C-155/19 – FIGC und Consorzio Ge.Se.Av.

C-155/19 – FIGC und Consorzio Ge.Se.Av.

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2020:775

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 1. Oktober 2020(1)

Verbundene Rechtssachen C155/19 und C156/19

Federazione Italiana Giuoco Calcio (FIGC),

Consorzio Ge.Se.Av. S. c. arl

gegen

De Vellis Servizi Globali Srl,

Beteiligte:

Consorzio Ge.Se.Av. S. c. arl,

Comitato Olimpico Nazionale Italiano (CONI),

Federazione Italiana Giuoco Calcio (FIGC)

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Liefer‑, Bau- und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Öffentlicher Auftraggeber – Einrichtung des öffentlichen Rechts – Begriff – Nationaler Fußballverband – Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben – Aufsicht über die Leitung des Verbands durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts“

1.        Im Urteil vom 11. September 2019(2) prüfte der Gerichtshof, ob zwei italienische Sportverbände(3) als vom italienischen Nationalen Olympischen Komitee kontrolliert anzusehen und nach den Regeln des ESVG(4) „in den Sektor Staat oder in den Sektor private Organisationen ohne Erwerbszweck einzubeziehen sind“.

2.        Der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) hat nun zwei Vorabentscheidungsersuchen mit identischem Inhalt an den Gerichtshof gerichtet, die das gleiche Problem betreffen, diesmal jedoch nicht in Bezug auf die Rechnungsführung, sondern in Bezug auf öffentliche Ausschreibungen. In den Ausgangsverfahren ist zu klären, ob die Federazione Italiana Giuoco Calcio (italienischer Fußballverband, im Folgenden: FIGC) zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, und, falls dies bejaht wird, ob das Comitato Olimpico Nazionale Italiano (italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: CONI) ihre Verwaltung kontrolliert.

3.        Von der Entscheidung über diese Fragen hängt ab, ob ein von der FIGC geschlossener Vertrag, um den es in den Ausgangsverfahren geht, den Verfahren unterliegt, die in der Richtlinie 2014/24/EU(5) und in den nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie geregelt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die nationalen Sportverbände bei der Vergabe von über einem bestimmten Schwellenwert liegenden Bau‑, Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen als öffentliche Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 2014/24 eingestuft werden können, weil es sich bei ihnen um Einrichtungen des öffentlichen Rechts handelt.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht. Richtlinie 2014/24

4.        Art. 2 bestimmt:

„(1)      Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.      ,öffentliche Auftraggeber‘ den Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen;

4.      ,Einrichtungen des öffentlichen Rechts‘ Einrichtungen mit sämtlichen der folgenden Merkmale:

a)      Sie wurden zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,

b)      sie besitzen Rechtspersönlichkeit und

c)      sie werden überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert oder unterstehen hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen, oder sie haben ein Verwaltungs‑, Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgan, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind“.

B.      Italienisches Recht

1.      Decreto legislativo Nr. 50 vom 18. April 2016 (Gesetzbuch über öffentliche Aufträge)

5.        Art. 3 Abs. 1 Buchst. d enthält im Wesentlichen die Definition der „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24.

2.      Decreto-legge Nr. 220 vom 19. August 2003(6)

6.        Art. 1 sieht vor:

„1.      Die Republik erkennt die Autonomie der nationalen Regeln des Sports als Ausgestaltung der internationalen Regeln des Sports unter dem Internationalen Olympischen Komitee an und fördert sie.

2.      Das Verhältnis zwischen den nationalen Regeln des Sports und der Rechtsordnung der Republik ist auf der Grundlage des Autonomiegrundsatzes geregelt, mit Ausnahme der für Letztere relevanten Fälle subjektiver Rechtsstellungen, die mit den Regeln des Sports zusammenhängen.“

3.      Decreto legislativo Nr. 242 vom 23. Juli 1999 (Gesetzesvertretendes Dekret zur Neugestaltung des Nationalen Olympischen Komitees)(7)

7.        Art. 1 bestimmt:

„[Bei dem CONI handelt] es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts …, die der Aufsicht des Ministeriums für Kulturgüter und kulturelle Tätigkeiten unterliegt.“

8.        Art. 2 sieht vor:

„1.      Das CONI … ist für die Organisation und Förderung des nationalen Sports zuständig und insbesondere für die Vorbereitung der Athleten und die Bereitstellung angemessener Mittel für die Olympischen Spiele und für alle anderen nationalen oder internationalen Sportveranstaltungen zur Vorbereitung der Olympischen Spiele. Außerdem befasst es sich im Rahmen der Regeln des Sports und innerhalb der Grenzen der Bestimmungen des Decreto del Presidente della Repubblica (Dekret des Präsidenten der Republik) Nr. 616 vom 24. Juli 1977 mit der Ergreifung von Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Einnahme von Substanzen, die die natürliche körperliche Leistungsfähigkeit von Sportlern bei sportlichen Aktivitäten manipulieren, sowie mit der Förderung der maximalen Verbreitung sportlicher Betätigung.

…“

9.        Art. 4 Abs. 2 lautet:

„Die Vertreter der nationalen Sportverbände, die zum Bereich der olympischen Sportarten gehören, müssen im CONI die Mehrheit der Stimmberechtigten bilden.“

10.      Art. 5 sieht vor:

„1.      Der Nationale Rat setzt sich im Einklang mit den Entscheidungen und Richtlinien des Internationalen Olympischen Komitees für die Verbreitung des olympischen Gedankens ein und regelt und koordiniert den nationalen Sportbetrieb, wobei er die von den nationalen Sportverbänden und den nationalen Sportdisziplinen unternommenen Aktivitäten in dieser Hinsicht harmonisiert.

2.      Der Nationale Rat

a)      erlässt die Satzung und die sonstigen in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Rechtsvorschriften sowie die Richtlinien für ihre Auslegung und Anwendung,

b)      legt die Grundprinzipien fest, mit denen die Satzungen der nationalen Sportverbände, der angegliederten Sportdisziplinen, der Einrichtungen zur Sportförderung sowie der Sportvereine und ‑gesellschaften im Einklang stehen müssen, um die Anerkennung zu sportlichen Zwecken zu erhalten,

c)      entscheidet über die Anerkennung zu sportlichen Zwecken der nationalen Sportverbände, der Sportgesellschaften und ‑vereine, der Einrichtungen zur Sportförderung, der als gemeinnützig anerkannten Vereine und der an das CONI und die Verbände angegliederten Sportdisziplinen anhand der in der Satzung festgelegten Kriterien …,

e)      definiert die Kriterien und Modalitäten für die Ausübung der Kontrolle über die nationalen Sportverbände, die angegliederten Sportdisziplinen und die anerkannten Einrichtungen zur Sportförderung,

e-ter)      entscheidet auf Vorschlag des Nationalen Ausschusses über die Übernahme der kommissarischen Leitung nationaler Sportverbände oder angegliederter Sportdisziplinen bei schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung oder bei schweren sportrechtlichen Verstößen durch die leitenden Organe oder wenn festgestellt wird, dass diese Organe ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können, oder wenn nicht gewährleistet ist, dass die nationalen Sportwettkämpfe ordnungsgemäß organisiert und durchgeführt werden,

…“

11.      Art. 15 bestimmt:

„1.      Die nationalen Sportverbände … üben die sportlichen Tätigkeiten im Einklang mit den Entscheidungen und Richtlinien des [Internationalen Olympischen Komitees], der internationalen Verbände und des CONI und unter Berücksichtigung der Bedeutung bestimmter Arten von Tätigkeiten, die in der Satzung des CONI genannt sind, für die Öffentlichkeit aus. An diesen beteiligen sich Sportgesellschaften und ‑vereine sowie – allein in den Fällen, die in den Satzungen der nationalen Sportverbände … in Bezug auf die spezifische Tätigkeit vorgesehen sind – auch einzelne Mitglieder.

2.      Die nationalen Sportverbände … sind Vereine, die den Status einer juristischen Person des Privatrechts besitzen. Sie verfolgen keinen Erwerbszweck und unterliegen, soweit im vorliegenden Dekret nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs und dessen Durchführungsvorschriften.

3.      Die Bilanzen der nationalen Sportverbände … werden jährlich vom Verwaltungsorgan des jeweiligen Verbands genehmigt und dem Nationalen Ausschuss des CONI zur Genehmigung vorgelegt. Im Fall eines Negativbescheids der Prüfer des Verbands … oder bei Nichtgenehmigung durch den Nationalen Ausschuss des CONI ist die Versammlung der Gesellschaften und Vereine einzuberufen, damit über die Genehmigung der Bilanz entschieden wird.

4.      Die für die Wahl der leitenden Organe zuständige Versammlung genehmigt die Haushaltspläne des Verwaltungsorgans, die am Ende jedes Vierjahreszeitraums und des Mandats, für die sie genehmigt wurden, von der Versammlung kontrolliert werden.

5.      Die nationalen Sportverbände … werden zu sportlichen Zwecken vom Nationalen Rat anerkannt.

6.      Die Anerkennung neuer nationaler Sportverbände … als juristische Personen des Privatrechts erfolgt nach Maßgabe des Decreto del Presidente della Repubblica [Dekret des Präsidenten der Republik] Nr. 361 vom 10. Februar 2000 nach der vorläufigen Anerkennung zu sportlichen Zwecken durch den Nationalen Rat.

…“

4.      Satzung des CONI(8)

12.      In Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) heißt es:

„1.      Das [CONI] ist der Verband der nationalen Sportverbände und der angegliederten Sportdisziplinen.

2.      Das CONI … ist zuständig für die Aufsicht, Regelung und Verwaltung der sportlichen Tätigkeiten, die als wesentliches Element der physischen und moralischen Schulung des Einzelnen und als integraler Bestandteil der Bildung und der nationalen Kultur betrachtet werden. …“

13.      Art. 6 („Nationaler Rat“) bestimmt:

„1.      Der Nationale Rat, der das höchste Vertretungsorgan des italienischen Sports ist, verbreitet den olympischen Gedanken, unternimmt alles Erforderliche für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, regelt und koordiniert den nationalen Sportbetrieb und harmonisiert die Tätigkeit der nationalen Sportverbände und der angegliederten Sportdisziplinen.

4.      Der Nationale Rat

b)      legt die Grundprinzipien fest, mit denen die Satzungen der nationalen Sportverbände, der angegliederten Sportdisziplinen, der Einrichtungen zur Sportförderung, der als gemeinnützig anerkannten Vereine sowie der Sportvereine und ‑gesellschaften im Einklang stehen müssen, um die Anerkennung zu sportlichen Zwecken zu erhalten, und erlässt den Kodex der Sportgerichtsbarkeit, der von allen nationalen Sportverbänden … zu beachten ist;

c)      entscheidet über die Anerkennung zu sportlichen Zwecken der nationalen Sportverbände … anhand der in der Satzung festgelegten Kriterien und unter Berücksichtigung der Repräsentation und des olympischen Charakters des Sports, der etwaigen Anerkennung durch das [Internationale Olympische Komitee] und der sportlichen Tradition der jeweiligen Disziplin;

e)      definiert die Kriterien und Modalitäten für die Ausübung der Kontrolle des CONI über die nationalen Sportverbände …;

e1)      bestimmt, um die ordnungsgemäße Ausrichtung der Sportmeisterschaften zu gewährleisten, die Kriterien und Modalitäten für die von den Verbänden durchgeführten Kontrollen der [angegliederten] Sportgesellschaften und die ersatzweise Kontrolle durch das CONI im Fall erwiesener Mängel der Kontrollen durch die nationalen Sportverbände;

f1)      entscheidet auf Vorschlag des Nationalen Ausschusses über die Übernahme der kommissarischen Leitung der nationalen Sportverbände … bei schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung oder bei schweren sportrechtlichen Verstößen durch die leitenden Organe oder wenn festgestellt wird, dass diese Organe ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können, oder wenn nicht gewährleistet ist, dass die nationalen Sportwettkämpfe ordnungsgemäß organisiert und durchgeführt werden;

…“

14.      In Art. 7 („Nationaler Ausschuss“) Abs. 5 heißt es:

„Der Nationale Ausschuss

g2)      genehmigt den Haushalt und die damit verbundenen Tätigkeitsprogramme sowie die Jahresabschlüsse der nationalen Sportverbände …;

h1)      ernennt die Rechnungsprüfer, die das CONI in den nationalen Sportverbänden … und den regionalen Ausschüssen des CONI vertreten;

l)      genehmigt für sportliche Zwecke die Satzungen, die Regelungen zur Durchführung der Satzungen, die Regelungen über die Sportgerichtsbarkeit und die Antidoping-Regularien der nationalen Sportverbände …, wobei er ihre Konformität mit dem Gesetz, der Satzung des CONI, den Grundprinzipien und den vom Nationalen Rat festgelegten Richtlinien und Kriterien prüft und sie gegebenenfalls innerhalb von 90 Tagen an die nationalen Sportverbände … zurückverweist, damit die erforderlichen Änderungen vorgenommen werden;

…“

15.      Art. 20 („Regelung der nationalen Sportverbände“) Abs. 4 lautet:

„Die nationalen Sportverbände üben ihre sportlichen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Werbetätigkeiten im Einklang mit den Entscheidungen und Richtlinien des [Internationalen Olympischen Komitees] und des CONI und unter Berücksichtigung der Bedeutung bestimmter Aspekte dieser Tätigkeiten für die Öffentlichkeit aus. Im Rahmen des Sportrechts wird den nationalen Sportverbänden technische, organisatorische und administrative Autonomie unter der Kontrolle des CONI zuerkannt.“

16.      Art. 21 („Voraussetzungen für die Anerkennung der nationalen Sportverbände“) Abs. 3 sieht vor:

„Erfüllt ein anerkannter nationaler Sportverband nicht die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen, beschließt der Nationale Rat des CONI innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist, die zunächst gewährte Anerkennung zu widerrufen.“

17.      Art. 23 („Richtlinien und Kontrolle der nationalen Sportverbände“) bestimmt:

„1.      In Übereinstimmung mit dem Decreto Legislativo Nr. 242 vom 23. Juli 1999 und seinen späteren Änderungen und Ergänzungen gelten neben den Tätigkeiten, deren Bedeutung für die Öffentlichkeit gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist, nur solche Tätigkeiten der nationalen Sportverbände als von Bedeutung für die Öffentlichkeit, die sich auf die Zulassung und den Beitritt von Gesellschaften, Sportvereinen und einzelnen Mitgliedern, die Aufhebung aus jedwedem Grund und die Änderung der Zulassungs- oder Beitrittsregeln, die Kontrolle im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Wettkämpfe und Sportmeisterschaften im Profibereich, die Verwendung öffentlicher Zuschüsse, Dopingprävention und ‑bekämpfung sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf Olympische Spiele und Wettkämpfe auf hohem Niveau sowie die Ausbildung des technischen Personals und die Verwendung und die Verwaltung öffentlicher Sportanlagen beziehen.

1 bis      In Bezug auf die in Abs. 1 genannten Tätigkeiten von Bedeutung für die Öffentlichkeit unterliegen die Sportverbände den Richtlinien und Kontrollen des CONI und handeln nach den Grundsätzen der Unparteilichkeit und der Transparenz. Diese Bedeutung für die Öffentlichkeit ändert nichts an der normalen privatrechtlichen Regelung, der die einzelnen Handlungen unterliegen, und den damit verbundenen subjektiven Rechtstellungen.

1 ter      Der Nationale Ausschuss legt die Kriterien und Verfahren fest, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen der Verbände im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Nationalmannschaften, die Wahrung des nationalen sportlichen Erbes und seiner spezifischen Identität sowie die Notwendigkeit, eine effiziente interne Verwaltung zu gewährleisten, mit den Programmen des CONI übereinstimmen.

2.      Der Nationale Ausschuss genehmigt auf der Grundlage der vom Nationalen Rat festgelegten Kriterien und Verfahren den Haushalt der nationalen Sportverbände und legt die finanziellen Beiträge zugunsten der nationalen Sportverbände und gegebenenfalls ihre spezifische Zweckbestimmung fest, wobei er die Förderung des Jugendsports, die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und den Hochleistungssport besonders berücksichtigt.

3.      Der Nationale Ausschuss kontrolliert die ordnungsgemäße Arbeitsweise der nationalen Sportverbände. Bei schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung oder bei schweren sportrechtlichen Verstößen durch die Verbandsorgane oder wenn nicht gewährleistet ist, dass die nationalen Sportwettkämpfe ordnungsgemäß organisiert und durchgeführt werden, oder wenn festgestellt wird, dass diese Organe ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können, schlägt er dem Nationalen Rat die Ernennung eines Kommissars vor.“

II.    Sachverhalt und Vorlagefragen

18.      Die FIGC leitete ein Verhandlungsverfahren für die Vergabe von Trägerdienstleistungen im Rahmen der Begleitung der nationalen Mannschaften und im Lager des Verbands in Rom für eine Dauer von drei Jahren ein(9). Sie forderte die De Vellis Servizi Globali Srl (im Folgenden: De Vellis) und das Consorzio Ge.Se.Av S. c. arl (im Folgenden: Consorzio), dem schließlich der Zuschlag erteilt wurde, zur Teilnahme auf.

19.      De Vellis erhob Klage beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien), mit der sie die Modalitäten der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens insoweit beanstandete, als gegen die im Gesetzbuch über öffentliche Aufträge vorgesehenen Bestimmungen über die Bekanntmachung verstoßen worden sei.

20.      Das Gericht erster Instanz gab (mit Urteil Nr. 4101/2018) der Klage statt und hob die Erteilung des Zuschlags an das Consorzio auf. Im Einzelnen stufte das Gericht die FIGC als Einrichtung des öffentlichen Rechts ein, wies die Einrede der Unzuständigkeit zurück und hob die Handlungen im Zusammenhang mit dem Ausschreibungsverfahren aus den von De Vellis geltend gemachten Gründen auf.

21.      Gegen dieses Urteil haben die FIGC und das Consorzio jeweils Berufung eingelegt. Sie tragen vor, dass die FIGC nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden könne und für den Rechtsstreit nicht die Verwaltungsgerichte zuständig seien.

22.      Nach Überzeugung des Consiglio di Stato (Staatsrat) ist vor der Entscheidung, ob die FIGC zur Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften verpflichtet war und welche Gerichte zuständig sind, zu prüfen, ob sie gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. d des Gesetzbuchs über öffentliche Aufträge, mit dem Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 umgesetzt wird, als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden kann.

23.      Vor diesem Hintergrund hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)      Kann die FIGC auf der Grundlage der Merkmale der innerstaatlichen Vorschriften über die Regeln des Sports als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden, und zwar insofern, als sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen;

b)      erfüllt die FIGC insbesondere, auch wenn es an einem formalen Akt zur Gründung einer öffentlichen Verwaltungsstelle fehlt und trotz ihres Vereinscharakters, das teleologische Erfordernis der Einrichtung, weil sie durch die Anerkennung zu sportlichen Zwecken durch das CONI den Regeln eines nach öffentlich-rechtlichen Modellen organisierten Bereichs (Sport) unterliegt und verpflichtet ist, die Grundsätze und Regeln einzuhalten, die von dieser nationalen öffentlich-rechtlichen Stelle und den internationalen Sporteinrichtungen aufgestellt wurden;

c)      kann dieses Erfordernis ferner in Bezug auf einen Sportverband wie die FIGC, der zur Selbstfinanzierung in der Lage ist, als erfüllt angesehen werden, wenn es um eine Tätigkeit geht, die wie die vorliegend in Rede stehende nicht von öffentlicher Bedeutung ist, oder ist vielmehr das Erfordernis als vorrangig anzusehen, in jedem Fall bei der Vergabe jedweder Arten von Verträgen dieses Verbands an Dritte die Anwendung der Vorschriften über öffentliche Ausschreibungen sicherzustellen?

2.      a)      Übt das CONI angesichts der zwischen ihm und der FIGC bestehenden rechtlichen Beziehungen im Licht der gesetzlichen Befugnisse in Bezug auf die Anerkennung der Gesellschaft für sportliche Zwecke, die Genehmigung der Jahresabschlüsse, die Aufsicht über die Leitung und die ordnungsgemäße Arbeitsweise der Organe sowie die kommissarische Leitung des Verbands einen beherrschenden Einfluss auf diese aus;

b)      reichen diese Befugnisse vielmehr aufgrund der qualifizierten Beteiligung der Präsidenten und Vertreter der Sportverbände an den wesentlichen Organen des CONI nicht aus, um das für eine Einrichtung des öffentlichen Rechts charakteristische Erfordernis eines beherrschenden öffentlichen Einflusses zu erfüllen?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

24.      Die Vorlagebeschlüsse sind am 22. Februar 2019 beim Gerichtshof eingegangen.

25.      Die FIGC, das CONI, De Vellis, das Consorzio, die italienische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

26.      In der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2020, an der die FIGC, das CONI und die italienische Regierung per Videokonferenz und die Kommission vor Ort teilgenommen haben, hat der Gerichtshof die Parteien u. a. aufgefordert, sich zu den Auswirkungen des Urteils FIG und FISE auf die vorliegende Rechtssache zu äußern.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkung

27.      Im europäischen Vergleich sind die Beziehungen zwischen den nationalen Sportverbänden und den Behörden sehr unterschiedlich ausgestaltet. Vereinfacht gesagt haben sich einige Mitgliedstaaten für „liberale“ Lösungen, bei denen die nationalen Sportverbände eine größere Autonomie haben(10), und andere für stärker „interventionistisch“ geprägte Modelle mit einer intensiven öffentlichen Aufsicht(11) entschieden, während wieder andere beide Modelle kombinieren.

28.      Im öffentlichen Recht ist es üblich, dass die Rechtsordnung bestimmte private Einrichtungen, die zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele ihrer Mitglieder gegründet wurden, mit der Erfüllung öffentlicher Zwecke betraut und ihnen sogar typische Verwaltungsaufgaben überträgt(12).

29.      In Italien entsprechen die nationalen Sportverbände diesem Schema: Auf der eigentlichen Verbandsgrundlage der Sportvereine als sportliche Vereinigungen der ersten Ebene gründen sich die nationalen Sportverbände als private Vereinigungen der zweiten Ebene(13), denen die Regierungsbehörden bestimmte öffentliche Aufgaben übertragen.

30.      Insoweit hängt die Entscheidung des vorlegenden Gerichts logischerweise vom in Italien geltenden Sportrecht und dessen Besonderheiten ab. Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften ist zu klären,

–      ob die FIGC zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen;

–      ob die Beziehungen zwischen der Aufsichtsbehörde (dem CONI) und der FIGC auf eine Kontrolle des CONI über diesen Verband schließen lassen und welche Intensität diese Kontrolle aufweist;

–      ob sich die FIGC aufgrund ihrer Eigenschaften im Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 2014/24 von anderen nationalen Sportverbänden unterscheidet.

31.      Wie das Urteil FIG und FISE gezeigt hat, kann der Gerichtshof diese Fragen nicht direkt klären, da allein das vorlegende Gericht für die Auslegung seiner nationalen Rechtsvorschriften und somit für die Entscheidung über diese Fragen zuständig ist(14). Die nachstehenden Überlegungen beschränken sich daher darauf, dem vorlegenden Gericht einige Hinweise zur Auslegung der Richtlinie 2014/24 zu geben.

B.      Erste Vorlagefrage

32.      In der Richtlinie 2014/24 ist der Begriff des öffentlichen Auftraggebers sehr weit gefasst(15) und erstreckt sich über den Staat und die Gebietskörperschaften hinaus auch auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts, sofern sie alle drei Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie erfüllen.

33.      Bei der Abwägung, ob eine bestimmte Einrichtung diese Voraussetzungen erfüllt, vermeidet der Gerichtshof einen formalen Ansatz und stützt sich auf eine „funktionelle Auslegung“, bei der die einschlägige Regelung an zweiter Stelle steht(16).

34.      Die erste dieser Voraussetzungen besteht darin, dass die Einrichtung zu dem besonderen Zweck gegründet sein muss, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Die erste Vorlagefrage betrifft die Auslegung dieser Begriffe(17).

35.      Obwohl eine Analyse der formalen Aspekte der Gründung der Einrichtung nicht an erster Stelle steht, muss das vorlegende Gericht klären, ob für die italienischen Sportverbände die Anerkennung durch das CONI(18) von wesentlicher Bedeutung ist oder ob es sich um eine reine Formalität im Rahmen des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit handelt. Darauf werde ich später eingehen.

36.      Aus materieller Sicht, die relevanter ist, muss der Consiglio di Stato (Staatsrat) vorrangig den Inhalt der von der FIGC übernommenen öffentlichen Aufgaben berücksichtigen. Daraus wird er ableiten können, ob sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben (nicht gewerblicher Art) zu erfüllen, bzw. ob sie diese tatsächlich erfüllt(19).

37.      Dem steht jedoch, wie ich wiederholen möchte, nicht entgegen, dass die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben von einer formal privatrechtlichen Einrichtung erfüllt werden, insbesondere, wenn diese Einrichtung Teil eines Organisationssystems ist, dessen Struktur und Zusammenstellung eine gesetzliche Grundlage im Verwaltungsrecht haben(20).

38.      Das vorlegende Gericht leitet aus dem Decreto legislativo Nr. 242/1999 (Art. 15 Abs. 1) ab, dass die italienischen Sportverbände „öffentliche Aufgaben“ erfüllen(21).

39.      Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht nach einer Prüfung von Art. 23 der Satzung des CONI, wonach folgende Tätigkeiten der nationalen Sportverbände „von Bedeutung für die Öffentlichkeit“ sind: i) Zulassung und Beitritt von Gesellschaften und Sportvereinen; ii) Aufhebung und Änderung der Zulassungs- oder Beitrittsbeschlüsse; iii) regelmäßige Kontrollen im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Wettkämpfe und Sportmeisterschaften im Profibereich; iv) Verwendung öffentlicher Zuschüsse; v) Dopingprävention und ‑bekämpfung; vi) Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf Olympische Spiele und Wettkämpfe auf hohem Niveau; vii) Ausbildung des technischen Personals und viii) Verwendung und Verwaltung öffentlicher Sportanlagen.

40.      Nach Angaben der FIGC selbst wurden ihr „durch Delegation des CONI … bestimmte vordefinierte Zuständigkeiten übertragen, die sich durch ihren öffentlichen Zweck auszeichnen“. Jedoch könne „die öffentliche Natur der delegierenden Einrichtung nicht auf die beauftragte Einrichtung erstreckt und diese somit nicht über die vordefinierten Grenzen der Delegation hinaus gebunden werden“(22).

41.      Der Consiglio di Stato (Staatsrat) hebt hervor, dass jeder nationale Sportverband nur für eine Sportdisziplin und für die Organisation der Wettkämpfe in dieser Disziplin zuständig sei. Nach seinen Ausführungen werden gemäß italienischem Sportrecht „die im Allgemeininteresse stehenden Aufgaben von Subjekten wahrgenommen, die zwar formal dem Privatrecht zuzuordnen sind, die aber zu einem Organisationssystem gehören, dessen Struktur und Konfiguration eine gesetzliche Grundlage im Verwaltungsrecht haben (und nicht Ausdruck der Privatautonomie ist)“(23).

42.      Diese Würdigung deckt sich mit dem Ergebnis, zu dem der Gerichtshof bei der Analyse der Beziehungen zwischen den nationalen Sportverbänden und dem CONI gekommen ist. Im Urteil FIG und FISE bezog er sich auf „die Ausübung des Sports in seiner öffentlichen Dimension, d. h. in einem formalisierten, offiziellen oder repräsentativen Kontext“. Nach diesem Urteil enthält die Tätigkeit der nationalen Sportverbände eine öffentliche Dimension „in Gestalt der regelmäßigen Ausrichtung von Wettkämpfen, der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und des Hochleistungssports“(24).

43.      Nach Auffassung des Consiglio di Stato (Staatsrat) wird im Ergebnis der Sport in Italien als „Aktivität von öffentlichem Allgemeininteresse eingestuft und aus diesem Grund vom Staat organisiert, gefördert, unterstützt und finanziert“(25).

44.      Von besonderer Bedeutung ist, dass das vorlegende Gericht die Rechtsvorschriften, nach denen sich die nationalen Sportverbände richten, dahin auslegt, dass ihre Aufgaben mit Bedeutung für die Öffentlichkeit „den Tätigkeitsbereich der Sportverbände und die Gründe für ihre Gründung abdecken“. Alle weiteren Tätigkeiten einschließlich der Trägerdienstleistungen für die nationalen Fußballmannschaften, um die es im Ausgangsverfahren geht, weisen nach Überzeugung des vorlegenden Gerichts „einen funktionalen Bezug zur Erfüllung der in der Satzung des CONI definierten Aufgaben von ,Bedeutung für die Öffentlichkeit‘ auf“(26).

45.      Aus dieser Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften kann das vorlegende Gericht schließen, dass für die nationalen Sportverbände, deren Hauptzweck darin besteht, die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben im Bereich des Sports zu erfüllen, die erste Voraussetzung des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 gegeben ist.

46.      Diese im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben sind nicht gewerblicher Art, und die nationalen Sportverbände erfüllen, nachdem das CONI die öffentlichen Aufgaben an sie übertragen hat, diese im Rahmen eines Monopols(27). Insoweit ist es unerheblich, dass die Sportverbände außerdem sonstige instrumentelle Tätigkeiten wirtschaftlicher Art ausüben, wie ich im Anschluss erläutern werde.

47.      Die Zweifel des Consiglio di Stato (Staatsrat) betreffen allerdings nicht so sehr die Frage, ob der FIGC im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art übertragen wurden (was sie, wie ich hier wiederholen möchte, ausdrücklich anerkennt), sondern die Frage, inwieweit ihre vertraglichen Tätigkeiten mit diesen öffentlichen Aufgaben verbunden sind.

48.      Die Zweifel des vorlegenden Gerichts beruhen darauf, dass nach Art. 23 Abs. 1 bis der Satzung des CONI die Bedeutung der Tätigkeit der nationalen Sportverbände für die Öffentlichkeit nichts an der normalen privatrechtlichen Regelung, der die einzelnen Handlungen dieser Verbände unterliegen, und den damit verbundenen subjektiven Rechtstellungen ändert.

49.      Ich halte diese Vorschrift jedoch nicht für entscheidend. Nach Überzeugung des Gerichtshofs „kommt es nicht darauf an, ob eine Einrichtung neben den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben noch andere Tätigkeiten ausüben darf. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben tatsächlich nur einen relativ geringen Teil der Tätigkeiten der Einrichtung ausmacht, solange sie weiterhin die Aufgaben wahrnimmt, die sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat“(28).

50.      Die italienische Regierung(29) befürwortet, genauso wie die FIGC und das CONI(30), eine Unterscheidung zwischen den privatrechtlichen Tätigkeiten rein wirtschaftlicher Art der nationalen Sportverbände und solchen Tätigkeiten, die einen im Allgemeininteresse liegenden Zweck verfolgen.

51.      Meiner Ansicht nach kann nicht auf diese Unterscheidung abgestellt werden, um zu entscheiden, ob die nationalen Sportverbände bei ihren Vertragsbeziehungen im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen. Der Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass „[die Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 entsprechende Vorschrift] nicht zwischen öffentlichen Aufträgen, die ein öffentlicher Auftraggeber vergibt, um seine im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu erfüllen, und solchen Aufträgen unterscheidet, die nicht im Zusammenhang mit diesen Aufgaben stehen“(31).

52.      Der Gerichtshof hat sich bereits mit der These der italienischen Regierung, der FIGC und des CONI befasst und sie im Urteil vom 15. Januar 1998, Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., abgelehnt(32). Er hat sich stattdessen für die sogenannte „Infektionstheorie“ entschieden, wonach „es nicht darauf an[kommt], dass eine solche Einrichtung nicht nur diese [im Allgemeininteresse liegende] Aufgabe hat, sondern auch andere Tätigkeiten … ausüben darf“, und somit die Voraussetzung aus der Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 entsprechenden Bestimmung nicht „bedeutet …, dass sie einzig und allein solche Aufgaben zu erfüllen hätte“(33).

53.      Diese Theorie wurde später in den Urteilen BFI Holding(34), Korhonen u. a.(35) und Adolf Truley(36) bekräftigt und im Urteil Ing. Aigner(37) endgültig bestätigt. Im Urteil Ing. Aigner hat der Gerichtshof in Anbetracht der Zweifel des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Heranziehung des Urteils vom 15. Januar 1998, Mannesmann Anlagenbau Austria u. a.(38), wenn die Tätigkeiten öffentlich- und privatrechtlicher Art ein und derselben Einrichtung eindeutig voneinander zu unterscheiden sind(39), entschieden, dass „aus Gründen der Rechtssicherheit, der Transparenz und der Vorhersehbarkeit, die für die Durchführung sämtlicher Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gelten, die in den [zuvor genannten Urteilen] dargestellte Rechtsprechung des Gerichtshofs heranzuziehen“(40) ist.

54.      Auf jeden Fall hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) bestätigt, dass der streitige Vertrag (Trägerdienstleistungen für die nationale Fußballmannschaft) für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der FIGC, zu denen insbesondere die Tätigkeiten für die nationale Fußballmannschaft zählen, instrumentellen Charakter hatte.

55.      Ebenso wenig ist vorliegend erheblich, ob die nationalen Sportverbände gewerbliche Tätigkeiten ausüben oder einen Erwerbszweck verfolgen(41). Die Rechtsprechung, die ich soeben dargelegt habe, führt ebenfalls zu diesem Ergebnis.

56.      Schließlich steht die Tatsache, dass die FIGC finanziell unabhängig ist, in keiner Weise der Möglichkeit entgegen, dass sie nach entsprechender Delegation durch die Behörden im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllt. Die Fähigkeit, sich selbst zu finanzieren, unterscheidet die FIGC von anderen italienischen Sportverbänden, deren Fortbestand weitgehend von öffentlichen Geldern abhängt. Dieser Umstand ist jedoch, wie ich wiederholen möchte, für die Übertragung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben unerheblich(42).

57.      Im Ergebnis erlaubt die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 dem vorlegenden Gericht, sofern es nicht bei seiner Analyse der nationalen Rechtsvorschriften zu einer abweichenden Schlussfolgerung kommt, festzustellen, dass die FIGC die erste Voraussetzung (Buchst. a) der drei in dieser Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt.

C.      Zweite Vorlagefrage

58.      Die dritte Voraussetzung (Buchst. c) aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 teilt sich wiederum in drei Bedingungen auf(43). Es ist ausreichend, dass eine von ihnen erfüllt ist, damit die Voraussetzung als gegeben gilt.

59.      In Bezug auf diese Bedingungen ist hier nur streitig, ob die FIGC „der Aufsicht“(44) des Staates oder einer anderen Einrichtung des öffentlichen Rechts untersteht. Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob die Ausgestaltung der italienischen Rechtsvorschriften über die Beziehungen zwischen der FIGC und dem CONI es ermöglicht, einen „beherrschenden Einfluss“ des CONI über die Verwaltung der FIGC festzustellen.

60.      Es ist unstreitig, dass das CONI eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist. Nach Art. 1 des Decreto legislativo Nr. 242/1999 handelt es sich beim CONI ausdrücklich um „eine juristische Person des öffentlichen Rechts“, die der Aufsicht des Ministeriums für Kulturgüter und kulturelle Tätigkeiten unterliegt. Im Urteil FIG und FISE wird das CONI sogar als „staatliche Stelle“(45) bezeichnet.

61.      Was die Beziehungen zwischen dem CONI und den nationalen Sportverbänden betrifft, so hat der Gerichtshof diese im Urteil FIG und FISE zusammengefasst(46) und eine Reihe von Befugnissen des CONI aufgelistet, aus denen sich der Umfang seiner Aufsicht über die Sportverbände ableiten lässt.

62.      Diese Auflistung umfasst die folgenden Befugnisse des CONI:

„–      die Befugnis …, den Haushalt, die damit verbundenen Tätigkeitsprogramme und die Jahresabschlüsse der nationalen Sportverbände zu genehmigen,

–      diese Sportverbände in Bezug auf die öffentlichkeitswirksamen Aspekte zu kontrollieren,

–      die Regelungen zur Durchführung der Satzungen, die Regelungen über die Sportgerichtsbarkeit und die Antidoping-Regularien der nationalen Sportverbände ,zu sportlichen Zwecken‘ zu genehmigen und gegebenenfalls die erforderlichen Änderungen dieser Texte vorzuschlagen,

–      die Rechnungsprüfer zu ernennen, die das CONI in den nationalen Sportverbänden vertreten sollen,

–      im Fall schwerwiegender Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung oder bei schweren sportrechtlichen Verstößen durch die leitenden Organe die kommissarische Leitung der nationalen Sportverbände zu übernehmen,

–      die Kriterien und Modalitäten der vom CONI ausgeübten Kontrolle über die nationalen Sportverbände zu bestimmen,

–      die Kriterien und Modalitäten der von den nationalen Sportverbänden ausgeübten Kontrolle über die angegliederten Sportdisziplinen und der ersatzweisen Kontrolle durch das CONI im Fall von Mängeln festzulegen, um die ordnungsgemäße Ausrichtung der Sportmeisterschaften zu gewährleisten,

–      die Grundprinzipien festzulegen, mit denen die Satzungen der nationalen Sportverbände im Einklang stehen müssen, um die Anerkennung zu sportlichen Zwecken zu erhalten, oder den Kodex der Sportgerichtsbarkeit zu erlassen, der von allen nationalen Sportverbänden zu beachten ist,

–      … gegenüber den nationalen Sportverbänden Richtlinien über die Ausübung der in ihre Zuständigkeit fallenden sportlichen Aktivitäten zu erlassen“.

63.      Wie bereits ausgeführt, fragt der Consiglio di Stato (Staatsrat), ob das CONI in seiner Beziehung zu den nationalen Sportverbänden einen „beherrschenden Einfluss“ ausübt. Seines Erachtens könnte die qualifizierte Beteiligung der Präsidenten und Vertreter der nationalen Sportverbände an den wesentlichen Organen des CONI gegen diesen Einfluss sprechen.

64.      Ich werde zuerst auf die Aufsicht des CONI über die nationalen Sportverbände und danach auf die Zusammensetzung des CONI selbst eingehen.

1.      Aufsicht des CONI über die nationalen Sportverbände

65.      Der Gerichtshof charakterisiert die „Aufsicht über die Leitung“ als eine Aufsicht, die „eine Verbindung mit der öffentlichen Hand schafft, die der Verbindung gleichwertig ist, die besteht, wenn eines der beiden anderen alternativen Merkmale erfüllt ist, … die es der öffentlichen Hand ermöglich[t], die Entscheidungen dieser Einrichtung im Bereich öffentlicher Aufträge zu beeinflussen“(47).

66.      Die Analyse der verschiedenen Kontrollindikatoren ist im Wege einer Gesamtwürdigung vorzunehmen, da „zwar in bestimmten Fällen ein einziger Indikator ausreichen kann, um eine Kontrolle festzustellen, in den meisten Fällen aber eine Gesamtheit von Indikatoren das Bestehen der Kontrolle zum Vorschein bringt“(48).

67.      Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens hat der Gerichtshof u. a. die folgenden Gesichtspunkte als Anzeichen dafür berücksichtigt, dass über Einrichtungen, die als Einrichtungen des öffentlichen Rechts eingestuft werden können, eine Kontrolle besteht:

–      die Befugnis, bei Untätigkeit oder schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten die Auflösung auszusprechen und einen Abwickler zu bestellen, die leitenden Organe vorläufig ihres Amtes zu entheben und einen vorläufigen Verwalter zu ernennen(49);

–      die Untersuchungsbefugnis, in deren Rahmen Studien, Rechnungsprüfungen oder Analysen im jeweiligen Tätigkeitsbereich durchgeführt und Vorschläge dazu gemacht werden können, was auf die Untersuchungsberichte hin geschehen soll(50);

–      die Befugnis, sicherzustellen, dass die Einrichtungen die Maßnahmen umsetzen, die die Behörden, denen sie unterstehen, erlassen haben(51);

–      die Befugnis, den Jahresabschluss und die laufende Verwaltung auf ihre ziffernmäßige Richtigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen, die Betriebsräume und Anlagen zu besichtigen und über das Ergebnis dieser Prüfung den zuständigen Organen zu berichten(52).

68.      Im Urteil FIG und FISE hat der Gerichtshof, nachdem er die Gesamtheit der Befugnisse des CONI gegenüber den nationalen Sportverbänden berücksichtigt hatte, dem vorlegenden Gericht die Aufgabe übertragen, zu prüfen, ob das CONI trotz der „technischen, organisatorischen und administrativen Autonomie“, die den Sportverbänden zuerkannt wird, in der Lage ist, „einen reellen und substanziellen Einfluss … auf die allgemeine Politik oder das Programm dieser Verbände auszuüben“(53).

69.      Nach diesem Kriterium muss der Consiglio di Stato (Staatsrat) die verschiedenen Elemente, die im vorliegenden Fall eine Rolle spielen, abwägen, was den Gerichtshof allerdings nicht daran hindert, ihm einige Hinweise zur Auslegung der Richtlinie 2014/24 zu geben.

70.      Diese werde ich in vier Abschnitte einteilen.

a)      Befugnisse im Zusammenhang mit der Gründung der nationalen Sportverbände

71.      Das CONI hat u. a. die Aufgabe, die nationalen Sportverbände für sportliche Zwecke anzuerkennen(54). Das vorlegende Gericht hat zu entscheiden, ob diese Anerkennung rein formaler Art ist oder ob sie, wie es scheint, eine materiell-rechtliche Frage ist, da sie mit der Prüfung der Satzung der Sportverbände zusammenhängt.

72.      Für die Genehmigung der Satzungen der nationalen Sportverbände(55) muss das CONI prüfen, ob diese Satzungen mit dem Gesetz, seiner Satzung und den von ihm aufgestellten Grundprinzipien vereinbar sind(56). Es kann die Genehmigung verweigern, indem es die eingereichte Satzung an den betroffenen Sportverband zurückverweist und die Kriterien angibt, die bei den entsprechenden Änderungen zu beachten sind(57). Diese Vorgaben sind bindend(58).

73.      Nach Überzeugung des vorlegenden Gerichts kann „[d]ie Anerkennung [der nationalen Sportverbände] für sportliche Zwecke … daher mit der im Rahmen des teleologischen Erfordernisses vorgesehenen Gründung der Einrichtung des öffentlichen Rechts gleichgesetzt werden“(59), und dies steht mit seiner Feststellung, dass die den Sportverbänden zugewiesenen öffentlichen Aufgaben den „Grund für ihre Gründung“(60) darstellten, im Einklang.

74.      Wenn die Zuweisung öffentlicher Aufgaben an die nationalen Sportverbände es rechtfertigt, dass für eine Anerkennung als Sportverband eine wesentliche Handlung des CONI erforderlich ist, so zeigt diese Maßnahme bereits den Einfluss dieser Einrichtung des öffentlichen Rechts auf die erste Phase des Bestehens der Sportverbände.

b)      Befugnisse im Zusammenhang mit der Tätigkeit der nationalen Sportverbände

75.      Die nationalen Sportverbände müssen ihre sportlichen Tätigkeiten im Einklang mit den Entscheidungen und Richtlinien des CONI durchführen(61). Ihnen wird zwar eine technische, organisatorische und administrative Autonomie zuerkannt, jedoch üben sie diese unter der Aufsicht des CONI aus(62). Bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten mit Bedeutung für die Öffentlichkeit müssen sich die Sportverbände an die Richtlinien und Kontrollen des CONI halten(63).

76.      Nach Ansicht einiger Beteiligten werden in diesen Bestimmungen keine Kontrollmechanismen festgelegt, sondern Mechanismen für eine gegenseitige Zusammenarbeit. Aufgrund ihres allgemeinen und abstrakten Charakters seien die Richtlinien nur „soft law“ und nicht geeignet, die Geschäftspolitik oder die Strategie der nationalen Sportverbände zu bestimmen(64).

77.      Auch hier ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Umfang der Befugnisse des CONI in Bezug auf die nationalen Sportverbände zu beurteilen. Insoweit muss das Gericht u. a. entscheiden, ob das CONI Richtlinien erlässt, die für die Sportverbände verbindlich sind und auch durchgesetzt werden können.

78.      Im Vorlagebeschluss vertritt der Consiglio di Stato (Staatsrat) den Standpunkt, dass eine verstärkte Kontrolle des CONI über die Gesamtheit der Tätigkeiten der nationalen Sportverbände existiere und nicht nur über die Tätigkeiten öffentlicher Natur. Die Sportverbände hätten keine „freie Wahl des von der gemeinschaftlichen Einrichtung verfolgten Ziels“, da sie nach seiner Auffassung „tatsächlich institutionellen und per Gesetz oder durch einen Akt der Behörden … bestimmten Charakter haben, nicht nur, was die wesentlichen Strukturen betrifft, sondern auch, was die Haupttätigkeitsbereiche und die Modalitäten der Ausübung dieser Tätigkeiten angeht, was zu einem Wegfall oder einer Reduzierung der Freiräume und organisatorischen Freiheit führt, die der Privatautonomie eigen sind“(65).

79.      Wenn dies der Fall ist, scheint sich der Einfluss der öffentlichen Behörden (und insbesondere des CONI) auf die nationalen Sportverbände nicht auf den Erlass von Vorschriften, an die sich diese zu halten haben, zu beschränken(66), da das CONI durch Richtlinien oder sonstige Arten von Rechtsakten die Leitlinien für die Tätigkeit der Sportverbände festlegen kann. Insoweit betont die Kommission, das CONI könne z. B. die Entscheidungen der FIGC bei der Vergabe öffentlicher Aufträge beeinflussen(67).

80.      Von den dem CONI übertragenen Befugnissen ist insbesondere die Möglichkeit hervorzuheben, die kommissarische Leitung der nationalen Sportverbände zu übernehmen, wenn a) schwerwiegende Unregelmäßigkeiten bei der Leitung oder schwerwiegende Verstöße gegen das Sportrecht festgestellt werden, b) festgestellt wird, dass die leitenden Organe ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können, oder c) nicht gewährleistet ist, dass die Sportwettkämpfe ordnungsgemäß organisiert und durchgeführt werden. In diesen Fällen kann ein Kommissar ernannt werden(68).

81.      Diese Befugnisse stehen im Einklang mit der allgemeinen Aufgabe des CONI, für den ordnungsgemäßen Ablauf der Tätigkeiten der nationalen Sportverbände zu sorgen, wobei es sogar deren Anerkennung widerrufen kann(69).

82.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die ich vorhin Bezug genommen habe, ist es als Beispiel für die Kontrolle durch die öffentlichen Behörden anzusehen, wenn diese bei schweren Unregelmäßigkeiten die Auflösung einer Einrichtung anordnen, einen Abwickler bestellen oder die Verwalter ihres Amtes entheben können(70).

83.      Die Kommission weist darauf hin(71), dass es nur bei einer ständigen und systematischen Kontrolle der Tätigkeit der nationalen Sportverbände möglich sei, eine schwerwiegende Unregelmäßigkeit von einer geringfügigen zu unterscheiden: Das CONI könne frei entscheiden, ob es im ersten Fall eingreife und den Sportverband unter seine Aufsicht stelle.

84.      Diese ständige Beaufsichtigung steht im Einklang mit der ebenfalls dem CONI zugewiesenen Aufgabe, an die Stelle der nationalen Sportverbände zu treten, wenn sich die bei den Sportgesellschaften durchgeführten Kontrollen als unzureichend erweisen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Sportwettkämpfe sicherzustellen(72).

85.      Eine solche Eintrittsmaßnahme betrifft den Wesenskern der Verbandstätigkeit, da die FIGC für die Organisation der Fußballmeisterschaften zuständig ist. Um feststellen zu können, ob die Kontrollen unzureichend sind, muss das CONI nach Ansicht der Kommission(73) über eine Stellung verfügen, die es ihm ermöglicht, ständig zu kontrollieren, ob die nationalen Sportverbände die an die Sportgesellschaften gestellten Anforderungen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Durchführung der Sportwettkämpfe erfüllen. Diese Anforderungen müssen den vom CONI festgelegten Kontrollkriterien und ‑bedingungen entsprechen.

86.      Auf dieser Beurteilungsgrundlage kann das vorlegende Gericht seine eigenen Schlussfolgerungen über den Umfang der vom CONI ausgeübten Aufsicht über die nationalen Sportverbände ziehen.

87.      Insoweit muss das Gericht auch beurteilen, ob sich die allgemeine Aufsicht des CONI über die Tätigkeiten der nationalen Sportverbände auf die Ausgestaltung der Vergabepolitik erstreckt oder zumindest auf die erforderlichen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass die organisatorische Autonomie der Sportverbände in diesem Bereich den in der Richtlinie 2014/24 festgelegten Regeln der Bekanntmachung, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Wahrung des Wettbewerbs entspricht. In diesem Sinne könnte das CONI die Vertragspolitik der Sportverbände beeinflussen.

88.      Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand der Aufsicht durch das CONI sind, im Rahmen der Vergabe von nicht den Regeln der Bekanntmachung und Transparenz entsprechenden Aufträgen durch die nationalen Sportverbände auftreten, was das Korruptionsrisiko erhöhen würde(74). Zu den Aufsichtsbefugnissen des CONI scheint auch die Prävention und nicht nur die Reaktion auf solche Unregelmäßigkeiten zu zählen.

c)      Befugnisse im Zusammenhang mit dem Haushalt und der Rechnungsführung der nationalen Sportverbände

89.      Das CONI ist außerdem befugt, den Haushalt der nationalen Sportverbände zu genehmigen(75). Anders als bei der Genehmigung der Satzung der Sportverbände, bei der das CONI seinen Standpunkt, wie bereits dargestellt, durchsetzen kann, hat eine Beanstandung des vorgelegten Haushalts nicht die gleichen Konsequenzen(76).

90.      Auch hier muss der Consiglio di Stato (Staatsrat) beurteilen, ob das CONI, wie die Kommission geltend macht, auch dann, wenn es den Haushalt der nationalen Sportverbände ablehnt, ohne ihn ersetzen zu können(77), eine gewisse Kontrolle über die Sportverbände ausübt(78). Da die Genehmigung des Haushalts auf den vom CONI festgelegten Kriterien und ‑bedingungen beruht(79), kann das CONI bei der Aufstellung des Haushalts eine bedeutende Rolle spielen.

91.      Bei der Beurteilung der Instrumente, die dem CONI für die Kontrolle der wirtschaftlichen Tätigkeit der nationalen Sportverbände zur Verfügung stehen, darf nicht vergessen werden, dass das CONI Rechnungsprüfer ernennen kann, die bei den Sportverbänden tätig werden(80).

92.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „Rechnungsprüfer naturgemäß keine ,leitenden Angestellten‘ sind und somit nicht in der Lage sind, die ,allgemeine Politik und das Programm‘ einer Einheit … festzulegen“(81). Sie können jedoch als zusätzliches Instrument der ständigen Aufsicht über die finanziellen Tätigkeiten der nationalen Sportverbände gesehen werden.

93.      Gemäß der Satzung der FIGC ist die Intervention der vom CONI ernannten Rechnungsprüfer wichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Diese Rechnungsprüfer halten im Rechnungsprüfungskollegium die Mehrheit(82) (d. h. zwei von drei Sitzen) und haben das Recht, an allen Sitzungen der Verbandsorgane teilzunehmen.

94.      Je nach Umfang ihrer Befugnisse könnte eine ständige Präsenz der Rechnungsprüfer des CONI in den Entscheidungsgremien der FIGC(83) die Bedingungen erfüllen, die im Urteil Adolf Truley in Bezug auf die Finanzaufsicht über Unternehmen durch öffentliche Behörden genannt werden(84).

d)      Befugnisse im Zusammenhang mit dem Widerruf der Anerkennung der nationalen Sportverbände

95.      Kommt ein nationaler Sportverband den Verpflichtungen, mit denen seine Anerkennung verbunden war, nicht nach, kann das CONI die Anerkennung widerrufen(85). Dies stellt, neben der Übernahme der kommissarischen Leitung, die strengste Maßnahme dar, die in den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, um das CONI mit wirksamen Aufsichtsbefugnissen auszustatten.

96.      Dass der Widerruf nur in besonders schwerwiegenden Situationen erfolgen darf, ändert nichts daran, dass es sich um einen Mechanismus für die Aufsicht des CONI über die nationalen Sportverbände handelt. Diese Befugnis kann mit den Befugnissen gleichgestellt werden, die der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich(86) geprüft hat und die der öffentlichen Behörde die Möglichkeit gaben, die Auflösung einer Einrichtung anzuordnen und einen Abwickler und einen vorläufigen Verwalter zu ernennen.

97.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „[selbst wenn] die Ausübung der [der zuständigen Behörde] durch diese Vorschriften eingeräumten Befugnisse tatsächlich die Ausnahme bleibt …, … die Ausübung dieser Befugnisse jedoch eine ständige Kontrolle [impliziert], denn nur diese ermöglicht es, schwerwiegende Verstöße oder Unterlassungen der Leitungsorgane aufzudecken“(87).

98.      Im Falle der FIGC schließlich führt die Auflösung, auch wenn sie freiwillig erfolgt, nicht zur Verteilung, sondern zur Hinterlegung ihres Vermögens beim CONI(88). Dies bestätigt meiner Überzeugung nach, dass das öffentliche Element der Tätigkeit der FIGC, die der Aufsicht durch das CONI unterliegt, die gesamte Rechtsstellung der FIGC charakterisiert(89).

2.      Kontrolle des CONI über die nationalen Sportverbände oder Kontrolle der Sportverbände über das CONI?

99.      Besondere Aufmerksamkeit verdient der Umstand, dass diejenigen, die die volle Autonomie der nationalen Sportverbände gegenüber dem CONI verteidigen, geltend machen, dass in Wirklichkeit die Sportverbände das CONI kontrollierten, indem sie an den obersten Organen des CONI beteiligt seien(90).

100. Der Gerichtshof hat dieses Argument bereits im Urteil FIG und FISE geprüft und hervorgehoben, dass „dieser Umstand nur dann maßgeblich ist, wenn sich feststellen lässt, dass jeder dieser Verbände für sich genommen in der Lage ist, einen so erheblichen Einfluss auf die vom CONI ihm gegenüber ausgeübte öffentliche Kontrolle auszuüben, dass diese Kontrolle … neutralisiert wird“(91).

101. Auch der Consiglio di Stato (Staatsrat) lehnt einen solchen Ansatz ab, wenn auch aus einer anderen Perspektive. Nach seiner Ansicht, der ich mich anschließe,

–      müssen zum einen die Mitglieder der wesentlichen Organe des CONI (selbst wenn es sich hauptsächlich um Personen aus den nationalen Sportverbänden handelt) „die ihnen obliegenden Amtspflichten beachten und dabei ihre Herkunft außer Acht lassen“,

–      und zum anderen unterliegt „das CONI wiederum der Aufsicht des Ministers …, der gemäß Art. 13 des Decreto legislativo Nr. 242/1999 ,die Auflösung des Nationalen Ausschusses und die Abberufung des Präsidenten des CONI … anordnen [kann]‘“(92).

102. Als Kriterium dafür, wer wen kontrolliert, kann allein auf die rechtliche Gestaltung der Beziehungen zwischen dem CONI und den nationalen Sportverbänden abgestellt werden. Sollte sich, obwohl die Rechtsvorschriften dem CONI die Befugnis zur Aufsicht über die Sportverbände zuweisen, die Beziehung de facto ändern, weil die aus den Sportverbänden stammenden Mitglieder des CONI „ihre Herkunft [nicht] außer Acht lassen“ und vergessen, dass sie öffentliche Aufgaben ausüben, hätten wir es mit einer Anomalie(93) zu tun, die korrigiert werden müsste.

103. Folglich muss das vorlegende Gericht bei der Entscheidung, ob die FIGC eine Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinie 2014/24 ist, auf die rechtliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem CONI und den nationalen Sportverbänden abstellen, unabhängig von etwaigen Abweichungen, die in der Praxis auftreten.

V.      Ergebnis

104. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) wie folgt zu antworten:

1.      Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG kann ein nationaler Sportverband als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden, wenn er nicht nur eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, sondern auch zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, und seine Verwaltung der Aufsicht durch eine andere Einrichtung des öffentlichen Rechts unterliegt, wie z. B. ein Nationales Olympisches Komitee, dem die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats diesen Status verleihen.

2.      Das nationale Gericht kann davon ausgehen, dass die nationalen Sportverbände im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllen, wenn die ihnen von der Rechtsordnung im Rahmen eines Monopols zugewiesenen öffentlichen Aufgaben, die den Daseinszweck dieser Einrichtungen ohne Erwerbszweck darstellen, den Wesenskern ihrer Tätigkeit ausmachen und ihre übrigen Tätigkeiten rein instrumenteller Art sind. Insoweit ist es unerheblich, ob der nationale Sportverband finanziell unabhängig oder von öffentlichen Beiträgen abhängig ist.

3.      Für die Entscheidung, ob eine Stelle der öffentlichen Verwaltung wie das am Ausgangsverfahren beteiligte Nationale Olympische Komitee, die Aufsicht über die nationalen Sportverbände ausübt, muss das Gericht eine Gesamtbeurteilung aller Befugnisse vornehmen, die dieses Komitee in Bezug auf die Verwaltung der Verbände hat. Als Hinweis auf die Kontrollbefugnisse des Nationalen Olympischen Komitees können grundsätzlich folgende Befugnisse angesehen werden:

–        die Befugnis zur Anerkennung der nationalen Sportverbände zu sportlichen Zwecken nach der Genehmigung ihrer Satzung sowie gegebenenfalls zum Widerruf dieser Anerkennung;

–        die Befugnis zum Erlass von Richtlinien und Entscheidungen über die öffentlichen Tätigkeiten der nationalen Sportverbände;

–        die Befugnis, die allgemeinen Vorschriften sowie die Richtlinien und Entscheidungen des Nationalen Olympischen Komitees gegenüber den nationalen Sportverbänden durchzusetzen sowie bei schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung oder schweren sportrechtlichen Verstößen die kommissarische Leitung der Verbände zu übernehmen;

–        die Befugnis, die Arbeitsweise der nationalen Sportverbände ständig zu überwachen;

–        die Befugnis, den Haushalt, die Tätigkeitsprogramme und die Jahresabschlüsse der nationalen Sportverbände zu genehmigen und die Rechnungsprüfer zu ernennen, die das Komitee in den Verbandsorganen (gegebenenfalls mit einer entscheidenden Mehrheit im Kollegium der Rechnungsprüfer) vertreten.

4.      Die qualifizierte oder sogar mehrheitliche Beteiligung der Vertreter der nationalen Sportverbände an den Organen des Nationalen Olympischen Komitees schließt nicht aus, dass die Verbände als Einrichtungen des öffentlichen Rechts angesehen werden können, die der Aufsicht dieses Komitees unterliegen.































































































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