 27. Juni 2012 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) auf der Basis einer deutschen Marke die internationale Registrierung folgender Bildmarke mit Benennung u. a. der Europäischen Union erwirkte:
4 Am 25. Oktober 2012 wurde dem EUIPO die internationale Registrierung des in Rede stehenden Zeichens (im Folgenden: streitiges Zeichen) mitgeteilt.
5 Die Schutzerstreckung wurde für folgende Waren der Klassen 10, 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza) angemeldet:
– Klasse 10: „Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate; künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial, chirurgisches Nahtmaterial für operative Zwecke; Orthopädische Schuhwaren und solche zur Rehabilitation, zur Fußgymnastik und Therapie sowie sonstigen medizinischen Zwecken und deren Teile, einschließlich orthopädischer Schuhe, auch derartige Schuhe mit Fußbett oder orthopädischen Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen; derartige Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen und deren Teile, auch in der Form starrer thermoplastischer Einlagen; Schuhbauteile und Schuheinbauteile zur orthopädischen Schuhzurichtung, insbesondere Passteile, Keile, Kissen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schaumpolster, Schaumpelotten sowie Fußformsohlen, auch in Form von vollplastischen Einlagen mit orthopädischem Fußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork, Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen; orthopädische Fuß- und Schuheinlagen; orthopädische Stützen für Füße und Schuhe; orthopädische Schuhwaren, insbesondere orthopädische Sandalen und Slipper; orthopädische Einlegesohlen, Einlagen, auch aus Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen“;
– Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geldbörsen; Taschen; Handtaschen; Dokumentenkoffer; Hüfttaschen; Kleidersäcke für die Reise; Schlüsseletuis (Lederwaren); Kosmetikkoffer; Kulturbeutel, Kulturtaschen; Reisetaschen; Rucksäcke“;
– Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, auch Bequemschuhwaren und solche für Arbeit, Freizeit, Gesundheit und Sport, einschließlich Sandalen, Gymnastiksandalen, Pantoletten, Slipper, Clogs, auch mit Fußbett, insbesondere mit anatomisch geformtem Tieffußbett, Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen, Schutzeinlagen; Teile und Zubehör derartiger Schuhwaren, nämlich Schuhoberteile, Absätze, Laufsohlen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schuhbodenteile, auch Fußbettungen, Fußstützen; Fuß- und Schuheinlagen, insbesondere mit Fußbett oder anatomisch geformtem Tieffußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen; Innensohlen; Einlegesohlen; Schuhwaren, nämlich Schuhe und Sandalen; Stiefel, Schuhe, Sandalen, Slipper sowie Teile und Fittings für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 25 enthalten; Gürtel; Schals; Halstücher“.
6 Am 21. November 2012 teilte der Prüfer der Rechtsmittelführerin mit, dass der Schutz der internationalen Marke in der Union von Amts wegen vorläufig vollständig verweigert werde. Begründet wurde dies mit der für sämtliche betroffenen Waren fehlenden Unterscheidungskraft des streitigen Zeichens im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
7 Nachdem die Klägerin zu den in der Mitteilung über die vorläufige Weigerung aufgeworfenen Einwänden Stellung genommen hatte, bestätigte die Prüfungsabteilung des EUIPO mit Entscheidung vom 29. August 2013 mit derselben Begründung wie der zuvor gegebenen die vollständige Verweigerung des Schutzes der internationalen Marke in der Union.
8 Die Rechtsmittelführerin legte gegen diese Entscheidung am 4. Oktober 2013 beim EUIPO Beschwerde nach den Art. 58 bis 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.
9 Mit Entscheidung vom 15. Mai 2014 wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO (im Folgenden: Beschwerdekammer) die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass dem streitigen Zeichen für die betreffenden Waren die Unterscheidungskraft fehle.
10 Die Beschwerdekammer war insbesondere der Auffassung, das Zeichen stelle sich rechtwinklig schneidende Wellenlinien in einer sich wiederholenden Sequenz dar, die in alle vier Richtungen des Quadrats fortgeführt und daher auf jeder zwei- oder dreidimensionalen Oberfläche aufgebracht werden könne. Das streitige Zeichen werde daher unmittelbar als Darstellung eines Oberflächenmusters wahrgenommen.
11 Außerdem sei bekannt, dass die Oberflächen von Waren oder ihre Verpackung aus verschiedenen Gründen mit Mustern versehen seien, insbesondere um ihr ästhetisches Erscheinungsbild zu verbessern und/oder aufgrund der technischen Funktionalität.
12 Da die Verbraucher aus Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Waren selbst verschmelzen, gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft der Waren schlössen, besäßen diese Zeichen nach der Rechtsprechung nur dann Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abwichen. Diese Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall anwendbar, denn das streitige Zeichen verschmelze mit dem Erscheinungsbild der in Rede stehenden Waren.
13 Der Gesamteindruck des streitigen Zeichens sei banal, und das Oberflächenmuster könne auf allen in Rede stehenden Waren zu finden sein, für die es eine ästhetische und/oder technische Funktion haben könne. Der Gesamteindruck weiche, wenn überhaupt, nicht deutlich von der Branchenüblichkeit ab.
14 Die Beschwerdekammer kam zu dem Ergebnis, dass die maßgeblichen Verkehrskreise dieses Zeichen aller Wahrscheinlichkeit nach als bloßes Oberflächenmuster wahrnähmen und nicht als Angabe einer bestimmten betrieblichen Herkunft.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
15 Mit am 1. August 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.
16 Zur Stützung ihrer Klage führte sie als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 an. Sie machte u. a. geltend, die Beschwerdekammer habe sich nicht auf das streitige Zeichen in seiner registrierten Form – einem flächenmäßig klar umgrenzten, von der Form von Waren unabhängigen Bild – gestützt, sondern habe das Zeichen in unzulässiger Weise erweitert, indem sie behauptet habe, dieses könne reproduziert und fortgesetzt werden.
17 Nachdem das Gericht in den Rn. 23 bis 27 des angefochtenen Urteils auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen hatte, prüfte es die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, auf den vorliegenden Fall. Dafür prüfte das Gericht in den Rn. 50 bis 68 des angefochtenen Urteils u. a. die Frage, welches das relevante Kriterium ist, damit ein als Bildmarke bezeichnetes Zeichen, das aus einer Serie sich regelmäßig wiederholender Bestandteile zusammengesetzt ist, als Oberflächenmuster für die betreffenden Waren angesehen werden kann.
18 Das Gericht hat in den Rn. 54 bis 57 des angefochtenen Urteils insoweit festgestellt, dass ein solches Zeichen im Hinblick auf die betreffenden Waren nur dann nicht als Oberflächenmuster angesehen werden könne, wenn die Verwendung eines Oberflächenmusters aufgrund der Art der Waren wenig wahrscheinlich sei.
19 Im Licht dieses Kriteriums hat das Gericht entschieden, dass die Beschwerdekammer diese Rechtsprechung zu Unrecht auf „künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne“, „chirurgisches Nahtmaterial; chirurgisches Nahtmaterial für operative Zwecke“ und „Häute und Felle“ angewandt habe, weshalb sie sich auf fehlerhafte Prüfungskriterien gestützt habe, und daher die streitige Entscheidung in Bezug auf diese Waren aufzuheben sei. In Bezug auf die übrigen Waren der Klassen 10, 18 und 25 im Sinne des Abkommens von Nizza war das Gericht hingegen der Auffassung, die Beschwerdekammer habe die Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Ware verschmelzen, zu Recht angewandt.
20 Hinsichtlich der letztgenannten Waren, die von der internationalen Marke, deren Schutz beantragt wird, erfasst werden, prüfte das Gericht in den Rn. 129 bis 153 des angefochtenen Urteils die Frage, ob die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat, dass das streitige Zeichen nicht erheblich von den Normen und der Branchenüblichkeit abweiche. Das Gericht hat dies bejaht.
21 Folglich hat das Gericht die streitige Entscheidung in Bezug auf folgende Waren aufgehoben: „künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne“, „chirurgisches Nahtmaterial; chirurgisches Nahtmaterial für operative Zwecke“ und „Häute und Felle“; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Anträge der Parteien
22 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,
– das angefochtene Urteil aufzuheben,
– den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben und
– dem EUIPO die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Verfahren vor dem Gericht und der Beschwerdekammer angefallenen Kosten aufzuerlegen.
23 Das EUIPO beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Zum Rechtsmittel
24 Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin drei Rechtsmittelgründe geltend: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, widersprüchliche Begründung des angefochtenen Urteils und Verfälschung der Tatsachen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes
– Vorbringen der Parteien
25 Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe in den Rn. 54 ff. des angefochtenen Urteils das Kriterium einer bloßen „Möglichkeit“ der Verwendung des streitigen Zeichens als Oberflächenmuster zu Unrecht als relevantes Kriterium für die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Ware verschmelzen, auf die in Rede stehenden Waren herangezogen.
26 Der Gerichtshof habe nämlich u. a. im Beschluss vom 26. April 2012, Deichmann/HABM (C‑307/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:254), entschieden, dass es erforderlich sei, dass die Verwendung des betreffenden Zeichens als Oberflächenmuster „die wahrscheinlichste Verwendung“ sei. Folglich reiche die bloße Möglichkeit einer Verwendung der in Rede stehenden internationalen Marke als Oberflächenmuster für die Anwendung der Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, nicht aus.
27 Durch die Entscheidung, dass ein Zeichen, das aus einer Serie sich regelmäßig wiederholender Bestandteile zusammengesetzt sei, nur dann nicht als Oberflächenmuster angesehen werden könne, wenn die Verwendung eines solchen Musters nach Art der in Rede stehenden Waren wenig wahrscheinlich sei, habe das Gericht ein anderes Kriterium als das der „wahrscheinlichsten Verwendung“ aufgestellt. Mit dem erstgenannten Beurteilungskriterium würden an Bildmarken mit sich wiederholenden Bestandteilen für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft weitaus strengere Maßstäbe angelegt als an andere Markenformen.
28 Das EUIPO hält den ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
– Würdigung durch den Gerichtshof
29 Bezüglich der Zulässigkeit des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Allein das Gericht ist für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, EU:C:2010:488, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Hierzu genügt die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerin mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes geltend macht, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es sich für die Anwendung der Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, auf das Kriterium der möglichen Verwendung des streitigen Zeichens als Oberflächenmuster gestützt habe. Daher ist dieser Teil, mit dem eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, im Rahmen eines Rechtsmittels zulässig.
31 Was die Begründetheit dieses ersten Teils betrifft, so bedeutet Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, EU:C:2007:635, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und 34).
32 In diesem Zusammenhang hat das Gericht in Rn. 23 des angefochtenen Urteils zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen sind als für die übrigen Markenkategorien. Es hat ferner ausgeführt, dass im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht zwingend in der gleichen Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, so schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 30, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, EU:C:2006:422, Rn. 26 und 27).
33 Wie das Gericht in Rn. 24 des angefochtenen Urteils ebenfalls zutreffend festgestellt hat, besitzt daher nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (Urteile vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi‑Werke/HABM, C‑173/04 P, EU:C:2006:20, Rn. 31, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, EU:C:2006:422, Rn. 28).
34 Diese Rechtsprechung, die für dreidimensionale, aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehende Marken entwickelt wurde, ist ebenfalls einschlägig, wenn die angemeldete Marke eine Bildmarke ist, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht (Urteil vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, EU:C:2006:422, Rn. 29), oder auch, wenn die angemeldete Marke ein Zeichen ist, das aus einem auf der Oberfläche einer Ware angebrachten Muster besteht (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Juni 2004, Glaverbel/HABM, C‑445/02 P, EU:C:2004:393, Rn. 22 bis 24). Denn auch in diesen beiden Fällen besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist.
35 Diese Rechtsprechung ist auch dann anwendbar, wenn eine Marke nur einen Teil der bezeichneten Ware darstellt (Beschluss vom 13. September 2011, Wilfer/HABM, C‑564/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:574, Rn. 59, und Urteil vom 15. Mai 2014, Louis Vuitton Malletier/HABM, C‑97/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:324, Rn. 54).
36 Daraus folgt, wie das Gericht in Rn. 28 des angefochtenen Urteils zutreffend entschieden hat, dass der entscheidende Gesichtspunkt für die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, nicht die Einstufung des betreffenden Zeichens als „Bildzeichen“, „dreidimensionales Zeichen“ oder sonstiges Zeichen ist, sondern die Tatsache, dass es mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware verschmilzt.
37 Dieser entscheidende Gesichtspunkt setzt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 53 seiner Schlussanträge sinngemäß ausgeführt hat, das Bestehen einer Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen und den erfassten Waren oder einem Teil von ihnen voraus, die anhand der Art dieser Waren zu beurteilen ist und für die maßgeblichen Verkehrskreise wahrnehmbar sein muss.
38 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob das Gericht, wie die Rechtsmittelführerin geltend macht, als relevantes Kriterium für die Anwendung der Rechtsprechung zu Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Ware verschmelzen, das Kriterium der wahrscheinlichsten Verwendung des streitigen Zeichens als Oberflächenmuster hätte heranziehen müssen.
39 Das Gericht hat in den Rn. 36 und 37 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass das streitige Zeichen ein Bildzeichen sei, das aus einer Serie von sich regelmäßig wiederholenden Bestandteilen zusammengesetzt sei, das in die vier Richtungen unbegrenzt fortgesetzt werden könne und sich ganz besonders für eine Nutzung als Oberflächenmuster eigne. In Rn. 48 des angefochtenen Urteils war das Gericht der Auffassung, dass es sich bei den von diesem Zeichen erfassten Waren teilweise um Waren handele, wie Modeartikel im weiteren Sinne, die ganz offensichtlich häufig Oberflächenmuster aufwiesen, und teilweise um Waren, bei denen weniger evident sei, dass sie oft Oberflächenmuster hätten. In den Rn. 54 und 55 des Urteils hat es entschieden, dass daher grundsätzlich eine diesem Zeichen innewohnende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es als Oberflächenmuster verwendet werde, dass vor diesem Hintergrund ein solches Zeichen im Hinblick auf die betreffenden Waren nur dann nicht als Oberflächenmuster angesehen werden könne, wenn die Verwendung eines Oberflächenmusters in Anbetracht der Art der Waren wenig wahrscheinlich sei, und dass in den anderen Fällen davon ausgegangen werden könne, dass das Zeichen tatsächlich ein Oberflächenmuster darstelle.
40 Indem das Gericht im Hinblick auf die Art der betreffenden Waren das Kriterium der möglichen – und nicht wenig wahrscheinlichen – Verwendung des streitigen Zeichens als Oberflächenmuster herangezogen hat, um die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, anzuwenden, hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen.
41 In Anbetracht der Merkmale, die dem streitigen Zeichen innewohnen, das sich aus einer Serie von sich regelmäßig wiederholenden Bestandteilen zusammensetzt, und der Art der beanspruchten Waren ist dieses Zeichen nämlich zum einen grundsätzlich dafür prädestiniert, auf der Oberfläche dieser Waren angebracht zu werden, wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat. Aus dem Wesen eines Zeichens, das aus einer sich wiederholenden Sequenz von Bestandteilen zusammengesetzt ist, folgt eine Wahrscheinlichkeit, als Oberflächenmuster verwendet zu werden und damit mit dem Erscheinungsbild der betreffenden Waren zu verschmelzen.
42 Zum anderen ist hervorzuheben, dass das Kriterium der wahrscheinlichsten Verwendung, das im Beschluss vom 26. April 2012, Deichmann/HABM (C‑307/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:254, Rn. 55), herangezogen wurde, im vorliegenden Fall nicht von Belang ist, da es in der Rechtssache, in der dieser Beschluss ergangen ist, nicht um die Eintragung eines aus einer sich wiederholenden Sequenz von Bestandteilen zusammengesetzten Zeichens ging, sondern um ein Zeichen, das einen mit gestrichelten Linien umsäumten Winkel darstellt.
43 Zudem würde die Heranziehung des Kriteriums der wahrscheinlichsten Verwendung, wie es die Rechtsmittelführerin geltend macht, dazu führen, dass Zeichen, die sich wegen der ihnen innewohnenden Eigenschaften ganz besonders dafür eignen, im Hinblick auf die beanspruchten Waren als Oberflächenmuster verwendet zu werden, der Anwendung der Rechtsprechung zu Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, entzogen sein könnten, obwohl bei solchen Zeichen eine aus ihrem Wesen folgende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie als Oberflächenmuster verwendet werden und daher mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen.
44 Daher ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes
– Vorbringen der Parteien
45 Mit dem zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht zu Unrecht nicht die Normen und die Branchenüblichkeit für die betreffenden Waren ermittelt habe und das streitige Zeichen nicht anhand dieser Normen beurteilt habe.
46 Hierzu weist sie unter Bezugnahme auf die Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM (C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 31), und vom 24. Mai 2012, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli/HABM (C‑98/11 P, EU:C:2012:307, Rn. 42), auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen könne, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 habe.
47 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dass das Gericht in den Rn. 83 bis 96 und 113 bis 123 des angefochtenen Urteils nur geprüft habe, ob die betreffenden Waren grundsätzlich ein Oberflächenmuster aufweisen könnten, und dass es in Rn. 133 des Urteils die von der Beschwerdekammer getroffene allgemeine Feststellung, wonach die allgemeine Erfahrung zeige, dass sich Oberflächenmuster durch eine sehr große Zahl verschiedener Dessins auszeichneten, übernommen habe. Diese Feststellung ersetze jedoch nicht die Ermittlung der Normen und der Branchenüblichkeit für jede beanspruchte Warengruppe, zumal Waren wie beispielsweise „medizinische Apparate und Instrumente“, „Sattlerwaren“ oder „Schuhwaren“ nicht einem einheitlichen Warenbereich zugeordnet werden könnten.
48 Das EUIPO hält den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
– Würdigung durch den Gerichtshof
49 Die Rechtsmittelführerin trägt mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes im Wesentlichen vor, das Gericht habe für die Prüfung der Unterscheidungskraft der internationalen Marke, die Gegenstand des Schutzantrags sei, zu Unrecht nicht die Normen und die Branchenüblichkeit für jede einzelne mit dem streitigen Zeichen beanspruchte Warengruppe ermittelt. Dieser Teil, mit dem die Rechtsmittelführerin eine Rechtsfrage aufwirft, ist gemäß der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung im Rahmen eines Rechtsmittels zulässig.
50 In Bezug auf die Begründetheit ist festzustellen, dass dieser zweite Teil auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils beruht.
51 In den Rn. 70 bis 128 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich in einem ersten Schritt geprüft, ob vorliegend die Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, im Hinblick auf die in Rede stehenden Waren unter Berücksichtigung des in Rn. 55 dieses Urteils definierten Kriteriums anwendbar sei, nach dem ein solches Zeichen nur dann nicht als Oberflächenmuster angesehen werden kann, wenn in Anbetracht der Art der Waren die Verwendung eines Oberflächenmusters wenig wahrscheinlich ist. Das Gericht hat dies für jede betroffene Warenkategorie geprüft und entsprechend den Normen und der Branchenüblichkeit beurteilt, ob es wenig wahrscheinlich ist oder nicht, dass diese Waren ein Oberflächenmuster aufweisen.
52 In einem zweiten Schritt hat das Gericht in den Rn. 129 bis 147 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Waren, auf die die Beschwerdekammer zutreffend die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken angewendet hatte, geprüft, ob sie auch zutreffend angenommen hatte, dass dieses Zeichen nicht erheblich von den Normen und der Branchenüblichkeit abweiche und es daher nicht unterscheidungskräftig sei.
53 Das Gericht hat hierzu in den Rn. 131 und 132 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das streitige Zeichen ein einfaches Muster sei, das aus einer einfachen Kombination von sich wiederholt kreuzenden Wellenlinien bestehe, und das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, die das Zeichen bildenden Formen seien bereits für sich genommen ungewöhnlich, zurückgewiesen. In Rn. 133 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt, wie auch die Beschwerdekammer festgestellt hatte, dass die allgemeine Erfahrung zeige, dass sich auf der Oberfläche aufgebrachte Muster durch eine sehr große Zahl verschiedener Dessins auszeichneten und dass auf der Oberfläche aufgebrachte Muster oft aus simplen geometrischen Gestaltungen wie Punkten, Kreisen, Rechtecken oder Linien bestünden, wobei die Letztgenannten gerade sein oder zickzack- oder wellenförmig auf- und absteigen könnten.
54 In Rn. 136 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst darauf hingewiesen, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung ein Kläger, der geltend mache, dass eine Anmeldemarke entgegen der vom EUIPO vorgenommenen Beurteilung Unterscheidungskraft habe, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen habe, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft entweder von Haus aus besitze oder durch Benutzung erworben habe. Sodann hat es in den Rn. 137 bis 147 des angefochtenen Urteils die von der Rechtsmittelführerin vorgetragenen Argumente und Beweismittel geprüft.
55 In Rn. 138 des angefochtenen Urteils hat das Gericht im Rahmen der Prüfung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin, die Beschwerdekammer hätte sich nicht nur auf allgemeine Aussagen in Bezug auf sämtliche Waren oder Dienstleistungen beschränken dürfen, festgestellt, dass die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass sich Oberflächenmuster durch eine sehr große Zahl verschiedener Dessins auszeichneten, nicht auf einen bestimmten Bereich beschränkt sei. In Rn. 144 des Urteils hat das Gericht entschieden, dass die von der Klägerin vorgelegten Bilder von Schuhen nicht geeignet seien, das Vorliegen einer deutlichen Abweichung des streitigen Zeichens von den Normen und Üblichkeiten der Schuhbranche zu belegen. In Rn. 145 des Urteils war das Gericht der Auffassung, dass die von der Rechtsmittelführerin vorgelegten Bilder von Schuhinnensohlen jedenfalls nicht geeignet seien, das Vorliegen einer deutlichen Abweichung des streitigen Zeichens von den Normen und der Branchenüblichkeit zu belegen, da sämtliche Bilder die Oberseite der Innensohlen zeigten. Hinsichtlich der anderen in Rede stehenden Waren hat das Gericht festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin keine Bilder zum Nachweis der Normen und der Branchenüblichkeit vorgelegt habe. Daher hat das Gericht in Rn. 147 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Behauptungen der Rechtsmittelführerin nicht geeignet seien, das Vorliegen einer deutlichen Abweichung des streitigen Zeichens von den Normen und der Branchenüblichkeit zu belegen.
56 Vor diesem Hintergrund kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, bei der Prüfung der Unterscheidungskraft des streitigen Zeichens die Normen und die Branchenüblichkeit nicht ermittelt zu haben.
57 Daraus folgt, dass der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen ist.
Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes
– Vorbringen der Parteien
58 Mit dem dritten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe strengere Kriterien als die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen angewendet, als es in den Rn. 130, 131 und 133 des angefochtenen Urteils der Ansicht gewesen sei, dass der von der in Rede stehenden internationalen Marke hervorgerufene Gesamteindruck banal sei und dass Oberflächenmuster oft einfache geometrische Formen wie Punkte, Kreise, Rechtecke oder Linien seien.
59 Die Rechtsmittelführerin verweist dabei auf das Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM (C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 41), aus dem hervorgehe, dass die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers abhängig sei, sondern allein von der Fähigkeit dieses Zeichens, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die ineinandergelegten, sich in einem Winkel von 90° kreuzenden Linien, aus denen das streitige Zeichen bestehe, riefen einen bestimmten charakteristischen Gesamteindruck eines „Knochenmusters“ hervor, weshalb der von diesem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck als Herkunftsnachweis geeignet sei.
60 Das EUIPO hält den dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
– Würdigung durch den Gerichtshof
61 Es ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit dem dritten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes zwar im Wesentlichen eine fehlerhafte Anwendung von Art. 7 Abs.1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 durch das Gericht geltend macht, jedoch in Wirklichkeit dessen Tatsachenwürdigung in den Rn. 130, 131 und 133 des angefochtenen Urteils rügt, wonach im Wesentlichen der vom streitigen Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck banal sei. Daraus folgt, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen versucht, vom Gerichtshof eine erneute Würdigung dieses Zeichens zu erlangen.
62 Da die Rechtsmittelführerin insoweit keine Verfälschung der Tatsachen geltend macht, ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes gemäß der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unzulässig.
63 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise unbegründet und teilweise unzulässig zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes
– Vorbringen der Parteien
64 Mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin eine Widersprüchlichkeit in der Begründung des angefochtenen Urteils zwischen der Rn. 77 einerseits und den Rn. 76 und 78 andererseits geltend.
65 Das Gericht führe nämlich in dieser Rn. 77 aus, dass sich die Prüfung der originären Unterscheidungskraft eines Zeichens auf seine Merkmale zu stützen habe, unabhängig von jeder konkreten Verwendung, die es erfahren habe. In den Rn. 76 und 78 beziehe sich das Gericht jedoch auf eine von der Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung zur Verwendung des streitigen Zeichens in der Vergangenheit.
66 Das EUIPO macht geltend, dass der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen sei.
– Würdigung durch den Gerichtshof
67 Es ist festzustellen, dass der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils beruht.
68 Mit der Begründung in den Rn. 76 bis 78 des angefochtenen Urteils soll nämlich auf das in Rn. 74 des Urteils wiedergegebene Vorbringen der Rechtsmittelführerin eingegangen werden, wonach die streitige Entscheidung widersprüchlich sei, da ein und dieselbe Marke nicht gleichzeitig ein zweidimensionales Oberflächenmuster und eine dreidimensionale Applikation sein könne.
69 Das Gericht hat zunächst in Rn. 75 des angefochtenen Urteils angenommen, dass der Berücksichtigung einerseits einer zweidimensionalen Verwendung und andererseits einer dreidimensionalen Verwendung eines Zeichens nichts entgegenstehe. Sodann hat es in Rn. 76 des Urteils festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, dass das streitige Zeichen seit mehr als 40 Jahren auf Laufsohlen von Schuhen verwendet werde und dies einer Verwendung des Zeichens als reliefartiges Oberflächenmuster entspreche. Zwar hat es in Rn. 77 des Urteils hinzugefügt, dass sich die Prüfung der originären Unterscheidungskraft eines Zeichens auf seine Merkmale zu stützen habe, unabhängig von jeder konkreten Verwendung, die es erfahren habe. Gleichwohl hat es in Rn. 78 des Urteils festgestellt, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin nicht kohärent sei, soweit sie einerseits behaupte, dass die internationale Marke eine „gewöhnliche“ zweidimensionale Bildmarke und kein Oberflächenmuster darstelle, und andererseits, dass eine Verwendung auf den Laufsohlen von Schuhen, d. h. als reliefartiges Oberflächenmuster, eine Benutzung der Marke darstelle.
70 Aus den Rn. 76 bis 78 des angefochtenen Urteils geht somit hervor, dass das Gericht lediglich die Inkohärenz des Vorbringens der Rechtsmittelführerin hervorgehoben hat. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in diesen Randnummern enthaltene Begründung des angefochtenen Urteils widersprüchlich ist.
71 Der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes
– Vorbringen der Parteien
72 Mit dem zweiten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass Rn. 75 des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Frage, ob die Unterscheidungskraft einer Marke unter Zugrundelegung einer zwei- und dreidimensionalen Verwendung der Marke beurteilt werden könne, widersprüchlich sei. Das Gericht habe sich nämlich in dieser Randnummer auf eines seiner früheren Urteile bezogen, in dem es diese beiden Arten der Verwendung der betreffenden Marke berücksichtigt habe. Da jedoch die Beurteilung der Unterscheidungskraft eine Einzelfallentscheidung sei, könne die Bezugnahme auf ein früheres Urteil des Gerichts nicht als Beleg dafür ausreichen, dass die Unterscheidungskraft einer Marke im Hinblick auf ihre zwei- und dreidimensionale Verwendung beurteilt werden könne.
73 Das EUIPO macht geltend, dass der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes unbegründet sei.
– Würdigung durch den Gerichtshof
74 In Rn. 75 des angefochtenen Urteils ist das Gericht auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass die streitige Entscheidung widersprüchlich sei, da ein und dieselbe Marke nicht gleichzeitig zwei- und dreidimensional verwendet werden könne, eingegangen und hat festgestellt, dass der Berücksichtigung der beiden Verwendungen dieser Marke nichts entgegenstehe. Dabei hat es auf das Urteil vom 10. September 2015, EE/HABM (Darstellung weißer Punkte auf elfenbeinfarbenem Grund) (T‑144/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:615), Bezug genommen, in dem es diese beiden Verwendungen eines Bildzeichens, das weiße Punkte auf elfenbeinfarbenem Grund darstellte, berücksichtigt hatte. Daraus hat es den Schluss gezogen, dass im vorliegenden Fall die streitige Entscheidung zu diesem Punkt nicht widersprüchlich sei.
75 Es trifft zwar zu, wie die Rechtsmittelführerin hervorhebt, dass die Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens eine Einzelfallentscheidung ist, jedoch kann sich das Gericht im Rahmen der Begründung seiner Beurteilung der Unterscheidungskraft auf vergleichbare Fälle beziehen, ohne sich deshalb insoweit zu widersprechen.
76 Daraus folgt, dass der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen ist und demzufolge der zweite Rechtsmittelgrund ebenfalls zurückzuweisen ist.
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
77 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 134 bis 139 des angefochtenen Urteils die Tatsachen verfälscht habe, da die Tatsachen, die es für „allgemein bekannt“ gehalten habe, offensichtlich nicht bekannt seien, soweit es um die Verwendung von Oberflächenmustern für die streitigen Waren der Klassen 10, 18 und 25 des Abkommens von Nizza gehe. Die Rechtsmittelführerin macht insoweit insbesondere geltend, dass die bloße Tatsache, dass ein Teil der in Rede stehenden Waren mit Oberflächenmustern versehen sein könnte, nicht ausreichend sei, um es als allgemein bekannte Tatsache anzusehen, dass diese Waren tatsächlich Oberflächenmuster aufwiesen und dass sich die in Rede stehende internationale Marke von den im Sektor der betreffenden Waren üblicherweise verwendeten Oberflächenmustern nicht deutlich abhebe.
78 Somit könne es nicht als allgemein bekannt angesehen werden, dass ärztliche und chirurgische, zahnärztliche und veterinärmedizinische Instrumente, Leder und Lederimitationen, Spazierstöcke, orthopädische Schuhe, Einlegesohlen, Innensohlen, Fuß- und Schuheinlagen, Schuhbauteile, Schuheinbauteile, insbesondere Passteile, Keile, Pelotten, Pferdegeschirre, Kleidersäcke, Dokumentenkoffer und Koffer gewöhnlich Oberflächenmuster aufwiesen.
79 Das EUIPO macht geltend, der zweite Rechtsmittelgrund sei unzulässig.
Würdigung durch den Gerichtshof
80 In Anbetracht des Ausnahmecharakters eines Rechtsmittelgrundes, mit dem eine Tatsachenverfälschung gerügt wird, muss der Rechtsmittelführer nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs insbesondere genau angeben, welche Tatsachen das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Eine solche Verfälschung muss sich aus den Akten offensichtlich ergeben, ohne dass eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen werden muss (Urteile vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Juni 2018, Apcoa Parking Holdings/EUIPO, C‑32/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:396, Rn. 47 und 48).
81 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die Rechtsmittelführerin darauf beschränkt, geltend zu machen, dass die vom Gericht für „allgemein bekannt“ gehaltenen Tatsachen offensichtlich nicht allgemein bekannt seien, soweit es um die Verwendung von Oberflächenmustern für die in Rede stehenden Waren der Klassen 10, 18 und 25 des Abkommens von Nizza gehe, ohne zur Stützung dieser Behauptung den geringsten Beweis dafür vorzulegen, dass das Gericht die Tatsachen insoweit verfälscht habe.
82 Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
83 Nach alledem ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.
Kosten
84 Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Birkenstock Sales mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Birkenstock Sales GmbH trägt die Kosten.
Levits |
Borg Barthet |
Berger |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. September 2018.
Der Kanzler |
Der Präsident der Zehnten Kammer |
A. Calot Escobar |
E. Levits |
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