C-169/22 – Groenland Poultry

C-169/22 – Groenland Poultry

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:196

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 9. März 2023(1)

Rechtssache C169/22

Fractal Insolvenţă SPRL als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL

gegen

Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti [Berufungsgericht Bukarest, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums – Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen – Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 – Art. 44 Abs. 2 Buchst. a – Art. 47 Abs. 1 – Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs an einen neuen Begünstigten – Spätere Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch diesen Begünstigten – Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände – Pflicht zur vollständigen oder teilweisen Rückzahlung der erhaltenen Beihilfe – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

I.      Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006(2) mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

2.        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fractal Insolvenţă SPRL als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL (im Folgenden: Groenland Poultry) und der Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa (Zahlungs- und Interventionsstelle für die Landwirtschaft – Kreiszentrum Dâmboviţa, Rumänien, im Folgenden: APIA) über Entscheidungen der APIA, mit denen Groenland Poultry aufgrund der Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeiten verpflichtet wurde, die gesamte während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums für den Tierschutz gewährte Beihilfe zurückzuzahlen.

3.        Auf Wunsch des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Analyse der zweiten und der dritten Vorlagefrage konzentrieren. Diese betreffen im Wesentlichen die Frage, ob und inwieweit Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs, der zugleich eine mehrjährige Verpflichtung im Rahmen einer aus dem ELER finanzierten Beihilfe für den Tierschutz übernommen hat, im Fall der endgültigen Aufgabe seiner Tätigkeit vor Ablauf des Verpflichtungszeitraums zur Rückzahlung sämtlicher in diesem Zeitraum gewährten Zahlungen, einschließlich derjenigen, die den früheren Begünstigten gewährt wurden, verpflichtet ist.

4.        Der Gerichtshof hatte zwar bereits Gelegenheit, einige Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 auszulegen(3), wird jedoch erstmals über die Auslegung von Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 zu befinden haben(4).

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1698/2005

5.        Die Verordnung Nr. 1698/2005(5) wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 aufgehoben(6).

6.        Art. 36 Buchst. a Ziff. v der Verordnung Nr. 1698/2005 sah vor, dass die im Rahmen der Verbesserung der Umwelt und der Landschaft vorgesehene Beihilfe Maßnahmen betrifft, die der Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen dienen.

7.        In Art. 40 dieser Verordnung hieß es:

„(1)      Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen nach Artikel 36 Buchstabe a Ziffer v werden Landwirten gewährt, die freiwillig Tierschutzverpflichtungen eingehen.

(2)      Diese Zahlungen werden nur für Verpflichtungen gewährt, die über die einschlägigen vorgeschriebenen Standards … und andere einschlägige verbindliche Vorschriften des nationalen Rechts, die in dem Programm aufgeführt sind, hinausgehen.

Diese Verpflichtungen sind in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen. …

(3)      Die Zahlungen werden jährlich gewährt und dienen zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen. Gegebenenfalls können sie auch Transaktionskosten decken.

Die Beihilfehöchstbeträge sind im Anhang I festgesetzt.“

8.        Art. 74 Abs. 1 dieser Verordnung lautete:

„Zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der [Union] erlassen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften …“.

2.      Verordnung Nr. 1974/2006

9.        Die Verordnung Nr. 1974/2006 wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 807/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Einführung von Übergangsvorschriften aufgehoben(7). Die Verordnung Nr. 1974/2006 galt jedoch weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Europäischen Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1698/2005 vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt wurden.

10.      Art. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 lautete:

„Diese Verordnung enthält Durchführungsbestimmungen zur Verordnung … Nr. 1698/2005 hinsichtlich der Grundsätze und allgemeinen Regeln für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, spezifische und allgemeine Bestimmungen für die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und Bestimmungen über die Zuschussfähigkeit sowie Verwaltungsbestimmungen, mit Ausnahme von Kontrollbestimmungen.“

11.      Art. 44 dieser Verordnung sah vor:

„(1)      Überträgt ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seinen Betrieb ganz oder teilweise auf einen anderen, so kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen. Erfolgt eine solche Übernahme nicht, so ist der Begünstigte verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten.

(2)      Die Mitgliedstaaten können auf die Erstattung gemäß Absatz 1 verzichten, falls

a)      ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist;

b)      die Übertragung eines Teils des Betriebs eines Begünstigten während des Zeitraums der Verlängerung der Verpflichtung gemäß Artikel 27 Absatz 12 Unterabsatz 2 erfolgt und nicht mehr als 50 % der von der Verpflichtung vor der Verlängerung betroffenen Fläche übertragen werden;

c)      der Betrieb eines Begünstigten zu Umweltschutzzwecken ganz oder teilweise an eine Organisation übertragen wird, deren Hauptziel der Naturschutz ist, vorausgesetzt, die Übertragung dient einer dauerhaften Änderung der Flächennutzung zu Naturschutzzwecken und erbringt einen signifikanten Umweltvorteil.

(3)      Die Mitgliedstaaten können besondere Maßnahmen ergreifen, um bei geringfügigen Änderungen der betrieblichen Situation zu vermeiden, dass die Anwendung von Absatz 1 mit Blick auf die eingegangenen Verpflichtungen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.

Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt eine Verringerung der Betriebsfläche um bis zu 10 % der von der Verpflichtung betroffenen Fläche als geringfügige Änderung.“

12.      Art. 45 Abs. 4 dieser Verordnung bestimmte:

„Ist der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Erweist sich eine solche Anpassung als unmöglich, so endet die Verpflichtung, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.“

13.      Art. 47 dieser Verordnung sah vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können insbesondere folgende Kategorien von Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen anerkennen und in den betreffenden Fällen ganz oder teilweise auf die Rückzahlung der vom Begünstigten erhaltenen Beihilfe verzichten:

a)      Tod des Begünstigten,

b)      länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten,

c)      Enteignung eines wesentlichen Teils des Betriebs, soweit sie am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war,

d)      schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht,

e)      unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs,

f)      Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers.

(2)      Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind vom Begünstigten oder dem Anspruchsberechtigten der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Begünstigte oder der Anspruchsberechtigte hierzu in der Lage ist, schriftlich mitzuteilen.“

B.      Rumänisches Recht

14.      Art. 17 der Ordonanță de urgență a Guvernului nr. 66/2011 privind prevenirea, constatarea și sancționarea neregulilor apărute în obținerea și utilizarea fondurilor europene și/sau a fondurilor publice naționale aferente acestora(8) (Dringlichkeitsverordnung Nr. 66/2011 der Regierung zur Verhinderung, Feststellung und Sanktionierung von Unregelmäßigkeiten, die bei der Erlangung und der Verwendung von Unionsmitteln und/oder von mit diesen in Zusammenhang stehenden nationalen öffentlichen Mitteln begangen wurden) sieht vor:

„Alle Maßnahmen, die zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit und zur Feststellung der Haushaltsforderungen aufgrund einer solchen Unregelmäßigkeit ergriffen werden, erfolgen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeit sowie ihres Umfangs und ihrer finanziellen Auswirkungen.“

15.      Art. 30 Abs. 1 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 3/2015 pentru aprobarea schemelor de plăți care se aplică în agricultură în perioada 2015-2020 și pentru modificarea art. 2 din Legea nr. 36/1991 privind societățile agricole și alte forme de asociere în agricultură(9) (Dringlichkeitsverordnung Nr. 3/2015 der Regierung zur Genehmigung der für die Landwirtschaft geltenden Zahlungsregelungen für den Zeitraum 2015-2020 und zur Änderung von Art. 2 des Gesetzes Nr. 36/1991 über landwirtschaftliche Gesellschaften und andere Formen landwirtschaftlicher Vereinigungen) bestimmt:

„Für die Zwecke der Finanzierung, Verwaltung und Kontrolle der Gemeinsamen Agrarpolitik werden insbesondere folgende Fälle als ‚höhere Gewalt‘ oder ‚außergewöhnliche Umstände“ anerkannt:

f)      Enteignung des gesamten oder eines großen Teils des landwirtschaftlichen Betriebs, wenn diese Enteignung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht absehbar war“.

16.      Art. 31 dieser Verordnung lautet:

„(1)      Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände hat der Begünstigte oder sein Rechtsnachfolger der APIA innerhalb von 15 Arbeitstagen ab dem Tag, an dem er dazu in der Lage ist, unter Vorlage von Nachweisen für den Eintritt der in Art. 30 Abs. 1 genannten Umstände schriftlich mitzuteilen.

(2)      Überschreitet der Begünstigte oder sein Rechtsnachfolger die in Abs. 1 vorgesehene Frist, wird die Mitteilung nicht berücksichtigt.“

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

17.      Mit einem am 18. Januar 2013 an die APIA gerichteten Förderantrag ging das Unternehmen Avicola Crevedia SA, das einen Geflügelschlachthof betrieb, eine freiwillige fünfjährige Tierschutzverpflichtung gemäß Art. 40 der Verordnung Nr. 1698/2005 ein.

18.      Während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums wurde der Betrieb vollständig übertragen, und zwar zum ersten Mal an die Gesellschaft SC Abator Avicola Crevedia SRL, die diese Verpflichtung am 15. November 2013 übernahm, und zum zweiten Mal an Groenland Poultry, die die genannte Verpflichtung ebenfalls übernahm und sie am 2. April 2015 bei der APIA eintragen ließ.

19.      Zu diesem Zweck hatte Groenland Poultry am 30. März 2015 zwei Verträge geschlossen:

–        einen Vertrag über die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs und die Übernahme von Verpflichtungen mit der Gesellschaft Abator Avicola Crevedia, die darauf verzichtete, die Zahlung der von ihr am 13. November 2014 bei der APIA beantragten Beihilfe zu erhalten, während sich Groenland Poultry, der das Recht, die Zahlung dieser Beihilfe zu beantragen, übertragen worden war, verpflichtete, die von der Übertragenden mit dem Förderantrag unterzeichneten Verpflichtungen einzuhalten und die Erfüllung der Fördervoraussetzungen nachzuweisen, und

–        einen Pachtvertrag über die Räumlichkeiten und Produktionsanlagen dieses Betriebs mit der Gesellschaft Agroli Group SRL (im Folgenden: Agroli Group), die Eigentümerin dieser Vermögenswerte war, diese aber weder in Besitz hatte noch betrieb, und über deren Vermögen am 6. März 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war; dieser Vertrag stand zugunsten der Verpächterin unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung des Pachtvertrags durch den Gläubigerausschuss im Rahmen dieses Verfahrens.

20.      Mit Zahlungsbescheid vom 4. Dezember 2015 zahlte die APIA an Groenland Poultry aufgrund des Antrags der Abator Avicola Crevedia vom 13. November 2014 einen Betrag in Höhe von 1 506 915,86 rumänischen Lei (RON) (337 100 Euro)(10). Auf den von Groenland Poultry am 13. November 2015 eingereichten und am 15. Juni 2016 geänderten Zahlungsantrag hin zahlte die APIA dieser ferner mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 einen Betrag von 850 673,62 RON (190 635 Euro)(11) und darüber hinaus mit Vorauszahlungsbescheid vom 29. März 2017 einen Betrag von 375 941,35 RON (82 520 Euro)(12).

21.      Da Groenland Poultry keinen Zahlungsantrag für das fünfte Verpflichtungsjahr (d. h. das Jahr 2017) gestellt hatte, sandte ihr die APIA eine Mitteilung über die Nichteinreichung eines Antrags zu. Am 18. April 2017 teilte Fractal Insolvenţă als Insolvenzverwalterin von Groenland Poultry mit, dass über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.

22.      Am 21. April 2017 erließ die APIA auf der Grundlage von Art. 8 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014(13) vier Bescheide über die Feststellung von Unregelmäßigkeiten und über die Festsetzung von Haushaltsforderungen (Nrn. 3067 bis 3070), mit denen sie anordnete, von Groenland Poultry die Beträge in Höhe von 6 940 168,72 RON (1 527 531 Euro), 4 562 717,78 RON (1 004 254 Euro), 1 506 915,86 RON (331 672 Euro) bzw. 850 673,62 RON (187 233 Euro)(14) für das erste bis vierte Jahr der Verpflichtung mit der Begründung zurückzufordern, dass sich dieses Unternehmen in einem Insolvenzverfahren befinde, nicht mehr tätig sei und die Fortführung der Fünfjahresverpflichtung nicht nachweisen könne(15). Der Gesamtbetrag, der Groenland Poultry auferlegt wurde, belief sich auf 14 236 417,32 RON (3 133 435 Euro), eine Summe, die den Betrag von 11 502 886,50 RON (2 531 785 Euro) einschloss, der nicht an Groenland Poultry, sondern an die früheren Betreiber gezahlt wurde, so dass Groenland Poultry von dem ihr auferlegten Betrag tatsächlich nur 2 733 530,83 RON (601 650 Euro) erhalten hat (d. h. die Summe der in Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge genannten Beträge)(16).

23.      Nachdem die APIA die Beschwerden von Groenland Poultry gegen diese Bescheide mit Entscheidungen Nrn. 214 bis 217 vom 19. Juni 2017 zurückgewiesen hatte, erhob dieses Unternehmen beim Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidungen und machte u. a. geltend:

–        Sie sei zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge nicht verpflichtet, weil sie aufgrund einer „Enteignung“ im Sinne von Art. 47 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1974/2006 oder eines vergleichbaren Umstands – nämlich der Mitteilung der Verpächterin vom 26. Juli 2016 über den Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung des Pachtvertrags, verbunden mit der Aufforderung, das Pachtobjekt binnen 15 Tagen zu räumen(17) –, der sich aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Agroli-Gruppe am 9. Mai 2016 ergeben habe, eines Umstands, den sie der APIA mitgeteilt und damit ihre Mitteilungspflicht nach Art. 47 Abs. 2 dieser Verordnung erfüllt habe, nicht in der Lage gewesen sei, die Verpflichtung im Jahr 2017 fortzuführen.

–        Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung, der vorsehe, dass die Mitgliedstaaten auf die Erstattung verzichten könnten, wenn ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt habe, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgebe und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweise, sei anwendbar, weil der Gläubigerausschuss von Agroli Group zwar dem Abschluss eines neuen Pachtvertrags mit der Vitali SRL (im Folgenden: Vitali) zugestimmt hatte, diese Gesellschaft – mit der Groenland Poultry eine Vereinbarung über die Übernahme ihrer Tätigkeiten durch Vitali habe schließen wollen – jedoch nicht in der Lage gewesen sei, von der Direktion für Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit in Dâmbovița (Rumänien) die erforderlichen tiergesundheitlichen Genehmigungen zu erhalten.

–        Die Art und Weise, wie die Verwaltungsbehörden Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 angewandt hätten, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil Groenland Poultry die Verpflichtung auferlegt worden sei, für das erste bis vierte Jahr der Verpflichtung einen Betrag von 14 236 417,32 RON (3 133 435 Euro) zurückzuzahlen, obwohl sie die fünfjährige Verpflichtung vier Jahre lang erfüllt habe und weil der ihr auferlegte Betrag auch den Betrag von 11 155 878,064 RON (2 455 409 Euro) für das erste und das zweite Jahr der Verpflichtung umfasse, der nicht an Groenland Poultry, sondern an die früheren Betreiber gezahlt worden sei, so dass sie von dem ihr auferlegten Betrag tatsächlich nur 2 357 589 RON (518 905 Euro)(18) für das dritte und das vierte Jahr der Verpflichtung erhalten habe, und dies, obwohl ihr die Nichterfüllung der Verpflichtung nicht zur Last gelegt werden könne, weil die Nichtverlängerung des Pachtvertrags mit der Verpächterin Agroli Group nicht von ihrem Willen abhängig gewesen sei und weil ihr darüber hinaus auch nicht anzulasten sei, dass der Vertrag mit Vitali über die Übertragung des Betriebs nicht zustande gekommen sei, da Vitali die erforderlichen tiergesundheitlichen Genehmigungen für die Räumlichkeiten, in denen die Tätigkeit ausgeübt worden sei, nicht erhalten habe.

24.      Mit Urteil vom 26. Oktober 2018 wies das Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest) diese Klage insbesondere mit folgender Begründung als unbegründet ab:

–        Die Verpflichtungen seien nicht während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren eingehalten worden und im Hinblick auf Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 und Art. 8 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 sei Groenland Poultry mit der Übernahme des Betriebs in die Rechte und Pflichten des Übertragenden eingetreten und habe damit implizit die Folgen der Nichterfüllung der Förderbedingungen übernommen.

–        Art. 47 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1974/2006 sei nicht anwendbar, weil die von Groenland Poultry angeführten Umstände keine Enteignung darstellten – unter der das nationale Recht eine im Allgemeininteresse liegende Übernahme von Vermögenswerten durch den Staat verstehe –, weil diese Umstände einer solchen Enteignung nicht gleichzusetzen seien und zum Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung, d. h. des Abschlusses des Pachtvertrags mit Agroli Group, nicht unvorhersehbar gewesen seien; da Groenland Poultry zu diesem Zeitpunkt gewusst habe, dass am 6. März 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Agroli eröffnet worden sei und dass der Vertrag unter der vereinbarten aufschiebenden Bedingung seiner Genehmigung durch den Gläubigerausschuss sowie der Genehmigung des Plans zur Umstrukturierung des Verpächters gestanden habe, der die Verpachtung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens vorgesehen habe, sei sie insoweit ein Risiko eingegangen. Außerdem seien die Umstände in Bezug auf Vitali nach Auffassung dieses Gerichts erst nach dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Gesellschaft die Verpflichtung eingegangen sei, und hätten daher nicht berücksichtigt werden können. Schließlich seien diese Umstände nicht innerhalb der in diesem Art. 47 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1974/2006 festgelegten Frist mitgeteilt worden, d. h. innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem Groenland Poultry hierzu in der Lage gewesen sei, nämlich dem 26. Juli 2016, als sie über die Beendigung des Pachtvertrags informiert worden sei.

–        Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 seien beachtet worden, weil Art. 8 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 vorsehe, dass die Folgen der Nichteinhaltung der Verpflichtung durch den Übernehmer diesen für die gesamte Dauer der Verpflichtung träfen, auch für den Zeitraum, in dem sich der Betrieb noch in den Händen des Übertragenden befunden habe, so dass die Rückforderung bei Groenland Poultry – einschließlich der Beträge für den Zeitraum vor dem Zeitpunkt, zu dem sie die Verpflichtung eingegangen sei – nicht ausgeschlossen werden könne. Darüber hinaus stellte dieses Gericht fest, dass die Voraussetzung der Unmöglichkeit einer Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger nicht nachgewiesen sei und dass die APIA im Rahmen des Ermessensspielraums gehandelt habe, den Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 den Mitgliedstaaten eingeräumt habe.

25.      Das vorlegende Gericht, die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), die mit dem von Groenland Poultry gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsmittel befasst ist und in letzter Instanz entscheidet, sieht sich mit drei Auslegungsproblemen konfrontiert.

26.      Erstens stelle sich die Frage, ob der Begriff „höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände“ in Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 auch den Fall umfasse, dass der Begünstigte der Beihilfe sein Nutzungsrecht am Pachtobjekt infolge der Beendigung des Pachtvertrags aufgrund der Insolvenz des Eigentümers der verpachteten Vermögenswerte verliere, wobei darauf hinzuweisen sei, dass die APIA dies im vorliegenden Fall nicht als ein Hindernis für die Übertragung des Betriebs und die Zahlung der Beihilfe an Groenland Poultry angesehen habe. Insoweit sieht das vorlegende Gericht die Auslegungsschwierigkeit darin, dass die wörtliche Auslegung dieser Bestimmung zwar ergebe, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Aufzählung der Fälle von „höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen“ nicht abschließend sei, dass dieser Begriff aber zum einen in dieser Verordnung nicht definiert sei und zum anderen mangels einer Verweisung auf das nationale Recht auch nicht anhand dieses Rechts definiert werden könne, ohne die Einheit des Unionsrechts zu beeinträchtigen.

27.      Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht darüber hinaus, wie Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem besonderen Kontext wie dem der vorliegenden Rechtssache auszulegen sei, in dem die APIA Groenland Poultry die Verpflichtung auferlegt habe, den Gesamtbetrag von 14 236 417,32 RON (3 133 435 Euro) zurückzuzahlen, obwohl diese zum einen tatsächlich nur den Betrag von 2 733 530,83 RON(19) (601 650 Euro) erhalten habe und die Differenz den früheren Begünstigten für die ersten beiden Jahre der Verpflichtung ausgezahlt worden sei, und obwohl zum anderen diese fünfjährige Verpflichtung vier Jahre lang erfüllt worden sei und Groenland Poultry ihre Tätigkeit im letzten Jahr aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen aufgegeben habe.

28.      Drittens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung aufgestellte Voraussetzung, dass „sich die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als undurchführbar erweist“, offenbar die Vorlage entsprechender Nachweise durch die Begünstigten erfordere, die behaupteten, sich in einer solchen Lage zu befinden, und nicht den – gegebenenfalls unmöglich zu erbringenden – abstrakten Nachweis, dass es keinen Nachfolger gebe, der an der Übernahme der Verpflichtung interessiert sei. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass Groenland Poultry Beweise dafür vorgelegt habe, dass Vitali an der Übernahme ihrer Verpflichtung interessiert gewesen sei, aber trotz der Zustimmung des Gläubigerausschusses der Agroli Group zur Anpachtung der Räumlichkeiten nicht die hierfür erforderlichen tiergesundheitlichen Genehmigungen erhalten habe.

29.      Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen, dass unter „Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände“ auch Fälle zu verstehen sind, in denen der Begünstigte der Beihilfe infolge der Beendigung des Pachtverhältnisses, die auf der Insolvenz des Eigentümers der gepachteten Wirtschaftsgüter (des Verpächters) beruht, das Recht auf Nutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter verliert?

2.      Ist Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Unterstützung eingegangenen Verpflichtung ganz oder teilweise auf eine andere Person übertragen wird und dieser zweite Begünstigte zwar einen wesentlichen Teil der Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit aber einstellt und die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger sich als nicht durchführbar erweist, der zweite Begünstigte der Beihilfe die Beihilfe, die er (für den Zeitraum, in dem er der Begünstigte der Beihilfe war) erhalten hat, zurückzahlen muss, oder muss er auch die Beihilfe zurückzahlen, die der erste Begünstigte der Beihilfe erhalten hat?

3.      Welche Voraussetzungen muss das vorlegende Gericht bei der Auslegung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 berücksichtigen, um feststellen zu können, dass „sich die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“?

30.      Groenland Poultry, die APIA, die rumänische und die griechische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

31.      Zunächst ist klarzustellen, dass die Verordnung Nr. 1698/2005 die Grundverordnung war, die die allgemeinen Regeln für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch die Union im Rahmen des ELER für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 festlegte, in den der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens fällt(20). Diese Verordnung wurde durch Durchführungsbestimmungen in der Verordnung Nr. 1974/2006 ergänzt, deren Art. 44 Abs. 2 Gegenstand der zweiten und der dritten Vorlagefrage sowie der Analyse im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge ist.

32.      Unter den Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Umwelt und der Landschaft(21) sah die Verordnung Nr. 1698/2005 nach ihrem Art. 36 Buchst. a Ziff. v auch Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, u. a. durch Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen, vor. Nach Art. 40 der Verordnung Nr. 1698/2005 wurden diese Zahlungen Landwirten gewährt, die freiwillig Tierschutzverpflichtungen eingingen (Abs. 1). Diese Verpflichtungen waren in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen (Abs. 2); die Zahlungen wurden jährlich gewährt und dienten zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen sowie gegebenenfalls der Transaktionskosten (Abs. 3).

33.      Im vorliegenden Fall ist Groenland Poultry die dritte Begünstigte einer Beihilfemaßnahme, die im Jahr 2013 mit einer fünfjährigen Verpflichtung auf der Grundlage von Art. 40 der Verordnung Nr. 1698/2005 gewährt wurde und zu jährlichen Zahlungen geführt hat. Sie übernahm den Betrieb und diese Verpflichtung im Jahr 2015 als Pächterin der Räumlichkeiten, musste ihre Tätigkeit jedoch im Jahr 2016 aufgeben, weil sie diese Räumlichkeiten aufgrund der Beendigung des Pachtvertrags durch die Verpächterin nicht mehr nutzen konnte. In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht – bei dem ein Rechtsmittel gegen das Urteil anhängig ist, mit dem die Entscheidungen der APIA bestätigt wurden, durch die Groenland Poultry zur vollständigen Rückzahlung der in diesem Zusammenhang gezahlten Beihilfen in Höhe von etwa 3 133 400 Euro verpflichtet wurde – insbesondere, ob diese Entscheidungen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind, und weist darauf hin, dass Groenland Poultry selbst nur einen Betrag von etwa 585 000 Euro erhalten habe und dass die genannte Verpflichtung während vier der fünf Jahre, für die sie vorgesehen war, erfüllt worden sei.

B.      Zweite Vorlagefrage

34.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der letzte Begünstigte einer im Rahmen der Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen für den Tierschutz gewährten Beihilfe, der gezwungen ist, seine landwirtschaftliche Tätigkeit vor Ablauf des Zeitraums der mehrjährigen Verpflichtung endgültig aufzugeben, verpflichtet ist, diese Beihilfe ganz – einschließlich der an seine Vorgänger gezahlten Beihilfe – oder teilweise – in Höhe der Beihilfe, die er tatsächlich erhalten hat – zurückzuzahlen, obwohl er bereits einen erheblichen Teil dieser Verpflichtung erfüllt hat und sich die Übernahme der Verpflichtung als nicht durchführbar erweist.

1.      Zur Zulässigkeit

35.      Die APIA und die rumänische Regierung sind der Auffassung, dass die zweite Frage, ebenso wie die dritte Frage, für unzulässig zu erklären sei, weil sie auf die Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1974/2006 abziele, obwohl dessen Auslegung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht sachdienlich sei. Im Einzelnen machen diese Beteiligten geltend, dass die Anwendung dieser Bestimmung keinen Einfluss auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits haben könne, weil diese Bestimmung vorsehe, dass die Mitgliedstaaten auf die Erstattung gemäß Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung verzichten „können (22), und der rumänische Gesetzgeber sich dafür entschieden habe, diese Möglichkeit nicht in das nationale Recht aufzunehmen, so dass der Begünstigte der Beihilfe nach Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichtet sei.

36.      Hierzu weise ich darauf hin, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof zum einen ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Richters ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Solange diese Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, über sie zu befinden. Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann zudem nur dann abgelehnt werden, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die der Gerichtshof ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(23). Zum anderen ist es im Rahmen dieser Zusammenarbeit Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat(24).

37.      Im vorliegenden Fall bezieht sich die zweite Vorlagefrage in der gewählten Formulierung zwar ausdrücklich nur auf Art. 44 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1974/2006, eine für die Mitgliedstaaten fakultative Bestimmung, die nicht in das rumänische Recht übernommen wurde, doch stelle ich fest, dass erstens das vorlegende Gericht in seiner Frage auch auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bezug genommen hat, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist(25), dass zweitens aus der Begründung seines Vorabentscheidungsersuchens implizit hervorgeht, dass dieses Gericht auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen dieser Bestimmung und Abs. 1 desselben Artikels stellt, und dass drittens das Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest) die Anwendung von Art. 44 Abs. 2 nicht wegen des Fehlens einer „Maßnahme zur Umsetzung“ ausgeschlossen hat, sondern aus dem Grund, dass die materiellen Voraussetzungen nicht erfüllt waren(26).

38.      Nach alledem und im Licht der in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung schlage ich vor, die zweite Vorlagefrage für zulässig zu erklären, sie aber so umzuformulieren, dass sie im Wesentlichen auf die Auslegung von Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a dieses Artikels abzielt.

2.      Zur Sache

39.      Das vorlegende Gericht hält es in Anbetracht zweier Umstände für erforderlich, diese Bestimmungen im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen:

–        Zum einen, weil die APIA Groenland Poultry die Verpflichtung auferlegt habe, den Gesamtbetrag der erhaltenen Beihilfe zurückzuzahlen, einschließlich der Beihilfen für das erste und das zweite Jahr der Verpflichtung, die nicht an Groenland Poultry, sondern an die früheren Betreiber (d. h. Avicola Crevedia und Abator Avicola Crevedia) gezahlt worden seien, während Groenland Poultry tatsächlich nur für das dritte und das vierte Jahr der Verpflichtung Beträge erhalten habe, die weniger als 20 % des Gesamtbetrags der zurückzuzahlenden Beihilfe entsprächen(27), und

–        zum anderen, weil die Verpflichtung in vier von fünf Verpflichtungsjahren erfüllt worden sei, und weil die Aufgabe der Tätigkeit, d. h. die Nichtfortführung der Tätigkeit im fünften Verpflichtungsjahr, – wahrscheinlich – auf eine Ursache zurückzuführen sei, die sich dem Einfluss von Groenland Poultry entzogen habe, nämlich auf die Beendigung des Pachtvertrags über die Räumlichkeiten, die ihr nicht zuzurechnen sei.

40.      Daher stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen von Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass die APIA, wie Groenland Poultry geltend macht, nur die teilweise Rückzahlung der aufgrund der Verpflichtung erhaltenen Beträge hätte verlangen dürfen, und zwar insbesondere nur der Beträge, die diese Gesellschaft selbst erhalten hat.

41.      Hierzu ist erstens, was den Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 anbelangt, darauf hinzuweisen, dass es in dieser Vorschrift heißt: „Überträgt ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seinen Betrieb … auf einen anderen, so kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen. Erfolgt eine solche Übernahme nicht, so ist der Begünstigte verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten“(28).

42.      Diese Bestimmung legt somit als allgemeine Regel fest, dass die Person, die den Betrieb des Begünstigten einer Beihilfe übernimmt und beschließt, auch die von diesem eingegangene Verpflichtung zu übernehmen, für den verbleibenden Zeitraum in Bezug auf alle Verpflichtungen und Verbindlichkeiten an dessen Stelle tritt. Entgegen dem Vorbringen von Groenland Poultry regelt diese Bestimmung daher meines Erachtens klar und eindeutig die Rechtsfolgen der Rückzahlungsverpflichtung, die sich aus einer Übertragung des Betriebs ergeben, indem sie den Grundsatz aufstellt, dass ein solcher Übertragungsempfänger, der freiwillig auch die mehrjährige Verpflichtung übernimmt, in seiner Eigenschaft als „Begünstigter“(29) verpflichtet ist, die erhaltene Beihilfe zurückzuzahlen, wenn der Betrieb während des Verpflichtungszeitraums erneut an eine andere Person übertragen wird, es sei denn, diese Person übernimmt ihrerseits die Verpflichtung für den verbleibenden Zeitraum.

43.      Wie die Kommission ausführt, hat der Übertragende nach der Logik des Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 im Fall der Übertragung des Betriebs die Wahl, auch seine mehrjährigen Verpflichtungen zu übertragen. Entscheidet er sich dafür, dies nicht zu tun, oder erweist es sich (im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung(30)) als „nicht durchführbar“, einen Übernehmer zu finden, ist er somit verpflichtet, die gewährte Beihilfe in voller Höhe zurückzuzahlen und sich damit von seinen Verpflichtungen zu befreien. Ebenso wird der Übertragende von seinen Verpflichtungen entbunden, wenn der Übernehmer seinerseits die mehrjährigen Verpflichtungen übernimmt; in diesem Fall wird der Übernehmer bis zum Ende dieser Verpflichtungen Begünstigter der Beihilfe mit allen sich daraus ergebenden Vorteilen und Pflichten(31).

44.      Zweitens ist, was den Kontext anbelangt, in den sich Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 einfügt, festzustellen, dass diese Vorschrift zwar den Grundsatz aufstellt, dass im Rahmen der Übertragung eines Betriebs die Person, die die Verpflichtung übernimmt, als Begünstigte gilt und die empfangene Beihilfe zurückzahlen muss, dass die Abs. 2 und 3 dieses Artikels aber Ausnahmen von diesem Grundsatz vorsehen, indem sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen, auf die Erstattung zu verzichten. Genauer gesagt sieht der hier einschlägige Abs. 2 Buchst. a eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht vor, falls „ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“. Da es sich um eine Ausnahme von der in Abs. 1 festgelegten allgemeinen Rückzahlungspflicht des Begünstigten der Beihilfe handelt, sind die in den Abs. 2 und 3 genannten Fälle eng auszulegen(32).

45.      Im vorliegenden Fall steht jedoch fest, dass diese in Art. 44 Abs. 2 der genannten Verordnung vorgesehene Möglichkeit nicht in das rumänische Recht übernommen wurde, so dass der Begünstigte in allen Fällen, in denen die Verpflichtung bei der Übertragung des Betriebs während der mehrjährigen Verpflichtung nicht übernommen wurde, nach Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung verpflichtet bleibt, die gesamte erhaltene Beihilfe zurückzuzahlen, und dass die rumänischen Behörden dementsprechend nach dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit verpflichtet sind, die betreffende Beihilfe zurückzufordern, weil es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, von der Rückforderung abzusehen. In Anbetracht des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, wie er im Vorabentscheidungsersuchen dargestellt wird, bin ich daher der Ansicht, dass sich Groenland Poultry nicht auf diese Ausnahme berufen kann, um der Rückzahlung sämtlicher erhaltenen Beihilfen, einschließlich der an die früheren Begünstigten ausgezahlten, zu entgehen.

46.      Drittens ist es, was Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 anbelangt, wichtig, darauf hinzuweisen, dass die oben dargelegte wörtliche Auslegung dieser Vorschrift es auch ermöglicht, das ursprüngliche Ziel zu erreichen, zu dem die Beihilfe gewährt wurde, nämlich die Förderung des Tierschutzes. Zunächst ist es, wie die Kommission vorträgt, für dieses Ziel von wesentlicher Bedeutung, dass die mehrjährige Verpflichtung in ihrer Gesamtheit aufrecht erhalten wird, weil nur ein längerer Zeitraum die Erreichung des mit dieser Beihilfe verfolgten Ziels gewährleistet(33). Somit ist es wichtig, dass bei der Übertragung der Verpflichtung auf einen anderen Begünstigten sämtliche Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten auf den Begünstigten übergehen, der die Verpflichtung übernommen hat. Die Verpflichtung muss über den gesamten Zeitraum eingehalten werden, weil sie andernfalls von ihrem Ziel abweicht und ihre positive Wirkung auf die Tiere verliert.

47.      Sodann ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung mit der Tierhaltung und dem Tierschutz verbunden ist. Der Übernehmer, der die Verpflichtung und die damit zusammenhängenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten übernimmt, übernimmt aber auch die gesamte Verpflichtung der Vorjahre. Da der Übertragende die Beihilfen, die er für den Tierschutz und zu Gunsten der Tiere erhalten hat, bereits in seinen Betrieb, der an den Übernehmer übertragen wird, investiert und damit den Zustand dieses Betriebs verbessert hat, kommt der Übernehmer als Begünstigter mittelbar in den Genuss der früheren Investitionen und erhält die noch ausstehende Zahlung. Ist dieser zweite Begünstigte jedoch nicht in der Lage, die Verpflichtung bis zu ihrem Ablauf zu erfüllen, muss er auch alle Nachteile tragen, die eine solche Verpflichtung mit sich bringt, indem er die erhaltenen Tierschutzbeihilfen zurückzuzahlen hat, einschließlich des Teils, den der erste Begünstigte erhalten hat. Diese Pflicht, in dem Fall, dass die Verpflichtung endet, alle erhaltenen Beihilfen zurückzuzahlen, ist daher ein Anreiz für den Begünstigten, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um dieser Verpflichtung nachzukommen.

48.      Schließlich ist es unter dem Gesichtspunkt des wirksamen Schutzes der finanziellen Interessen der Union, den die Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben(34), wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass die Mittel der Union wirksam eingezogen werden können, wenn ihre Auszahlung unter Verstoß gegen das Unionsrecht erfolgt ist. In einem Fall wie dem vorliegenden ließe sich die Regelung des Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 nämlich leicht umgehen, wenn der erste Begünstigte einer Beihilfe seine Verpflichtung auf einen anderen Begünstigten übertragen und dieser die Erfüllung der mehrjährigen Verpflichtung vor deren Ablauf unverzüglich einstellen könnte, ohne dass dies für einen von ihnen finanzielle Folgen hätte. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Pflicht zur Rückforderung der gesamten im Rahmen der Verpflichtung erhaltenen Beihilfe auch im Hinblick auf die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013(35) geboten, deren Art. 58 Abs. 1 Buchst. e die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, insbesondere um zu Unrecht gezahlte Beträge wiedereinzuziehen.

49.      Dieses Ergebnis kann nicht durch etwaige Argumente in Frage gestellt werden, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird.

50.      Was zum einen den Grundsatz der Rechtssicherheit anbelangt, stehen die Bestimmungen von Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 meines Erachtens voll und ganz im Einklang mit diesem Grundsatz, weil aus ihnen eindeutig hervorgeht, dass derjenige, der zum Zeitpunkt der Beendigung der Verpflichtung der „Begünstigte der Beihilfe“ im Sinne dieser Verordnung ist, die gesamte Beihilfe zurückzahlen muss, unabhängig davon, ob er der Übertragende oder der Übernehmer der Verpflichtung ist. Der Übernehmer ist sich mit anderen Worten bei der Übernahme der Verpflichtung bewusst, dass er, sobald er die Eigenschaft eines „Begünstigten“ erlangt, den gesamten erhaltenen Betrag zurückzahlen muss, wenn die Verpflichtung nicht mehr erfüllt wird. In einer solchen Situation kann der neue Begünstigte, der sich des Risikos und der finanziellen Herausforderungen, die mit der Übernahme der Verpflichtung verbunden sind, voll und ganz bewusst ist, und der diese Verpflichtung bei den Verhandlungen bezüglich des Übertragungsvertrags „monetarisiert“ hat, entweder die Verpflichtung ablehnen oder alles in seiner Macht Stehende tun, um ihr nachzukommen, oder versuchen, den Betrieb und die Verpflichtung auf einen neuen Übernehmer zu übertragen, wenn er der Auffassung ist, dass er nicht in der Lage sein wird, die Fortführung dieser Verpflichtung sicherzustellen.

51.      Was zum anderen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, halte ich die Pflicht des zweiten Begünstigten zur Rückzahlung sämtlicher erhaltenen Tierschutzbeihilfen für verhältnismäßig, weil aus den oben dargelegten Gründen Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 und die diesem Artikel zugrunde liegende Logik hinreichend klar und unbedingt sind, so dass der Übernehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennen kann, dass er, sollte er die mehrjährige Verpflichtung nach der Übernahme des Betriebs nicht einhalten, zur Rückzahlung der gesamten Beihilfe verpflichtet sein kann, einschließlich derjenigen, die der Übertragende zuvor erhalten hat. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung ergibt sich daraus, dass der Übernehmer des Betriebes nach diesem Art. 44 Abs. 1 die freie Wahl hat, die mehrjährigen Verpflichtungen nicht zu übernehmen (was sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt: „… kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen“ [Hervorhebung nur hier]). Im Übrigen hindert der genannte Art. 44 die Parteien jedenfalls nicht daran, im Übertragungsvertrag ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten für den Fall, dass der letzte Begünstigte auf die Verpflichtung im Bereich des Tierschutzes verzichtet, dergestalt zu vereinbaren, dass der Übernehmer auf der Grundlage des nationalen Rechts vor den nationalen Gerichten Klage gegen den Übertragenden erheben kann. Um die praktische Wirksamkeit von Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 zu gewährleisten, können solche Vertragsklauseln jedoch nur im Wege des Rechtsübergangs Wirkung entfalten, nachdem die Rückzahlung der gesamten erhaltenen Beihilfe erfolgt ist. Schließlich bin ich der Ansicht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Frage gestellt werden kann, weil sich die Rückzahlungspflicht aus den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts ergibt, ohne dass den Mitgliedstaaten außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Art. 44 Abs. 2 und 3 ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.

52.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer Verpflichtung, die eingegangen wurde, um die Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe zu erfüllen, ganz oder teilweise auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser zweite Begünstigte grundsätzlich verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der von den früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhaltenen Beträge unabhängig davon zurückzuzahlen, ob er bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat hat beschlossen, aufgrund der u. a. in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen auf die Erstattung zu verzichten.

C.      Dritte Vorlagefrage

53.      Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche relevanten Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sind, ob sich im Sinne der dritten Voraussetzung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 „die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“.

1.      Zur Zulässigkeit

54.      Aus den bereits in den Nrn. 35 bis 38 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen schlage ich vor, die dritte Vorlagefrage für zulässig zu erklären.

2.      Zur Sache

55.      Wie in den Nrn. 41 bis 43 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, stellt Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 in seinem Abs. 1 für den Fall, dass der Begünstigte seine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgibt, die allgemeine Regel auf, dass, wenn „eine solche Übernahme nicht [erfolgt], … der Begünstigte verpflichtet [ist], den empfangenen Betrag zurückzuerstatten“, und sieht in seinem Abs. 2 Buchst. a eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel vor, die für besondere Situationen gilt, in denen ein Landwirt aus anderen Gründen als denen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 47 dieser Verordnung (die im Rahmen der ersten Vorlagefrage zu prüfen sein werden) „seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt“.

56.      Diese Ausnahme ist anwendbar, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind, nämlich erstens, dass der übertragende Begünstigte einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, und zweitens, dass sich die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist. Nach der Auslegung dieser zweiten Voraussetzung in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof.

57.      Genauer gesagt stellt das vorlegende Gericht fest, dass diese Bestimmung von den Begünstigten, die sich in einer solchen Situation zu befinden behaupten, offenbar die Vorlage entsprechender Nachweise verlange, nicht aber den – gegebenenfalls unmöglich zu erbringenden – abstrakten Nachweis, dass es keinen Nachfolger gebe, der an der Übernahme der Verpflichtung interessiert sei. Hierzu führt dieses Gericht aus, dass Groenland Poultry Beweise dafür vorgelegt habe, dass Vitali an der Übernahme ihrer Verpflichtung interessiert gewesen sei, aber trotz der Zustimmung des Gläubigerausschusses der Agroli Group zur Anpachtung der Räumlichkeiten nicht die für die Übernahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen tiergesundheitlichen Genehmigungen erhalten habe.

58.      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Wortlaut von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 auf die „Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger“, d. h. durch „jeglichen Nachfolger“, bezieht und nicht auf einen einzigen bestimmten Nachfolger abstellt (Hervorhebung nur hier). Hätte der Unionsgesetzgeber darauf abstellen wollen, dass es dem Betriebsnachfolger unmöglich ist, die Verpflichtung zu übernehmen, hätte er schlicht formuliert, „dass sich die Übernahme der Verpflichtung für den Nachfolger als nicht durchführbar erweist“. Um sich auf diese Ausnahme berufen zu können, reicht es daher meines Erachtens nicht aus, dass sich die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger aufgrund einer Schwierigkeit als unmöglich erweisen könnte, die speziell für diesen bestimmten Nachfolger besteht; der Begünstigte muss durch objektive Umstände daran gehindert worden sein, die Verpflichtung zu „retten“, d. h. die Übertragung der Verpflichtung muss objektiv unmöglich gewesen sein.

59.      Diese Auslegung wird meines Erachtens auch durch die Kontextanalyse in Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge bestätigt, wonach die in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 aufgestellte Regel eine Ausnahme von der Regel in Abs. 1 dieses Art. 44 darstellt und daher eng auszulegen ist.

60.      Schließlich weise ich darauf hin, dass es im vorliegenden Fall zwar Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu beurteilen, ob objektive Umstände die Übertragung der Verpflichtung von Groenland Poultry an Vitali verhindert haben können, dass die Übernahme der Verpflichtung aber auf der Grundlage der Angaben des vorlegenden Gerichts „durchführbar“ erscheint, weil der Nachfolger die Verpflichtung übernehmen wollte und diese Übernahme nur an der Unmöglichkeit scheiterte, die behördliche Genehmigung zu erhalten, d. h. an einem besonderen Umstand, der nur diesen speziellen Nachfolger betraf.

61.      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlage ich vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006, soweit es darin heißt, dass sich „die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“, dahin auszulegen ist, dass er sich auf eine Situation bezieht, in der sich die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger aufgrund objektiver Umstände, die der Fortführung der Verpflichtung entgegenstehen und nicht mit den besonderen oder spezifischen Umständen zusammenhängen, die nur diesem potenziellen Nachfolger eigen sind, als nicht durchführbar erweist.

V.      Ergebnis

62.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 679/2011 der Kommission vom 14. Juli 2011

ist dahin auszulegen, dass

in einem Fall, in dem der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer Verpflichtung, die eingegangen wurde, um die Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe zu erfüllen, ganz oder teilweise auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser zweite Begünstigte grundsätzlich verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der von den früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhaltenen Beträge unabhängig davon zurückzuzahlen, ob er bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat hat beschlossen, aufgrund der u. a. in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen auf die Erstattung zu verzichten.

2.      Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 in der durch die Durchführungsverordnung Nr. 679/2011 geänderten Fassung ist, soweit es darin heißt, dass sich „die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“,

dahin auszulegen, dass

er sich auf eine Situation bezieht, in der sich die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger aufgrund objektiver Umstände, die der Fortführung der Verpflichtung entgegenstehen und nicht mit den besonderen oder spezifischen Umständen zusammenhängen, die nur diesem potenziellen Nachfolger eigen sind, als nicht durchführbar erweist.





































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